Stumpfnashorn (Rhinoceros simus)

[518] Das Stumpfnashorn, Monuhu, Kobâba und Tschikori der Eingeborenen Südafrikas, Weißnashorn der Boers am Vorgebirge der Guten Hoffnung (Rhinoceros simus, Rhinoceros camus, Oswellii und Burchellii, Ceratotherium simum), wird, einschließlich des 60 Centim. messenden Schwanzes, reichlich 5 Meter lang und übertrifft somit alle Familienverwandten [518] an Größe. Als bezeichnende Merkmale der Arten werden, außer den bereits mitgetheilten, folgende angegeben: der Kopf ist so außerordentlich lang, daß er fast ein Drittheil der Gesammtlänge einnimmt, das vordere meterlange Horn in der Regel sanft nach vorwärts gebogen, das hintere kurz und stummelhaft, das Ohr ziemlich lang und spitzig, der Hals kurz, der Leib sehr dick, die Haut durch zwei vom Nacken auf die Brust laufende Furchen gezeichnet, die vorherrschende Färbung derselben ein bis zu Lichtgrau verblassendes Lichtgelb oder Blaßgraubraun, welches auf Schultern und Schenkeln sowie am Unterleibe zu dunkeln pflegt. Wesentlicher noch als durch die angegebenen unterscheidet sich das Stumpfnashorn durch die ihm eigenthümliche Bildung des Schädels und die Verminderung der Rückenwirbel, welche von zwanzig auf achtzehn gesunken sind.

Sein Verbreitungsgebiet soll auf die südliche Hälfte Afrikas beschränkt sein; es dürfte jedoch auch diesseit des Gleichers, in den südlich von Habesch gelegenen Steppen, gefunden werden.

Das von Gray wegen seines langen, vorwärts gerichteten Hornes unterschiedene Kobâbanashorn (Rhinoceros Oswellii) ist unzweifelhaft das von Wagner aufgestellte Kapuzennashorn (Rhinoceros cucullatus) und wahrscheinlich mit dem Stumpfnashorn gleichartig.

Die Alten haben das Nashorn sehr wohl gekannt. Auf den altegyptischen Denkmälern kommt es, laut Dümichen, als erklärendes Bild hinter dem Worte »Ab« vor. »Die Zeichnung stellt außer Zweifel, daß nur dieses Thier dort gemeint sein kann, und führte es wohl wegen seiner an die Stoßzähne erinnernden, ebenfalls nach oben gebogenen Hörner bei den alten Egyptern denselben Namen wie der Elefant.« Für mich steht fest, daß es das Einhorn der Bibel ist, von welchem Hiob sagt: »Meinest du, das Einhorn werde dir dienen und werde bleiben an deiner Krippe? Kannst du ihm dein Joch anknüpfen, die Furchen zu machen, daß es hinter dir brache in Gründen? Magst du dich darauf verlassen, da es so stark ist, und wirst es dir lassen arbeiten? Magst du ihm trauen, daß es deinen Samen dir wiederbringe und in deine Scheunen sammle?« Der Urtext nennt dieses Thier Rêm und schreibt ihm bald ein Horn, bald zwei Hörner zu. Die Römer, welche das einhörnige ebensowohl wie das doppelhörnige kannten, ließen beide auf ihren Kampfplätzen arbeiten. Nach Plinius brachte Pompejus neben dem Luchs aus Gallien und dem Pavian aus Aethiopien das erste einhörnige Nashorn im Jahre 61 v.Chr. zu den Spielen nach Rom. »Das Nashorn«, erzählt Plinius, »ist der geborene Feind des Elefanten. Es wetzt das Horn an einem Steine und zielt im Kampfe vorzüglich nach dem Bauche, wohl wissend, daß er weicher ist, und so erlegt es den Elefanten.« Dem fügt er hinzu, daß man schon bei Meroe Nashörner finde, und dies ist ganz richtig; denn dort gibt es deren heutzutage noch. »In der Stadt Aduleton, dem größten Handelsplatze der Troglodyten und Aethiopier, fünf Tagereisen zu Schiffe von Ptolemais, werden Elfenbein, Hörner des Nashorns, Leder vom Flußpferde und andere derartige Handelsgegenstände verkauft.« Der erste, welcher von diesen Tieren spricht, ist Agatharchides; auf ihn folgt Strabo, welcher in Alexandrien ein Nashorn gesehen hat. Pausanias führt es unter dem Namen »äthiopischer Ochse« auf. Martial besingt beide Arten:


»Auf dem geräumigen Plan, o Cäsar, führet das Nashorn

Solcherlei Kampfe dir aus, als es sie nimmer verhieß.

Wie in erbittertem Rasen erglühete stürmend das Unthier!

Wie gewaltig durchs Horn, welchem ein Ball war der Stier!«


sagt er von dem einhörnigen und


»Während bekümmerte Hetzer zum Kampfe aufreizten das Nashorn

Und lange sammelnd den Zorn dieses gewaltigen Thieres,

Schwindet dem Volke die Hoffnung des Kampfes vor großer Erwartung,

Aber dem Unthier kehrt wieder die eigene Wuth;

Denn es erhebt mit doppeltem Horn den gewaltigen Bären,

Leicht, wie die Doggen der Stier wirft zu den Sternen empor.«


von dem zweihörnigen.

[519] Die arabischen Schriftsteller sprechen schon sehr frühzeitig von beiden Arten und unterscheiden die indischen und afrikanischen; in ihren Märchen kommen sie nicht selten als zauberhafte Wesen vor. Marco Polo, der bekannte und für die Thierkunde so wichtige Schriftsteller, ist der erste, welcher nach langer Zeit, während man nichts von Nashörnern vernimmt, das Stillschweigen bricht. Er hat es auf seiner Reise im dreizehnten Jahrhundert in Indien und zwar auf Sumatra wieder gesehen. »Sie haben dort«, sagt er, »viel Elefanten und ›Löwenhörner‹, welche zwar gleiche Füße haben, aber viel kleiner sind als jene und in der Behaarung dem Büffel ähneln. Sie tragen ein Horn mitten auf der Stirne, thun damit aber niemandem etwas. Wenn sie jemanden angreifen wollen, werfen sie ihn vielmehr mit den Knien nieder und stoßen dann mit der Zunge, die mit einigen langen Stacheln besetzt ist, auf ihn los. Ihren Kopf, welcher dem des Wildschweins ähnelt, tragen sie immer gegen die Erde gekehrt. Sie halten sich gern im Schlamme auf und sind überhaupt rohes, garstiges Vieh.« Im Jahre 1513 erhielt Emanuel von Portugal aus Ostindien ein lebendes Nashorn. Sein Ruf erfüllte alle Länder. Albrecht Dürer gab den erwähnten Holzschnitt heraus, welchen er nach einer schlechten, ihm aus Lissabon zugekommenen Abbildung angefertigt hatte. Derselbe stellt ein Thier dar, welches aussieht, als ob es mit Schabracken bekleidet wäre und Panzerschuppen an den Füßen trage, zeigt auch ein kleines Horn auf der Schulter. Fast zweihundert Jahre lang war jener Holzschnitt des berühmten Meisters das einzige Bild, welches man von dem Nashorn besaß; kein Wunder daher, daß ihn auch der alte Geßner verwendete. Erst Chardin, welcher in Ispahan ein Nashorn sah, hat zu Anfange des vorigen Jahrhunderts eine bessere Abbildung gegeben. Die Lebensschilderung hatte Bontius um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts berichtigt. Von nun an beschreiben alle naturkundigen Reisenden die eine und andere Art, mit besonderer Ausführlichkeit aber die südafrikanischen Nashörner, so daß es gegenwärtig leichter ist, ein allgemeines Lebensbild der Thiere zu entwerfen, als die verschiedenen Arten selbst zu kennzeichnen.

Im großen und ganzen ähneln sich alle Nashörner in ihrer Lebensweise, in ihrem Wesen, in ihren Eigenschaften, Bewegungen und in ihrer Nahrung; doch scheint immerhin jede Art ihre Eigenthümlichkeiten zu haben. Unter den asiatischen Arten z.B. gilt das Nashorn als ein außerordentlich bösartiges Geschöpf; das Waranashorn wird schon als viel gutmüthiger und das auf Sumatra lebende als harmlos geschildert. Aehnlich verhält es sich mit den afrikanischen. Das Doppelnashorn wird trotz seiner geringen Größe als das wüthendste aller afrikanischen Thiere, das Stumpfnashorn dagegen als ein wirklich harmloses Wesen bezeichnet. Etwas wahres wird wohl an dieser Auffassung, die volle Wahrheit aber die sein, daß jedes Nashorn beim ersten Zusammentreffen mit dem Menschen, und so lange es nicht gereizt wurde, als gutmüthig, durch böse Erfahrungen gewitzigt oder erzürnt, aber als bösartig sich erweist. Im allgemeinen werden die riesenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet als der Elefant. Die Araber des Sudân sind geneigt, in ihnen, wie im Nilpferde, Zaubergestalten zu erblicken: sie glauben, daß irgend ein böswilliger Hexenkünstler die Gestalt dieser Thiere annehmen könne, und versuchen ihre Ansicht damit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wuth keine Grenzen kennen. »Der Elefant«, so sagen sie, »ist ein gerechtes Thier, welches das Wort des Gottgesandten Mahammed (über welchem der Friede des Allbarmherzigen sei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte Mittel der Abwehr wohl achtet; Nilpferde und Nashörner aber kümmern sich nicht im geringsten um alle Amulete, welche unsere Geistlichen schreiben, um die Felder zu bewahren, und beweisen hierdurch, daß ihnen das Wort des Wahrheitsprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgültig ist. Sie sind verbannt und verworfen vom Anfange an. Nicht der Herr, der Allerschaffende, hat sie geschaffen, sondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb ist es den Gläubigen nicht gerathen, mit derartigen Wesen sich einzulassen, wie wohl die Heiden und christlichen Ungläubigen zu thun pflegen. Der Muselman gehe ihnen ruhig und still aus dem Wege, damit er seine Seele nicht beschmutze oder Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn.«

