Schwarzspecht (Picus martius)

[460] Unser Schwarzspecht, Krähen-, Berg-oder Luderspecht, Holz-, Holl-, Hohl- oder Lochkrähe, Holzgüggel, Waldhahn, Tannenhuhn und Tannenroller usw. (Picus martius, Dryocopus martius, pinetorum und alpinus, Dendrocopus martius und niger, Dryopicus, Dryotomus und Carbon arius martius), ist einfarbig mattschwarz, am Oberkopfe aber hochkarminroth, und zwar nimmt diese Farbe beim Männchen den ganzen Oberkopf ein, wogegen sie beim Weibchen auf eine Stelle des Hinterkopfes sich beschränkt. Das Auge ist matt schwefelgelb, der Schnabel perlfarbig, an der Spitze blaß schieferblau, der Fuß bleigrau. Die Jungen unterscheiden sich wenig von den Alten. Die Länge beträgt siebenundvierzig bis funfzig, die Breite zweiundsiebzig bis fünfundsiebzig, die Schwanzlänge achtzehn Centimeter.

Als Kennzeichen der Untersippe der Baumspechte (Dryocopus) gelten folgende Merkmale: Der mehr als kopflange Schnabel ist stark, breiter als hoch, auf der Firste gerade und scharf gekielt. Der Flügel, in welchem die fünfte Schwinge die längste ist, reicht, zusammengelegt, ungefähr bis zu zwei Drittheilen des ziemlich langen Schwanzes hinab. Der Lauf des Fußes ist großentheils von Federn bedeckt und länger als die Mittel- oder äußere Vorderzehe mit Nagel.

Europa soweit es bewaldet ist und Asien bis zur Nordseite des Himalaya sind die Heimat des Schwarzspechtes. In Deutschland lebt er zur Zeit auf den Alpen und allen Mittelgebirgen, namentlich dem Böhmer Walde, Riesen-, Erz- und Fichtelgebirge, Franken- und Thüringer Walde, der Rhön, dem Harze, Spessart, Taunus, Schwarzwalde und den Vogesen, ebenso aber auch in allen ausgedehnten Waldungen der norddeutschen Ebene. Borggreve bezeichnet die Elbe als westliche Grenze seines Verbreitungsgebietes in Norddeutschland; diese Angabe ist jedoch unrichtig. Ich selbst habe lebende Junge aus der Umgegend von Celle und glaubwürdige Nachrichten von dem Vorkommen des Schwarzspechtes im südlichen Oldenburg, also noch jenseit der Weser erhalten. Thüringen, welches der genannte Schriftsteller ausdrücklich in die Grenzen seines Forschungsgebietes einschließt, erwähnt er sonderbarer Weise nur nebenbei, scheint also vollständig übersehen zu haben, daß die eingehendsten Beobachtungen über die Lebensweise des Schwarzspechtes gerade hier gesammelt worden und die Schwarzspechte noch keineswegs ausgerottet sind. Sehen wir von einem so engen Grenzgebiete ab, so ergeben sich ganz andere Verhältnisse, als die Angaben Borggreve's vermuthen lassen. Im Südwesten unseres Vaterlandes wie im Osten fehlt der Schwarzspecht keiner einzigen größeren Waldung. Um bestimmte Angaben zu machen, will ich erwähnen, daß er, laut Schalow, noch gegenwärtig wenn auch nur einzeln, so doch überall in den größeren Waldungen der Mark, auch in nächster Nähe Berlins, laut von Meyerinck, in der Letzlinger Heide, dem Rheinhardtswalde und in allen Kieferwaldungen Westpommerns, laut Eugen von Homeyer in den Waldungen Hinterpommerns, laut Wiese in allen geeigneten Waldungen West- und Ostpreußens, laut Alexander von Homeyer im Görlitzer Stadtforste, laut Liebe in den großen Waldungen des Altenburger Ostkreises, nach meinen eigenen Beobachtungen auch in den[460] herrschaftlichen Forsten des Altenburger Westkreises und unter ähnlichen Umständen einzeln überall in ganz Thüringen vorkommt. In Holland soll er meines Wissens bis jetzt noch nicht beobachtet worden sein, in Großbritannien fehlt er bestimmt, und auch im nördlichen Frankreich wird er schwerlich passende Aufenthaltsorte finden. Dagegen mangelt er dem Süden und Osten des letztgenannten Landes ebensowenig wie den drei südlichen Halbinseln Europas. Nach Süden hin wird er allerdings seltener, tritt jedoch auch am Südabhange der Alpen noch überall auf: so, laut Lessona und Salvadori, vorzugsweise in den von der Schweiz und Tirol nach Italien ausstrahlenden Gebirgszügen, demgemäß noch häufig im südlichen Tirol und in der Südschweiz. Ebenso lebt er in den Pyrenäen und auf der Iberischen Halbinsel wenigstens bis zu der Sierra Guadamara im Norden Madrids, nicht minder auch in Griechenland, nach Krüper in den hoch gelegenen Gebirgswaldungen am Parnaß, Veluchi und Olymp sogar nicht selten. Er bewohnt ferner alle Waldungen des Balkan, die Karpathen und die transsylvanischen Alpen und verbreitet sich von hier aus nach Osten hin über ganz Rußland, Sibirien und Nordchina, wird sogar noch auf der Insel Sachalin und in Japan gefunden. Nach Norden hin bildet in Europa der Polarkreis, in Asien der zweiundsechzigste Grad die Grenze seines Wohngebietes; nach Süden hin erstreckt sich dieselbe schwerlich weiter als im vorstehenden angegeben. Ob er im Kaukasus lebt, vermag ich nicht zu sagen. Die Angabe älterer Vogelkundigen endlich, daß er unter die Vögel Persiens gezählt werden dürfe, scheint nach den Forschungen Blandfords und St. Johns nicht begründet zu sein.

