Koboldmaki (Tarsius spectrum)

[273] Das Gespenstthier oder der Koboldmaki (Tarsius spectrum, Lemur spectrum, Didelphis macrotarsus, Tarsius maucauco, T. Pallasii, T. Bancanus, T. fuscomanus, T. Fischeri) ist, falls man sich so ausdrücken darf, eine Wiedergabe des Frosches in der Klasse der Säugethiere. Unverkennbare Aehnlichkeit mit dem Gesichte eines Laubfrosches zeigt das seinige, und ebenso erinnern die Hände und Füße durch gewisse, später zu beschreibende Eigenthümlichkeiten an die des gedachten Lurches, mit dessen Bewegungen die seinigen ebenfalls bis zu einem gewissen Grade übereinstimmen. Der große Kopf würde kugelig sein, wenn nicht die Schnauze als ein kurzer, ziemlich breiter Kegel aus der Gesichtsfläche hervorträte. Hierdurch gerade und durch die im Verhältnis zur Schnauzenlänge ungemein weite, bis unter die Augen sich ziehende Mundspalte und die dicken Lippen erhält das Gesicht den Ausdruck des Froschartigen. Dieser Ausdruck wird durch die ungemein großen, eulenartigen Augen, verhältnismäßig wohl die größten, welche ein Säugethier überhaupt besitzt, noch wesentlich vermehrt. Sie nehmen buchstäblich den größten Theil des ganzen Gesichtes ein, stehen ziemlich nahe bei einander und haben einen Durchmesser von mindestens 1,5 Centim. Minder eigenthümlich, weil auch bei anderen Säugethieren vorkommend, erscheinen die Ohren, welche großen, weiten, auf einem kurzen röhrenförmigen Stiele sitzenden Löffeln gleichen, am Vorderrande eine außen scharfkantige, nach innen eine durch den Anfang der Ohrleiste abgesetzte schmale Fläche, am Hinterrande einen durch die Gegenleiste abgegrenzten, vertieften Saum und im Innern der Muschel vier über einander stehende Querbogen [273] zeigen. Der Hals hat nur geringe Länge und läßt sich kaum als selbständigen Theil unterscheiden; der Rumpf ist vorn am breitesten, weil die Schultern stark hervortreten; der Rücken erscheint eingesunken, die Brust schmäler als der Rücken. Die Vorderglieder fallen wegen des sehr kurzen Oberarmes ebenso sehr durch ihre Kürze wie die hinteren durch ihre Länge auf, da letztere sogar den Rumpf übertreffen. Im Verhältnis zur Länge der Arme müssen die Hände als sehr lang bezeichnet werden.


Koboldmaki (Tarsius spectrum). 1/2 natürl. Größe.
Koboldmaki (Tarsius spectrum). 1/2 natürl. Größe.

