Neununddreißigste Familie: Schmuckvögel (Pipridae)

[606] Von vielen Vogelkundigen werden die Schmuckvögel (Pipridae) der Familie der Fruchtvögel zugezählt, von anderen, wohl mit mehr Recht, in einer besonderen Familie vereinigt. Die dieser Gruppe angehörigen Arten, etwa sechzig an der Zahl, welche wohl auch Zier- und Sammetvögel oder Manakins genannt werden, sind ebenfalls in Süd- und Mittelamerika zu Hause, theilen mit den Fruchtvögeln dasselbe Verbreitungsgebiet, unterscheiden sich aber, ganz abgesehen von ihrer Kleinheit, durch alle hauptsächlichen Merkmale. Der Schnabel ist kurz und ziemlich hoch, auf der Firste mehr oder minder scharfkantig, von der Mitte an zusammengedrückt, hinter dem Haken des Oberkiefers seicht ausgeschnitten; der Lauf ist hoch und dünn und die Zehen sind kurz, die Außen- und Mittelzehen bis zur Mitte verwachsen; die Flügel, unter deren Schwingen die vierte die längste zu sein pflegt, reichen zusammengelegt wenig über die Schwanzwurzel hinab; die ersten Handschwingen sind stufig verkürzt und namentlich an der Spitze stark verschmälert; der kurze Schwanz ist entweder gerade abgestumpft oder durch Verlängerung der mittelsten Federn keilförmig zugespitzt. Das Gefieder liegt ziemlich knapp an und ist zumal in der Stirngegend sehr kurz, bedeckt aber doch die Nasenlöcher und verwandelt sich um den Mundrand herum zu feinen Borsten. Im männlichen Geschlechte bildet Schwarz die Grundfärbung; mit ihr vereinigen sich aber an einzelnen Theilen des Leibes die lebhaftesten Farben. Dagegen tragen die Weibchen fast aller Arten ein einfarbiges, graugrünes Kleid, und ihnen ähneln mehr oder weniger auch die Jungen beiderlei Geschlechtes.

In ihrer Lebensweise und in ihrem Betragen erinnern die Schmuckvögel am meisten an unsere Meisen. Sie leben paarweise oder in kleinen Familien und Gesellschaften, hüpfen von Zweig zu Zweig und fliegen weder weit, noch hoch, sind aber munter und unruhig und deshalb wohl im Stande, die Wälder zu beleben. Wie so viele Vögel des Urwaldes, bevorzugen sie feuchte Wälder und vermeiden fast ängstlich alle schattenlosen Stellen derselben, so auch die offenen Flußufer. In den Morgenstunden sieht man sie zu kleinen Gesellschaften vereinigt, auch wohl in Gesellschaft mit anderen Vögeln; gegen Mittag hin lösen sich diese Gesellschaften auf, und die einzelnen suchen nun die Einsamkeit und die dunkelsten Schatten auf. Ihr Gesang ist unbedeutend, wie Pöppig sagt, »ein leises, jedoch recht angenehmes Gezwitscher«, ihre Lockstimme ein Pfeifen, welches häufig wiederholt wird. Sie fressen Kerbthiere und Fruchtstoffe; Beeren scheinen die Hauptnahrung einzelner zu bilden, und ihnen zu Liebe kommen die sonst vorsichtigen Vögel wohl auch in die Nähe der menschlichen Wohnungen. »An der Mündung des Parima«, sagt Schomburgk, »stand ein Ficusbaum mit reifen Früchten in der Nähe unseres Lagers, welcher während des ganzen Tages von diesen sonst scheuen Vögeln besucht wurde, die an dessen kleinen saftigen Früchten den Hunger stillten.« Das ziemlich einfache und kunstlose Nest besteht aus Moos und ist innen mit Pflanzenwolle [606] ausgefüttert; das Gelege enthält, wie es scheint, immer zwei Eier von sehr länglicher Gestalt, welche auf blassem Grunde sein getüpfelt sind, gewöhnlich aber am stumpfen Ende einen Fleckenkranz zeigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 606-607.
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