1. Sippe: Indris (Lichanotus)

[244] »Indri, Indri« – schau, sieh her – sagten die Madagaschen zu dem reisenden Naturforscher Sonnerat, um ihn auf einen Lemur aufmerksam zu machen, welcher seines abweichenden Baues halber nothwendigerweise die Aufmerksamkeit der Eingeborenen und des gedachten Naturforschers erregen mußte. Sonnerat wählte den von ihm falsch verstandenen Ausruf zur Bezeichnung des Thieres selbst und gab ihm damit einen Namen, welcher den Madagaschen erklärlicherweise unverständlich ist. Nachdem man noch eine Art oder wenigstens eine Spielart der Gruppe unterschieden und beschrieben hat, wird der Name Indri als Bezeichnung einer besonderen Sippe gebraucht und mag deshalb auch von uns beibehalten werden.

Die Indris (Lichanotus) vertreten, wenn man so sagen will, die Menschenaffen innerhalb ihrer Familie, gelten auch als die am höchsten entwickelten aller Lemuren. Ihr Kopf ist im Verhältnis zu dem stämmigen Leibe klein oder doch nur mittelgroß und spitzschnäuzig; die Vorderglieder sind nicht viel kürzer als die hinteren, die einen wie die anderen besonders ausgezeichnet durch die Länge der Hände und Füße und ebenso der kräftigen Daumen und Daumenzehen, welche den übrigen, bis zur Mitte durch Bindehaut vereinigten Fingern und Zehen entgegengestellt werden können und mit ihnen wahre Klammerfüße bilden. Der Schwanz erscheint nur als verkümmerter Stummel Verhältnismäßig kleine Augen und ebenso kleine, fast ganz im Pelze versteckte Ohren, deren Muscheln auf der Innenseite nackt, auf der äußeren dicht behaart sind, tragen zur weiteren Kennzeichnung bei. Der sehr dichte, fast wollige Pelz überkleidet nicht nur den ganzen Leib, sondern auch die Hände und Füße und Finger und Zehen bis zu den Nägeln herab. Das Gebiß besteht aus vier durch eine weite Lücke getrennten oberen, vier dicht zusammenliegenden, schief gestellten langen unteren Schneidezähnen und einem Eckzahne, zwei Lückzähnen und drei vierhöckerigen Mahlzähnen in jedem Kiefer, deren untere größer und stärker als die oberen sind.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCXLIV244.
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