[520] Ein möglichst wasserreiches Gebiet: Sumpfgegenden, Flüsse, welche auf weithin ihr Bett überfluten, Seen mit umbuschten, schlammigen Ufern, in deren Nähe grasreiche Weideplätze sich befinden, Waldungen mit Bächen und ähnliche Oertlichkeiten bilden die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. So massigen und wohlgepanzerten Thieren gegenüber eröffnet selbst das verschlungenste Dickicht sein anderen Geschöpfen unnahbares Innere, erweisen sich auch die furchtbarsten Dornen machtlos. Daher begegnen wir fast sämmtlichen Arten in besonderer Häufigkeit in Wäldern, und zwar vom Meeresstrande an bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe empor, einzelnen ihnen in der Höhe noch regelmäßiger und häufiger als in der Tiefe. So findet sich z.B., laut Junghuhn, das Waranashorn auch in den in unserem Werke bereits wiederholt erwähnten Allangallang-Wildnissen, welche vom Seestrande an Ebenen und Berge Javas bis zu dreitausend Meter Meereshöhe bedecken, weit regelmäßiger und zahlreicher aber in den höher gelegenen Urwäldern, in denen viele kleine grasumbuschte Seen, Sümpfe und Wasserbecken zerstreut liegen; es ersteigt sogar die höchsten Berge der Insel und nimmt über Gipfel von dreitausend Meter unbedingter Höhe seinen Pfad. Auch das Doppelnashorn, ein Bewohner der von den dornigsten Mimosen gebildeten Dickichte Innerafrikas, welcher diese ihm Sicherheit und Ruhe gewährenden Plätze nur verläßt, um in der freieren Steppe zu weiden, wird, wie Heuglin mittheilt, in Westabessinien nicht allzu selten noch in Höhen von dritthalbtausend Meter über dem Meere angetroffen. Entsprechend der Bildung seiner Lippen, welche ein Grasen nach Art der Rinder erleichtert, meidet dagegen das Stumpfnashorn den geschlossenen Wald und nimmt lieber in der offenen Steppe seinen Stand. Unbedingtes Erfordernis für die Wahl des Aufenthaltsortes unserer Thiere ist Wasser. Täglich einmal besucht wohl jedes Nashorn ein Gewässer, um hier zu trinken und im Schlamme sich zu wälzen. Ein Schlammbad ist allen auf dem Lande lebenden Dickhäutern geradezu Bedürfnis; denn so sehr auch ihr Fell ihren Namen bethätigt, so empfindlich zeigt es sich. Zumal im Sommer peinigen Fliegen, Bremsen und Mücken alle größeren Säugethiere in wirklich unglaublicher Weise, und nur durch Auflegen einer dicken Schlammlage verschaffen sich diese einigermaßen Schutz und Frieden. Ehe sie noch auf Nahrung ausgehen, eilen die Nashörner zu den weichen Ufern der Seen, Lachen und Flüsse, wühlen mit dem Horne ein Loch und wälzen und drehen sich in diesem, bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt sind. Das Wälzen im Schlamme thut ihnen so wohl, daß sie dabei laut knurren und grunzen und sich von dem behaglichen Bade sogar hinreißen lassen, die ihnen sonst eigene Wachsamkeit zu vernachlässigen. Gegen die bösen Fliegen und Mücken schützt die Schlammdecke jedoch immer nur kurze Zeit, weil sie zunächst an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln abspringt und diese Theile nun den Stichen der Fliegen bloßstellt, ohne daß sich das Nashorn dagegen zu schützen vermöchte. Gepeinigt von seinen Quälgeistern, rennt es, seiner Trägheit vergessend, eilig den Bäumen zu, um dort sich zu reiben und die Qual für einige Augenblicke zu verringern.

Die Nashörner sind mehr bei Nacht als bei Tage thätig. Groß Hitze ist ihnen sehr zuwider; deshalb schlafen sie um diese Zeit an irgend einem schattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf dem Bauche liegend, den Kopf vorgestreckt und ebenfalls aufgelegt, oder stehen träge in einem stillen Theile des Waldes, wo sie durch die Kronen größerer Bäume gegen die Sonnenstrahlen geschützt sind. Solche Schlafplätze scheinen in der Regel wieder aufgesucht zu werden, weil man auf ihnen fast immer ungewöhnlich große Düngerhaufen der Thiere selbst bemerken kann. Und da nun auch diese bestäubende, gegen die Fliegen schützende Decke benutzt wird und beim Wälzen zur Unterlage dient, gewinnt es den Anschein, als ob die Nashörner absichtlich ihre Losung an bestimmten Stellen abzusetzen suchten. Alle Berichterstatter stimmen darin überein, daß der Schlaf der Thiere ein sehr gesunder ist. Mehrere von ihnen konnten ruhenden Nashörnern ohne besondere Vorsicht sich nähern: diese glichen fühllosen Felsblöcken und rührten sich nicht. Gordon Cumming erzählt, daß selbst die besten Freunde des Nashorns, mehrere kleine Vögel nämlich, [521] welche stets mit ihm ziehen, vergeblich bemüht waren, ein Doppelnashorn, welches er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die ältesten Berichterstatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das sonst vorsichtige Geschöpf am meisten beschlichen und getödtet würde. Gewöhnlich vernimmt man das dröhnende Schnarchen des schlafenden Nashorns auf eine gute Strecke hin und wird dadurch selbst dann aufmerksam gemacht, wenn man das versteckt liegende Thier nicht sieht. Doch kommt es auch vor, daß der Athem leise ein- und ausgeht, und man plötzlich vor einem der Riesen steht, ohne von dessen Vorhandensein eine Ahnung gehabt zu haben. So berichtet Sparrmann, daß zwei seiner Hottentotten dicht an einem schlafenden Nashorn vorbeigingen und dieses erst bemerkten, als sie bereits einige Schritte vorüber waren. Sie drehten sich sofort herum, setzten ihm ihre Gewehre dicht auf den Kopf und schossen beide mit Kugeln geladenen Läufe ab. Das Thier bewegte sich noch: sie luden ruhig wieder und erlegten es durch die nächsten Schüsse.

Mit Anbruch der Nacht, in vielen Gegenden aber auch schon in den Nachmittagsstunden, erhebt sich das plumpe Geschöpf, nimmt ein Schlammbad, reckt und dehnt sich dort behaglich und geht nun auf Weide aus. An den Quellen und Lachen erscheint es, in Afrika wenigstens, am häufigsten zwischen der dritten und sechsten Stunde der Nacht, und immer verweilt es dann mehrere Stunden an diesen so beliebten Orten. Später gilt es ihm allerdings ziemlich gleich, wohin es sich wendet. Es äst sich ebensowohl in den dichten, anderen Thieren kaum zugänglichen Wäldern wie auf offenen Ebenen, im Wasser nicht weniger als in dem Röhricht der Sümpfe, auf den Bergen ebenso gut wie in dem Thale. Selbst durch das verschlungenste Dickicht bahnt es sich mit der größten Leichtigkeit einen Weg. Die Zweige und dünneren Stämme müssen der in Bewegung gesetzten Masse weichen oder werden von ihr niedergebrochen, und nur um größere Stämme zu umgehen, beschreibt es eine kleine Biegung. Wo es mit Elefanten zusammenlebt, nimmt es gewöhnlich deren Wege an; doch verursacht es ihm keine Schwierigkeit, selbst solche zu bahnen. In den Dschungeln Indiens sieht man von ihm herrührende lange, schnurgerade Wege, auf denen alle Pflanzen seitlich niedergebrochen sind, während der Boden niedergestampft ist; im Inneren Afrikas gewahrt man ähnliche Gangstraßen, welche man als solche des Nashorns erkennt, wenn die Bäume rechts und links niedergebrochen sind, wogegen die von Elefanten herrührenden dadurch sich auszeichnen, daß die niederen hindernden Stämme ausgerissen, entlaubt und dann auf die Seite geworfen wurden. Nicht selten findet man in den indischen Gebirgsgegenden wohl ausgetretene Wege, welche über felsige oder steinige Abhänge von einem Walde zum anderen führen und durch das beständige Traben auf der gleichen Stelle förmlich in das Gestein eingegraben wurden, so daß schließlich tiefe Hohlwege entstehen. »Auf Java«, schreibt mir Haßkarl, »fand ich solche Wege noch auf Höhen von dreitausend Meter über dem Meere, ebenso wie in den feuchten Niederungen der Südküsten der Insel. Unter allen Umständen kann man, diesen Wegen folgend, mit Sicherheit darauf rechnen, schließlich zu einer Quelle oder Wasserlache zu gelangen. Hier und da ist ein Baumstamm quer über den oft mehr als einen halben Meter tief ausgetretenen Weg gestürzt, so daß das Nashorn nur mit Mühe darunter weglaufen kann; gleichwohl nimmt es nach wie vor den altgewohnten Wechsel an, denn man findet den unteren Theil des Stammes abgerieben, ja förmlich polirt.« Auch Heuglin hebt hervor, daß das Doppelnashorn regelmäßig seinen Wechsel einhält, nicht wie der Elefant ein umherschweifendes Leben führt, vielmehr seine Standorte nur selten, höchstens durch die Dürre gezwungen, verändert, und Mohr erzählt, ebenso wie Junghuhn und Haßkarl, von breit ausgetretenen Wegen der letztgenannten Art, welche auf den steilen Höhenzügen und Bergen südlich vom Sambesi, selbst auf den schroffsten Kuppen und Gipfeln zu bemerken waren und zuweilen als Fußpfade benutzt werden konnten. Ein Begehen dieser Gangstraßen ist immer gefährlich, laut Haßkarl, selbst auf Java, wo man die im ganzen durchaus friedliche Wara keineswegs fürchtet und sich gleichwohl sehr in Acht nimmt, ihr im dichten Walde, welcher kein Ausweichen gestattet, unbewaffnet, beziehentlich nicht auf ein Nashorn gerüstet, auf derartigen Pfaden entgegenzutreten.

