Pangolin (Manis pentadactyla)

[532] Der Pangolin der Malaien (Manis pentadactyla, M. laticauda, brevicaudata, brachyura und crassicaudata, Pholidotus indicus) vertritt die Untersippe der Spitzschwanzschuppenthiere (Pholidotus), deren Merkmale in dem kurzen Schwanze und dem Vollpanzer auf der Außenseite der Vorderbeine zu suchen sind. Das Thier bewohnt Ostindien, zumal Bengalen, Pondischery und Assam, auch Ceilon. Schon Aelian erwähnt, daß es in Indien ein Thier gebe, welches wie ein Erdkrokodil aussähe. Es habe etwa die Größe eines Malteser Hundes, seine Haut sei mit einer so rauhen und dichten Rinde bewaffnet, daß sie abgezogen als Feile diene und selbst Erz und Eisen angreife. Die Indier hätten ihm den Namen Phatagen gegeben. Diesen Namen trägt das Thier heute noch, und somit unterliegt es keinem Zweifel, daß der alte Naturforscher unser Schuppenthier meinte, obgleich Buffon den Namen Phatagen auf das afrikanische anwandte. In Bengalen heißt es Badjarkit oder Bajjerkeit, zu deutsch Steinwurm, weil es, wie man sagt, immer eine Hand voll Steine im Magen habe, wahrscheinlich aber, weil seine äußere Bedeckung so steinhart ist.

Von den übrigen Schuppenthieren, mit Ausnahme des Steppenschuppenthieres, unterscheidet sich der Pangolin durch seine Größe und dadurch, daß die Schuppen in elf bis dreizehn Reihen geordnet, am Rücken und Schwanze sehr breit und nirgends gekielt sind; auch ist der Schwanz am Grunde ebenso dick wie der Leib, d.h. von diesem gar nicht abgesetzt. Ein ausgewachsenes Männchen kann [532] bis 1,3 Meter an Gesammtlänge erreichen; hiervon kommt gegen die Hälfte auf den Leib. Die Schuppen des Leibes sind am freien Ende ungefähr doppelt so breit als lang, dreieckig und gegen die Spitze hin etwas ausgebogen, von der Spitze an bis über die Hälfte glatt, gewöhnlich in elf, zuweilen aber auch in dreizehn Längsreihen geordnet, indem zu der regelmäßigen Anzahl an der Seite noch zwei kleinere Reihen hinzukommen. Die Mittelreihe zählt auf dem Kopfe elf, auf dem Rücken und dem Schwanze je sechszehn Schuppen.

Ueber die Lebensweise dieses Schuppenthieres wissen wir ebenfalls noch sehr wenig. Burt erzählt, daß der Pangolin nichts als Ameisen frißt und sehr viele davon vertilgt, aber auch zwei Monate lang hungern kann, daß er nachts umherstreift und in der Gefangenschaft sehr unruhig ist, sich ziemlich schnell zu bewegen vermag und, wenn man ihn angreift, sich ruhig am Schwanze aufnehmen läßt, ohne den geringsten Versuch zu machen, sich gegen seinen Feind zu wehren usw. Die Chinesen verfertigen Panzer aus der Haut und nageln sie auch auf den Schild.


Pangolin (Manis pentadactyla) 1/8 näturl. Größe.
Pangolin (Manis pentadactyla) 1/8 näturl. Größe.

Adams, welcher zwei dieser oder doch sehr nahe verwandte Gürtelthiere gefangen hielt und beobachtete, entwirft eine Schilderung von ihnen, welche den bereits gegebenen allgemeinen Mittheilungen entspricht. Als vollendetes Nachtthier rollt sich der Pangolin über Tages so fest zusammen und erscheint dann so wenig bewegungsfähig, daß Adams zu dem Glauben verlockt wurde, ihn in einem Fischernetze aufbewahren zu können. Erst das wüthende Gebell seines Hundes, welcher das freigewordene und flüchtende Thier entdeckt und gestellt hatte, belehrte ihn, daß »Schüppchen« auch laufen, klimmen und sonstwie sich bewegen, überhaupt Stellungen der verschiedensten Art einnehmen können. Furchtsam im höchsten Grade, rollten sich die von Adams gepflegten Gürtelthiere sogleich zur Kugel zusammen, wenn ein Geräusch ihr Ohr traf. Bei einem Mischfutter von geschabtem Fleische und rohen Eiern hielten sie sich gut, verunglückten jedoch durch Zufall. Tennent bespricht den Pangolin nur mit wenigen Worten: »Die einzige Art der zahnlosen Thiere, welche Ceilon bewohnt, ist der gepanzerte Ameisenfresser, von den Singalesen Caballaya, von den Malaien Pangolin genannt, ein Name, welcher die Eigenthümlichkeit des Thieres ausdrückt, sich in sich selbst zusammen zu rollen, das Haupt gegen die Brust zu kehren und den Schwanz kreisrund um Kopf und Hals zu schlagen, hierdurch gegen feindliche Angriffe sich sichernd. Man findet die zwei Meter tiefen [533] Höhlen des Caballaya in trockenem Grunde und erfährt, daß die Thiere hier paarweise zusammen leben und jährlich zwei oder drei Junge erzeugen. Ich habe zu verschiedenen Zeiten zwei Stücke von ihnen lebend gehalten. Das eine stammte aus der Nähe von Kandy, hatte ungefähr 60 Centim. Länge und war ein liebenswürdiges und anhängliches Geschöpf, welches nach seinen Wanderungen und Ameisenjagden im Hause meine Aufmerksamkeit auf seine Bedürfnisse lenken wollte, indem es auf mein Knie kletterte, wo es sich mit seinem greiffähigen Schwanze sehr geschickt fest zu halten wußte. Das zweite, welches man in einem Dschungel in der Nähe von Chillaw gefangen hatte, war doppelt so groß, aber weniger nett. Die Ameisen wußten beide mit ihrer runden und schleimigen Zunge sehr geschickt anzuleimen. Während des Tages waren sie ruhig und still, um so lebendiger aber mit Einbruch der Nacht.«

»Chinesen und Indier rechnen«, wie Tennent ferner bemerkt, den Pangolin zu den Fischen. In Indien nennen die gemeinen Leute das Thier »Dschungli-Matsch« oder Dschungelfisch; in einem Berichte über chinesische Naturgeschichte heißt es: »Der Ling-Le« oder Hügelkarpfen wird so genannt, weil Gestalt und Aussehen denen eines Karpfen ähneln; seit er auf dem Lande in Höhlen und Felsenritzen der Hügel (ling) wohnt, erhielt er seinen Namen. Einige nennen ihn auch wohl »Lung-le« oder Drachenkarpfen, weil seine Schuppen denen eines Drachen ähneln. Adams, dessen Mittheilungen letztere Angaben entnommen zu sein scheinen, erwähnt noch, daß die Chinesen unter anderem erzählen, der Pangolin stelle verschiedenen Kerbthieren und namentlich Fliegen gefährliche Fallen, indem er die Schuppen seines Panzers lüfte und warte, bis eine Anzahl von Kerfen, durch seine Ausdünstung angezogen, sich dazwischen angesammelt habe, sodann die ganze Gesellschaft durch plötzliches Zusammenklappen des Schuppenpanzers tödte und schließlich die schmählich Betrogenen verzehre. Man sieht den Pangolin oder einen seiner Vettern (Manis Dalmanni) oft in den Händen der Chinesen, welche ihn als anziehendes Schauthier betrachten und seine Schuppen als Arzneimittel verwenden, sein saftiges Fleisch jedoch nicht auf ihren Tisch bringen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 532-534.
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