6. Sippe: Seeohren (Haliotis)

[294] Wegen zahlreicher, meist fossiler Zwischenformen reihen sich an die obigen Gattungen die Seeohren (Haliotis) so natürlich an, daß es nicht nöthig ist, eine besondere Familie aus ihnen zu bilden. Zwar das Gehäuse hat kaum noch eine Aehnlichkeit mit den gestreckteren Formen der Kreiselschnecken. Es gleicht ungefähr dem menschlichen Ohre und ist flach und schüsselförmig. Die Windungen wachsen so rasch, daß die letzte den bei weitem größten Theil bildet. Sie ist auf der linken Seite mit einer dem Rande parallelen Reihe von Löchern versehen, durch welche das Thier fadenförmige Anhänge des Fußes steckt und das Wasser zu den Kiemen tritt. Von außen ist die Schale nicht schön, oft gerunzelt oder auch mit grünlichen und röthlichen Streifen gezeichnet. Die Innenseite aber irisirt in den herrlichsten Farben, unter denen Kupfergrün vorherrscht. Eine ziemlich ausgedehnte rauhe Stelle bezeichnet den Umfang der Verwachsung des Thieres mit dem Gehäuse. Aber auch das Thier ist mit allerlei Anhängen schön geziert, indem auf der über die Schale hervorragenden Mantelfalte grüne und weiße Fransen und Fäden sich erheben. Die Seeohren leben in der Strandzone, jedoch in der Region, daß sie bei der Ebbe nicht ganz aufs Trockene gesetzt werden. Sie lieben die felsigen Ufer und halten sich über Tag meist unter Steinen versteckt, um während der Dunkelheit die Tange abzuweiden. Mehr als siebzig Arten sind über die Meere der heißen und gemäßigten Zone verbreitet. Der englische Kanal ist ihre Nordgrenze. Im Mittelmeere ist Haliotis tuberculata gemein, begabt mit allen den anziehenden äußeren Eigenschaften ihres Geschlechtes. Dieselbe geht im Adriatischen Meere bis über die Mitte der dalmatinischen Küste. Am Strande von Lesina habe ich kleinere Exemplare unter Steinen gefunden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 294.
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