[522] Hinsichtlich seiner Nahrung steht das Nashorn zum Elefanten in einem ähnlichen Verhältnisse wie der Esel zum Pferde. Am liebsten frißt es Baumzweige und harte Stauden aller Art, Disteln, Ginster, Sträucher, Schilfarten, Steppengras und dergleichen. In Afrika besteht seine Hauptnahrung aus den dornigen Mimosen, zumal aus den niederen, buschigen, deren eine Art, ihrer krummen, sich an alles anhakenden Dornen halber von den Jägern so bezeichnend »Wart ein Bischen« genannt wird. Während der Regenzeit verläßt es die Wälder und zieht sich da, wo Feldbau in der Nähe seines Aufenthaltes betrieben wird, nach dem angebauten Lande. Hier richtet es gewöhnlich unglaubliche Verwüstungen an; denn ehe der Magen von 1,5 Meter Länge und 75 Centim. Querdurchmesser gefüllt werden kann, muß eine bedeutende Menge von Kraut vernichtet sein. Bei den in der Gefangenschaft lebenden Nashörnern hat man die tägliche Nahrung gewogen und gefunden, daß das Thier mindestens fünfundzwanzig Kilogramm zu sich nimmt. Im freien Zustande frißt es wahrscheinlich noch mehr. Aber freilich ist es auch kein Kostverächter. Nicht bloß die dürren Zweige und Schößlinge, nicht bloß die starrenden Theile der Mimosen und andere stachligen Gewächse der Wendekreisländer, sondern auch Aeste von 3 bis 5 Centim. Durchmesser würgt es hinab. Die Nahrung wird mit dem breiten Maule abgepflückt oder mittels des handartigen Fortsatzes abgebrochen. An einem gefangenen indischen Nashorn beobachtete ich, daß es mit seiner Lippenspitze sehr kleine Stücke, Zuckerbrocken z.B., geschickt einklemmen und dann durch Umbiegen derselben auf die weit vorragende Zunge bringen kann. Alle Nahrung, welche das Thier aufnimmt, zerkaut es sogleich, aber in rohester Weise; denn seine Speiseröhre ist weit genug, um auch großen Stücken den Durchgang zu gestatten. Das indische Nashorn kann die rüsselartige Ausbuchtung der Oberlippe bis auf etwa 15 Centim. verlängern und damit einen dicken Grasbusch erfassen, ausreißen und in das Maul schieben. Ob das Gras rein ist oder ob etwas Erde an den Wurzeln hängt, scheint gleichgültig zu sein. Es schlägt allerdings erst den ausgerissenen Busch einmal gegen den Boden, um den größten Theil der erdigen Stoffe abzuschütteln, schiebt ihn dann aber mit Seelenruhe in den weiten Rachen und würgt ihn ohne Schlingbeschwerden hinab. Sehr gern frißt es auch Wurzeln, deren es sich mit Leichtigkeit bemächtigt. Bei guter Laune gefällt es sich, schon seines Vergnügens halber, darin, einen kleinen Baum oder Strauch aus dem Boden zu wühlen, und fegt zu diesem Zwecke mit dem gewaltigen Horne so lange unter den Wurzeln herum, bis es schließlich den Strauch erfassen und herausheben kann, worauf durch andere Schläge die Wurzeln losgebrochen und endlich verzehrt werden. Dabei hat man jedoch bemerkt, daß die verschiedenen Arten auch eine verschiedene Auswahl ihrer Nahrung zu treffen pflegen. Das Nashorn scheint Baumzweige zu bevorzugen; das Waranashorn dagegen erklimmt, laut Junghuhn, die Gebirge Javas hauptsächlich mehrerer Grasarten halber, welche im Inneren der Waldungen auf verhältnismäßig trockenen Plätzen wachsen, lebt beispielsweise auf dem Slamat fast ausschließlich von einer wohlriechenden Grasart (Ataxia Horsfieldii), welche die Abhänge dieses Berges zwischen anderthalb- bis zweitausend Meter unbedingter Höhe bedeckt; das Doppelnashorn hält sich wiederum mit Vorliebe an Bäume, zumal Mimosen, deren Rinde es abschält und deren Gezweige es verbeißt, »als ob sie mit einer Schere verschnitten wären«; das Stumpfnashorn endlich weidet, ganz im Einklange mit der Bildung seiner Lippen, ausschließlich auf grasigen Ebenen. Ein Euphorbienstrauch, welcher hier wächst, soll ihm ebenfalls zur Nahrung dienen und keinerlei Magenbeschwerden verursachen, das Doppelnashorn aber vergiften. Bambus- und Schilfblätter wie Getreide jeder Art gewähren allen Arten zeitweilig willkommene Speise. Dem entsprechend hat die Losung ein verschiedenes Aussehen und unterscheidet sich zuweilen von der des Elefanten ebenso, als sie ihr in anderen Fällen ähnelt. Haßkarl fand in den fünf bis sieben Centimeter im Durchmesser haltenden Klumpen der Losung des Waranashorns oft Ueberreste von fingerdicken Aesten, Heuglin dagegen in der des Doppelnashorns immer nur fein zerkaute Pflanzenfasern. Bloß das eine scheint allen Nashörnern gemeinsam zu sein, daß sie ihre Losung an bestimmten Stellen und nach und nach Haufen von bedeutendem Umfange aufthürmen.

[523] Das Wesen der Nashörner hat wenig anziehendes. Sie fressen entweder oder schlafen; um die übrige Welt bekümmern sie sich kaum. Im Gegensatze zu dem Elefanten leben sie nicht in Herden, sondern meist einzeln oder höchstens in kleinen Trupps von vier bis zehn Stück. Unter solcher Gesellschaft herrscht wenig Zusammenhang: jedes einzelne lebt in der Regel für sich und thut, was ihm beliebt. Gleichwohl kann man nicht behaupten, daß eins das andere mit stumpfer Gleichgültigkeit betrachte; es bilden sich vielmehr, ganz abgesehen von einer Nashornmutter und ihrem Kinde, nicht selten Freundschafts-, um nicht zu sagen Eheverhältnisse zwischen den verschiedenen Geschlechtern aus, welche sehr inniger Art sein können und vielleicht nur mit dem Tode endigen. In der Freiheit begegnet man öfters Paaren, welche alles gemeinschaftlich thun, und angefangenen und an einander gewöhnten Nashörnern beiderlei Geschlechtes kann man eine wahrhaft zärtliche Liebe wahrnehmen. Schwerfällig wie der Leib erscheint auch das geistige Wesen, aber weder der eine noch das andere ist es wirklich. Für gewöhnlich schreitet ein Nashorn gewichtig und etwas plump dahin, und wenn es sich niederlegt oder wälzt, thut es dies anscheinend so ungeschickt als möglich; alle Bewegungen aber sehen unbeholfener aus, als sie thatsächlich sind. Behende Wendungen und Biegungen kann ein Nashorn freilich nicht ausführen, und auf den Bergen springt es auch nicht mit der Leichtigkeit einer Gemse umher; in ebenen Gegenden aber eilt es, wenn es einmal in Bewegung gekommen ist, sehr rasch davon. Es geht nicht, wie die anderen schweren Dickhäuter, durch fast gleichzeitiges Bewegen der Beine einer Seite, sondern schreitet mit den sich gegenüberstehenden Vorder- und Hinterbeinen aus. Beim Laufen hält es den Kopf gewöhnlich niedrig und gerade vor sich hin, in der Wuth aber schaukelt es ihn wiegend hin und her und reißt mit dem Horne tiefe und weite Furchen auf. Wenn es sehr erzürnt ist, springt es auch von einer Seite zur anderen und hebt dann den stumpfen Schwanz in die Höhe. Es kann einen sehr geschwinden und ausdauernden Trab laufen und selbst berittenen Jägern gefährlich werden, zumal in buschreichen Gegenden, wo Mann und Pferd nicht so leicht auszuweichen vermögen, während jenes alle ihm im Wege stehenden Bäume niedertritt. Das Schwimmen übt jedes Nashorn, hält sich jedoch mehr an der Oberfläche und taucht nicht ohne Noth unter. Einzelne Berichterstatter wollen jedoch beobachtet haben, daß es in Sümpfen oder Flüssen bis zum Grunde hinabtauche, dort mit dem Horne die Wurzeln und Ranken der Wasserpflanzen aushebe und mit sich emporbringe, um sie oben zu verzehren.

Unter den Sinnen der Nashörner steht das Gehör obenan, dann folgt der Geruch, und auf diesen das Gefühl. Das Gesicht ist sehr wenig ausgebildet. Es wird allgemein behauptet, daß ein Nashorn immer nur gerade nach vorn sehen könne und Menschen, welche von der Seite zu ihm hinschlichen, nicht wahrzunehmen vermöge. Ich bezweifle diese Angaben, weil ich das Gegentheil an zahmen bemerkt habe. In der Wuth folgt das Nashorn dem Geruche ebenso wie dem Gehöre; denn es nimmt die Fährte des Feindes auf und spürt dieser nach, ohne das Auge zu brauchen. Das Gehör muß sehr fein sein; denn das Thier vernimmt das leiseste Geräusch auf weite Entfernungen. Aber auch der Geschmack ist durchaus nicht zu leugnen; wenigstens beobachtete ich bei zahmen, daß ihnen Zucker ein höchst erwünschter Gegenstand war und mit besonderem Wohlgefallen von ihnen verzehrt wurde. Die Stimme besteht in einem dumpfen Grunzen, welches bei größerer Wuth in ein tönendes Blasen oder Pfeifen übergehen soll. In der Freiheit mag man dieses Pfeifen oft vernehmen; denn jedes Nashorn ist leicht in Wuth zu versetzen, und seine Gleichgültigkeit gegen alles, was nicht Futter heißt, kann sich sehr bald in das Gegentheil umwandeln. Raffles beobachtete, daß das Waranashorn vor einem einzigen Hunde die Flucht ergriff, und andere Reisende sahen, daß es, nachdem es sie bloß gewittert, eiligst davonging; allein dieses Betragen ändert sich, wenn das Thier gereizt wird. Es achtet dann weder die Anzahl noch die Wehrhaftigkeit seiner Feinde, sondern stürzt blindlings in gerader Linie auf den Gegenstand seines Zornes los. Ob dann eine Gesellschaft bewaffneter Leute dem rasenden Vieh entgegensteht, oder ob der Gegenstand seiner Wuth ein völlig harmloser und unbedeutender ist, scheint von ihm [524] nicht in Betracht gezogen zu werden. Rothe Farben sollen ihm, wie dem Ochsen, zuwider sein; wenigstens hat man es Anfälle aufschreiend gekleidete Menschen ausführen sehen, welche ihm nicht das geringste zu Leide gethan haben. Seine Wuth übersteigt alle Grenzen. Es rächt sich nicht bloß an dem, welcher es wirklich gereizt hat, sondern an allem und jedem, was ihm vorkommt; selbst Steine und Bäume müssen seinen Zorn entgelten, und wenn es gar nichts findet, reißt es wenigstens zwei bis drei Meter lange, halbkreisförmige Furchen in die Erde. Glücklicherweise ist es nicht so schwer, einem in voller Wuth dahin rennenden Nashorne zu entgehen. Der geübte Jäger läßt es bis auf etwa zehn oder funfzehn Schritte herankommen und springt dann zur Seite; der tobende Gesell rennt an ihm vorüber, verliert die Witterung, welche er bisher hatte, und stürzt nun auf gut Glück vorwärts, vielleicht an einem anderen unschuldigen Gegenstande seinen Ingrimm auslassend. Man kennt, wie Lichtenstein erzählt, Beispiele, daß ein Nashorn bei Nacht einem Wagen oder einem davor gespannten Ochsen in die Seite gefallen ist und mit unbegreiflicher Kraft alles mit sich fortgeschleppt und zertrümmert hat. Für den gerade im Zuge begriffenen Reisenden ist ein Nashorn von allen Thieren das gefährlichste, weil es nicht selten ohne alle Ursache auf die Leute losrennt und in sinnloser Wuth gänzlich Unschuldige umbringt. Zumal das Doppelnashorn wird wegen seines ungeheuern Grimmes sehr gefürchtet. Manchmal arbeitet eins dieser Thiere stundenlang mit seinem Horne an einem Busche und wühlt schnaubend an ihm herum, bis es ihn mit sammt feinen Wurzeln aus der Erde gehoben hat; dann legt es sich vielleicht ruhig nieder, ohne weiter an die eben zerstörte Pflanze zu denken. Das Stumpfnashorn ist viel sanfter und harmloser als sein dunklerer Verwandter, steht ihm an Schnelligkeit bei weitem nach und greift, selbst wenn es verwundet worden ist, selten den Menschen an.

Die außerordentliche Reizbarkeit der Nashörner verdunkelt den wahren Ausdruck ihres geistigen Wesens und erschwert in hohem Grade eine richtige Beurtheilung und gerechte Würdigung ihres Verstandes. Ich wage meinem verehrten Freunde Westerman nicht zu widersprechen, wenn er das Nashorn als den geistig am wenigsten entwickelten aller großen Vielhufer erklärt, muß jedoch hierbei an den hohen Verstand der Elefanten, an die nicht zu unterschätzende geistige Begabung der Tapire und Schweine erinnern, um nicht die Meinung hervorzurufen, als erachte ich die Nashörner als geistlose, dumme Geschöpfe. Solche sind sie gewiß nicht. Sie stehen den aufgeführten Verwandten in geistiger Hinsicht nach, übertreffen aber sicherlich sämmtliche Nager und wahrscheinlich auch die meisten Wiederkäuer in dieser Beziehung. Im Zorne vergißt auch der Elefant seine Klugheit, das Schwein seine Vorsicht, der Hirsch seine Scheu; im Zorne handelt der listige Affe thöricht, sogar der weise Mensch oft unbedacht: das zornige Nashorn also ist nicht maßgebend für die Beurtheilung seiner geistigen Fähigkeiten. Ungeachtet aller bisher mitgetheilten Beobachtungen kennt man das freilebende Thier noch viel zu wenig, als daß man im Stande wäre, ein einigermaßen zutreffendes Urtheil zu fällen; man hat es aber auch kaum wirklich beobachtet, sondern bei der Begegnung entweder angegriffen oder geflohen. Die wenig entwickelte Hirnkapsel seines Schädels, sein kleines Gehirn, welches sich zu der Leibesmasse verhält wie 1:164, spricht allerdings nicht für eine hohe geistige Entwickelung, und seine leibliche Trägheit scheint die Annahme auch einer geistigen Schwerfälligkeit zu rechtfertigen; es fragt sich jedoch, ob die eine wie die andere Folgerung richtig ist. Gefangene Nashörner bekunden zwar ebenfalls wenig geistige Begabung, keineswegs aber eine so auffallende Verstandesarmut wie viele andere Mitglieder ihrer Klasse, beispielsweise alle Beutelthiere und die meisten Nager. Viel eher und bestimmter als diese und jene lernen sie ihre Wärter kennen, fügen sie sich in die ihnen auferlegten Verhältnisse, gewöhnen sie sich an eine gegen ihre frühere wesentlich veränderte Lebensweise; sie lassen sich daher keineswegs schwierig behandeln. Wahrscheinlich würden sie noch ganz andere Beweise ihres Verstandes liefern, wollte man sich überhaupt Mühe geben, mit ihnen zu verkehren, ihren Geist zu wecken und zu bilden, anstatt einfach für ihre unabweislichsten Bedürfnisse zu sorgen und sie im übrigen anzustaunen oder gleichgültig sich selbst zu überlassen.

[525] Ueber die Fortpflanzung des Nashorns fehlen zur Zeit noch erschöpfende Berichte. Von der indischen Art weiß man, daß die Paarung in die Monate November und December fällt, und da nun der Wurf im April oder Mai erfolgt, hat man die Tragzeit auf siebzehn bis achtzehn Monate angeschlagen, aber wahr scheinlich ebenso wie bei dem Flußpferde erheblich geirrt. Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So sah Anderson vier männliche Nashörner im wüthendsten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß sie mit Wunden bedeckt und infolge deren nicht im Stande waren, sich satt zu fressen. Mitten im Dickichte des Waldes bringt das Nashorn sein einziges Junge zur Welt: ein kleines, plumpes Vieh, von der Größe eines stattlichen Hundes, welches mit offenen Augen zur Welt kommt. Seine röthliche Haut ist noch faltenlos, der Keim zum Horne aber schon vorhanden. Durch einen Zufall ist unsere Kunde über die ersten Tage des Kindeslebens eines Nashorns in der neuesten Zeit nicht unwesentlich bereichert worden. Am 7. December 1872 traf, wie Bartlett berichtet, das Dampfschiff Orchis, von Singapore kommend, mit einem alten weiblichen Badaknashorn am Bord, in den Victoria-Docks zu London ein. Das Thier war vor etwas mehr als sieben Monaten gefangen und, nach Aussage der Fänger, kurz vorher belegt worden. Am Tage seiner Ankunft, gegen sieben Uhr abends, vernahm der Wärter zu seiner Ueberraschung ein schwaches Quieken, welches aus dem Behälter des Nashorns zu kommen schien. Bei Besichtigung des Thieres ergab sich, daß es soeben ein Junges geworfen hatte und gerade beschäftigt war, die Nabelschnur, mittels welcher letzteres noch an ihm hing, zu zerbeißen. Zur Verwunderung des Wärters zeigte sich die bisher sehr ungeberdige Alte ruhig und sanft, erlaubte ihm sogar, nachdem er sie angerufen hatte, in den Verschlag zu treten, sie zu melken und ihr später das Junge an das Euter zu legen. In der Meinung, daß Ruhe und Stille der ermatteten und erschöpften Mutter willkommen sein werde, verließ er hierauf den Versandkäfig und deckte ihn sorgfältig mit Segeltuch zu. Das Junge schien jedoch nicht gewillt, in dieser Weise sich einsperren zu lassen; denn bald darauf lustwandelte es, trotz Dunkelheit und Regen, auf dem Decke des Schiffes umher, aber freilich nicht lange, weil infolge der Kälte und Nässe binnen kurzem die zarten Glieder ihm den Dienst versagten. Tüchtig gerieben und in wollene Decken gehüllt, erholte es sich zwar wieder, litt aber ersichtlich unter der Unwirtlichkeit des ihm feindlichen Klimas. Als Bartlett am anderen Morgen an Bord kam, war man eben beschäftigt, Mutter und Kind zu landen. Auf seinen Rath trennte man beide, um zu verhüten, daß die Alte beim Verkrahnen und Umladen des Behälters das Kleine erdrücke oder beschädige. Kaum aber stand der schwere Versandkäfig glücklich auf dem Wagen, als die Mutter so unruhig wurde, daß man sich genöthigt sah, ihr das Kind zurückzugeben. Der Wärter begab sich ebenfalls in den Käfig und verblieb hier während der ziemlich langen Fahrt von den Docks bis zu den Ställen des betreffenden Händlers und Besitzers. Hier verging eine geraume Zeit, bevor man die Alte abgeladen und im Stalle eingepfercht hatte, und man hielt es für gerathen, das Junge einstweilen in dem Geschäftszimmer unterzubringen, hatte jedoch seine liebe Noth mit ihm, um unerlaubten kindischen Gelüsten zu steuern. Sobald man die Mutter glücklich eingestellt hatte, gab man ihr das Junge zurück. Dasselbe begann auch sofort zu saugen, verließ, nachdem es sein Bedürfnis befriedigt hatte, die Alte, wandte sich einem dunklen Winkel zu und legte sich hier zur Ruhe nieder, ganz, wie viele Wiederkäuer zu thun pflegen, welche von ihren Müttern so lange versteckt werden, als diese ihrer Nahrung nachgehen. Besonders auffallend fand Bartlett die merkwürdige Friedfertigkeit der Alten. Während diese vor der Geburt des Jungen stets geneigt war, ihren Wärter und jeden anderen, welcher ihr sich näherte, anzugreifen, erlaubte sie jetzt dem Pfleger, in den Raum zu treten und sie zu melken, als wäre sie die zahmste Kuh, gestattete auch später, als sie sich bereits im Stalle befand, anderen, ihr fremden Leuten, zu ihr zu kommen, und nahm ihr gespendete Liebkosungen mit derselben Widerstandslosigkeit entgegen wie irgend ein von vielen Leuten verwöhntes und verhätscheltes Mitglied der vierbeinigen Bewohnerschaft eines Thiergartens. Nach Bartletts Meinung befand sie sich in einem Zustande von Geistesabwesenheit oder vielleicht in einem solchen der Erschöpfung; [526] möglicherweise auch nahm sie Rücksichten auf ihr Kind und zeigte deshalb ein so vollständig verändertes Betragen; denn sie ließ sich Mißhandlungen oder Behelligungen gefallen, welche sie sonst sicherlich zurückgewiesen haben würde und wenige Tage später auch thatsächlich auf das kräftigste abwehrte.

Das junge Badaknashorn erinnerte wegen seines mageren Leibes, der langen Glieder und der Art und Weise, wie es den großen, gestreckten Kopf bewegte, an einen jungen Esel oder an ein verhungertes Ferkel. Sein vorderes Horn war bereits vorhanden und etwa 2 Centim. hoch, sein hinteres noch nicht sichtbar, dessen Stelle aber durch einen nackten Fleck angedeutet, sein beinahe schwarzhäutiger Leib dicht mit kurzem, schwarzem Haar bekleidet, das Ohr innen wie außen dichter, der Schwanz an der Spitze bürstenartig behaart. Besonders merkwürdig erschien die Beschaffenheit der Hufe, welche unter der weichen Sohle lagen und somit das Thier nöthigten, auf der Vorder-oder Außenseite der Hufe zu gehen. Seine Länge betrug ungefähr 1 Meter, die Schulterhöhe 60 Centim., das Gewicht 25 Kilogramm.

Leider lebte das Thierchen nicht lange. Laut Noll, welcher nach Hagenbecks Mittheilungen über das freudige Ereignis berichtet, wurde es zwar von der Alten treulich gepflegt und über Tags sieben-bis achtmal, des Nachts drei- bis viermal genährt, gedieh auch zusehends und wuchs merkwürdig schnell, lag aber bereits am Morgen des 10. December todt im Stalle, wahrscheinlich erdrückt von der eigenen Mutter, welche sich, als man ihr jetzt das Junge wegnahm, überaus wüthend geberdete.

Auch von freilebenden Nashörnern hat man erkundet, daß die Mutter warme Liebe für ihr Junges zeigt, es fast durch zwei Jahre säugt, während dieser Zeit mit der größten Sorgfalt bewacht und bei Gefahr mit beispiellosem Grimme gegen jeden Feind und jeden Angriff vertheidigt. Bontius erzählt, daß ein Europäer auf einem seiner Ritte ein indisches Nashorn mit seinem Jungen entdeckte. Als das Thier die Menschen erblickte, stand es auf und zog mit seinem Kinde langsam weiter in den Wald. Das Junge wollte nicht recht fort, da stieß es die Alte mit der Schnauze vorwärts. Nun fiel es einem Jäger ein, dem Thiere nachzureiten und ihm mit seinem Säbel einige Hiebe auf den Hinteren zu geben. Die Haut war zu dick, als daß er hätte durchdringen können; die Hiebe hinterließen nur einige weiße Streifen. Geduldig ertrug das alte Nashorn alle Mißhandlungen, bis sein Junges im Gesträuche verborgen war; dann wendete es sich plötzlich mit ungeheurem Grunzen und Zähneknirschen gegen den Reiter, stürzte auf ihn los und zerriß ihm mit dem ersten Streiche einen Stiefel in Fetzen. Es würde um ihn geschehen gewesen sein, wäre das Pferd nicht klüger gewesen als sein Leiter. Dieses sprang zurück und floh aus allen Kräften, das Nashorn aber jagte ihm nach, Bäume und alles, was ihm hinderlich war, krachend niederschmetternd. Als das Pferd zu den Begleitern des Weißen zurückkam, ging das Nashorn auf diese los; sie aber fanden glücklicherweise zwei nebeneinander stehende Bäume, hinter welche sie sich flüchteten. Das Nashorn, blind gemacht durch seine Wuth, wollte schlechterdings zwischen den Bäumen hindurch und gerieth in förmliche Raserei, als es sah, daß diese seinen Angriffen widerstanden. Die Stämme zitterten wie Rohr unter den Streichen und Stößen, welche das erboste Vieh führte; doch widerstanden sie, und die Leute gewannen Zeit, ihm einige Schüsse auf den Kopf zu geben, welche es fällten.

Wie lange das junge Nashorn bei seiner Mutter bleibt, weiß man nicht; ebensowenig kennt man das Verhältnis zwischen dem Vater und dem Kinde. Das Wachsthum des letzteren schreitet in den ersten Monaten rasch vor sich. Ein Nashorn, welches am dritten Tage etwa 60 Centim. hoch und 1,1 Meter lang war, wächst in einem Monate 13 Centim. in die Höhe, 15 Centim. in die Länge und ebensoviel im Umfange. Nach dreizehn Monaten hat es bereits eine Höhe von 1,2, eine Länge von 2 und einen Umfang von 2,1 Meter erreicht. Die Haut ist in den ersten Monaten von dunkelröthlicher Farbe und erhält später eine dunkle Schattirung auf hellerem Grunde. Bei den bezüglichen Arten ist bis zum vierzehnten Monate kaum eine Andeutung der Falten vorhanden; dann aber bilden sich diese so rasch aus, daß binnen wenigen Monaten kein [527] Unterschied zwischen den Alten und Jungen vorhanden ist. Uebrigens gehört mindestens ein achtjähriges Wachsthum dazu, bevor das Nashorn eine Mittelgröße erreicht hat, und erst nach zurückgelegtem dreizehnten Jahre nehmen gefangene nicht mehr an Größe und Umfang zu. Das Horn biegt sich durch das ewige Wetzen mehr nach hinten. Manche, zumal gefangene Nashörner haben die Gewohnheit, so viel mit ihm zu schleifen, daß es bis auf einen kleinen Stummel verkleinert wird. Gänzlich abgestoßene Hörner ersetzen sich wieder, verletzte nehmen zuweilen eine von der gewöhnlichen sehr verschiedene Gestalt an, woraus hervorgeht, daß man nicht berechtigt ist, auf die Hörner allein Arten zu begründen.

Man hat in alter Zeit viel von den Freundschaften und Feindschaften der Nashörner gefabelt. Namentlich der Elefant sollte aufs eifrigste von ihnen bekämpft werden und regelmäßig unterliegen müssen. Diese schon von Plinius herrührenden Geschichten werden von dem einen und anderen Reisebeschreiber gelegentlich aufgewärmt, sind jedoch sicherlich als Fabeln anzusehen. Daß ein gereiztes Nashorn sogar einen Elefanten angreifen kann, mag glaublich erscheinen; in solchem Falle aber weiß ein solcher sich auch zu wehren und bietet sich nicht ohne weiteres zur Zielscheibe für die Hornstöße des Gegners dar. Richtigeres erzählt man von der Freundschaft unseres Thieres mit schwächeren Geschöpfen. Anderson, Gordon Cumming und andere fanden fast regelmäßig auf dem Doppel- wie auf dem Stumpfnashorn einen dienstwilligen Vogel, den Madenhacker, welcher den Riesen während des ganzen Tages treu begleitet und gewissermaßen Wächterdienste bei ihm verrichtet. »Die Nashornvögel (Madenhacker)«, sagt Cumming, »sind fortwährende Begleiter des Nilpferdes und der beiden Arten des Nashorns. Sie nähren sich von dem Ungeziefer, von welchem diese Thiere wimmeln, und halten sich deshalb immer in unmittelbarer Nähe der Dickhäuter oder auf ihrem Leibe selbst auf. Oft haben diese stets wachsamen Vögel mich bei meiner vorsichtigsten Annäherung in meinen Erwartungen getäuscht und meine Mühe vereitelt. Sie sind die besten Freunde, welche das Nashorn hat, und verfehlen selten, es aus seinem tiefsten Schlafe aufzuwecken. Der alte Dickbauch versteht auch ihre Warnung vollkommen, springt auf seine Füße, sieht sich nach allen Richtungen um und ergreift dann jedesmal die Flucht. Ich habe oft zu Pferde ein Nashorn gejagt, welches mich viele Meilen weit lockte und eine Menge Kugeln empfing, ehe es stürzte. Auch während solcher Hatze blieben diese Vögel fortwährend bei ihrem Brodherrn. Sie saßen ihm auf dem Rücken und den Seiten, und als eine Kugel in die Schulter des Nashorns einschlug, flatterten sie ungefähr zwei Meter in die Höhe, einen gellenden Schrei ausstoßend, und nahmen dann wieder ihren früheren Platz ein. Zuweilen traf es sich, daß die unteren Zweige der Bäume, unter welchen das Nashorn dahinrannte, die Vögel wegfegten; aber sie fanden allemal ihren Platz wieder. Ich habe Nashörner geschossen, wenn sie um Mitternacht an den Quellen tranken; die Vögel aber, welche glauben mochten, daß das erlegte Nashorn schliefe, blieben bis zum Morgen bei ihm, und wenn ich mich näherte, bemerkte ich, daß sie, ehe sie fortflogen, alles mögliche aufboten, um das vermeintlich schlafende Nährthier aufzuwecken.« Wir haben keinen Grund, an der buchstäblichen Wahrheit dieser Mittheilung zu zweifeln, da wir ähnliche Freundschaften zwischen den Vögeln und den Säugethieren oft genug finden können. Zudem habe ich selbst in Habesch die Madenhacker wenigstens auf Pferden und Rindern beobachten können. Selbstverständlich finden die Vögel Anerkennung für solche treue Begleitung, und auch das stumpfeste Säugethier muß die Wohlthaten erkennen, welche sie ihm durch Auflesen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung des Menschen die Vögel ihr Weidethier geradezu in das Ohr picken, um es aufzuwecken, will ich gern dahin gestellt sein lassen; ich glaube eher, daß schon die allgemeine Ursache, welche sie kundgeben, wenn sich ihnen etwas verdächtiges zeigt, hinreichend ist, um das Nashorn aufmerksam zu machen. Daß besonders vorsichtige Vögel von anderen Thieren als Vorposten und Warner anerkannt und beachtet werden, wissen wir bestimmt.