Der Schwarzspecht verlangt große, zusammenhängende, möglichst wenig vom Menschen beunruhigte Waldungen, in denen mindestens einzelne, genügend starke Hochbäume stehen. Seiner Lieblingsnahrung, der Roßameise, halber zieht er Schwarzholzwälder den Laubwaldungen vor, ohne jedoch in letzteren, insbesondere in Buchenwaldungen, zu fehlen. Je verwilderter der Wald, umsomehr sagt derselbe ihm zu, je geordneter ein Forst, um so unlieber siedelt er sich in ihm an, obgleich auch diese Regel keineswegs ohne Ausnahme ist. Die Hochwälder in den Alpen, welche regelmäßige Bewirtschaftung wenn auch nicht unmöglich machen, so doch sehr erschweren, und die großen, zusammenhängenden Waldungen Skandinaviens, Rußlands und Sibiriens, in denen Stürme und Feuer größere Verwüstungen anrichten als der Mensch, bilden seine beliebtesten Wohnorte.

Den Menschen und sein Treiben meidet er auch im Süden wie im Norden unseres heimatlichen Erdtheiles, und deshalb zeigt er sich nur ausnahmsweise in der Nähe der Ortschaften. Doch erkennt auch er ihm werdenden Schutz dankbar an und tritt nach Umständen sogar in ein überraschend freundliches Verhältnis mit ihm wohlwollenden Menschen. Wie Liebe mir mittheilt, werden die Schwarzspechte auf Befehl des regierenden Fürsten in dem reußischen Frankenwalde nicht nur geschont, sondern auch insofern gepflegt, als hier und da ältere Bäume, namentlich Ahorne und Tannen, stehen bleiben. »Dort lebte auf dem einsamen Jagdschlosse Jägersruh mitten im prächtigen alten Walde, ein Forstläufer, welcher mit täuschend nachgeahmtem Pfiffe die Hohlkrähen herbeizulocken verstand und sie dann auf dem Breterdache eines Schuppens mit Mehlwürmern, Holzmaden und dergleichen fütterte.« Wer den Schwarzspecht kennt, wird ermessen, was diese auffallende Zutraulichkeit zu besagen hat. Derselbe Vogel, welcher sonst fast überall vor dem Menschen scheu entflieht, treibt im Bewußtsein des ihm gewährten Schutzes in unmittelbarer Nähe bewohnter Gebäude sein Wesen.