Das Verhältnis der einzelnen Finger ist ein anderes als bei den meisten Lemuren, da der Mittelfinger der längste ist und äußerlich fast dreimal länger als der Daumen erscheint, welcher seinerseits noch ziemlich bedeutend hinter dem Kleinfinger zurücksteht. Wie bei einigen Galagos sind in der Handfläche und an den Fingerenden große polsterartige Ballen ausgebildet. Einer von ihnen liegt unter dem Handtheile des Daumens, zwei unter der Wurzel des Mittel- und Goldfingers und je einer an den Fingerspitzen. Die Oberschenkel haben beträchtliche Stärke, und die Unterschenkel erscheinen ihnen gegenüber schlank, die bis auf die eigentliche, d.h. erst an der Theilungsstelle der Zehen beginnende Fußsohle dünnbehaarten Fußwurzeln sogar klapperdürr. Der Fuß entspricht bis auf die Bildung der Nägel der zweiten und dritten Zehe im allgemeinen der Hand, nur daß die Daumenzehe vollkommener als der Daumen den anderen Fingern den übrigen Zehen entgegengestellt werden kann und die Ballen an den Zehenspitzen beträchtlich größer sind; auch ist nicht die dritte, sondern die vierte Zehe die längste. Alle Finger tragen dreiseitige, flache, nur längs der Mitte etwas gewölbte, an den Rändern gebogene, an der Spitze ausgezogene Nägel, die große und die beiden äußeren Zehen durchaus ähnlich gebildete, die beiden inneren Zehen dagegen anstatt des Plattnagels aufrecht stehende, wenig gekrümmte, spitze und scharfe Krallen. Der Schwanz endlich ist drehrund und gleichmäßig sanft verjüngt. Das Gebiß unterscheidet sich von dem aller übrigen [274] Halbaffen dadurch, daß es nicht die schmalen, wagerecht vorgezogenen unteren Schneidezähne, sondern aufrecht stehende, fast ebenso sehr an die der Kerbthierräuber wie an die anderer Halbaffen und Affen erinnernden Schneidezähne, verhältnismäßig breite, scharfe, schneidend zackige Lück- und Mahlzähne besitzt. Von ersteren enthält das Gebiß, nach Burmeisters Untersuchungen, im oberen Kiefer vier, im unteren zwei, außerdem jederseits oben einen Eckzahn, einen Lückzahn, zwei falsche Mahlzähne und drei Kauzähne, unten einen Eckzahn, zwei Lückzähne, einen falschen Mahlzahn und drei Kauzähne. Der Schädel entspricht in seiner Form dem kugeligen äußeren Ansehen des Kopfes vollkommen und unterscheidet sich von denen aller anderen Halbaffen durch die kurze, spitze Nase und die weiten Augenhöhlen, welche letztere durch ihre scharfen, fast schneidenden, hoch vorragenden Ränder und die Breite der vom Oberkiefer wie vom Stirnbeine ausgehenden, ihre hintere Wand bildenden Fortsätze besonders auffallen. Alle Knochen sind dünn und zart, die Schädeldecke kaum stärker als ein Kartenblatt, so daß man sie mit einem Messer leicht durchschneiden kann. In der Wirbelsäule zählt man 7 Hals-, 13 oder 14 Rücken-, 6 Lenden-, 3 Kreuzbein- und 31 bis 33 Schwanzwirbel. Von den 13 oder 14 Rippen sind 7 oder 8 wahre und 6 falsche, und begründet sich hierauf, d.h. auf die verschiedene Anzahl der Rippen überhaupt die Ansicht mehrerer Naturforscher, daß die Sippe zwei Arten zählt. Das etwas wollige, feine Fell bekleidet in gleichmäßiger Dichtigkeit Kopf, Rücken und die Außenseite der Glieder, verkürzt sich auf der Brust und dem Bauche und wird auf dem Nasenrücken, an den Nasenflügeln und dem oberen Mundrande so kurz, fein und sperrig, daß diese Theile nackten Stellen gleichen, ohne es wirklich zu sein. Die Ohrmuschel trägt außen, besonders am Grunde und in der Mitte kurze, die innere Ohrmuschel äußerst feine, kaum bemerkbare Härchen und ist von der Mitte bis zur Spitze vollständig nackt. An mehreren Stellen des Kopfes wie an der Ober- und Unterlippe, der Nase, neben dem inneren Augenwinkel und an der Backe stehen einzelne Borstenhaare, und die Augenliderränder sind mit weichen verlängerten Wimpern umgeben. Auf den Vorder- und Hintergliedern reicht das dichtere Haar bis zur Hand- und Fußwurzel, hier in ein kurzes, feines und sperriges übergehend, welches den ganzen Handrücken und die Finger bekleidet. Der Schwanz ist am Grunde lang und dicht, hierauf spärlich und borstig, am hintersten Drittel lang, fast buschig behaart. Die Färbung des Pelzes ist gelbbraungrau mit einem leichten Anfluge von Rothbraun. Auf der Stirn, dem Rücken und der oberen Seite der Schenkel, auf Scheitel und Nacken dunkelt die Färbung, auf der Brust geht sie ins Weißliche über. Die Behaarung der Schwanzspitze ist gelblich. Das Auge hat nach Cumming braune, nach Jagor gelbe Iris. Ausgewachsene Stücke erreichen eine Länge von 40 Centim., wovon 23 bis 24 auf den Schwanz gerechnet werden müssen.