Außer dem Menschen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das Thier, weil sie wissen, daß ihre Klauen doch zu schwach sind, um dessen dicke Panzerhaut [528] zu zerreißen. Der Prankenschlag des Löwen, welcher einen Stier im Nu zu Boden wirft, dürfte dem Nashorn gegenüber als zu schwach sich erweisen; denn dieses ist infolge der Kämpfe mit seines Gleichen noch ganz andere Schläge gewohnt. Weibliche Nashörner, welche Junge haben, lassen Tiger oder Löwen nicht leicht in ihre Nähe kommen, weil dem kleinen, noch weichlichen Nashorne ein so großes Raubthier wohl gefährlich werden mag. »Als ich einmal aus der Stadt an einem Flusse spazieren ging«, sagt Bontius, »um die lieblichen Pflanzen zu betrachten, fand ich am Ufer ein junges, noch lebendiges und jämmerlich heulendes Nashorn liegen, dem die Hinterbacken abgebissen waren, ohne Zweifel von einem Tiger. Was man von seiner Freundschaft mit dem Tiger sagt, scheint mir nur eine Heuchelei zu sein; denn wenn auch beide Thiere nebeneinander hergehen, so sehen sie einander mit schiefen Augen an, grunzen und blöken die Zähne, was sicher kein Zeichen von Freundschaft ist.«

Das Nashorn fürchtet andere kleine Thiere weit mehr als die großen Räuber und hat namentlich in einigen Bremsen und in den Mücken schlimme Feinde, gegen welche es kaum etwas unternehmen kann. Ihrethalber wälzt es sich so gerne im Schlamme, und infolge ihrer Stiche, welche es recht wohl fühlen mag, reibt es sich oft an den Stämmen, bis böse Geschwüre und Grinde entstehen, in denen dann wieder neue Kerbthiere sich ansiedeln. Auch mit dem Schlamme kommen eine Menge von Wasserthieren, namentlich Egel, an das Nashorn, welche ebenfalls unangenehm werden müssen und nur in den kleinen gefiederten Freunden des Thieres mächtige Gegner finden können.

Der Mensch ist wohl überall der gefährlichste Feind des Nashornes. Alle Völkerschaften, in deren Gebiete eine Art dieser plumpen Geschöpfe sich findet, stellen ihm mit dem größtem Eifer nach, und auch die europäischen Jäger betreiben seine Jagd mit wahrer Leidenschaft. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut für Kugeln undurchdringlich wäre; doch haben schon frühere Reisende bezeugt, daß selbst eine Lanze oder ein kräftig geschleuderter Pfeil sie durchbohrt. Die Jagd ist gefährlich, weil der gewaltige Riese auf den rechten Fleck getroffen werden muß, wenn er der ersten Kugel erliegen soll. Verwundet nimmt er augenblicklich den Kampf mit dem Menschen auf und kann dann überaus furchtbar werden. Die eingeborenen Jäger suchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beschleichen und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder setzen ihm die Mündung des Gewehrlaufs fast auf den Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu sichern. Die Abessinier gebrauchen Wurfspieße, schleudern davon aber manchmal funfzig bis sechzig auf ein Nashorn. Wenn es etwas erschöpft vom Blutverluste ist, wagt sich einer der Kühnsten an das Thier heran und versucht, mit dem scharfen Schwerte die Achillessehne durchzuhauen, um das Thier zu lähmen und zu fernerem Widerstande unfähig zu machen. In Indien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus; aber selbst diese werden zuweilen von dem wüthenden Thiere gefährdet. »Als das Nahorn aufgejagt war«, sagte Borri, »ging es ohne anscheinliche Furcht vor der Menge der Menschen auf seine Feinde los, und als diese bei seiner Annäherung rechts und links auseinanderprallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, welcher auf einem Elefanten saß. Das Nashorn lief sogleich hinter diesem her und suchte ihn durch sein Horn zu verwunden, während der Elefant seinerseits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Rüssel zu fassen. Der Statthalter nahm endlich die Gelegenheit wahr und schoß ihm eine Kugel an die rechte Stelle.«

Auf die afrikanischen Arten wird im offenen, freien Felde Jagd gemacht. Der Jäger schleicht sich durch das Gebüsch heran und schießt aus geringer Entfernung. Fehlt er, so stürzt das Thier wüthend nach dem Orte hin, von welchem der Schuß fiel, und spürt und äugt nach dem Feinde umher. Sobald es denselben sieht oder wittert, senkt es den Kopf, drückt die Augen zu und rennt, mit der ganzen Länge des Horns die Erde streifend, vorwärts. Dann ist es noch ein leichtes, ihm auszuweichen. Geübte Nashornjäger haben stundenlang einem auf sie eindringenden Nashorn Stand gehalten, indem sie stets zur Seite sprangen, wenn das Nashorn auf sie losrannte, und es an sich vorbeirasen ließen, bis sie, nachdem es sich ausgetobt, es doch noch erlegten. Anderson ist [529] mehrmals durch verwundete Nashörner in Todesgefahr gekommen. Eins derselben stürzte sich wüthend auf ihn, warf ihn nieder, glücklicherweise ohne ihn mit dem Horne zu treffen, schleuderte ihn aber ein gutes Stück mit seinen Hinterfüßen weg. Kaum war es an ihm vorübergestürmt, als es sich schon herumdrehte und einen zweiten Angriff wagte, welcher dem Manne eine schwere Wunde in den Schenkel einbrachte. Damit war glücklicherweise seine Rache erfüllt: es eilte in ein benachbartes Dickicht, und Anderson konnte gerettet werden.

»Als ich einst auf der Rückkehr von einer Elefantenjagd begriffen war«, erzählte Oswell dem eben genannten, »bemerkte ich ein großes Stumpfnashorn in kurzer Entfernung vor mir. Ich ritt ein vortreffliches Jagdpferd, das beste und flotteste, welches ich jemals während meiner Jagdzüge besessen habe; doch war es eine Gewohnheit von mir, niemals ein Nashorn zu Pferde zu verfolgen, einfach deshalb, weil man sich dem stumpfsinnigen Vieh weit leichter zu Fuß als zu Pferde nähern kann. Bei dieser Gelegenheit jedoch schien es, als ob das Schicksal dazwischen treten wolle. Meinen Nachreitern mich zuwendend, rief ich aus: ›Beim Himmel, der Bursche hat ein gutes, feines Horn; ich will ihm einen Schuß geben‹. Mit diesen Worten gab ich meinem Pferde die Sporen, war in kurzer Zeit neben dem ungeheuren Thiere und sandte ihm einen Augenblick später eine Kugel in seinem Leib, doch, wie sich zeigte, nicht mit tödtlicher Wirkung. Das Nashorn, anstatt, wie gewöhnlich, die Flucht zu ergreifen, blieb zu meiner größten Verwunderung sofort stehen, drehte sich rasch herum und kam, nachdem es mich ein oder zwei Augenblicke neugierig angesehen hatte, langsam auf mich los. Ich dachte noch gar nicht an die Flucht, dem ungeachtet versuchte ich, mein Pferd wegzulenken. Aber dieses Geschöpf, gewöhnlich so gelehrig und lenksam, welchem der kleinste Druck des Zügels genug war, verweigerte jetzt ganz entschieden, mir zu gehorchen. Als es zuletzt noch folgte, war es zu spät; denn das Nashorn war bereits so nahe zu uns gekommen, daß ich wohl einsah, ein Zusammentreffen mußte unvermeidlich sein. Und in der That, einen Augenblick später bemerkte ich, wie das Scheusal seinen Kopf senkte, und indem es denselben rasch nach oben warf, stieß es sein Horn mit solcher Kraft zwischen die Rippen meines Pferdes, daß es durch den ganzen Leib, durch den Sattel selber hindurch fuhr, und ich die scharfe Spitze in meinem Beine fühlte. Die Kraft des Stoßes war so furchtbar, daß mein Pferd einen wirklichen Burzelbaum in der Luft schoß und dann langsam nach rückwärts zurückfiel. Was mich anlangt, so wurde ich mit Gewalt gegen den Boden geschleudert, und kaum lag ich hier, als ich auch schon das Horn des wüthenden Thieres neben mir erblickte. Doch mochte es seine Wuth gekühlt und seine Rache erfüllt haben. Es ging plötzlich mit leichtem Galopp von dem Schauplatze seiner Thaten ab. Meine Nachreiter waren inzwischen näher gekommen. Ich eilte zu einem hin, riß ihn vom Pferde herab, sprang selbst in den Sattel und eilte, ohne Hut, das Gesicht von Blut strömend, rasch dem sich zurückziehenden Thiere nach, welches ich zu meiner großen Genugthuung wenig Minuten später leblos zu meinen Füßen hingestreckt sah.«

Auch Gordon Cumming berichtet, daß ein weißes, sonst als gutmüthig betrachtetes Nashorn, als es in die Enge getrieben worden war, wüthend zum Angriffe sich herumdrehte und ihn gefährdete. Von einem Doppelnashorn erzählt er, daß dasselbe, noch ehe er ihm Leides gethan, plötzlich auf ihn zukam und ihn lange Zeit um einen Busch herumjagte. »Wäre es ebenso flink als häßlich gewesen, so hätten meine Wanderungen wahrscheinlich ihre Beendigung erreicht. Aber meine überlegene Behendigkeit gab mir den Vortheil. Nachdem es mich eine Zeitlang durch den Busch angeschnaubt, stieß es plötzlich einen lauten Schrei aus, machte Kehrt und ließ mich als Meister des Feldes zurück.«

Levaillant beschreibt in sehr lebhafter Weise eine Jagd auf das zweihörnige Nashorn. »Man beobachtete ein Paar dieser Thiere, welche ruhig in einem Mimosenwalde nebeneinander standen, die Nase gegen den Wind gerichtet und von Zeit zu Zeit hinter sich sehend, um zu sichern. Ein Eingeborener bat sich aus, die Thiere zu beschleichen. Die übrigen Jäger vertheilten sich, und ein Hottentotte nahm die Hunde unter seine Obhut. Der Eingeborene zog sich nackt aus und kroch [530] mit der Flinte auf dem Rücken höchst langsam und vorsichtig wie eine Schlange auf dem Boden fort, hielt augenblicklich still, sobald sich die Nashörner umsahen, und glich dann täuschend einem Steinbrocken. Sein Kriechen dauerte fast eine Stunde. Endlich kam er bis zu einem, etwa zweihundert Schritte von den Thieren entfernten Busche, stand auf und sah sich um, ob seine Kameraden alle auf ihren Posten wären, legte an und verwundete das Männchen, welches im Augenblicke des Schusses einen fürchterlichen Schrei ausstieß und mit dem Weibchen wüthend auf ihn zukam. Er legte sich unbeweglich auf den Boden, die Nashörner eilten an ihm vorbei und stürzten auf die übrigen Jäger los. Jetzt befreite man die Hunde und feuerte von allen Seiten auf sie. Sie schlugen fürchterlich gegen die Hunde los, zogen mit ihren Hörnern tiefe Furchen in den Boden und schleuderten die Erde nach allen Seiten weg. Die Jäger rückten näher, die Wuth der Thiere steigerte sich fortwährend: sie boten einen wirklich entsetzlichen Anblick dar. Da plötzlich stellte sich das Männchen gegen die Hunde, und das Weibchen flüchtete, zur großen Freude der Jäger, welche es nicht gern mit zwei derartigen Ungeheuern aufnehmen wollten. Das Männchen kehrte endlich auch zurück, lief aber auf einen Busch zu, in welchem drei Jäger standen, und diese sandten ihm aus einer Entfernung von dreißig Schritt tödtliche Schüsse zu. Es schlug aber noch so heftig um sich, daß die Steine nach allen Seiten flogen und weder Menschen noch Hunde sich zu nähern wagten.« Levaillant wollte aus Mitleid ihm den Rest geben, wurde aber von den Wilden abgehalten, weil sie einen sehr großen Werth auf das Blut legen und es getrocknet gegen allerlei Krankheiten gebrauchen, namentlich gegen Verstopfung. Als es endlich todt war, liefen sie hurtig heran, schnitten ihm die Blase aus und füllten sie mit Blut an.

Aehnlich wie die vorstehend gegebenen Mittheilungen lauten alle Berichte über das Zusammentreffen mit Nashörnern und ihr Betragen und Gebaren während der Jagd. Bald entfliehen sie furchtsam vor dem sich nahenden Menschen, bald setzen sie sich mutig zur Wehre; bald lassen sie sich hetzen, bald hetzen sie den Jäger. Wo sie öfters beunruhigt worden sind, warten sie den Angriff nicht erst ab, sondern gehen sofort ihrerseits zu Feindseligkeiten über; in Gegenden, wo der Mensch ihnen als fremdes Wesen erscheint, lassen sie denselben entweder mit staunender Verwunderung an sich heran kommen, oder stehen von weitem. In die Ende getrieben und erzürnt, wehren sie sich tapfer ihrer Haut. Das allgemeine Urtheil erkennt in ihnen muthige, wehrhafte, streitlustige und ausdauernde Thiere, welche, einmal erregt, nicht so leicht nachlassen, vielmehr hartnäckig und mit Todesverachtung kämpfen, überhaupt ein ritterliches Wesen bekunden.

Schwieriger als die Jagd ist der Fang. Das Waranashorn erbeutet man, wie Haßkarl mir mittheilt, hauptsächlich seines Hornes wegen, welches man für fünfundzwanzig bis dreißig Gulden an die Chinesen verkaufen kann. Um es zu fangen, tieft man auf seinen Pfaden enge Gruben aus, versieht sie mit spitzigen Pfählen, bestimmt, das schwere Thier beim Herabfallen zu spießen, und deckt sie oben sorgfältig mit Zweigen zu. Das Nashorn nimmt, wie gewohnt, seinen Wechsel an, stürzt in die Grube, und ist, auch wenn es nicht an den spitzigen Pfählen sich verletzte, in der Regel außer Stande, sich herauszuhelfen und zu befreien. Erwachsene Thiere tödtet man ohne weiteres, weil man sie lebend nicht fortzuschaffen weiß, jüngere dagegen sucht man zu fesseln und in bewohnte Gegenden zu treiben, wo man sie zu verwerthen hofft. In Afrika erlangt man die jungen Doppelnashörner, welche gegenwärtig auf unseren Thiermarkt gebracht werden, dadurch, daß man während der Fortpflanzungszeit zur Jagd auszieht, alte Weibchen mit ihrem Kinde, zu erkunden sucht, erstere tödtet und sich des letzteren dann mit leichter Mühe bemächtigt. Zuweilen spielt der Zufall seine Vermittlerrolle, so bei Erbeutung des ersten Rauhohrnashornes, über dessen Fang eine in Kalkutta erscheinende Zeitung berichtet. Officiere, welche im nördlichsten Theile des Meerbusens von Bengalen bemüht waren, Elefanten für das englische Heer aufzutreiben, erfuhren durch Eingeborene, daß ein Nashorn in den Triebsand gerathen, unfähig, sich herauszuhelfen, von mehr als zweihundert Männern mittels umgelegten Stricken aufs Land befördert und zwischen zwei Bäumen fest gebunden worden sei, woselbst es sich noch und zwar im besten Wohlsein befinde, [531] so daß man es nicht loszubinden wage. Aus diese Nachricht hin brachen Hauptmann Hood und ein Herr Wickes mit acht Elefanten nach dem sechzehn Stunden entfernten Fangplatze auf, um das Thier zu holen. Bei Ankunft an Ort und Stelle fanden sie ein weibliches Nashorn von etwa 2,6 Meter Länge und 1,3 Meter Schulterhöhe mit noch wenig entwickelten Hörnern vor, ließen es mit Stricken zwischen Elefanten festbinden und führten es unter mancherlei Mühsalen, aber auch unter lebhafter Betheiligung des Volkes nach Tschittagong. Hier wurde es auf einen umzäunten Platze eingestellt, allmählich gezähmt und einige Jahre später nach Kalkutta gebracht, von wo es schließlich nach England gelangte.

Selbstverständlich vollzog sich das alles nicht ohne mancherlei Schwierig- und Fährlichkeiten. Zuerst weigerten sich die Elefanten, beim Fesseln des gefangenen Wildlings thätig zu sein, und als man ihre Bedenken beschwichtigt, und das Nashorn glücklich mittels einer um seinen Hinterfuß gelegten Schlinge mit dem einen Elefanten zusammengekoppelt hatte, genügte ein Aufschreien des furchterweckenden Geschöpfes, um die klugen, aber furchtsamen Rüsselträger von neuem in Schreck zu setzen. Endlich hatte man unser Nashorn doch zwischen zwei Elefanten befestigt, und der Marsch konnte beginnen; auf dem Wege aber waren zwei größere Flüsse zu überschreiten, von denen nur einer mit einem passenden Fährboote überschifft werden konnte: es blieb also nichts anderes übrig, als »Begum«, das Nashorn, zwischen den beiden Leitelefanten durch den breiten Songu schwimmen, beziehentlich schleppen zu lassen, da jenes sich geberdete, als ob es nicht schwimmen könne. Nicht wenig belästigte jetzt und später die Neugierde des sich herandrängenden Volkes, welches manchmal in meilenlangem Aufzuge vor und hinter dem Ungeheuer dahinschritt. Als man Begum später nach Kalkutta brachte, verbot die Behörde den Weg durch die Dörfer; man war also genöthigt, das Thier auf Umwegen seinem Ziele zuzuführen: der Wärter, an welchem sich das Nashorn nach und nach gewöhnt hatte, schritt, nachts mit der Laterne in der Hand, singend voraus, und Begum folgte gutwillig nach. Größere Schwierigkeiten verursachte die Verladung auf den kleinen Küstendampfer, auf welchem das Thier nach Kalkutta reiste, nicht geringere sein letzter Versand nach Europa, in einem der Größe und Stärke des Nashorns entsprechenden ungefügigen Käfige aus dem eisenfesten Tiekholze. Bei der Zähmung selbst ging man mit dem allen Indiern eigenen Verständnisse zu Werke. Durch sanfte Behandlung brach man den Trotz, durch Darreichung von Leckerbissen, namentlich Pisangblättern und Mangozweigen, erwarb man sich nach und nach die Zuneigung und Freundschaft des Wildlings.

Aus diesen Angaben und anderen Berichten geht hervor, daß alle Nashornarten, die eine früher, die andere später, gebändigt werden können und trotz ihres reizbaren Wesens verhältnismäßig leicht zahm werden, wenn man sie sanft und freundlich behandelt. Bei denen, welche sich auf Schiffen befanden, bemerkte man eine stumpfe Gleichgültigkeit, welche nicht einmal nach wiederholten Neckereien dem sonst auflodernden Zorne Platz machte, ganz im Einklange mit der bekannten Thatsache, daß alle Thiere, welche das weite Meer um sich sehen, wahrscheinlich im Gefühle ihrer zeitweiligen Schwäche, ausnehmend mild und fromm sich zeigen. Aber wir haben auch andere Belege dafür, daß gefangene Nashörner auffallend zahm wurden. Horsfield rühmt das Badaknashorn als ein sehr gutmüthiges Geschöpf. Ein Junges benahm sich im hohen Grade liebenswürdig, widerstrebte nicht, als man es in einem großen Karren fortschaffte, und zeigte sich, nachdem es seinen Bestimmungsort erreicht hatte, umgänglich wie zuvor. Man hatte ihm in dem Schloßhofe von Sura Kerta einen Platz eingeräumt und diesen durch einen tiefen Graben von ungefähr einem Meter abgegrenzt; hier blieb es mehrere Jahre, ohne daran zu denken, seine Grenze zu überschreiten. Es schien sich mit seiner Lage vollkommen ausgesöhnt zu haben, gerieth auch niemals in Zorn, trotzdem es bei seiner ersten Ankunft auf alle Weise geneckt wurde, weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt sich mit dem Fremden aus dem Walde irgend welchen Spaß machen wollte. Baumzweige, Schlingpflanzen der verschiedensten Art, Strauchwerk etc. wurde ihm in reichlicher Menge vorgeworfen; es zog aber den Pisang allem vor, und die zahlreichen Besucher, [532] welche diese Neigung bald auskundschafteten, sorgten nun redlich dafür, daß es diese Lieblingsnahrung in Masse erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten besah; ja, die kecken unter den Beschauern wagten es zuweilen, auf seinem Rücken zu reiten. Wasser war ihm Bedürfnis: wenn es nicht mit Fressen beschäftigt war oder durch die Eingeborenen aufgestört wurde, legte es sich regelmäßig in tiefe Löcher, welche es sich ausgegraben hatte. Als es nach verhältnismäßig sehr kurzer Zeit erwachsen war, genügte der schmale Graben nicht mehr, es abzuschließen. Da geschah es nicht selten, daß es in den Häusern der Eingeborenen Besuche abstattete und in den Pflanzungen, welche die Gebäude regelmäßig umgeben, oft recht bedeutende Zerstörungen sich zu Schulden kommen ließ. Die Eingeborenen, welche das Thier nicht kannten, wurden natürlich bei seinem Erscheinen in die peinlichste Furcht versetzt, die beherzteren aber trieben es ohne Umstände wieder nach seinem Behälter zurück. Als die Ausflüge in der Nachbarschaft immer häufiger und die Verwüstungen, welche es in den Gärten anrichtete, immer toller wurden, war man genöthigt, es nach einem benachbarten Dorfe zu treiben, und dort fand es schmählicher Weise sein Ende in einem kleinen Flüßchen.

Auch in unseren Thiergärten zeigen sich die meisten Nashörner gutmüthig und zahm, lassen sich berühren, hin und her treiben und sonstwie behandeln, ohne sich zur Wehre zu setzen, und gewinnen nach und nach eine entschiedene Zuneigung zu jedem Wärter, welcher verständig mit ihnen umgeht. Nur ein Fall ist bekannt, daß ein Nashorn zwei Leute, welche es wahrscheinlich gereizt haben mochten, angriff und tödtete. Das indische Nashorn im Thiergarten von Antwerpen war so gutmüthig, daß es Herrn Kretschmer, den Zeichner vieler Abbildungen dieses Werkes, gestattete, zu ihm in den Behälter zu gehen, als es sich darum handelte, es von allen Seiten bildlich darstellen zu können. Man ließ es täglich auf einen umzäumten Platz vor seinem Stalle, und dort konnte der Wärter mit ihm beginnen, was er wollte. Eine einfache Peitsche genügte, ihm einen heilsamen Schrecken einzujagen: es setzte sich augenblicklich in Galopp, wenn der Wärter klatschte. Viele Beschauer mochten es oft gefüttert haben, denn so bald jemand sich nahte, kam es sofort herbei, streckte seine plumpe Schnauze durch das Gitter, verlängerte die Oberlippe so weit es konnte und stieß ein dumpfes, aber leises Brüllen aus, in der Absicht, einige Naschereien zu erhalten. Wenn es eine Leckerei erhalten hatte, drückte es die Augen behaglich zu und zermalmte die erbettelte Speise mit einem einzigen Bisse. Ein paar Nashörner aus Indien, welches gegenwärtig im Berliner Thiergarten gepflegt wird, zeigt sich ebenso lenksam und leutselig, ein ebendaselbst lebendes Doppelnashorn dagegen unfreundlich und eigenwillig, so daß es, nicht mit Unrecht, von den Wärtern gefürchtet wird. Während jene bei gutem Wetter täglich in dem äußeren Gehege ihres Stalles sich ergehen und stundenlang in dem geräumigen Badebecken behaglich liegen, ist dieses weder durch Güte noch durch Gewalt dazu zu bringen, den inneren Raum zu verlassen, und muß mittels einer Spritze gebadet werden. Keiner seiner Wärter wagt es, in seinen Stall zu treten, keiner es zu berühren, weil es jedes derartiges Entgegenkommen schnöde zurückweist und selbst seinen wohlbekannten Pfleger gelegentlich bedroht. Mit Strenge ist bei so gearteten Nashörnern nichts auszurichten; denn ihre Störrigkeit und Eigenwilligkeit übersteigt alle Begriffe. Selbst sonst folgsame Thiere geben hiervon zuweilen Beweise: so versagte, wie Bartlett gelegentlich mittheilt, auch Begum in Kalkutta einmal den Gehorsam, legte sich trotzig inmitten der Straße nieder und war durch kein Mittel zu bewegen, aufzustehen; hunderte von Eimern Wasser wurden über ihr ausgeschüttet: sie blieb liegen, als ob sie ein Klotz wäre, und mußte schließlich nach dem Stalle geschleift werden. Sanfte Worte, freundliches Zureden, Anbieten und Darreichen von Leckerbissen, kurz, Mittel der Güte, fruchten unter solchen Umständen weit mehr als die Peitsche, welche sonst auch bei Nashörnern als nützliches und nothwendiges Werkzeug der Erziehung sich erweist.

Das Leben der gefangenen Nashörner fließt einförmig dahin. Wie in der Freiheit sind sie eigentlich nur in den Früh- und Abendstunden sowie während eines Theiles der Nacht vollkommen [533] munter und so rege, als ihnen der Raum gestattet. Die Mittagsstunden bringen sie schlafend zu, nachdem sie vorher, falls dies ihnen möglich, ein Bad genommen haben. Beim Ruhen legen sie sich bald auf den Bauch und die zusammengebogenen Beine, bald auf die Seite, wälzen sich auch gern im Sande und bewegen dabei die schwere Masse ihres Leibes leichter, als man annehmen möchte. Beim Schlafen werden der Kopf und der lang ausgestreckte Hals auf den Boden gelegt und die Augen geschlossen, die Ohren dagegen auch in tiefster Ruhe noch bewegt; beim Baden verweilen sie stundenlang im Wasser, tauchen, falls das ihnen angewiesene Becken es erlaubt, bis zur Rückenfirste ins Wasser, strecken den Kopf vor und schließen die Augen ebenfalls. Wie sehr ein Begießen oder Benetzen ihrer dicken Haut ihnen Bedürfnis ist, sieht man an denen, welche nicht baden können oder wollen und deshalb täglich mittels einer Spritze eingenäßt werden: sie drängen sich, so lange der Wärter die Spritze handhabt, an das Gitter, drehen und wenden sich, legen sich nieder und auf den Rücken, wälzen sich auf dem benetzten Boden und geben überhaupt ihr hohes Behagen auf jede Weise zu erkennen, lassen auch währenddem unfriedliche Gedanken nicht aufkommen. Lauwarmes Wasser ist ihnen lieber als kaltes; doch baden sie noch bei vierzehn Grad Luft- und Wasserwärme, ohne Unbehaglichkeit zu bekunden. An die Beschaffenheit des Futters stellen sie, obwohl sie den Unterschied zwischen besserer und minder guter Nahrung zu würdigen wissen, geringe Ansprüche, verlangen aber ziemlich viel, etwa 20 Kilogramm Heu, 3 Kilogramm Hafer oder sonstiges Getreide und 15 Kilogramm Rüben täglich. Baumzweige mit Blättern und saftiges Kleeheu zählen unter ihre Leckerbissen; Weißbrod und Zucker schmeicheln ihrem Gaumen in unverkennbarer Weise; gewöhnliches Stroh oder Sumpfgräser werden übrigens auch nicht verschmäht. Bei regelmäßiger Pflege halten sie selbst in unserem Klima lange aus: man kennt Beispiele, daß sie zwanzig, dreißig, in Indien sogar fünfundvierzig Jahre in der Gefangenschaft lebten, und spricht ihnen daher, wohl nicht mit Unrecht, eine Lebensdauer von mindestens achtzig oder selbst hundert Jahren zu.

So viel mir bekannt, hat man noch niemals die Freude gehabt, gefangene Nashörner zur Fortpflanzung schreiten zu sehen; es liegt jedoch, meiner Ansicht nach, kein Grund vor, die Möglichkeit der Vermehrung gefangener Thiere dieses Geschlechts in Abrede zu stellen. Nur wenige Thiergärten vermochten bis jetzt, irgend eine Art der Familie paarweise zu erwerben, und wenn das wirklich der Fall war, fehlte es meist an genügenden Einrichtungen, um die Thiere zur Paarung zu treiben. Das bereits erwähnte Paar des Berliner Thiergartens läßt Nachzucht erhoffen. Den Thieren wohnt, wie schon Noll sehr richtig bemerkt hat, eine wahrhaft rührende Zuneigung gegen einander inne. Legt sich das eine nieder, so streckt sich auch das andere daneben hin, oft so, daß sein Kopf auf dem Leibe des Genossen ruht; steht das erste auf, so erhebt sich auch das zweite; geht dieses im Käfige auf und ab, so thut es auch jenes; beginnt das Männchen zu fressen, so verspürt auch das Weibchen das Bedürfnis, etwas zu sich zu nehmen; ruft letzteres, so antwortet ersteres und umgekehrt. Das Männchen hat schon wiederholt allerlei Paarungsgelüste gezeigt, bis jetzt aber williges Entgegenkommen noch nicht gefunden. Oft reibt es seinen Kopf an den Seiten des Weibchens, beschnüffelt es, versucht aufzusteigen; das Weibchen aber wich bisher stets aus und ließ sich selbst durch Hornstöße und Bisse seitens des ungestümen und keineswegs ungelenken Bewerbers zur Nachgiebigkeit nicht bewegen, wahrscheinlich einzig und allein deshalb, weil es das rechte Alter noch nicht erlangt hat.

Aller Nutzen, welchen das Nashorn gewähren kann, wiegt den Schaden, den es während seines Freilebens anrichtet, nicht entfernt auf. In Gegenden, wo ein regelmäßiger Anbau des Bodens stattfindet, läßt es sich nicht dulden; es ist so recht eigentlich nur für die Wildnis geschaffen. Von dem erlegten Thiere weiß man fast alle Theile zu verwenden. Nicht bloß das Blut, sondern auch das Horn steht in hohem Ansehen wegen seiner geheimnisvollen Kraft. Im Morgenlande sieht man in den Häusern der Vornehmen allerlei Becher und Trinkgeräthe, welche aus dem Horne des Thieres gedreht sind. Man schreibt diesen Gefäßen die Eigenschaft zu, aufzubrausen, [534] wenn eine irgendwie giftige Flüssigkeit in sie geschüttet wird, und glaubt somit ein sicheres Mittel zu haben, vor Vergiftungen sich zu schützen. Die Türken der höheren Klassen führen beständig ein Täßchen von Rhinoceroshorn bei sich, und lassen es in allen zweifelhaften Fällen mit Kaffee füllen. Gar nicht selten kommt es vor, daß ein Türke, welcher einen anderen besucht, von dem er sich eben nicht viel gutes versieht, in dessen Gegenwart durch seinen Diener das Horntäßchen mit dem Kaffee füllen läßt, welcher als Freundschaftstrank jedem Ankommenden gereicht wird, und es scheint fast, als nähme der Wirt eine so beispiellose Ungezogenheit gar nicht übel. Noch häufiger wird das Horn zu den Griffen der kostbaren Säbel verwendet. Wenn es gut gewählt und geglättet ist, zeigt es eine unbeschreiblich schöne, sanft röthlichgelbe Farbe, welche mit Recht als ein besonderer Schmuck der Waffe betrachtet wird. Aus der Haut verfertigen sich die Eingeborenen gewöhnlich Schilde, Panzer, Schüsseln und andere Geräthschaften. Das Fleisch wird gegessen, das Fett hoch geachtet, obwohl Europäer das eine wie das andere als schlecht bezeichnen. Hier und da benutzt man, und sicherlich nicht ohne Erfolg, das Fett zu Salben der verschiedensten Art, wie auch das Mark der Knochen hier und da als Heilmittel gilt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 518-535.
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