Mehr als jeder andere leidet der Schwarzspecht an Wohnungsnoth. Bäume von solcher Stärke, wie er sie zum Schlafen und Nisten bedarf, sind selten geworden in unseren Tagen, und deshalb ist der Vogel aus vielen Gegenden, in denen er früher keineswegs spärlich auftrat, gänzlich verbannt worden. Noch vor achtzehn Jahren brütete er, wie Liebe bemerkt, in den größeren Forsten in der Nähe von Gera; gegenwärtig hat er diese Waldungen verlassen. Ein einziger hohler Baum vermag ihn an ein bestimmtes Gebiet zu fesseln, und er wandert aus, wenn dieser eine Baum der Axt verfallen ist. Aber er wandert auch wieder ein, wenn die Bäume inzwischen so erstarkt sind, daß er sich eine geeignete Wohnung zimmern kann. In der Nähe Renthendorfs, [461] meines Geburtsortes, verschwand der Schwarzspecht aus einem mir von der Knabenzeit an wohlbekannten Walde schon Ende der dreißiger Jahre, und fast vierzig Jahre lang wurde, außer der Strichzeit, kein einziger seiner Art dort mehr gesehen. Seit ungefähr fünf Jahren aber hat er sich zu meiner lebhaften Freude wieder in demselben Walde angesiedelt, in welchem mein Vater seine unübertroffenen Beobachtungen über ihn sammelte: die forstlich gehegten Bäume haben inzwischen ein Alter erreicht, wie sie es haben müssen, wenn es ihm zwischen ihnen behagen soll.

In allen Waldungen, in denen der Schwarzspecht brütet, verweilt er Jahr aus Jahr ein in demselben eng begrenzten Gebiete. Sechs Geviertkilometer genügen seinen Ansprüchen vollständig. Innerhalb des von einem Paare behaupteten Wohnkreises duldet dasselbe kein anderes und vertreibt, nach Spechtesart, auch die eigenen Jungen aus demselben. Sie sind es, welche gezwungen wandern, mindestens streichen, und ihnen verdanken wir die Wiederansiedelung derjenigen Waldungen, in welchen die Art ausgerottet worden war. Macht sich ein solches Pärchen von neuem in einem Walde seßhaft, so streift es anfänglich ziemlich weit umher, beschränkt sich mit der Zeit jedoch mehr und mehr und läßt sich unter Umständen mit einem Wohngebiete von hundert bis hundertundfunfzig Hektar Flächeninhalt genügen.

Das Betragen des Schwarzspechtes, welchen die Sage mit der zauberkräftigen Springwurzel in Verbindung bringt, hat mein Vater zuerst eingehend beschrieben, und seine Schilderung ist es, welche innerhalb der seitdem verflossenen sechzig Jahre kaum eine wesentliche Bereicherung erfahren hat. Sie lege ich dem nachfolgenden zu Grunde.

Unser Schwarzspecht ist ein äußerst munterer, flüchtiger, scheuer, gewandter und starker Vogel. Bald ist er da, bald dort, und so durchstreicht er seinen Bezirk oft in sehr kurzer Zeit. Dies kann man recht deutlich an seinem Geschrei bemerken, welches man im Verlaufe weniger Minuten an sehr verschiedenen Orten hört. Er läßt besonders drei Töne vernehmen, zwei im Fluge und einen im Sitzen. Die ersteren klingen wie »Kirr kirr« und »Klük klük«, der letztere wie »Klüh«, einsilbig, lang gezogen und sehr durchdringend, oder wie »Klihä klihä kliee«. Beim Neste stößt er aber noch andere Laute aus. Sein Flug ist von dem seiner Verwandten sehr verschieden. Er fliegt nicht in dem Grade ruckweise oder in auf- und absteigender Linie wie andere Spechte, sondern wellenförmig, fast in gerader Richtung vorwärts, wobei er die Flügel sehr weit ausbreitet und stark schlägt, so daß es aussieht, als ob sich die Schwingenspitzen biegen, nicht unähnlich dem Eichelheher. Der Flug ist sanfter und scheint nicht so anzustrengen als der anderer Spechte, deshalb vernimmt man auch nicht ein Schnurren der Flügel wie bei diesen, sondern ein eigenes Wuchteln, welches, nach Naumann, bei trüber, feuchter Witterung besonders hörbar wird. Obgleich er ungern weit fliegt, legt er doch zuweilen Strecken von zwei Kilometer und mehr in einem Striche zurück. Prachtvoll nimmt sich der fliegende Schwarzspecht aus, wenn er von der Höhe des Gebirges aus in eines der tiefen Thäler sich herabsenkt. Bei dieser Gelegenheit bethätigt er die volle Kraft seines Fluges, und unterbricht das sausende Herabstürzen nur dann und wann durch einige leichte Flügelschläge, welche mehr dazu bestimmt zu sein scheinen, ihn in wagerechter Richtung von den Wipfeln der Bäume wegzuführen als wiederum auf die Höhe eines der Bogen zu bringen, welche auch er beim Fliegen beschreibt. Als meine Kärntner Freunde mich in die Karawanken geleiteten, und wir hoch oben im Gebirge von einem Jagdhäuschen aus die herrliche Landschaft unter uns überblickten, waren es zwei Schwarzspechte, welche unter förmlich jauchzenden Rufen auf- und niederflogen und dabei Flugkünste entfalteten, welche ich dem Vogel nimmermehr zugetraut haben würde. Auf dem Boden hüpft er ziemlich ungeschickt umher; demungeachtet kommt er nicht selten, hauptsächlich den Ameisenhaufen zu Gefallen, auf ihn herab. Im Klettern und Meiseln ist er der geschickteste unter allen europäischen Spechten. Wenn er klettert, setzt er immer beide Füße zu gleicher Zeit fort, wie alle seine Verwandten. Er hüpft also eigentlich an den Bäumen hinauf und zwar mit großer Kraft, so daß man es deutlich hört, wenn er die Nägel einschlägt. An Stauden klettert er zwar auch, aber doch seltener, und niemals meiselt [462] er hier wie in den brüchigen Bäumen, in denen er die Larven der Riesenwespe oder Roßameisen wittert. Beim Klettern hält er die Brust weit vom Baumstamme ab und biegt den Hals nach hinten zurück.

Die großen Roßameisen und ihre Puppen sowie alle Arten von Holzwürmern, also namentlich die Larven der holzzerstörenden Käfer, welche sich in Nadelbäumen aufhalten, auch die Käfer selbst, bilden die Nahrung des Schwarzspechtes. »Ich habe«, sagt mein Vater, »mehrere geöffnet, deren Magen mit Roßameisen angefüllt waren. Vorzüglich aber liebt er die Larven der großen Holzwespe. Ich habe einige untersucht, welche nichts als diese Larven und ihre noch unverdauten harten Köpfe im Magen hatten. Auch habe ich Mehlwürmer, desgleichen den schädlichen Borken- und Fichtenkäfer, die rothe Ameise nebst ihren Puppen in unglaublicher Menge in ihrem Magen gefunden.« Den Baschkiren soll der Schwarzspecht unangenehm werden, weil er gleich ihnen den wilden Bienen nachstrebt und Höhlungen, welche diese bevölkern, durch seine Arbeiten zerstört. Bechstein behauptet, daß er auch Nadelholzsamen, Nüsse und Beeren fresse; spätere Beobachter haben diese Angabe jedoch nicht bestätigt. Um zu den Larven oder Holzwespen und zu den Holzkäfern zu gelangen, meiselt er große Stücke aus den Bäumen und Stöcken heraus, wogegen er sich der Ameisen ganz nach Art der Ameisenfresser bemächtigt, indem er sie an seine kleberige Zunge anleimt.

Die Paarungszeit fällt, je nachdem die Witterung günstig oder ungünstig ist, in die erste oder zweite Hälfte des März. »Das Männchen«, so fährt mein Vater fort, »fliegt dann dem Weibchen mit lautem Geschrei Viertelstunden weit nach, und wenn es dasselbe betreten hat oder des Nachfliegens müde ist, setzt es sich an einen oben dürren Baum und fängt an zu schnurren. Er wählt an einem solchen Baume diejenige Stelle, an welchem das Pochen recht schallt, setzt sich daran, stemmt den Schwanz auf und klopft so schnell mit dem Schnabel an den Baum, daß es in einem fort wie ›Errrrr‹ klingt und die schnelle Bewegung seines rothen Kopfes fast aussieht, als wenn man mit einem Span, an welchem vorn eine glühende Kohle ist, schnell hin- und herfährt. Bei diesem Schnurren ist der Schwarzspecht weit weniger scheu als außerdem, und ich habe mich mehrmals unter den Baum geschlichen, auf welchem er dieses Geräusch hervorbrachte, um ihn ganz genau zu beobachten. Das Weibchen kommt auf das Schnurren, welches ich selbst eine Viertelstunde weit gehört habe, herbei, antwortet auch zuweilen durch ›Klük klük klük‹. Das Männchen schnurrt noch, wenn das Weibchen schon brütet.«

