Brachpieper (Anthus campestris)

[254] Unser Brachpieper, die Brach- und Krautlerche, Brach- oder Feldstelze, der Stoppelvogel, Stöppling und Hüfter (Anthus campestris, rufus und rufescens, Alauda campestris und [254] mosellana, Agrodroma campestris, Bild S. 253), auch wohl als Vertreter einer besonderen Untersippe (Agrodroma) geltend, ist oberseits licht gelblichgrau, durch wenig deutliche, dunkle, spärlich stehende Flecke, unterseits trüb gelblichweiß, am Kropfe durch einige dunkle Schaftstriche gezeichnet; über das Auge zieht sich ein lichtgelblicher Streifen; die Flügel sind zweimal gelblichweiß gebändert. Bei den Jungen ist die Oberseite dunkler, jede Feder gelblich gerandet und die Unterseite am Kropfe stark gefleckt. Die Länge beträgt einhundertundachtzig, die Breite zweihundertundachtzig, die Fittiglänge dreiundachtzig, die Schwanzlänge sechsundsechzig Millimeter.

Das Verbreitungsgebiet des Brachpiepers umfaßt, mit Ausnahme der nördlichsten Tundra und Großbritanniens, ganz Europa, Mittel- und Südasien und Nordafrika, einschließlich der Kanaren. Er zieht unfruchtbare, dürre, steinige, wüstenhafte Gegenden allen anderen vor und findet sich deshalb im Süden Europas viel häufiger als im Norden. In Deutschland ist er hier und da nicht selten, in anderen Gauen eine sehr vereinzelte Erscheinung; in fruchtbaren Strichen fehlt er gänzlich. Er geht nur bis Südschweden hinauf, dafür aber um so weiter nach Süden hinab. »Je ebener, kahler und heißer der Boden«, sagt Bolle sehr richtig, »desto zahlreicher tritt er auf. In Canaria gehört er zu den allergewöhnlichsten Erscheinungen; seinen Lockton hört man bis zum Ueberdruß.« In Spanien, Italien und Griechenland ist er ebenso wie bei uns bloß stellenweise verbreitet. Er erscheint, aus seiner Winterherberge zurückkehrend, in Südeuropa etwas früher als in Deutschland, hier um die Mitte des April, und rüstet sich bereits im August, in Südeuropa um zwei Wochen später, wieder zum Wegzuge. Etwa im Maitreffen die Nachzügler ein, und im September sind die letzten verschwunden. Vor dem Wegzuge schart er sich in Gesellschaften und Flüge, welche bei schönem Wetter bei Tage, bei windigem des Nachts ziehen.

In seinen Bewegungen erinnert der Brachpieper ebensosehr an die Lerchen wie an die Bachstelzen. Er läuft in fast wagerechter Haltung, oft mit dem Schwanze wippend, möglichst gedeckt über den Boden dahin, erscheint von Zeit zu Zeit auf einem erhöhten Gegenstande, rastet einige Augenblicke, hält in etwas aufgerichteter Haltung Umschau und setzt sodann seinen Lauf fort, fliegt, die Schwingen abwechselnd rasch bewegend und wieder zusammenfaltend, in stark gebogener Schlangenlinie dahin, schwebt vor dem Niedersetzen gewöhnlich, stürzt sich aber auch mit angezogenen Schwingen fast senkrecht aus hoher Luft herab. Bei uns zu Lande ist er regelmäßig auffallend, im Süden hier und da im Gegentheile wenig scheu, unter allen Umständen aber vorsichtig. An Stimmbegabung steht er anderen Piepern nach. »Dillem« oder »Dlemm« ist der Lockton, »Kritlin, zirlui« und »Ziür« der Ausdruck der Zärtlichkeit, zugleich aber auch der wesentliche Bestandtheil des außerordentlich einfachen, im Klange entfernt an die häufigsten Töne der Feldlerche erinnernden Gesanges. Die Nahrung besteht in allerlei Kleingethier, auch wohl in feinen Sämereien.

Während der Brutzeit behauptet und bewacht jedes Paar eifersüchtig ein ziemlich großes Gebiet. Das Männchen zeigt sich jetzt sehr gern frei, setzt sich auf einen hohen Stein, Felsenabsatz, auf Mauern, Sandhügel usw. oder auf einen Busch, selbst auf die unteren Aeste der Bäume, steigt in schräger Richtung in die Luft empor, beginnt in einer Höhe von dreißig bis funfzig Meter zu zittern und zu schwanken, fliegt unregelmäßig hin und her und stößt dabei sehr häufig wiederholt sein »Zirlui zirlui« aus. Das Nest, ein großer Bau, welcher äußerlich aus Moos, Queggenwurzeln und dürrem Laube besteht und innen mit Grashalmen und Würzelchen, auch wohl mit einzelnen Haaren ausgelegt wird, steht auf Schlägen, zwischen Gras und Heidekraut, auf Wiesen, in Erdvertiefungen usw. und ist wie alle Piepernester außerordentlich schwer zu finden. Die Erbauer vermeiden es sorgfältig, es irgendwie zu verrathen, treiben sich z.B., sobald sie sich beobachtet sehen, nie in seiner Nähe umher. Das Gelege enthält vier bis sechs, zweiundzwanzig Millimeter lange, funfzehn Millimeter dicke Eier, welche auf trübweißem Grunde über und über, am stumpfen Ende gewöhnlich dichter, mit matt röthlichbraunen Punkten, Strichelchen und kleinen Fleckchen bedeckt sind. Das Weibchen brütet allein, und das Männchen unterhält es inzwischen durch Flugkünste mancherlei Art und fleißiges Singen. Naht man sich langsam dem Neste, so läuft das brütende Weibchen ein ziemliches [255] Stück weg, ehe es sich erhebt, läßt sich jedoch zuweilen auch überraschen und fliegt erst dann ab, wenn man schon unmittelbar vor dem Neste steht. Beide Eltern geberden sich sehr ängstlich, wenn sie für ihre Brut Gefahr fürchten. Nur wenn die Eier geraubt werden, brütet das Paar zweimal im Jahre. Wenn alles gut geht, findet man Ende Mai die Eier und im Juli die flüggen Jungen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 254-256.
Lizenz:
Kategorien: