Citronfink (Citrinella alpina)

[302] Als Verbindungsglied zwischen Grünfinken und Zeisigen mag der Citronfink, Citronzeisig, Zitrinchen und Ziprinchen (Citrinella alpina, brumalis und serinus, Fringilla, Spinus, Chrysomitris, Cannabina und Chlorospiza citrinella, Bild S. 299), gelten. Die von ihm vertretene Sippe der Citronzeisige (Citrinella) unterscheidet sich nur durch den etwas kürzeren und dickeren Schnabel von den Zeisigen. Stirn, Vorderkopf und die Gegend um das Auge, Kinn und Kehle sind schön gelbgrün, die Untertheile lebhafter gelb, Hinterkopf, Nacken, Hinterhals, Ohrgegend und Halsseiten grau, Mantel und Schultern auf düster olivengrünem Grunde durch verwaschene, dunkle Schaftstriche gezeichnet, die Bürzelfedern schön citrongelb, die oberen Flügel- und Schwanzdecken olivengrün, die Seiten des Unterleibes grünlichgrau, die unteren Schwanzdecken blaßgelb, die Schwingen braunschwarz, außen schmal grün, an der Spitze fahlgrau, die letzten Armschwingen außen gelbgrün gesäumt, an der Spitze grau gefleckt, die Deckfedern der Armschwingen gelbgrün, ihre Wurzeltheile aber schwarz, so daß eine schmale, dunkle Flügelbinde entsteht, die Schwanzfedern schwarz, außen schmal grünlich, innen, wie auch die Schwingen, weißlich gesäumt. Das Auge ist tiefbraun, der Schnabel fleischbräunlich, der Fuß gelbbräunlich. Das kleinere Weibchen ist minder lebhaft und mehr grau gefärbt. Die Länge beträgt einhundertundzwanzig, die Breite zweihundertunddreißig, die Fittiglänge achtzig, die Schwanzlänge fünfundfunfzig Millimeter.

Der Citronfink ist ein Gebirgsvogel, welcher die Westalpen und Kleinasien, in Deutschland ständig auch den Schwarzwald bewohnt, aber nur an einzelnen Stellen zahlreich auftritt. Wie es scheinen will, hat er sich von Italien, woselbst er am häufigsten vorkommt, über Tirol und die Schweiz verbreitet und erst neuerdings im badischen Schwarzwalde angesiedelt, fehlt dagegen den Ostalpen noch gänzlich. In den Schweizer Alpen bewohnt er nur die oberen Waldungen, im badischen Schwarzwalde die Hochrücken, namentlich die Waldränder oder Weiden, meidet aber einzeln stehende Berggipfel ebenso wie das Innere von Waldungen. In der Schweiz wird er, so gern er hoch im Gebirge emporsteigt, durch Unwetter bald in die Tiefe herabgedrückt und verweilt dann hier, bis die Hochthäler und sonnigen Halden schneefrei sind und ihn ernähren können. Im Schwarzwalde verläßt er im Winter ebenfalls seine Aufenthaltsorte und steigt in die sonnigen Schluchten der Thaleingänge herab, thut dies aber nur bei wirklich schlechtem Wetter und findet sich schon zu Anfang des Mai wieder auf seinen Brutplätzen ein, ob auch dort der Boden mit Schnee bedeckt sein sollte. Von den Alpen aus mag er eine Wanderung antreten; im Schwarzwalde scheint er mehr Strichvogel zu sein. Alle Forscher, welche ihn eingehend beobachten konnten, schildern ihn als einen munteren und lebhaften Vogel, welcher in beständiger Bewegung ist, und dabei ununterbrochen[302] lockt und singt. Bei schlechter Witterung kaum wahrnehmbar, läßt er, laut Schütt, an sonnigen und windstillen Tagen seinen klagenden Lockton »Güre, güre, bitt, bitt« häufig hören und macht sich dadurch sehr bemerklich, ist in der Regel aber ziemlich scheu und deshalb schwer zu beobachten. Der Gesang besteht, nach Alexander von Homeyer, aus drei Theilen, von denen der eine an das Lied des Girlitzes, der andere an das des Stieglitzes erinnert, und der dritte ungefähr mitteninne steht. »Der Stieglitz singt und schnarrt, der Girlitz lispelt und schwirrt, der Citronzeisig singt und klirrt. Der Ton des ersteren ist hell, laut und hart, des zweiten schrillend, des letzten voll, weich und klangvoll. Die Locktöne ›Ditae ditae wit‹ oder ›Ditaetätett‹ sind weich und nicht laut; der Ruf ›Ziüb‹ ist glockenrein und von außerordentlichem Wohlklange. Der Citronzeisig also hat einen eigenthümlich klirrenden Gesang, in welchem Stieglitz- und Girlitzstrophen wechseln und ineinander übergehen, gehört jedoch nicht zu den vorzüglichen Sängern des Finkengeschlechtes, sondern zu denen zweiten Ranges.«

Je nach der Lage des Brutgebietes und der in ihm herrschenden Witterung beginnt das Paar im April oder spätestens im Mai mit dem Baue des Nestes. Letzteres steht auf Bäumen, bald höher, bald niedriger, im Schwarzwalde, nach Schütt, immer auf etwa sechs Meter hohen Fichten, am Stamme und nahe am Wipfel im dichtesten Astwerke, besteht aus Würzelchen, Bartmoos und Pflanzenfasern und ist mit Pflanzenwolle und Federn ausgefüttert. Die vier oder fünf Eier ähneln denen des Stieglitzes, sind aber kleiner und zartschaliger, etwa funfzehn Millimeter lang, zwölf Millimeter dick und auf hellgrünem Grunde ziemlich gleichmäßig, gegen das dicke Ende hin oft kranzartig mit violett braunröthlichen und schwarzbraunen Punkten bedeckt. Die Jungen werden von beiden Eltern gefüttert, locken gedehnt »Zi-be, zi-be«, sitzen lange im Neste, fliegen aber, sobald man dieses berührt, gleich jungen Zaunkönigen davon und suchen ihr Heil im Moose und Heidelbeergestrüppe. Gegen den Herbst hin vereinigen sie und ihre Eltern sich mit anderen und bilden Flüge von vierzig bis funfzig Stück, welche meist auf jungen Schlägen am Boden dem Gesäme nachgehen und sich von Nahrung versprechenden Orten schwer vertreiben lassen. So hielt sich in der Schweiz ein sehr starker, über hundert Stück zählender Trupp während eines Winters stets in der Nähe des Bahnhofes von Chur auf und nährte sich während dieser Zeit von dem Samen der Melde. Im Sommer liebt der Vogel den Samen des Löwenzahnes, gleichviel ob derselbe bereits gereift oder noch weich ist, und gewinnt denselben, indem er sich nach Stieglitzart an die Samenkrone hängt, oder liest vom Boden andere Sämereien auf, nimmt auch sehr gern Knospen und weiche Blattspitzen zu sich.

Seine Ernährung im Käfige verursacht wenig Schwierigkeiten; gleichwohl hält er sich schlecht und steht deshalb als Stubenvogel den Zeisigen wie dem Stieglitze nach.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 302-303.
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