Anfangs April treffen die Schwarzspechte Anstalten zum Baue ihres Nestes. »Sie legen dieses in einem kernfaulen Baume an, da, wo sich ein Astloch oder abgebrochener, inwendig morscher Ast befindet. Hier fängt das Weibchen seine Arbeit an. Es öffnet oder erweitert zuerst den Eingang von außen, bis dieser zum Ein- und Auskriechen geräumig genug ist. Alsdann wird das Aushöhlen des inneren Baumes begonnen und zwar mit besonderer Geschicklichkeit und Emsigkeit. Dieses Aushöhlen hält um deswillen sehr schwer, weil der Schwarzspecht bei seinen Schlägen nicht gehörigen Raum hat. Ich habe ihn hierbei sehr oft beobachtet. Er hat manchmal so wenig Platz, daß er nur zwei Centimeter weit ausholen kann. Dann klingen die Schläge dumpf, und die Späne, welche er herauswirft, sind sehr klein. Hat er aber inwendig erst etwas Raum gewonnen, dann arbeitet er viel größere Späne ab. Bei einer wenig morschen Kiefer, in welcher ein Schwarzspecht sein Nest anlegte, waren die größten Späne, welche er herausarbeitete, funfzehn Centimeter lang und drei Centimeter breit, nicht aber dreißig Centimeter lang und zwei Centimeter breit, wie Bechstein sagt. Es gehört schon eine ungeheuere Kraft dazu, um jene Späne abzuspalten: wie groß und stark müßte der Schwarzspecht sein, wenn er solche Späne herausarbeiten wollte!

Das Weibchen arbeitet nur in den Vormittagsstunden an dem Neste; nachmittags geht es seiner Nahrung nach. Ist endlich nach vieler Mühe und zehn- bis vierzehntägiger Arbeit die Höhlung inwendig fertig, so hat sie, von der Unterseite des Einganges gemessen, gegen vierzig [463] Centimeter Tiefe und funfzehn Centimeter im Durchmesser, bisweilen einige Centimeter mehr, bisweilen weniger. Inwendig ist sie so glatt gearbeitet, daß nirgends ein Span vorsteht. Der Boden bildet einen Abschnitt von einer Kugel, keine Halbkugel, und ist mit feinen Holzspänen bedeckt. Auf diesen liegen dann, regelmäßig um die Mitte des April, drei bis vier, seltener fünf und noch seltener sechs verhältnismäßig kleine Eier. Sie sind sechsunddreißig bis vierzig Millimeter lang und dreißig bis zweiunddreißig Millimeter breit, sehr länglich, oben stark zugerundet, in der Mitte bauchig, unten stumpfspitzig, sehr glattschalig, inwendig reinweiß und auswendig schön glänzendweiß wie Emaille.

Kann der Schwarzspecht sein Nest hoch anlegen, so thut er es gern. Ich habe es funfzehn bis fünfundzwanzig, einmal auch nur sieben Meter hoch gesehen. Alle, welche ich fand, waren in glattstämmigen Buchen und Kiefern, nie in anderen Bäumen angelegt. Ein solches Nest wird mehrere Jahre gebraucht, wenn man auch die Brut zerstört, ja selbst eines von den Alten schießt. Es wird aber jedesmal etwas ausgebessert, das heißt der Koth der Jungen wird herausgeworfen, und einige Späne werden wieder abgearbeitet. Es macht dem Schwarzspechte zu viele Mühe, ein neues Nest zurecht zu machen; auch findet er zu wenig passende Bäume, als daß er alle Jahre seine Eier in einen anderen Baum legen sollte. Ein frisches Nest kann man schon von weitem an den drei Geviertmeter weit verbreiteten Spänen erkennen. Mit ihnen ist der Boden dicht bestreut, und selbst beim erneuerten liegen einige Späne unten.

