Töpfervogel (Furnarius rufus)

[588] Der Töpfer- oder Ofenvogel, Hüttenbauer, Baumeister, Lehmhans usw. (Furnarius rufus, Merops rufus, Turdus badius, Figulus albogularis, Opetiorhynchus ruficaudus, Bild S. 587), ist oberseits rostzimmetbraunroth, auf Kopf und Mantel matter, auf den Schwingen braun, auf der Unterseite lichter, auf der Kehlmitte reiner weiß gefärbt; vom Auge verläuft ein lebhaft gefärbter rostgelber Streifen nach hinten; die Schwingen sind grau, die Handschwingen an ihrer Wurzel auf eine Strecke hin blaßgelb gesäumt, die Steuerfedern rostgelbroth. Das Auge ist gelbbraun, der Schnabel braun, der Unterkiefer am Grunde weißlich, der Fuß braun. Die Länge beträgt neunzehn, die Breite siebenundzwanzig, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

Nach Orbigny's Angaben lebt der Töpfervogel ungefähr nach Art unserer Drosseln, ebensowohl auf den Zweigen wie an dem Boden. Im Gezweige ist er sehr lebhaft und heiter, und namentlich die wunderbare Stimme läßt er häufig ertönen. Man findet ihn immer paarweise und meist für sich allein; doch kommt es vor, daß einer der beiden Gatten sich auch einmal mit anderen Vögeln zeitweilig vereinigt, und dann kann es, wie Orbigny sagt, nichts erheitern deres geben, als das vorsichtige Gebaren des Männchens, obgleich es nicht immer zu Thätlichkeiten kommt. Die Nahrung besteht aus Kerbthieren und Sämereien, laut Burmeister nur aus ersteren, welche vom Boden aufgenommen werden; denn an den Zweigen sieht man den Töpfervogel nie nach solchen jagen und noch weniger fliegende Kerfe verfolgen. Auf dem Boden bewegt er sich sehr gewandt, indem er mit großen Sprüngen dahinhüpft; der Flug dagegen ist, den kurzen Flügeln entsprechend, nicht eben rasch und wird auch niemals weit ausgedehnt. Die Stimme muß höchst eigenthümlich sein, weil alle Beschreiber ihrer ausdrücklich gedenken, die einen mit Wohlwollen, die anderen in minder günstiger Weise. »Seine laute, weit vernehmliche Stimme«, sagt Burmeister, »ist gellend [588] und kreischend, und gewöhnlich schreien beide Gatten, irgendwo auf einem Hause oder Baume sitzend, zugleich, aber in verschiedenen Tönen und Tonleitern, das Männchen schneller, das Weibchen bedeutend langsamer und eine Terz tiefer. Ueberraschend ist diese Art und Weise allerdings, wenn man sie das erste Mal hört, aber angenehm gewiß nicht, zumal da das Vogelpaar einem stets in die Rede fällt, das heißt zu schreien beginnt, wenn man irgendwo stehen bleibt und laut sprechend sich unterhält. Im Garten des Herrn Dr. Lund geschah mir dies täglich, und oft äußerte mein freundlicher Wirt, wenn die Vögel ihre Einsprache begannen: ›Lassen Sie die nur erst ausreden; wir werden doch daneben nicht zu Worte kommen.‹«

Man bemerkt bald, daß die anfangs auffallende Dreistigkeit des Töpfervogels ihre vollste Berechtigung hat. Er gilt in den Augen der Brasilianer als ein heiliger oder christlicher Vogel, weil man behauptet, daß er an seinem großen Neste des Sonntags nicht arbeite und das Flugloch stets nach Osten hin anlege. »Daß letztere Angabe nicht richtig sei«, bemerkt Burmeister, »fand ich bald selbst und überzeugte davon auch mehrere Einwohner, welche ich deshalb zu Rathe zog; die Sage, daß der Vogel Sonntags nicht arbeiten soll, hat wohl ihren Grund in der Schnelligkeit, mit welcher er sein schwieriges Werk vollendet. Hat er nicht gerade am Sonntag begonnen, so ist er fertig, ehe der nächste Feiertag herankommt.

Das Nest selbst ist für die kleinen Vögel wirklich ein staunenswürdiges Werk. Die Stelle, wo er dasselbe anlegt, ist gewöhnlich ein völlig wagerechter oder mitunter selbst schwach ansteigender Theil eines acht Centimeter oder darüber starken Baumzweiges. Sehr selten gewahrt man das Nest an anderen Punkten, auf Dächern, hohen Balken, Kreuzen der Kirchen usw. Beide Gatten bauen gemeinschaftlich. Zuerst legen sie einen wagerechten Grund aus dem in jedem Dorfe häufigen Lehm der Fahrwege, welcher nach den ersten Regengüssen, die um die Zeit ihrer Brut sich einstellen, als Straßenkoth zu entstehen pflegt. Die Vögel bilden aus demselben runde Klumpen, wie Flintenkugeln, und tragen sie auf den Baum, hier mit den Schnäbeln und Füßen sie ausbreitend. Gewöhnlich sind auch zerfahrene Pflanzentheile mit eingeknetet. Hat die Grundlage eine Länge von zwanzig bis zweiundzwanzig Centimeter erreicht, so baut das Paar an jedes Ende derselben einen aufwärts stehenden, seitwärts sanft nach außen geneigten Rand, welcher am Ende am höchsten (bis fünf Centimeter hoch) ist und gegen die Mitte der Seiten sich erniedrigt, so daß die Ränder von beiden Enden her einen hohlen Bogen bilden. Ist dieser Rand fertig und gehörig getrocknet, so wird darauf ein zweiter, ähnlicher gesetzt, welcher sich schon etwas mehr nach innen zu überbiegt. Auch diesen läßt der Vogel zuvörderst wieder trocknen und baut später in derselben Weise fort, sich von beiden Seiten zu einer Kuppel zusammenschließend. An der einen Langseite bleibt eine runde Oeffnung, welche anfangs kreisförmig erscheint, später aber durch Anbauen von der einen Seite her zu einem senkrecht stehenden Halbkreise verlängert wird. Sie ist das Flugloch. Nie habe ich dieses anders als in solcher Form, in Gestalt einer senkrechten Oeffnung von sieben bis zehn Centimeter Höhe und fünf Centimeter mittlerer Breite gesehen. Die gleichlautende Angabe bei Azara ist also kein Fehler des Uebersetzers, wie Thienemann vermuthet; denn ich sah nie ein fertiges Nest mit Quermündung, wie genannter Forscher sie beschreibt. Die Mündung liegt übrigens, wenn man gerade vor dem Neste steht, beständig auf der linken Hälfte der vorderen Fläche; die rechte ist geschlossen. Der innere Rand der Mündung ist also gerade und senkrechter gestellt, der äußere erscheint bogenförmig ausgebuchtet. Das fertige Nest gleicht einem kleinen Backofen, pflegt funfzehn bis achtzehn Centimeter hoch, zwanzig bis zweiundzwanzig Centimeter lang und zehn bis zwölf Centimeter tief zu sein. Seine Lehmwand hat eine Stärke von fünfundzwanzig bis vierzig Millimeter, die innere Höhle umfaßt also einen Raum von zehn bis zwölf Centimeter Höhe, zwölf bis funfzehn Centimeter Länge und sieben bis zehn Centimeter Breite. Ein der Vollendung nahes Nest, welches ich mitnahm, wiegt vier und ein halbes Kilogramm. In dieser Höhle erst baut der Vogel das eigentliche Nest, indem er an dem geraden Rande der Mündung senkrecht nach innen jetzt eine halbe Scheidewand einsetzt, von welcher eine kleine Sohle quer über den Boden des Nestes fortgeht. Das ist der Brutraum. [589] Derselbe wird sorgfältig mit herumgelegten trockenen Grashalmen und nach innen mit eingeflochtenen Hühnerfedern, Baumwollbüscheln usw. ausgekleidet. Dann ist die Wohnung des Lehmhanses fertig. Der Vogel legt seine zwei bis vier weißen Eier hinein, und beide Gatten bebrüten sie und füttern ihre Jungen. Der erste Bau wird zu Ende des August ausgeführt; die Brut fällt in den Anfang des September. Eine zweite Brut wiederholt sich später im Jahre.«

Azara hielt einen alten Töpfervogel ungefähr einen Monat lang gefangen und ernährte ihn mit gekochtem Reis und rohem Fleische. Das letztere zog er vor. Wenn der Bissen zum Verschlingen zu groß war, faßte er ihn mit den Füßen und riß sich mit dem Schnabel kleinere Bissen ab. Wollte er dann gehen, so stützte er sich kräftig auf einen Fuß, erhob den anderen, hielt ihn einen Augenblick gerade vorgestreckt und setzte ihn dann vor sich hin, um mit dem anderen zu wechseln. Erst nachdem er mehrere dieser Schulschritte ausgeführt, begann er ordentlich zu laufen. Oft hielt er im schnellsten Laufe plötzlich inne, und manchmal wechselte er mit beiden Gangarten ab, indem er bald mit majestätischen Schritten, bald sehr eilig dahinlief; dabei zeigte er sich frei und ungezwungen, pflegte aber den Kopf zu heben und den Schwanz zu stelzen. Wenn er sang oder schrie, nahm er eine stolze Haltung an, richtete sich auf, streckte den Hals und schlug mit den Flügeln. Andere Vögel vertrieb er mit heftigem Zorne, wenn sie sich seinem Futternapfe näherten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 588-590.
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