Ueber die Lebensweise des Gespenst- oder Koboldmaki's liegen Berichte von Raffles, Cumming und Salomon Müller vor, denen ich noch einige wichtige Angaben von Rosenberg und Jagor hinzufügen kann. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich, laut Wallace, über alle malaiischen Inseln westlich bis Malakka; doch tritt das Thierchen nirgends häufig auf. Sein Namenreichthum und noch mehr die über ihn umlaufenden Fabeln beweisen, daß er allen Eingeborenen als ein in hohem Grade auffallendes Geschöpf erscheint. Auf Sumatra heißt er nach Raffles »Singapua«, auf der zu den Philippinen gehörigen Insel Bohal, laut Cumming, »Malmay«, bei den Dajakers, nach Angabe von Salomon Müller, »Ingger«, auf Celebes, laut Rosenberg, »Tarrdabana«, auf Samar, laut Jagor, »Majo«. Zum Aufenthaltsorte wählt sich der Gespenstmaki, nach Angabe von Rosenberg, ebene Wälder, woselbst er sich am Tage an dunkeln, feuchten Stellen im dichten Laube oder in Baumlöchern verbirgt. Nach Cumming lebt er im Gewurzel der Bäume, besonders der großen Bambusstämme, ausschließlich in den dichtesten Waldungen, überall einzeln und selten. Männchen und Weibchen werden gewöhnlich zusammen gesehen, weshalb die Eingeborenen, nachdem sie eines der Thierchen erlangt haben, Sorge tragen, auch das andere zu bekommen. In der Art und Weise, wie er sitzt und springt, erinnert er, laut Salomon Müller und Rosenberg, unwillkürlich an einen Laubfrosch, nimmt oft eine ähnliche Stellung an, springt [275] wie ein Frosch und macht Sätze von fast einem Meter Weite. Ueber Tags ist er so wenig scheu, daß er zuweilen von einem hohen Baume oder Strauche herab den Vorübergehenden auf den Leib springt und sich mit der Hand greifen läßt. Seine unverhältnismäßig großen, kugelig vorspringenden Glotzaugen, deren Stern sich je nach den einfallenden Lichtstrahlen schnell vergrößern und verkleinern kann, haben ihn bei den Eingeborenen zu einem gespensterhaften Wesen gestempelt. Man betrachtet ihn als ein verzaubertes Thier und nach den Grundsätzen der Seelenwanderung als den Geist eines Missethäters, welcher Zauberkräfte besitzt. »Singapua« bedeutet, nach Raffles, »kleiner Löwe« und hängt ebenfalls mit einer Fabel der Eingeborenen zu sammen, welche berichtet, daß das Thier ursprünglich so groß wie ein Löwe war, aber in neuerer Zeit zu der Größe herabsank, welche es jetzt besitzt. Die Eingeborenen Sumatra's haben eine solche Furcht vor ihm, daß sie ihre Reisfelder angenblicklich verlassen, wenn sie einen Gespenstmaki auf einem Baume neben demselben erblicken, weil ihrer Meinung nach sonst ohne Zweifel ein Unglück über sie oder ihre Familie kommen müsse. Diese Fabelei erstreckt sich auch auf die Angaben über die Nahrung unseres Thierchens. Schon Peter Camel bemerkt Anfang des vorigen Jahrhunderts, daß das Gespenstthierchen nach Ansicht der Eingeborenen von Holzkohle lebe, daß dies aber falsch sei, da es sich von Bananen und anderen Früchten ernähre. Jagor, welcher zwei Koboldmakis lebend erhielt, wurde in gleicher Weise berichtet und erfuhr erst durch eigene Versuche, daß das Thierchen selbst Pflanzenkost verschmäht und hauptsächlich Kerbthiere, letztere jedoch mit großer Auswahl, frißt. Cumming behauptet, daß die Nahrung unseres Halbaffen aus Eidechsen bestehe, und daß er diese Kriechthiere aller übrigen Kost vorziehe, bei großem Hunger jedoch auch kleine Krebse und Küchenschaben zu sich nähme; Salomon Müller gibt neben den Kerbthieren noch verschiedene Früchte als Nahrung an.

Cumming ist der erste, welcher über einen gefangenen Gespenstmaki Ausführlicheres mittheilt. »Er ist sehr reinlich in seinen Gewohnheiten«, sagt er; »niemals berührte er ein Nahrungsmittel, welches schon theilweise verzehrt war, und niemals trank er zum zweiten Male aus demselben Wasser. Im Verhältnis zu seiner Größe frißt er sehr viel. Beim Trinken schlappt er das Wasser wie eine Katze, aber sehr langsam. Die für ein so kleines Thierchen auffallend große Losung gleicht der eines Hundes. Ueber Tags schläft er sehr viel und bekundet den größten Abscheu gegen das Licht, weshalb er sich stets nach den dunkelsten Stellen begibt. Nähert man sich seinem Käfige, so heftet er seine großen, offenen Augen lange Zeit auf den Gegenstand, ohne eine Muskel zu bewegen; kommt man näher, oder wirft man etwas nahe an ihn heran, so fletscht er die Zähne gleich einem Affen, indem er die Gesichtsmuskeln auseinanderzieht. Selten macht er Geräusch, und wenn er einen Ton hören läßt, so ist es ein einfacher, kreischender Laut. Bei geeigneter Pflege wird er sehr bald zahm und ungemein zutraulich, beleckt Hände und Gesicht, riecht am Leibe seines Freundes herum und bemüht sich, geliebkost zu werden.«

Nicht minder günstig spricht sich Jagor aus. »In Loquilocun und Boranjen hatte ich Gelegenheit, zwei Gespenstmakis zu erwerben. Diese äußerst zierlichen, seltsamen Thierchen sollen, wie man in Luzon versicherte, nur in Samar vorkommen. Mein erster Majo mußte anfänglich etwas hungern, weil er Pflanzenkost verschmähte, verzehrte dann aber lebende Heuschrecken mit großem Behagen. Es sah äußerst drollig aus, wie das Thier, wenn es bei Tage gefüttert wurde, aufrecht stehend, auf seine beiden dünnen Beine und den kahlen Schwanz gestützt, den großen kugelrunden, mit zwei gewaltigen gelben Augen versehenen Kopf nach allen Richtungen hin bewegte, wie eine Blendlaterne auf einem Dreibeingestell mit Kugelgelenk sich dreht. Nur allmählich gelang es ihm, die Augen auf den dargebotenen Gegenstand richtig einzustellen; hatte es ihn aber endlich wahrgenommen, so reckte es plötzlich beide Aermchen seitwärts und etwas nach hinten aus, wie ein Kind, welches sich freut, griff schnell mit Händen und Maul zu und verzehrte dann bedächtig seine Beute.

Bei Tage war der Maki schläferig, blödsichtig, wenn man ihn störte, auch mürrisch; mit abnehmendem Tageslichte aber wurde er munter und sein Augenstern erweiterte sich. Nachts [276] bewegte er sich lebhaft und behend mit geräuschlosen Sprüngen, am liebsten seitwärts. Er wurde bald zahm, starb aber leider schon nach wenigen Tagen; und ebenso konnte ich das zweite Thierchen nur kurze Zeit am Leben erhalten.«

Ueber die Fortpflanzung danken wir Cumming einige Angaben. »Ich hatte«, sagt er, »das Glück, mir unbewußt, ein trächtiges Weibchen zu bekommen, und war daher eines Morgens nicht wenig überrascht, daß es ein Junges zur Welt gebracht hatte. Dieses schien etwas schwach zu sein, glich aber der Mutter vollkommen. Seine Augen waren offen, sein Leib bereits mit Haaren bekleidet. Es hielt sich stets saugend zwischen den Beinen seiner Mutter auf und wurde so vollständig von ihr bedeckt, daß man selten mehr als seinen Schwanz bemerkte. Seine Kräfte nahmen schnell zu, und schon am zweiten Tage begann es außerhalb des Käfigs umherzukriechen, wenn auch noch mit sichtbarer Anstrengung. Doch erreichte es die Spitze der Stäbe, aus denen der Käfig gebildet war. Wenn Umstehende das Junge zu sehen wünschten, während die Mutter es bedeckte, mußte man sie aufstören. Dann wurde sie in der Regel böse, nahm das Junge ins Maul, ganz wie eine Katze, und schleppte es so eine Zeitlang umher. Auch sah ich sie zu anderen Zeiten, wenn sie nicht gestört worden war, mit ihrem Jungen im Maule aus dem Käfige hervorkommen. Letzteres hatte im Verlaufe von drei Wochen sehr an Größe zugenommen, als unglücklicherweise Jemand auf den Schwanz der Mutter trat, worauf sie nach wenigen Tagen starb. Das Junge folgte ihr einige Stunden später nach.«

Vor neunzig und einigen Jahren erhielt der Reisende Sonnerat aus einem Walde der Westküste Madagaskars zwei höchst sonderbare Thiere, von deren Dasein bis dahin noch Niemand Kunde gehabt hatte. Selbst auf der gegenüberliegenden Küste waren sie vollkommen unbekannt; wenigstens wurde unserem Naturforscher von den dort lebenden Madagassen versichert, daß die beiden, welche er lebend bei sich hatte, die ersten wären, welche sie jemals gesehen hätten. Sie schrieen bei Anblick derselben zur Bezeugung ihrer Verwunderung laut auf, und Sonnerat erhob diesen Ausruf, »Aye, Aye«, zum Namen der von ihm entdeckten Geschöpfe.

»Dieses vierfüßige Thier«, sagt Sonnerat, beziehentlich der erste Uebersetzer seines Reisewerkes, »hat viel Aehnlichkeit mit dem Eichhörnchen, ist aber doch durch einige wesentliche Kennzeichen von demselben unterschieden: es gleichet auch einigermaßen dem Maki und dem Affen.

Der Aye-Aye hat an jedem Fuße fünf Finger, davon die an den Vorderfüßen sehr lang und ein wenig krumm sind; welches macht, daß er sehr langsam geht: diese Finger sind auch mit krummen Nägeln versehen. Die zwei äußersten Gelenke des Mittelfingers sind lang, dünn und unbehaart: er bedient sich derselben, um aus den Ritzen der Bäume die Würmer hervorzuholen, von denen er sich nährt, und um diese Würmer in seinen Schlund zu stoßen; dem Ansehen nach dienen sie ihm auch, sich an die Baumäste zu hängen. Die Hinterfüße haben vier mit krummen Klauen versehene Finger: der fünfte oder innere bildet den Daumen und hat einen platten Nagel, gleich den Nägeln des Menschen. – Der Aye-Aye hat in jeder Kinnlade zwei Schneidezähne, die sehr nahe beisammen stehen und dem Schnabel eines Papageien ähnlich sehen: die unteren sind viel stärker als die oberen. – Er hat große, breite und flache Ohren: sie sind schwarz, glatt, glänzend, und an der Außenseite mit langen Haaren besetzt. – Ueber den Augen und der Nase, auf den Backen und am Kinn hat er Büschel von langen Haaren. – Das ganze Thier ist mit weißfalben Flaumen oder feinen Haaren bewachsen, aus denen große (starke) schwarze Haare hervorstechen. Der Vordertheil des Kopfes und Halses sind von falbem Weiß. Der Schwanz ist platt, buschig und mit langen Haaren besetzt. Ob es schon ganz schwarz scheint, sind die Haare desselben doch von ihrer Wurzel an bis zur Mitte ihrer ganzen Länge weiß. – Der Aye-Aye ist vom Kopfe bis zum Schwanze 18 Zoll 6 Linien und der Schwanz desselben 11/2 Fuß lang.«

[277] Ueber Vorkommen und Aufenthalt des Thieres berichtet uns Sonnerat gar nichts, über sein Betragen in der Gefangenschaft sehr wenig: »Dieses Thier«, sagt er, »scheint von der Art derjenigen zu sein, die sich in die Erde graben. Bei Tage sieht es nicht; sein Auge ist röthlich und starr, wie das Auge der Eule. Es ist sehr träge, folglich auch sehr sanft. Ich hatte ein Männchen und ein Weibchen, aber beide lebten nicht länger als zwei Monate; ich nährte sie mit gekochtem Reis, und sie bedienten sich der dünnen zwei Finger ihrer Vorderfüße, wie die Chinesen ihrer Stäbchen. Sie waren scheu, furchtsam, liebten sehr die Wärme, krochen immer zusammen, um zu schlafen, legten sich auf die Seite und verbargen ihren Kopf zwischen den Vorderfüßen. Sie lagen stets unbeweglich da; und nur durch vieles Rütteln konnte man sie dahin bringen, daß sie sich regten«.

Bis in die neuere Zeit blieb der von Sonnerat nach Europa gebrachte Aye-Aye der einzige, welchen man kannte, und die im Jahre 1782 erschienene Beschreibung die einzige Quelle für die Lebenskunde des seltenen Thieres. Man zeigte sich schon geneigt, ihn als ausgestorben anzusehen. Die erste Nachricht des Gegentheils gelangte im Jahre 1844 durch De Castelle zur Kenntnis der wissenschaftlichen Welt. Diesem Reisenden glückte es, einen jungen, lebenden Aye-Aye zu erhalten, und er beschloß, denselben der Sammlung des Pflanzengartens zu schenken.


Aye-Aye (Chiromys madagascariensis). 1/7 natürl. Größe. (Nach Wolf.)
Aye-Aye (Chiromys madagascariensis). 1/7 natürl. Größe. (Nach Wolf.)

Unglücklicherweise starb das Thier bevor es Europa erreichte; sein Fell aber und ebenso das Gerippe kamen in den Besitz der Pariser Sammlung, und es wurde hierdurch der Beweis geliefert, daß das letztgenannte Thier und Sonnerats Aye-Aye einer und derselben Art angehören. Noch bis Anfang der sechziger Jahre blieben diese beiden Stücke die einzigen, welche man kannte. Erst im Jahre 1862 erhielt die Zoologische Gesellschaft in London die freudige Nachricht, das zwei »Fingerthiere« oder »Nacktfinger«, wie man das Zwitterwesen inzwischen genannt hatte, auf Madagaskar gefangen waren und für den Thiergarten in Regents-Park unterwegs seien. Eines von diesen kam auch glücklich lebend, das andere wenigstens im Weingeiste an. Etwas später folgten noch mehrere andere Stücke, von denen drei vom Museum in Berlin erworben werden konnten.

[278] Nunmehr erst vermochten die Thierkundigen die Verwandtschaft des Aye-Aye unzweifelhaft festzustellen und ihm die gebührende Stellung im System anzuweisen. Bis dahin waren die Ansichten sehr getheilt gewesen. Buffon, welcher den von Sonnerat überbrachten Aye-Aye untersuchen konnte, stellte ihn in die Nähe der von ihm mit den Springmäusen vereinigten Gespenstmaki's; Gmelin führt ihn unter den Eichhörnchen auf; Schreber war der erste, welcher sich, freilich ohne das Thier selbst untersucht zu haben, dafür entschied, es zu den Halbaffen zu stellen; Illiger bildete eine besondere Familie in einer von ihm aufgestellten Ordnung, welche Affen, Halbaffen und einen Theil der Beutelthiere in sich vereinigen sollte; Blainville sprach sich im Jahre 1816 nach einer sorgfältigen Untersuchung des Schädels und eines Theiles der Hinterglieder entschieden für die Trennung des Aye-Aye von den Nagern und seine Vereinigung mit den Halbaffen aus, während die meisten Thierkundigen, unter ihnen selbst der ausgezeichnete Cuvier, ihn noch immer bei den Nagern beließen. Geoffroy St. Hilaire schloß sich im Jahre 1851 ohne Rückhalt der Blainville'schen Ansicht an, während andere ausgezeichnete Forscher, wie z.B. Milne Edwards und van der Hoeven, Cuvier folgten; Brand gelangte zu dem Ergebnis, daß die Sippe der Fingerthiere zwar durch eine größere Anzahl von Merkmalen den Halbaffen, aber durch eine nicht geringe Zahl nicht unwesentlicher Merkmale ebenso den Nagern verwandt sei, und schlug deshalb vor, für das Thier eine besondere, zwischen den Affen, Halbaffen und Nagethieren stehende Ordnung zu bilden; Giebel endlich beließ den Aye-Aye, ungeachtet der Ausführungen Geoffroy's, in seinem im Jahre 1859 erschienenen, allerdings wenig werthvollen, weil kaum auf eigenen Untersuchungen begründeten Werke über die Säugethiere, noch immer bei den Nagern. Erst durch Owens und Peter's Forschungen wurde die Streitfrage endgültig entschieden.

»Schon im Aeußeren«, bemerkt Peters, aus dessen Abhandlung ich im Nachstehenden einen gedrängten Auszug geben will, »entfernt sich das Fingerthier ebenso sehr von den Nagern, wie es den Halbaffen und unter diesen namentlich den dickschwänzigen Galagos sich anschließt. So zeigt der von dem kurzen Halse deutlich abgesetzte Kopf in seinem, dem des Körpers wenig nachstehenden Querumfange ein Verhältnis, wie es sich nur bei den Affen und Halbaffen, niemals aber bei den Nagern findet. Die sehr großen nackten Ohren stimmen in der Bildung aller einzelnen Theile ganz mit denen der Galago's überein, nur zeigen sie keine Querfalten, und der Rand der Ohrleiste bildet über der Gegenleiste einen deutlichen abgerundeten Vorsprung. Die mehr vordere Richtung der mäßig großen, mit runder sehr verengbarer Pupille versehenen Augen, die Entwickelung der Nickhautfalte, die sich nicht weit von den Augen plötzlich verschmälernde Schnauze, die nackte Nasenkuppe, die sichelartig gebogene Form der Nasenöffnung, die mittlere und die beiden seitlichen von den Nasenlöchern zur Lippe herabsteigenden Furchen, die dreieckige Mundspalte und die Bildung der Lippen zeigen, wenn man absieht von der durch die außerordentliche Entwickelung der Schneidezähne bedingte große Höhe der Schnauze, die auffallendste Uebereinstimmung mit den Galagos. Auch hinsichtlich der Bildung der Geschlechtstheile stimmen die Fingerthiere mit letzteren überein; eine Eigenthümlichkeit im Gegensatze zu den Halbaffen aber ist der Besitz von nur einem einzigen Paar Saugwarzen in der Weichengegend, während die Halbaffen außer einem Paar Bauchzitzen entweder ein oder zwei Paare Brustwarzen besitzen. Ferner treten die Oberarme und Oberschenkel in einer Weise aus dem Rumpfe hervor, wie es außer den Affen und Halbaffen nur noch bei den Faulthieren und kamelartigen Säugethieren der Fall ist. Die Sohlen der Gliedmaßen zeigen durch die weichen, wulstigen Gebilde, welche die kurzen Bindehäute zwischen dem Grunde der Finger und Zehen überragen, sowie durch die Bildung feiner Linien die größte Uebereinstimmung mit denen der Affen und Halbaffen, und die außer dem Plattnagel des freien Hinterdaumens den Krallen auf den ersten Anblick ähnlichen Nägel gehören nicht zu diesen, sondern ihrem ganzen Bau nach zu den Kuppennägeln, indem sie an der unteren Seite eine offene, tiefe Rinne bilden und nur etwas mehr, als es gewöhnlich bei den Affen der Fall ist, zusammengedrückt erscheinen. Ebenso besteht die größte Abweichung der Vorderglieder von denen der Halbaffen nur in dem [279] Verhältnis des dritten und vierten Fingers, indem der Daumen, abgesehen von seinem Nagel, ebenso gebaut ist wie bei diesen. Die Längenverhältnisse der Finger scheinen auf den ersten Anblick ähnlich wie bei den meisten übrigen Halbaffen zu sein, indem der vierte und demnächst der so auffallend dünne dritte Finger am meisten hervorragen. Dies geschieht aber nur dadurch, daß das Mittelhandglied des ungewöhnlich kurzen Mittelfingers außergewöhnlich verlängert ist. Faßt man das Vorhergehende zusammen, so ergibt sich daraus, daß der Aye-Aye in allen wesentlichen äußeren Merkmalen mit den Halbaffen übereinstimmt, dagegen kein einziges wesentliches Merkmal zeigt, in welchem er eine größere Annäherung an die Nager erkennen ließe als alle anderen Gattungen der Halbaffen.

Diejenigen, welche diese Sippe mit den Ratten und Mäusen in eine Ordnung zusammengestellt haben, stützen sich hauptsächlich auf die Beschaffenheit des Gebisses, indem wie bei den Nagern kein Eckzahn und oben wie unten nur zwei große, durch eine weite Lücke von den Backenzähnen getrennte Schneidezähne vorhanden sind. Die Backenzähne haben einen so einfachen Bau, wie er bisher bei den Nagern in keinem Falle gefunden worden ist, stimmen vielmehr in dieser Beziehung sowie in der Höckerbildung am meisten mit denen der altweltlichen Affen überein. Um jedoch über das Gebiß klar zu werden, ist es nothwendig, das Milchgebiß mit in Betracht zu ziehen, und dann zeigt sich, daß die nagerähnliche Anlage nur eine Folge der Verkümmerung gewisser Zähne ist. Beim neugeborenen Aye-Aye bemerkt man nach sorgfältiger Trennung des Zahnfleisches unter den Zwischenkiefern zwei große Milchschneidezähne, unmittelbar hinter denen die Spitzen der bleibenden Schneidezähne sich hervordrängen; hierauf folgt sogleich jederseits ein zweiter hinfälliger Schneidezahn, auf diesen ein hinfälliger Eckzahn, auf letzteren nach einem Zwischenraume hinter einander zwei Milchbackenzähne. Die beiden vorderen Milchschneidezähne des Unterkiefers ähneln denen des oberen, sind jedoch merklich schmäler, die Spitzen der bleibenden Schneidezähne folgen unmittelbar hinter ihnen. Dahinter kommt die Krone eines Zähnchens zum Vorscheine, welches seiner Länge nach dem zweiten hinfälligen, oberen Schneidezahn entsprechen dürfte, und nach einem Zwischenraume folgen dann die beiden Milchbackenzähne. Erst die Vergleichung des Milchgebisses mit dem bleibenden lehrt den Zahnbau vollständig kennen. In ihm finden sich also oben und unten vier Schneidezähne, oben jederseits ein Eckzahn und oben und unten zwei Backenzähne, während sich im bleibenden Gebiß oben und unten zwei Schneidezähne, kein Eckzahn, oben jederseits ein Lück- und drei Backenzähne, unten aber nur drei Backenzähne zeigen. Die Wirbelsäule besteht aus 7 Hals-, 13 Rücken-, 6 Lenden-, 3 Kreuzbein- und 22 bis 24 Schwanzwirbeln; die Wirbel stimmen in allen denjenigen Punkten, worin die Halbaffen von den Nagern abweichen, mit denen der ersteren überein. Dasselbe gilt für den Bau des Schädels und der Glieder, so daß also gegenwärtig jeder Zweifel über die Stellung des Thieres beseitigt ist.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. CCLXXIII273-CCLXXX280.
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