Dies gilt von allen Spechten. Wer also ihre Nester suchen will, braucht nur auf dem Boden nach diesen Spänen sich umzusehen. Bechstein räth, da, wo man im März ein Pärchen stark schreien höre, in dem hohlen Baume nachzusuchen, und sagt, man würde dann das Nest gewiß bald finden. Es dürfte dies aber oft sehr fruchtlos sein; denn ich habe die Spechte bei der Paarung eine halbe Wegstunde weit von ihrem Neste schreien hören, und nie eher ein Nest gefunden, als bis ich auf die Späne unter dem Baume aufmerksam geworden war.« Tschusi, welcher den Schwarzspecht in Niederösterreich beobachtete, bestätigt im wesentlichen diese Mittheilungen, bemerkt jedoch, daß er auch Nester in Höhe von kaum zwei Meter über dem Boden gefunden habe und vier bis fünf Meter als die regelmäßige Höhe ansehen müsse. Da der genannte Beobachter mehrere Bäume kennen lernte, in denen sich fünf und mehr Nistlöcher befanden, gelangte er zu dem schwerlich richtigen Schlusse, daß der Schwarzspecht in den Brutbaum fast in jedem Frühjahre ein neues Loch meisele. Ich meinerseits will ergänzend bemerken, daß Buchen und Kiefern überall in Deutschland zwar die bevorzugten, aber doch nicht die einzigen Nistbäume sind, welche der Schwarzspecht erwählt. Von Meyerinck fand auch ein Nest in einer Eiche, und Dybowski erwähnt, daß der Vogel in Sibirien in Lärchenbäumen niste. Das Flugloch ist für den großen Specht auffallend eng, so daß man schwer begreift, wie er ein- und ausfliegen kann, ohne sein Gefieder zu beschädigen.

Das Männchen löst das Weibchen regelmäßig im Brüten ab, die Zeit aber, in welcher dies geschieht, ist nicht genau bestimmt. Mein Vater hat um acht Uhr Morgens das Männchen und um neun Uhr noch das Weibchen angetroffen. Gewiß ist nur, daß das Männchen in den Mittags- und Nachmittagsstunden, das Weibchen aber während der ganzen Nacht und in den Morgen- und Abendstunden auf den Eiern oder Jungen sitzt. Wie außerordentlich eifrig letzteres brütet, geht aus einer beachtenswerthen Mittheilung Tschusi's hervor. »Vor einigen Jahren sollte in den Waldungen Niederösterreichs eine alte Buche gefällt werden, in welcher ein Schwarzspecht auf Eiern saß. Die Holzhauer vermochten ihn trotz starken Klopfens nicht heraus zu treiben. Erst als der Baum fiel, flog derselbe unverletzt heraus.« Daß man den Vogel auf den Eiern ergreifen kann, ist eine ziemlich bekannte Thatsache. Raubt man ihm das erste Gelege, so brütet er doch wieder in demselben Neste, vorausgesetzt, daß man den Eingang nicht erweiterte, und man kann, wie Päßler erfuhr, schon nach vierzehn Tagen wieder Eier in derselben Höhlung finden. Die eben ausgekrochenen Jungen sehen höchst unförmlich aus. Sie sind nur auf dem Oberkörper und zwar ganz sparsam mit schwarzgrauen Dunen bekleidet, ihr Kopf erscheint sehr groß und ihr Schnabel [464] unverhältnismäßig dick. »Jagt man das sie erwärmende alte Männchen oder Weibchen von ihnen, so geben sie einen ganz eigenen, schwirrenden Ton von sich, welcher mit keinem anderen Vogellaute Aehnlichkeit hat und nicht genau beschrieben werden kann. Sind sie etwas größer, so hört man dieses Schwirren nicht mehr von ihnen.« Die Alten geberden sich sehr besorgt, wenn man der Brut naht und stoßen eigenthümlich klagende Töne aus. Sie sind, wie fast alle Vögel, in der Nähe des Nestes weit weniger scheu als sonst und setzen, der Brut zu Liebe, ihre eigene Sicherheit aus den Augen, was sie zu anderen Zeiten niemals thun. Die Jungen werden, nach meines Vaters Beobachtungen, mit den Puppen der Roß- und braunrothen Ameise von beiden Eltern und zwar aus dem Kropfe gefüttert. »Ich habe alte, beim Neste geschossene Schwarzspechte untersucht, welche den ganzen Schlund bis in den Schnabel voll solcher Ameisenpuppen hatten. Stört man die Jungen nicht, so bleiben sie im Neste, bis sie völlig fliegen können, klettern aber innen an den Wänden der Höhle auf und nieder und gucken oft mit dem Kopfe zum Nestloche heraus. Das Weibchen übernachtet mit ihnen, das Männchen in der vorjährigen Bruthöhle.«

Bei geeigneter Pflege gelingt es, jung aus dem Neste genommene Schwarzspechte längere Zeit am Leben zu erhalten und bis zu einem gewissen Grade zu zähmen. Ich erhielt vor nunmehr zwölf Jahren drei dieser immer seltener werdenden Vögel, welche schon fast ausgefiedert waren. Der eine von ihnen starb kurz nach seiner Ankunft, noch ehe er gelernt hatte, selbständig zu fressen; die beiden anderen wurden anfänglich gestopft, gingen aber dann selbst an das Futter. Um sie zu gewöhnen, wurden ihnen Ameisenpuppen auf ein dünnes Drahtnetz gelegt, welches die Decke ihres einstweiligen Käfigs bildete. Sie lernten bald, diese Puppen anzuspießen, und man konnte dabei die wunderbare Beweglichkeit ihrer Zunge genau beobachten. Wenn sie eine Stelle von Nahrung gesäubert hatten, tasteten sie mit diesem überaus biegsamen Werkzeuge nach allen Seiten hin auf dem Drahtnetze umher und bewegten dabei die Zunge so rasch und in so mannigfachen Windungen, daß man unwillkürlich an die Krümmungen eines beweglichen Wurmes erinnert wurde. Hatten sie eine Ameisenpuppe entdeckt, so krümmten sie die Zunge, richteten die Spitze gegen die Puppe, streckten die Zunge aus und hatten regelmäßig die Beute fest angespießt.

Nachdem meine Gefangenen ordentlich fressen gelernt hatten, wurden sie in einen großen, eigens für Spechte hergerichteten Käfig gebracht. In diesem befanden sich bereits Gold- und Buntspechte, und ich war ihrerthalber nicht ganz ohne Sorgen. Die Schwarzspechte zeigten sich jedoch höchst verträglich. Sie suchten keine Freundschaft mit ihren Verwandten anzuknüpfen, mißhandelten oder belästigten sie aber auch nicht, sondern betrachteten sie höchstens gleichgültig. Jeder der Vögel ging seinen eigenen Weg und schien sich um den anderen nicht zu kümmern. Der einzige Uebergriff, welchen die Schwarzspechte sich erlaubten, bestand darin, daß sie den Schlafkasten, welchen die Goldspechte bis dahin unbestritten inne gehabt hatten, in ihren Besitz nahmen und fortan behaupteten. Der Eingang zu diesem Kasten war für sie zu eng; dies aber verursachte ihnen durchaus keinen Kummer; denn sie arbeiteten sich binnen wenigen Tagen die Höhlung so zurecht, daß sie eben für sie passend war. Gegen Abend schlüpften sie regelmäßig in das Innere, wie vorher der Goldspecht es gethan, und jeder von ihnen hing sich an einer der senkrechten Wände des Kastens zum Schlafen auf. Ich hatte früher beobachtet, daß die Spechte niemals in anderer Stellung schlafen und deshalb die Wände des Kastens mit Borke benageln lassen; somit waren sie ihnen ganz bequem, und sie schienen dies auch dankbar anzuerkennen; denn während sie im übrigen alles Holzwerk zerstörten, die an die Außenwände des Käfigs angenagelte Borke rücksichtslos abschälten, fortwährend an den ihnen zur Unterhaltung gegebenen Weidenstämmen hämmerten und selbst das Balkenwerk des Käfigs bearbeiteten, so daß es geschützt werden mußte, ließen sie das Innere ihres Schlafraumes unversehrt.

Im Anfange ihrer Gefangenschaft waren sie still; gegen den Herbst hin aber vernahm man sehr oft ihre wohlklingende, weitschallende Stimme. Leider entsprach der Käfig doch nicht allen Anforderungen. Er lag nicht geschützt genug, und so waren die Vögel dem Zuge zu sehr ausgesetzt. [465] Sie erkälteten sich, bekamen Krämpfe, fielen vom Stamme herab zum Boden, lagen minutenlang starr und regungslos unten und verschieden endlich unter derartigen Anfällen. Der zuletzt verendende war sieben Monate in der Gefangenschaft gewesen.

Die größten Mitglieder der Ordnung und Familie (Campephilus), welche wir Riesenspechte nennen wollen, kennzeichnen sich durch sehr kräftigen Leib und Kopf, aber langen und dünnen Hals, langen und geraden starken Schnabel, sehr kräftige, kurzläufige Füße, unter deren Zehen die äußere hinterste die längste ist, lange und zugespitzte Fittige, unter deren Schwingen die dritte, vierte und fünfte unter sich mehr oder weniger gleich langen die anderen überragen, und sehr langen, stark abgestuften Schwanz, dessen mittlere Federn ungefähr dreimal so lang sind als die äußeren.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 460-466.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon