Erdmaus (Arvicola agrestis)

[386] Als Vertreter einer andern Gruppe, der Ackermäuse (Agricola), gilt die Erdmaus (Arvicola agrestis, Agricola agrestis, Mus agrestis und gregarius, Arvicola Baillonii, neglecta, britannica, Lemmus insularis). Der erste untere Backenzahn hat auf der Kaufläche neun Schmelzschlingen, außen fünf, innen sechs Längsleisten, der zweite fünf Schmelzschlingen und außen und innen drei Längsleisten, der erste und zweite obere Backenzahn fünf einfache Schmelzschlingen und außen und innen drei Längsleisten, der dritte endlich sechs Schmelz schlingen und außen und innen vier Kanten; das Zwischenscheitelbein ist an den Seiten ziemlich rechtwinklig abgeschnitten; das Ohr tritt wenig aus dem Pelze hervor und erreicht etwas über ein Drittel der Kopflänge. In der Färbung erinnert die Erdmaus an die Waldwühlmaus. Der Pelz ist zweifarbig, oben dunkelschwärzlichbraungrau, nach den Weichen etwas heller, unten und an den Füßen grauweiß, der Schwanz ebenso, oben dunkelbraun und unten grauweiß.

[386] Die Erdmaus bewohnt den Norden der Alten Welt: Skandinavien, Dänemark, Britannien, Norddeutschland und Frankreich, lebt gewöhnlich im Gebüsch, in Wäldern, an Waldrändern, Gräben, auf Dämmen usw., aber nur in wasserreichen Gegenden, manchmal mit ihren Verwandten zusammen. Blasius traf sie zuweilen auch in Gesellschaft der Wasserspitzmaus in den Nestern des großen Wasserhuhns angesiedelt. Altum hebt hervor, daß man ihre Ueberreste besonders in den Gewöllen der Waldohreule und des Waldkauzes findet, sie also in lichteren jüngeren Waldtheilen mit freien Plätzen und dichten Gebüschen, nicht aber auf Aeckern und freien Wiesen zu suchen hat. Ihre Nahrung nimmt sie vorzugsweise aus dem Pflanzenreiche. Sie verzehrt Wurzeln, Rinden, Früchte, aber auch Kerbthiere und Fleisch. In ihren Bewegungen ist sie so unbeholfen, daß man sie ohne große Mühe mit der Hand fangen kann. Dabei ist sie gar nicht scheu und erscheint auch meistens am hellen Tage vor dem Eingange ihrer Erdhöhlen. Das runde Nest steht dicht unter der Oberfläche der Erde, wird aber durch dichte Grasbüschel und dergleichen von obenher sehr geschützt. Drei- bis viermal im Jahre findet man in solchen Nestern vier bis sieben Junge, welche bald groß werden und von Anfang an den Alten ähneln. In der Gefangenschaft kann man sie leicht erhalten. Sie lebt auch hier friedlich mit anderen Artverwandten zusammen. »Ich hielt«, sagt Blasius, »eine Erdmaus in demselben Behälter mit einer Waldwühlmaus und einer Feldmaus zusammen. Jede grub sich in der Erde des Behälters eine besondere Röhre aus, veränderte dieselbe aber tagtäglich. In diese Röhren legten sich die Mäuse zum Schlafen oder flüchteten dahinein, wenn sie erschreckt wurden. Um zu fressen und sich zu putzen, saßen sie draußen und liebten es auch, ganz beschaulich die warme Sonne zu genießen. Am meisten nächtlicher Natur schien die Feldmaus zu sein. Sie trieb sich noch beweglich umher, wenn die anderen lange ruhten. Doch kamen auch diese in der Nacht von Zeit zu Zeit wieder zum Vorscheine. Einen mehr als etliche Stunden langen, ununterbrochenen Schlaf habe ich bei keiner beobachtet.«


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Die Feldmäuse (Arvicola) endlich, welche ebenfalls eine Sippe oder Untersippe bilden, ähneln den Ackermäusen darin, daß der erste untere Backenzahn ebenfalls neun Schmelzleisten auf der Kaufläche und außen fünf, innen sechs Längsleisten hat, wie auch der zweite untere Backenzahn keine wesentliche Abweichung zeigt, unterscheiden sich aber durch die Beschaffenheit des zweiten obern Backenzahns, welcher nur vier Schmelzschlingen und außen drei, innen zwei Längsleisten hat. Das Zwischenscheitelbein ist am Hinterrande erhaben abgerundet, an den Seiten verschmälert und scharf abgeschnitten mit einer kurzen, schräg nach hinten und außen gerichteten Spitze.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 386-387.
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