Schnepfen (Scolopacinae)

[277] Die Merkmale der Schnepfen (Scolopacinae) sind kräftiger, verhältnismäßig kurzer Leib, von beiden Seiten zusammengedrückter, hochstirniger Kopf, kleiner, abgeplatteter Scheitel und große, auffallend weit nach oben und hintenstehende Augen, langer, gerader, schwacher, schmaler, nach vorn sich verschmächtigender, sehr weicher und biegsamer, tastfähiger Schnabel, dessen Unterkieferspitze von der des oberen theilweise umschlossen wird, niederer, schwacher, weicher, über der Ferse wenig oder nicht nackter Fuß, unter dessen drei Vorderzehen die mittlere durch ihre Länge auffällt, verhältnismäßig kurzer, aber breiter Flügel und der durch die wechselnde Anzahl der Steuerfedern, welche zwischen zwölf und sechsundzwanzig schwankt, bemerkenswerthe, kurze, breite, zugespitzte oder abgerundete Schwanz. Das Kleingefieder liegt, trotz seiner Weiche und Dichte, glatt oder doch geschlossen an; seine Färbung ähnelt, ungeachtet der sehr verschiedenartigen Zeichnung, unter allen Umständen der Bodenfärbung des bezüglichen Aufenthaltes.

Obgleich der innere Bau der Schnepfen die allgemeinen Bildungsverhältnisse der Gruppe zeigt, fällt er doch durch die höchst eigenthümliche Kopfbildung, welche, laut Nitzsch, in der ganzen Klasse nicht weiter gefunden wird, besonders auf. »Die Hirnschalenkapsel ist namentlich mit dem Gehirne so nach unten und da theils wieder nach vorn gezogen, daß die Schläfe keines der großen Thränenbeine berührt, der Augenhöhlenrand völlig geschlossen wird und alle sonst unteren und hinteren Theile des Kopfes seltsam zusammengeschoben und gewissermaßen verrückt werden. Das große Hinterhauptsloch kommt demnach ganz nach unten, weit nach vorn und unter die Augen zu liegen; die Oberfläche des großen Gehirnes wird nach hinten und unten umgestülpt, und seine Basis richtet sich nach oben. Die Ohröffnung, welche bei allen anderen Vögeln hinter dem Auge steht, ist hier unter das Auge gestellt und dem vorderen Augenwinkel genähert. Der Paukenknochen ist in den vorderen Augenwinkel gerückt, so daß er vom Thränenbeine nach außen verdeckt wird, und so kommen denn auch die übrigen, zum Oberkiefer gehörigen und sonst unter den Augen liegenden Knochen, namentlich die Verbindungsbeine, das Gaumenbein und der Jochbogen, vor das Auge und das Thränenbein zu liegen. Der knochenzellige Tastapparat an beiden Kieferspitzen ist ganz vorzüglich ausgebildet. Die meist sechseckigen, in die Länge gezogenen Knochenzellen, welche die Enden der zur Schnabelhaut gehenden Nervenfäden vom fünften Paare umgeben, sind bei den Schnepfen größer, deutlicher und viel zahlreicher als bei den wenigen außerdem mit ähnlichen Tastwerkzeugen versehenen Gattungen. Das Brustbein ist nach hinten sehr verlängert, das Becken auch im hinteren Theile schmäler als bei den Verwandten. Die Oberarmknochen übertreffen die Schulterblätter wenig an Länge. Die Zunge ist schmal, spitzig und lang, jedoch kürzer als der Schnabel, ihr Kern nur hinten verknöchert, der Zungenbeinstiel beweglich, der Vormagen lang und sehr drüsenreich, der Magen schmal und ebenfalls in die Länge gezogen.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 277.
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