[229] Ehe ich mit meiner Familie nach Ansbach zog, war ich zuvor zweimal allein da gewesen, teils um mich in der Stadt, in welcher ich künftig wohnen sollte, umzusehen, teils um den Grafen von Thürheim zu besuchen, welcher das Fürstentum als bayerischer Hofkommissär übernommen hatte und mit seiner Familie bereits in Ansbach wohnte. Bei dem letztern Besuche war meine Hauptabsicht, eine Wohnung zu mieten, und meine Wahl fiel auf ein nicht weit von dem Eingang in den Hofgarten entferntes, dem Postmeister Hassold zugehöriges Haus. Was mich zu der Wahl desselben bestimmte, war teils ebendiese Nähe des Hofgartens, teils die Nähe des Thürheimischen Hauses, welches keine hundert Schritte davon entfernt war, teils weil ich das ganze Haus mieten und, was besonders meiner Frau sehr lieb war, mit meiner Familie allein darin wohnen konnte. Solchergestalt war nun alles zu unserem Einzug in Ansbach vorbereitet, und da auch in Würzburg alle Vorkehrungen zu unserem Abzug getroffen waren, so stand unserer Abreise von da nichts mehr im Wege. An einem schönen Morgen reisten wir von Würzburg ab, hielten in Uffenheim Mittag und kamen am Abend in Ansbach an. Hier stiegen wir im Gasthof »Zur Krone« ab, blieben da, bis die Fuhrleute mit unserem Hausrat angekommen waren, und am dritten Tage zogen wir, nachdem wir dem höflichen freundlichen Wirt eine unglücklich große Zeche bezahlt hatten, in unsere Wohnung ein.
Daß wir schon vor unserem Einzug die Thürheimische Familie besuchten, versteht sich von selbst. Wir wurden von ihr auf das freundlichste aufgenommen und freuten uns beiderseits, auch in Ansbach wieder beisammen zu sein. Wir waren in unserer Wohnung bald eingerichtet und fanden uns bequem und behaglich in derselben. Aber in der Stadt selbst wollte[230] sich meine Frau nicht gefallen und ebensowenig auch ich. Die Stadt war noch voll von Franzosen, auch in unserer Wohnung befand sich noch ein französischer Artilleriemajor, welcher auf Kosten unseres Hausherrn darin einquartiert war und uns auch sonst nicht viel inkommodierte. Aber die verdrüßlichen Gesichter der Ansbacher über die ungewohnte Einquartierung und die dadurch verursachte Teurung der Lebensmittel machten meiner Frau den Aufenthalt in Ansbach sehr unangenehm, und ob sie schon auch mit ihrem Aufenthalt in Würzburg nicht ganz zufrieden war, so sehnte sie sich doch oft wieder dahin zurück. Auf mich wirkten zwar diese Umstände weniger widrig, teils weil vorauszusehen war, daß die Einquartierung nicht mehr lange dauern würde, teils weil ich mich wieder mit der Thürheimischen Familie zusammengefunden hatte, was mir schon allein meinen Aufenthalt hätte angenehm machen können. Aber um so weniger gefiel ich mir in meiner amtlichen Stellung in Ansbach. Ich war zwar der erste Rat in dem Medizinalkollegium daselbst, aber ich vermißte mein Julius-Spital in Würzburg, meinen Lehrstuhl und meine Zuhörer. Schon in Würzburg hatte ich auf meine Medizinalratsstelle keinen großen Wert gelegt, weil ich gesehen hatte, wie beschränkt und undankbar der Wirkungskreis eines Medizinalrats ist. Ich hatte dort meine Geschäfte als Medizinalrat bloß als eine Nebensache betrachtet; jetzt sollten sie die ganze Sphäre meiner Tätigkeit ausfüllen, und es ist leicht zu erachten, daß mir diese Beschränkung meine Stellung in Ansbach nicht angenehm machen konnte. Ich erklärte mich darüber offen gegen den Grafen von Thürheim, er konnte mir nicht unrecht geben, er sah selbst ein, daß ich nicht an meinem rechten Platz sei; aber wie er überall Rat zu schaffen wußte, so geschah es auch hier. Es war kein Zweifel, daß auch die Stadt Nürnberg demnächst unter bayerische Herrschaft kommen werde, und da es dort mehr für mich zu tun geben würde als in Ansbach, so versprach er mir, für meine Anstellung daselbst zu sorgen, und ich beruhigte mich bei dieser Aussicht um so mehr, da ich von der kleinern Stadt wieder in eine größere kommen würde.
Indessen verzögerte sich die Besitznahme von Nürnberg[231] weit länger, als zu erwarten war, es ging ein Monat nach dem andern hin, bis sie erfolgte, und da ich in Ansbach Muße genug hatte, auch noch auf eine andere Weise als in dem Medizinalkollegium tätig zu sein, so hätte ich wohl auch als praktischer Arzt in Ansbach auftreten können. Allein ich tat es nicht, weil ich, da ich bald nach Nürnberg zu kommen hoffte, es für unrecht hielt, eine Praxis zu beginnen, die ich früher oder später wieder aufgeben mußte, sondern benutzte meine Muße teils zu wissenschaftlichen Studien, teils zu schriftstellerischen Arbeiten und namentlich zur Ausarbeitung der kleinen, dem Andenken meiner ehemaligen Zuhörer gewidmeten Schrift »Grundsätze der praktischen Heilkunde«, welche ich im Jahr 1807 drucken ließ, sowie meine freien Stunden teils zu Spaziergängen in dem Hofgarten und in der Umgegend, teils zu Besuchen bei meinen Kollegen und andern Personen, deren Bekanntschaft mir der Graf von Thürheim verschafft hatte. Als die interessantesten derselben nenne ich den als Präsidenten der vormaligen preußischen Regierung hochgeachteten Gesandten von Hänlein, den in Ansbach privatisierenden Geheimenrat Gervinus, welchen man mit Recht ein Repertorium aller an den europäischen Höfen sich ereignenden Vorfälle nennen konnte, und den durch seine vielseitigen Kenntnisse ausgezeichneten und wegen seines beißenden, niemand verschonenden Witzes gefürchteten Regierungsdirektor Lang, den berühmten Verfasser der »Hammelburger Reise«. Mit allen diesen Männern habe ich manche angenehme Stunde in Ansbach zugebracht, und nie werde ich vergessen, wie vielen Dank ich ihnen dafür schuldig bin, daß sie mir meinen Aufenthalt in Ansbach weniger langweilig gemacht haben.
So lebte ich beinahe vier Monate in Ansbach, bis endlich die Übergabe der Stadt Nürnberg an die Krone Bayern erfolgte. Wie erfreut ich über dieses Ereignis war, läßt sich denken; aber da ich nicht sogleich in Nürnberg angestellt werden konnte, so wurde ich von dem Grafen von Thürheim vorerst bloß auf Kommission dahin geschickt, in der Absicht, die daselbst bestehenden öffentlichen Krankenanstalten zu untersuchen und vorläufig den Plan zu einer den Anforderungen der jetzigen[232] Zeit entsprechenden Einrichtung derselben zu entwerfen. Da hiezu längere Zeit erfordert wurde und wie mir auch dem Grafen von Thürheim mein Aufenthalt in Nürnberg ungleich nützlicher schien als in Ansbach, so erlaubte er mir, mit meiner Familie dahin zu ziehen, sobald ich wollte. Ich sagte daher meine Wohnung auf, mietete eine in Nürnberg, und zu Ende des Julius reiste ich mit meiner Familie dahin ab. Meine Wohnung in Ansbach hatte ich auf drei Jahre gemietet, und der Mietzins betrug jährlich dreihundert Gulden. Ich hatte niemand, der in meinen Akkord trat, aber der Postmeister Hassold war so edel, sich mit dem Mietzins auf das laufende Quartal zu begnügen. Auch in Nürnberg mietete ich wieder ein ganzes Haus, wo ich allein mit meiner Familie wohnen konnte, und in allem, was ich sonst in Nürnberg vor der Ankunft meiner Familie bedurfte, wandt ich mich an den Doktor Osterhausen, welchen ich zwar ebensowenig als sonst jemand in Nürnberg persönlich kannte, aber nach den Aufsätzen, die ich in einigen Zeitschriften von ihm gelesen hatte, als einen Mann achtete, mit welchem ich in nähere Bekanntschaft zu kommen wünschte und hoffte. Ich werde in der Folge Gelegenheit haben, von diesem an Geist und Herzen gleich schätzbaren Mann mehr zu sprechen; jetzt bemerke ich bloß, daß unter vielen andern Gefälligkeiten, die er mir erwies, auch die war, daß er eine Magd für uns gedungen hat, mit welcher meine Frau, solange sie in unserem Dienst stand, vollkommen zufrieden war, was zu einer Zeit, wo gute Dienstboten immer seltener wurden, viel sagen wollte.
Vor meinem Abzug mit meiner Familie von Ansbach nach Nürnberg wurde die Stadt von dem Grafen von Thürheim formell in Besitz genommen, worauf er als Chef der Provinz zum erstenmal daselbst erschien. Ehe er sich selbst nach Nürnberg begab, hatte er den Regierungsrat von Lochner als seinen Subdelegierten dahin abgeschickt und ihm den Auftrag gegeben, dem Polizeikommissär Wurm in Fürth die Einrichtung und Handhabung der Polizei in der Stadt zu übertragen. Natürlich fiel die Berufung eines Fremden zu diesem Geschäft den Nürnberger Herren auf, und zwar um so mehr, da Wurm in[233] Fürth nicht in dem besten Ruf stand. Allein auch hier bewies der Graf von Thürheim, wie gut er seine Leute zu wählen wußte. Wurm hatte die Polizei in Nürnberg zu seiner vollen Zufriedenheit eingerichtet, und als er in der Folge als wirklicher Polizeidirektor angestellt wurde, gestanden alle verständige Bürger ein, daß diese ebenso wichtige als schwierige Stelle keinem tüchtigem Mann hätte übertragen werden können. Menschen von einer solchen Genialität und Tätigkeit wie Wurm sind seltene Erscheinungen. Als einen solchen lernte ich ihn bald näher kennen; solange wir beisammen waren, war er mir einer meiner liebsten Freunde. Ungeachtet seines öftern widrigen Humors, in welchen ihn seine Hypochondrie versetzte, befand ich mich doch immer wohl in seinem Umgang, denn so verstimmt er auch immer sein mochte, war er doch immer geistreich und witzig, und tief fühlte ich, was ich verlor, als er Nürnberg verließ.
Die Anwesenheit des Grafen von Thürheim in Nürnberg dauerte drei Tage. Er war im Gasthof »Zum roten Roß« abgestiegen, wo ich mich ebenfalls einquartiert hatte. Wir speisten immer miteinander auf dem Zimmer, wo unsere Tischgenossen der oben genannte Regierungsrat von Lochner, der Sekretär des Grafen, der hernachmalige Stadtkommissär in Nürnberg Faber und der Polizeikommissär Wurm waren, der zur Freude des Grafen sich auch ohne besondere Einladung desselben an den Tisch setzte. Nur an einem einzigen Mittag wohnten wir einem großen Gastmahl in dem Gasthof »Zum Reichsadler« bei, welches der nürnbergische Handelstand dem Grafen von Thürheim zu Ehren gab und wozu auch die noch anwesenden französischen Generale eingeladen wurden. Das Mahl war so splendid, daß der Graf selbst bekannte, nie einem splendidern beigewohnt zu haben. Hier sah ich zum erstenmal den Kaufmann und Marktvorsteher Merkel, und ich freue mich, hier schon vorläufig den Mann zu nennen, an welchem ich in der Folge einen meiner liebsten Freunde in Nürnberg gewann und bis zu seinem für die Stadt und die Seinigen viel zu frühen Tod behielt.
Nicht lange nach diesem Besuche des Grafen von Thürheim[234] in Nürnberg holte ich meine Familie von Ansbach dahin ab, und sobald wir uns in unserer Wohnung eingerichtet hatten, trat ich mein bereits begonnenes Geschäft wieder an. Ich untersuchte sämtliche Versorgungs- und Krankenanstalten genauer, und nachdem ich mich von ihrem Zustand vollständig in Kenntnis gesetzt hatte, erstattete ich meinen Bericht. Leider konnte derselbe keineswegs günstig für sie ausfallen. Das Spital zum heiligen Geist ausgenommen, fand ich alle andere in einem so schlechten Zustand, daß ich auf ihre gänzliche Aufhebung antragen mußte. Dieser Anstalten waren nämlich überhaupt drei, das Krankenhaus, Zu den hundert Suppen genannt, das Schau- oder Schauerhaus und das außerhalb der Stadt gelegene St.-Sebastian-Spital. Das Krankenhaus war hauptsächlich bestimmt zur Aufnahme akuter Kranken, und sowohl das Lokal als die ganze Einrichtung waren so schlecht, daß es unbegreiflich ist, wie Kranke darin geheilt werden konnten. Von einer noch schlechtern Beschaffenheit war das Schau- oder Schauerhaus, welches hauptsächlich zur Aufnahme chronischer Kranken bestimmt war. Es war nicht sowohl ein Krankenhaus als vielmehr ein gemeinschaftliches Wohnhaus für einige arme Familien, denen es unter der Bedingung überlassen war, daß jede Familie einen oder zwei Kranke zu sich nehmen und verpflegen mußte. Etwas besser als die beiden eben genannten war das St.-Sebastian-Spital, welches ausschließend zur Aufnahme krätziger, aussätziger, venerischer und überhaupt ekelhafter Kranken diente, nicht allein wegen seiner günstigen Lage außerhalb der Stadt, sondern auch wegen des größern Raumes in demselben und der Möglichkeit, ihm eine bessere Einrichtung zu geben. Selbst das Spital zum heiligen Geist, ob es schon das einzige war, was den Namen einer öffentlichen Anstalt verdiente, war gleichwohl in mehreren Beziehungen sehr mangelhaft. Es war eigentlich kein Krankenhaus, sondern vielmehr eine Versorgungsanstalt für alte, arme und gebrechliche Leute, aber auch als ein solches ebensowenig seinem Zweck gemäß eingerichtet als zwei andere Versorgungshäuser, die Zwölfbrüder-Häuser genannt, weil in jedem derselben zwölf arme alte Bürger wohnten, welche darin verpflegt wurden.[235]
Unter diesen Umständen war natürlicherweise das erste, worauf ich antrug, die gänzliche Auflösung jener drei Krankenhäuser und die baldige Herstellung entweder eines einzigen allgemeinen Krankenhauses oder mehrerer einzelner in andern dazu tauglichen Gebäuden und, was das Spital zum heiligen Geist betraf, eine bessere Organisation desselben als Versorgungsanstalt. Der Plan zu diesen Veränderungen wurde von mir entworfen und als zweckmäßig erkannt. Aber erstlich fehlte es zu seiner Ausführung an der Hauptsache, an Geld, und zweitens an Gebäuden, die zu Krankenhäusern hätten eingerichtet werden können. Die Ausführung des Plans wurde daher aufgeschoben, bis die Mittel dazu herbeigeschafft sein würden; allein dazu gehörte nicht nur Zeit, sondern ihre Herbeischaffung wurde auch auf manche andere Art verzögert, so daß nun nichts weiter zu tun war, als in den bestehen den Krankenhäusern zu verbessern, soviel als möglich war.
Dies geschah nun allerdings; allein ein so beschränkter Wirkungskreis wie mein jetziger konnte mir natürlicherweise nicht gefallen, um so weniger, da ich mich ebensowenig als in Ansbach auch in Nürnberg auf eine Privatpraxis einzulassen Lust hatte. Ich erwartete daher mit Sehnsucht die bevorstehende neue Organisation des Königreiches, von welcher ich in jedem Fall eine Erweiterung meines Wirkungskreises hoffen durfte, und die Zwischenzeit benutzte ich teils zu wissenschaftlichen Studien, zu welchen mir zuvor nie so viel Muße geworden, teils zu Besuchen in Ansbach bei meinem Freund und Gönner, dem Grafen von Thürheim, wo ich oft mehrere Tage und einmal einen ganzen Monat, den ganzen Mai, in Triesdorf, wo er mit seiner Familie in den Sommermonaten wohnte, verweilte. Man kennt diesen schönen Landsitz des vormaligen Markgrafen von Ansbach. Die gräfliche Familie bewohnte das sogenannte Falkenhaus, weil es bequemer war als das Schloß. Die Witterung war vortrefflich, der herrliche Park gewährte die angenehmsten Spaziergänge, die Ausfahrten in die Umgegend boten die anmutigsten Aussichten, es kamen fast täglich Besuche von Ansbach, und die wechselnde Tischgesellschaft verschaffte die mannigfaltigste Unterhaltung. Fast alle Abende ging ich[236] mit dem Jäger des Grafen auf die Jagd in einem Eichenwald, wo es noch von den markgräflichen Zeiten her, als Überbleibsel der ehemaligen Falkenjagden, viele Reiher gab, deren mehrere ich mit einer Flinte schoß, welche mir der ins Triesdorf wohnende französische Oberst Gaston, der sie von seinem ehemaligen Unteroffizier, dem Marschall Bernadotte, zum Geschenk erhalten, geliehen hatte. Bernadotte diente nämlich als Unteroffizier in dem Regiment, dessen Oberst Gaston war. Gaston war ausgewandert, Bernadotte erhob sich in den Revolutionskriegen von einer Stufe zur andern, nach vielen Jahren kamen sie wieder in Ansbach, wo Bernadotte sein Hauptquartier hatte, zusammen, und unter den vielen Beweisen der Dankbarkeit, welche Bernadotte seinem vormaligen Vorgesetzten gab, war auch dieses ihm zum Andenken an jenes Verhältnis zum Geschenk gemachte Schießgewehr, ein Meisterstück der französischen Kunst.
Solchergestalt brachte ich nun meine Tage, außer den wenigen, die ich meinen Berufsgeschäften zu widmen hatte, teils mit Studieren, teils in ergötzlichem Müßiggang zu bis zum Jahr 1808, wo das Königreich Bayern in fünfzehn Kreise eingeteilt und die Stadt Nürnberg zum Sitz einer Kreisregierung bestimmt wurde. Zum Generalkommissär des Pegnitzkreises wurde Graf von Thürheim ernannt, ich zum Kreismedizinalrat, und sobald die Regierung selbst im Gange war, wurde auch wieder an die Herstellung besserer Krankenanstalten gedacht. Um die dazu erforderlichen Mittel aufzubringen, wurden mehrere zu den Stiftungen für die Wohltätigkeit gehörigen Gebäude, wie z.B. die vier außerhalb der Stadt gelegenen, vormals für Pestkranke bestimmten sogenannten Siechkobel, verkauft; allein da ein großer Teil der daraus gelösten Gelder zur Zentral-Stiftungs-Administration in München eingeschickt werden mußte und schon im folgenden Jahr wieder ein neuer Krieg ausbrach, wo überhaupt an keine Unternehmung von Bedeutung zu denken war, so mußte die Herstellung besserer Krankenanstalten abermals verschoben werden, und zwar um so mehr, da die damals stattgehabte österreichische Invasion den Grafen von Thürheim nötigte,[237] seine Stelle mit dem Generalkommissär des Rezatkreises, Freiherrn von Lerchenfeld, zu vertauschen. Diese Invasion wurde bewerkstelligt von einem österreichischen Freikorps, welches den Abzug der Franzosen benutzte, die Stadt Nürnberg zu brandschatzen. Die Invasion war mehrere Tage, ehe sie stattfand, befürchtet, und um sie abzuwenden, sollten auf Befehl des Ministeriums die Nürnberger Bürger zur Verteidigung der Stadt aufgefordert werden. Allein die Nürnberger waren zu sehr österreichisch gesinnt, als daß man hätte erwarten können, sie würden der Aufforderung entsprechen. Nichtsdestoweniger gehorchte der Graf von Thürheim dem Befehl des Ministeriums. Er ließ die Nürnberger Bürger an einem öffentlichen Platz, der sogenannten Schütt, versammeln und hielt eine Rede an sie, worin er sie zur Verteidigung der Stadt gegen die Österreicher aufforderte. Die Nürnberger, die Österreicher mehr erwartend als fürchtend, gaben natürlich der Aufforderung kein Gehör. Schon voraus geneigt, an die Österreicher gegen die verhaßten Bayern sich anzuschließen, bedurften sie nur eines nähern Anlasses hiezu, und diesen gaben einige Ausdrücke in der Rede des Grafen von Thürheim, und namentlich, daß das österreichische Korps, welches die Stadt bedrohe, ein aus verdorbenen Handwerkern und anderm Lumpengesindel bestehendes Freikorps sei. Die Nürnberger hatten die Ausdrücke auf sich bezogen, waren höchst aufgebracht über den Grafen, der sich erfreche, honette Nürnberger verdorbene Handwerker und ein Lumpengesindel zu nennen, und warteten nur, um sich für diesen Schimpf an dem Grafen zu rächen, auf den Augenblick, wo die Österreicher ankommen würden. Das österreichische Korps rückte an, eine Menge Menschen zog ihm entgegen, sogar Frauenzimmer, von welchen mehrere ihre Blumensträuße überreichten, und kaum hatte dasselbe die Stadt besetzt, so wurde der Graf von Thürheim aufgesucht, aus dem Privathaus, in welches er sich zu seiner Sicherheit begeben, herausgetrieben, von einem Schwall von Gesindel durch die Straßen verfolgt, mit Füßen getreten, angespien, die Kordons von seinem Hut abgerissen, kurz, dergestalt mißhandelt, daß er wahrscheinlich umgekommen wäre,[238] wenn ihn nicht ein österreichischer Offizier vor weitern Mißhandlungen geschützt hatte. Gleichwohl bemächtigten sich die Österreicher seiner und noch einiger anderer bayerischer Staatsbeamten, sperrten sie als Gefangene in einen außerhalb der Stadt gelegenen Garten und führten sie als Geisel nach Bayreuth mit sich fort. Aber die Freude der Nürnberger dauerte nicht lange. Ein französisches Korps unter dem Kommando des Generals Laroche hatte die Österreicher bald vertrieben. Es kam zwischen den Franzosen und ihnen zu einer Affäre, und die in die Stadt eingebrachten Kanonen verkündigten den Sieg der Franzosen. So wurde es nun wieder ruhig in der Stadt, aber das Andenken an die österreichische Invasion blieb den Nürnbergern noch lang im Gedächtnis. Die Stadt mußte an die Österreicher eine Kontribution von fünfzigtausend Gulden bezahlen, welche noch jetzt unter dem Namen Vivatsteuer bekannt ist, und es war merkwürdig anzusehen, wie vor dem Rathaus ein dort versammelter Teil der Bürger die eingebrachten österreichischen Kanonen und ein anderer die Wagen betrachtete, auf welche die fünfzigtausend Gulden aufgepackt wurden. Am folgenden Tag war auch der General Laroche in der Stadt angekommen. Er hatte sich sogleich über das Nähere des Aufstandes erkundigt, um dem Kaiser umständlichen Bericht zu erstatten, und er war eben im Begriff, es zu tun, als ich ihn zufällig bei der in einem Garten außerhalb der Stadt wohnenden Gräfin von Thürheim antraf. Er war äußerst aufgebracht über das Betragen der Nürnberger, und man kann sich denken, was für einen Bericht er an den Kaiser gemacht haben würde, wenn ich nicht zufälligerweise mit ihm zusammengekommen wäre. Überzeugt, daß es bloß die Hefe des Volks war, welche sich bei dem Aufstand tätig erwies, daß kein rechtlicher Bürger teil daran genommen, gelang es mir, auch ihn davon zu überzeugen. Sein Bericht ward schonender für die Nürnberger verfaßt, als er anfangs willens war, und der Vorgang hatte keine weitere Folgen für die Stadt.
Daß der Graf von Thürheim nach seiner Zurückkunft von Bayreuth, denn weiter war er von den Österreichern nicht fortgeführt worden, seine Stelle weder behalten wollte noch konnte,[239] ist einleuchtend. Er vertauschte sie mit dem Generalkommissär des Rezatkreises von Lerchenfeld. Diesen sah ich zum erstenmal in Nürnberg, aber ich war ihm schon empfohlen von dem Grafen von Thürheim, und ich fand bald an ihm einen Mann, der bei seinem regen Sinn für alles Gute und dem Eifer, mit welchem er dasselbe zu befördern suchte, auch der Krankenanstalten in Nürnberg sich tätig annehmen und die Ausführung meiner Plane zu einer bessern Einrichtung derselben auf alle Weise befördern würde. Aber dieselben Hindernisse, welche zur Zeit des Grafen von Thürheim vorhanden waren, bestanden auch jetzt noch. Es fehlte noch immer an der Hauptsache, an Geld, und die Ausführung mußte abermals bis auf bessere Zeiten verschoben werden. Mein ganzer Wirkungskreis blieb daher wie bisher auf meine Medizinalratsstelle eingeschränkt, und ob ich schon der einzige Medizinalrat bei der Regierung des Pegnitzkreises war und alle einem solchen obliegende Geschäfte zu besorgen hatte, so war es mir doch unangenehm, ihnen meine Tätigkeit allein zu widmen, zumal da mehrere darunter waren, deren Besorgung schon an sich nicht erfreulich war. Ich rechne dahin die gesetzliche Einführung der Schutzpockenimpfung und die Aufsicht über die aus den landärztlichen Schulen hervorgegangenen und auch in den Städten angestellten Landärzte. Die gesetzliche Einführung der Schutzpockenimpfung betreffend, so schien mir diese nicht nur ein unerlaubter Eingriff in die Personalrechte zu sein, sondern ich hielt sie auch für zu voreilig, weil ich glaubte, daß wenigstens ein Menschenalter dazu gehöre, ehe man von einer absoluten Schutzkraft der Kuhpockert gegen die Menschenpocken sprechen könne. Wirklich hat sich auch dieselbe in der Folge keineswegs so absolut erwiesen, als man anfangs glaubte und behauptete. Eine Menge vakzinierter Individuen hat Menschenpocken bekommen, die man zwar nicht für wahre Menschenpocken hat anerkennen wollen und daher zum Unterschied von diesen Varioloiden genannt hat, die aber doch wahre Menschenpocken (Variolen) sind, nur milder gemacht durch die vorhergegangene Impfung mit Kuhpockengift. So war es also klar, daß die Kuhpocken nicht absolut vor den Menschenpocken[240] schützen; aber ebendiese mildere Beschaffenheit der Menschenpocken ist, da sie sich nur bei vakzinierten Individuen zeigt, ein entscheidender Beweis für die Schutzkraft der Kuhpocken, und wenn irgend die gesetzliche Einführung der Schutzpockenimpfung gerechtfertigt werden kann, so war es jetzt erst, früher war dieselbe offenbar zu voreilig. – Aber nicht minder als diese Voreiligkeit war auch die Strenge zu tadeln, mit welcher das Impfgeschäft getrieben werden mußte, der lächerlichen Zumutung, daß die Impfärzte sich für die Sicherheit der Vakzinierten vor den Menschenpocken verbürgen sollten, nicht zu gedenken. Wäre ich bei der Beratung des Schutzpockengesetzes Mitglied des Obermedizinalkollegiums in München gewesen, so wäre dasselbe wenigstens in der Form, in welcher es erschien, nicht durchgegangen. Aber als Kreismedizinalrat mußte ich tun, was mir von der Regierung befohlen war, und meine Pflicht forderte, ohne Widerrede zu gehorchen.
Auf eine gleich passive Weise mußte ich mich auch in Rücksicht auf die Landärzte verhalten, deren nicht wenige auch in den Städten angestellt worden, obschon dies eine contradictio in adjecto ist. Was gegen die landärztlichen Schulen überhaupt von Ackermann und noch vielen andern Ärzten von Bedeutung gesagt worden, ist bekannt, und was die Universalärzte, die von ihnen ausgegangen – denn, obschon ohne Doktorhut, sind die Landärzte Ärzte, Chirurgen, Geburtshelfer, Apotheker in einer Person –, bei aller Seichtheit ihrer Kenntnisse für arrogante, bei aller Beschränkung ihres Wirkungskreises für verwegene, bei aller Subordination unter die wissenschaftlich gebildeten Ärzte für anmaßende Subjekte, wenigstens ihrer größern Anzahl nach, geworden sind, sieht man auch jetzt noch, sowohl in den Städten als auf dem Lande. Aber sie waren nun einmal da, man konnte nichts tun, als sie absterben lassen, und es macht der bayerischen Regierung Ehre, daß sie die landärztlichen Schulen wieder aufgehoben hat, wozu auch ich mir schmeicheln darf, etwas beigetragen zu haben, indem ich später den Grafen von Thürheim als Minister des Innern auf die Unstatthaftigkeit dieser Schulen aufmerksam machte.
Die Stelle eines Kreismedizinalrats ist zwar eine angesehene[241] Stelle, denn die Medizinalräte haben mit den Regierungsräten gleichen Rang. Aber so wie die Regierungen selbst mehr vollziehende als beratende Behörden sind, indem alle Verordnungen über wichtigere Gegenstände von den höhern Behörden ausgehen, so ist dies auch der Fall mit den Medizinalräten. Sie haben in medizinischen Angelegenheiten bloß zu begutachten, wie die auf den Antrag der obersten Medizinalbehörde von dem Ministerium erlassenen Verordnungen auszuführen seien, und sie mögen von der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit derselben denken, wie sie wollen, so dürfen sie sich darüber nicht aussprechen. Daß auch in medizinischen Angelegenheiten allgemeine Verordnungen nur von der obersten Staatsbehörde ausgehen, ist Natur der Sache; aber es ist ein großer Fehler, daß diese Verordnungen, statt ganz allgemein zu sein, auch zugleich ins Detail gehen und auch in Rücksicht auf die einzelnen Bestimmungen eine in allen Kreisen gleich genaue Befolgung derselben den Regierungen zur Pflicht machen. Nun sind aber die Kreise, in welche das Reich eingeteilt ist, wie ihrer geographischen Lage nach auch in Rücksicht auf ihre anderweitigen Verhältnisse sehr verschieden, und es können daher von den obersten Staatsbehörden keine andere Verordnungen erlassen werden als ganz allgemeine, weil ihre Ausführung nach den besondern Verhältnissen jedes einzelnen Kreises modifiziert werden muß. Müssen die Kreisregierungen die von den obersten Staatsbehörden ausgehenden Verordnungen auch nach allen ihren einzelnen Bestimmungen ausführen, so finden sich überall Schwierigkeiten, und weil die Kreisregierungen die Verordnungen nicht eigenmächtig modifizieren dürfen, so muß immer einer von zwei Fällen eintreten: entweder müssen die Regierungen, um nichts Ungeschicktes zu verfügen, dieselben gleichwohl eigenmächtig modifizieren, oder sie müssen ihre durch die leidigen Vielschreibereien ohnehin so beschränkte Zeit mit endlosen Anfragen und Einholung neuer Instruktionen verlieren, die nicht selten ebensowenig passen als die Verordnungen selbst.
Alles dies gilt insbesondere von den Verordnungen, welche das Medizinalwesen in den Kreisen betreffen. Auch diese müssen,[242] wenn sie ihren Zweck erreichen sollen, ganz allgemein sein. Auch sie müssen nach den besondere Verhältnissen der einzelnen Kreise modifiziert werden, und diese Modifikationen den Kreisregierungen anzugeben, muß den Kreismedizinalräten übertragen werden, gewiß eine ungleich würdigere Aufgabe für sie, als die Verordnungen an die Landgerichtsärzte auszuschreiben und über ihre Befolgung zu wachen. Bestände in München ein Obermedizinalkollegium, welches nicht bloß aus Münchner Ärzten zusammengesetzt wäre, sondern auch Ärzte aus den Provinzen zu Mitgliedern hätte, so würde die Sache ganz anders sein. Die von demselben beantragten Medizinalverordnungen würden nicht bloß auf die Verhältnisse des Isarkreises und überhaupt Altbayerns berechnet und eben deswegen auch in allen Kreisen ausführbar sein, was jetzt bei den so verschiedenen Verhältnissen in den Kreisen unmöglich der Fall sein kann. So würden zuverlässig in Bayern keine landärztlichen Schulen eingerichtet worden sein, wenn die Herren Obermedizinalräte Haberl und Jacobi bedacht hätten, daß die Landchirurgen nicht überall so sind wie in Altbayern. Nur in Altbayern war es notwendig, für das Landvolk durch Anstellung besserer Subjekte zu sorgen; in den andern Kreisen war es an manchen Orten mit ungleich bessern Barbiern und Badern versehen, als die Landärzte waren, von denen sie verdrungen wurden oder wenigstens verdrungen werden sollten.
Aber das ist noch nicht alles. Die Verordnungen, welche auf Antrag der obersten Medizinalbehörde an die Kreisregierungen ergehen, sind nicht allein zu speziell, sondern sie haben auch noch den Fehler, daß sie auch in Rücksicht auf die einzelnen Bestimmungen auf das strengste befolgt werden müssen. So enthielt z.B. das Schutzpocken-Gesetz unter andern einzelnen Bestimmungen auch die, daß die Impfärzte bei jedem einzelnen Individuen auch die Beschaffenheit der Pocken, nicht allein ihrer Zahl, sondern auch ihrer Form nach, in ihren Tabellen angeben sollten. Allerdings taten dies die meisten, andere aber, die es nicht für nötig hielten, taten es nicht, sie schrieben in ihren Tabellen bloß: echte Pocken, schöne Pocken etc. Dies war nun gegen das Gesetz, sie wurden für strafbar erkannt,[243] und wenn es zum zweitenmal geschah, die gesetzliche Strafe wirklich ausgesprochen. So sollte deshalb der D. Eichhorn in Nürnberg gestraft werden und wurde nur dadurch von der Strafe befreit, daß ich dagegen berichtete, dieser D. Eichhorn sei ein alter praktischer Arzt, der sich nicht mehr in die neuen Formen zu finden wisse, auch sei er derjenige, der sich vor allen andern Nürnberger Ärzten um die Einführung der Schutzpocken verdient gemacht habe, und es würde höchst auffallend sein, ihn wegen Nichtbeobachtung einer bloßen Formalität zu strafen. Sollen Verordnungen in medizinischen Angelegenheiten gegeben werden, so müssen sie auch ausführbar sein; sind sie es nicht, so werden sie entweder nicht befolgt, oder wenn sie befolgt werden, so erreichen sie nicht nur ihren Zweck nicht, sondern sie sind ihm vielmehr hinderlich. Nichts ist leichter, als Verordnungen zu erlassen, aber es ist nicht genug, daß sie auf dem Papier stehen, sie müssen auch ausführbar sein. Aber es scheint, daß dies oft das wenigste ist, um was sich die höhern Behörden, von welchen sie ausgehen, bekümmern, obschon sie nach der Art aller strengen Regenten, denen es mehr um das Befehlen als um die Sache zu tun ist, die oft heilsame Nichtbefolgung derselben, wenn nicht wirklich bestrafen, doch in den derbsten Ausdrücken in ihren Reskripten rügen.
Diese Erfahrungen habe ich als Medizinalrat vielfältig gemacht, und man kann sich leicht denken, daß sie keineswegs geeignet waren, mir meine Stelle angenehm zu machen. Indessen bekleidete ich dieselbe meinen Pflichten gemäß und suchte soviel Gutes zu bewirken, als ich nach der Lage der Umstände konnte. Aber mein Hauptstreben ging immer auf die Ausführung meiner Plane hinsichtlich der Krankenanstalten, das sollte das Hauptverdienst sein, welches ich mir in Nürnberg erwerben wollte, und es ist nicht meine Schuld, daß es mir bis auf den Augenblick, wo ich dieses schreibe, nicht gelungen ist. Aller wiederholten Anregungen ungeachtet blieb es immer beim alten. Es wurden mir immer wieder dieselben Schwierigkeiten entgegengestellt, und so dauerte es fort bis ins Jahr 1811, wo wiederum eine neue Kreiseinteilung vorgenommen, der Pegnitzkreis aufgehoben und in Nürnberg ein eigenes[244] Lokalkommissariat angeordnet wurde. Zum Chef des Kommissariats wurde der bei dem aufgehobenen Pegnitzkreis angestellt gewesene Finanzdirektor von Kraker ernannt, und ich sollte als Medizinalrat bei der Regierung des Obermainkreises in Bayreuth angestellt werden. Insofern ich in Bayreuth mit dem zum Generalkommissär des Obermainkreises ernannten Grafen von Thürheim wieder zusammengekommen wäre, würde mir diese Anstellung allerdings die angenehmste gewesen sein, und ich weiß, daß dies auch der Hauptgrund war, warum der Minister von Montgelas bei dem König auf meine Versetzung dahin antragen wollte, er wollte mir und dem Grafen von Thürheim eine Gefälligkeit erweisen, wie er mir selbst sagte. Allein da auch dem Kommissariat in Nürnberg neben zwei andern Räten auch ein Medizinalrat beigegeben werden sollte, so sah ich nicht ein, warum ich meine Stelle ohne weitere Vorteile gegen eine andere vertauschen sollte, auch lagen mir mehrere meiner Freunde in Nürnberg an, doch ja nicht von Nürnberg wegzugehen, und rieten mir so lange und so nachdrücklich zu, nach München zu reisen und dort meine Versetzung nach Bayreuth zu hintertreiben, daß ich nicht umhinkonnte, mich zu dieser Reise zu entschließen. Bei meiner Ankunft in München fehlte zur Verwirklichung meiner Versetzung nach Bayreuth nur noch die Unterschrift des Königs. Aber der Minister gab meinen Gründen dagegen Gehör; es wurde ein anderer als Medizinalrat in Bayreuth angestellt, und ich blieb in Nürnberg.
Mein damaliger Aufenthalt in München dauerte zwar nur einige Tage, aber er war mir in doppelter Rücksicht erfreulich, erstlich weil ich den Zweck mei ner Reise erreicht hatte, und zweitens weil ich nicht nur das Glück hatte, den König zu sprechen, welcher sich meiner von Würzburg her auf das gnädigste erinnerte, sondern auch weil ich meine alten Freunde und Gönner wiedersah und einige sehr interessante neue Bekanntschaften machte, namentlich mit dem berühmten Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Jacobi, seinem Sohn, dem Obermedizinalrat Jacobi, und dessen schönen und geistreichen Frau, der Tochter des allbekannten Wandsbecker Boten,[245] des kindlichen, liebenswürdigen Claudius, und mit dem großen Anatomen Sömmerring, den ich zum erstenmal in dem Jacobischen Hause sah. Er war abends in einer zahlreichen Gesellschaft, die Gesellschaft blieb spät bis in die Nacht beisammen, Sömmerring und ich verließen die Gesellschaft zugleich, und weil ich fürchtete, ich würde den Weg zu meinem Gasthof nicht allein finden können, so bot er sich an, mich zu begleiten. Er brachte mich richtig an meinen Gasthof, aber er selbst verirrte sich beim Nachhausegehen in eine Nebengasse und mußte zu seiner eigenen Wohnung durch einen Fremden geführt werden – ein Vorfall, der uns bei unserer nächsten Zusammenkunft viel Spaß machte.
Meines Bleibens in Nürnberg nun gewiß, machte ich die Ausführung meiner Pläne hinsichtlich der Krankenanstalten wieder zu meiner Hauptangelegenheit, und ich konnte dieselbe um so mehr hoffen, da nicht allein der Kommissär selbst, sondern auch der Stiftungsadministrator Bock auf das willfährigste dazu die Hände boten. Allein beide konnten bei dem besten Willen vorderhand nicht mehr tun, als was die Umstände erlaubten. Um eine durchgreifende Reform der Krankenanstalten vorzunehmen, fehlte es wie früher auch jetzt an den erforderlichen Mitteln, und alles, was geschehen konnte, war, daß in dem Spital zum heiligen Geist ein großer geräumiger Boden zu Krankenzimmern eingerichtet und zur Bestreitung der Kosten der Erlös aus allerlei entbehrlichen Sachen verwendet wurde. Die Sachen wurden gut verkauft, die Einrichtung des Bodens zu Krankenzimmern wurde vorgenommen, der Raum reichte zu zehn Zimmern, in denen überhaupt fünfzig Kranke Platz hatten, und schon im Frühjahr 1813 konnten dieselben bezogen werden. So hatte nun die Stadt eine Krankenanstalt, welche vorderhand wenigstens das dringendste Bedürfnis befriedigte, die erbärmliche Hundert-Suppen-Anstalt und das gleich erbärmliche Schau- oder Schauerhaus entbehrlich machte und eine zweckmäßigere Einrichtung des St.-Sebastian-Spitals gestattete. Sobald nämlich die neue Krankenanstalt fertig war, so wurden jene zwei Krankenhäuser geräumt, die heilbaren Kranken wurden in die neue Anstalt aufgenommen, die unheilbaren[246] in das St.-Sebastian-Spital versetzt, welches zuvor ebenfalls eine bessere Einrichtung erhalten hatte. Zugleich wurde auch die Besorgung der hausarmen Kranken, welche in ihren Wohnungen auf öffentliche Kosten behandelt wurden und auch jetzt noch einen Hauptteil der Armenkrankenpflege in Nürnberg ausmachen, verbessert, statt eines einzigen Armenarztes wurden mehrere angestellt, die Besoldung der Armenärzte wurde fixiert und überhaupt mehr Ordnung in diesen wichtigen Teil der Armenkrankenpflege gebracht. Indessen waren alle diese Anordnungen bloß provisorisch, es sollte dadurch bloß den dringendsten Bedürfnissen abgeholfen werden, und der Plan zu einer umfassenden und durchgreifenden Reform der gesamten Versorgungs- und Krankenanstalten war keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil wurden nicht nur von Seite des Kommissariats, sondern auch vorzüglich von dem Stiftungsadministrator Bock solche Vorkehrungen dazu getroffen, daß kaum an der Realisierung des Plans zu zweifeln war.
Aber nun brach wieder ein neuer Krieg aus, der französischrussische. Dieser neue Krieg und die im Jahr 1816–1817 eingetretene Teuerung machten die Ausführung des Plans abermals unmöglich. So sehr mir derselbe auch am Herzen lag, so fügte ich mich doch in der Hoffnung auf bessere Zeiten in diese abermalige Verzögerung mit Geduld, um so mehr, weil ich mir teils durch die Übernahme der ärztlichen Besorgung der neuen Krankenanstalt, teils durch die Erweiterung meiner Privatpraxis meinen Wirkungskreis auf eine meiner Neigung gemäße Art erweitert hatte. In den ersten Jahren meines Aufenthalts in Nürnberg hatte ich mich nämlich auf keine Privatpraxis eingelassen, und ich konnte es auch nicht wohl tun, weil ich voraussah, daß ich als Dirigent der nach meinem Plan eingerichteten Versorgungs- und Krankenanstalten genug zu tun haben würde, um noch zu andern Beschäftigungen als zu meinen amtlichen Zeit übrig zu haben. Allein teils die von mehreren Seiten her an mich ergangenen Aufforderungen zur Privatpraxis, teils die aufs neue wieder in eine ungewisse Ferne hinausgerückte Ausführung meines Plans bewogen mich endlich, meine Privatpraxis weiter auszudehnen, als ich anfangs willens war, und[247] wenn ich die Zeitumstände hätte benutzen wollen, so hätte ich ohne Zweifel der beschäftigteste Arzt in Nürnberg werden können. Die angesehensten und gesuchtesten Ärzte waren nämlich größtenteils betagte Männer, denen die Praxis beschwerlich zu werden angefangen hatte, einige hörten zu praktizieren auf, andere wurden kränklich, einer starb nach dem andern weg, und von den jüngern, die an ihre Stelle traten, hatte ich nichts zu fürchten. Allein ich hatte nie im Sinn, meine Praxis sehr weit auszudehnen, nicht allein weil ich die öffentlichen Krankenanstalten als den Hauptgegenstand meiner Tätigkeit immer vor Augen hatte, sondern auch weil mir die Stellung nicht gefiel, in welcher die Ärzte zu dem Publikum standen. Nürnberg ist eine Handelstadt, und wie in allen Handelstädten das Geld die Hauptsache ist, so ist dies auch in Nürnberg nicht anders. Man läßt den Arzt rufen, wenn man ihn braucht, und hat man ihn für seine Dienste abgelohnt, so glaubt man, ihm nichts weiter schuldig zu sein, oder wenn man ihm ein jährliches Honorar bezahlt, so erwartet man, daß er es durch öftere Besuche abverdiene, wenn auch niemand im Hause krank ist, und sieht ihn ebenso für einen Lohnbedienten an wie einen Handlungskommis. Freilich denken nicht alle Kaufleute so, es gibt ihrer mehrere, die ihren Arzt auch als ihren Hausfreund betrachten, aber diese machen nur die Ausnahme von der Regel. Die Mehrzahl benimmt sich, wie ich gesagt habe, und da der Handelstand den Ton in der Stadt angibt, so folgen mehr oder weniger auch die andern Bürgerklassen seinem Beispiel. Sowohl in Würzburg als in Ludwigsburg hatte ich ein anderes Verhältnis der Ärzte zu dem Publikum gesehen, und ich konnte daher das praktische Leben in Nürnberg nicht erfreulich finden. Dies war schon zu Anfang der Fall, in der Folge war er es noch mehr, da nicht nur der jüngeren Ärzte immer mehrere wurden, sondern auch die Landärzte in der Stadt ihr Wesen zu treiben anfingen. Jene mußten von dem Ertrag ihrer Praxis leben, und um die Gunst des Publikums zu gewinnen, waren sie genötigt, demselben ganz zu Gefallen zu leben. Sie hofierten daher nicht nur dem Handelstand als seine gehorsame Diener, sondern sie schmeichelten auch den[248] andern Bürgerklassen, indem sie auch ihren übertriebensten und törichtsten Anforderungen zu entsprechen suchten. Auf eine solche Art mich bei dem Publikum in Gunst zu setzen, war mir unmöglich, und es ist daher ganz natürlich, daß ich, wenn ich es auch gewünscht hätte, nie zu einer sehr ausgebreiteten Praxis in Nürnberg gekommen wäre. Die Masse des Publikums würde sich weit eher an die gefälligern jüngern Ärzte als an den minder gefälligen, seine Würde behauptenden, ältern Arzt gehalten haben. – Aber noch mehr als dieses notgedrungene knechtische Betragen der meisten jüngern Ärzte verleideten mir die Praxis in Nürnberg die in der Stadt angestellten Landärzte. Nach ihrer Instruktion sollten sie zwar mehr Chirurgen als Ärzte sein, sie sollten sich nur mit Behandlung innerlicher Krankheiten leichterer Art befassen und in schwerern Fällen ungesäumt einen wissenschaftlich gebildeten Arzt zu Hülfe rufen. Allein wie sie sich gleich diesen Doktoren nennen ließen, so wollten sie ihnen auch in der Ausübung ihrer Kunst nicht nachstehen, und so wie sie solchergestalt sich selbst als Kollegen derselben ansahen, so sah sie auch ein großer Teil des Publikums dafür an, ja vielen, besonders aus den geringern Volksklassen, war ein Landarzt lieber als ein wissenschaftlich gebildeter Arzt, teils weil er ihnen an Sitten gleicher war, teils weil sie ihm für seine Dienstleistungen, welche sie mit Recht als Dienste eines Handwerkers ansahen, weniger bezahlen durften. Weit entfernt also, bei dieser Herabwürdigung des ärztlichen Standes nach einer ausgebreiteten Praxis zu streben, war ich froh, daß es mir die Lage der Dinge selbst verbot, und wirklich schon aus Scham, für einen Kollegen der Landärzte angesehen zu sein, würde ich meine Praxis ganz aufgegeben haben, wenn sich mir eine schickliche Gelegenheit dazu dargeboten hätte.
Diese Gelegenheit schien sich mir wirklich darzubieten, da jetzt der Zeitpunkt herangekommen zu sein schien, wo ich an der Ausführung meines Plans zur Verbesserung der öffentlichen Krankenanstalten nicht mehr zweifeln zu dürfen glaubte. Der Krieg war nämlich geendigt, der Friede geschlossen, die deutschen Fürsten hatten versprochen, ihren Ländern zeitgemäße[249] Konstitutionen zu geben, und der König von Bayern war einer der ersten, der es tat. Im Mai 1818 wurde die Konstitution promulgiert. Die Freude im Königreich war allgemein, besonders in Nürnberg, weil man hoffte, daß durch Einsetzung eines potenten Magistrats die vormalige Herrlichkeit der Stadt wiederhergestellt werden würde. Allerdings hatte Nürnberg durch die Konstitution sehr viel gewonnen, nicht nur an Selbstmacht, sondern auch an Einkünften. Die Befugnis, das Bestehende überall, wo es nötig schien, zu verbessern, allen Bedürfnissen durch neue zweckmäßige Einrichtungen abzuhelfen, ward dem Magistrat durch die Konstitution erteilt. Ich glaubte nun, daß auch vorzüglich den Versorgungs- und Krankenanstalten ein neuer Glücksstern aufgegangen sei, und da ich sah, mit welchem Eifer schon der zuerst eingesetzte Magistrat von jener Befugnis Gebrauch machte, was er zur Verbesserung des Schulwesens, zur Reinigung der Straßen und Brunnen, ja selbst zur Verschönerung der Stadt und ihrer Umgebungen durch Anlegung von Alleen etc. tat, so konnte ich nicht zweifeln, daß er auch ein vorzügliches Augenmerk auf die Verbesserung der Versorgungs- und Krankenanstalten richten würde. Allein ich betrog mich in meiner Erwartung.
Das Bedürfnis besserer und umfassenderer Versorgungs- und Krankenanstalten wuchs aber mit jedem Tage im Jahre, und ich sah mich daher genötiget, meine Anträge zu ihrer Verbesserung nicht nur von Zeit zu Zeit zu wiederholen, sondern ihnen auch mehr Nachdruck zu geben. Dennoch ging ein Jahr nach dem andern hin, bis im Jahr 1824 der Kaufmann Scharrer zum zweiten Bürgermeister gewählt wurde. Dieser ebenso tätige als einsichtsvolle Mann hatte schon als Magistratsrat die Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform der Versorgungs- und Krankenanstalten erkannt, er machte dieselbe gleich nach dem Antritt seines Bürgermeisteramts zu einem Hauptgegenstand seiner Tätigkeit und arbeitete gemeinschaftlich mit mir den Plan zu derselben aus. Einverstanden mit mir, daß vor allem die Herstellung eines allgemeinen Krankenhauses nötig sei, wurde ein Platz außerhalb der Stadt dazu ausersehen, der Platz von dem sich für alle das Gemeinwohl der Stadt betreffende[250] Anstalten tätig interessierenden Marktvorsteher Platner aus eigenen Mitteln erkauft, von dem Bauinspektor Schmidtner der Riß zu dem Gebäude nach meiner Angabe verfertigt, die Kosten des Gebäudes, seiner Einrichtung und Unterhaltung von dem Bürgermeister Scharrer berechnet und die Mittel zu seine Dotierung angegeben. Wäre Scharrer Bürgermeister geblieben, so wäre zuverlässig der Plan ausgeführt worden, denn wie zu so vielem andern, was während seines Bürgermeisteramts trotz aller ihm in Weg gelegter Hindernisse zustande gekommen, war er auch dazu der Mann. Aber nachdem die sechs Jahre, auf die er gewählt worden, vorüber waren kam ein anderer an seine Stelle, und sowie dieser eingetreten, war auch von Erbauung eines Krankenhauses keine Rede mehr. Die Schuld, daß es an Geld zur Erbauung eines Krankenhauses fehlte, lag nicht an der Unzulänglichkeit der Renten der Stiftungen, sondern an der Art ihrer Verwendung zu Almosen. Allerdings hat in neuern Zeiten die Armut in Nürnberg bedeutend zugenommen; allein, genau betrachtet, nicht sowohl die Armut als vielmehr die Armen, und die Ursache dieser Zunahme der Armen liegt ohne Zweifel in der Fehlerhaftigkeit der öffentlichen Armenpflege. Die Hauptaufgabe einer guten Armenpflege ist, die Zahl der Armen zu vermindern, und diese Aufgabe kann nur gelöst werden durch Herstellung öffentlicher Beschäftigungsanstalten, die aber nicht zugleich Strafanstalten sein dürfen wie die in Nürnberg bestehende. Sie müssen reine Beschäftigungsanstalten sein, in welchen jeder, der arbeiten will, auch Arbeit findet und sich nicht schämen darf, in sie aufgenommen zu werden. Nur Arme, die durch ihre Arbeit nicht so viel erwerben können, als sie zur notdürftigen Erhaltung ihrer Familien bedürfen, haben gerechten Anspruch auf Unterstützung durch Almosen, so wie diejenigen, die gar nicht mehr arbeiten können, zur Aufnahme in eine öffentliche Versorgungsanstalt. Almosen an Müßiggänger und aus Mitleiden an Scheinarme gegeben, die sie ertrotzen oder durch ihre Wehklagen erschleichen, helfen der Armut nicht ab, sie dienen vielmehr, die Zahl der Armen zu vermehren, und wenn man mir von täglicher Zunahme der Armut in Nürnberg[251] sprach, so war ich immer der Meinung, daß die Rede bloß von Zunahme der Armen, nicht der Armut, sein könne. Bei der täglich höher gesteigerten Industrie in der Stadt und dem täglich sich vermehrenden Verkehr kann es unmöglich viele geben, die nicht Arbeit finden, wenn sie arbeiten wollen, und um die wahrhaft Armen von den scheinbar Armen zu unterscheiden, ist vor allen Dingen eine genaue Armenkonskription nötig. Solange eine solche nicht hergestellt ist, nützt auch der zahlreichste Armenpflegschaftsrat nichts, weil es ihm an der Grundlage fehlt, worauf er sein Urteil über die Bedürftigkeit der um Almosen Bittenden bauen muß; im Gegenteil, je zahlreicher er ist, desto schlimmer ist es, weil in Ermangelung jener Grundlage das meiste von der Gunst der Armenpflegschaftsräte abhängt, welche, wie die Erfahrung lehrt, sehr oft Leuten zugewendet wird, die gar nicht zu den Armen gehören und das ihnen gereichte Almosen den Bier-und Branntweinwirten, den Lottokollekteuren, ja sogar dem Theaterkassier zutragen.
Daß ich bei der täglich zunehmenden Unzulänglichkeit der bestehenden Versorgungs- und Krankenanstalten meine Anträge, da sie bei dem Magistrat nichts fruchteten, um so öfter und nachdrücklicher an die Kreisregierung gemacht, brauche ich ebensowenig zu sagen, als daß auf jeden meiner Berichte die Regierung den Magistrat nachdrücklich zur möglichst baldigen Herstellung des fraglichen neuen Krankenhauses aufgefordert habe. Aber auch diese Aufforderungen von Seite der Kreisregierung fruchteten nichts, der alte Grund, daß es an Geld fehle, wurde jederzeit wieder aufs neue hervorgehoben, und das einzige, was geschah, war, daß man jetzt etwas ernstlicher die Wege aufzusuchen anfing, auf welchen dasselbe herbeizuschaffen sein möchte. – So stand es am Schlusse des Jahres 1835, als wieder ein neuer zweiter Bürgermeister gewählt wurde. Die Wahl fiel auf einen Mann, zu welchem wie die ganze Stadt auch ich das größte Zutrauen hatte. Es war der zeitherige Marktvorsteher Johann Merkel, der würdige Sohn des ersten Marktvorstehers und Assessors beim königlichen Handelsappellationsgericht Johann Wolfgang Merkel, dessen ich schon früher erwähnte und von dem ich in der Folge noch[252] ausführlicher sprechen werde – ein ebenso kenntnisreicher und tätiger als rechtschaffner Mann. Schon als Vorstand des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten hatte er sich der städtischen Versorgungs- und Krankenanstalten bei jeder Gelegenheit angenommen, und ich konnte daher mit Zuversicht von ihm erwarten, daß er als Bürgermeister vollenden werde, was sein früherer Vorgänger Scharrer so rühmlich begonnen hatte. Ich hatte bereits mein siebenundsiebenzigstes Lebensjahr zurückgelegt und hätte wohl noch vor meinem Tode ein Werk ausgeführt sehen mögen, das mir mehr als alles andere am Herzen lag und dem zulieb ich von keiner Gelegenheit, meine Stelle mit einer andern, wenngleich vorteilhaftern und ehrenvollern, zu vertauschen, Gebrauch machte. Ich hätte Kreismedizinalrat in Bayreuth, Direktor der Krankenanstalten in Bamberg, Mitglied des Obermedizinalkollegiums in München werden können; aber ich hatte meine Stelle in Nürnberg vorgezogen, und nur die Aussicht auf baldige Herstellung eines allgemeinen Krankenhauses und die dadurch möglich gemachte bessere Organisation des Spitals zum heiligen Geist als Versorgungsanstalt ließ es mich, ungeachtet der Verzögerung von einem Jahr zum andern, nicht bereuen, der Stadt jene Opfer gebracht zu haben.
Aber es ist nun Zeit, daß ich auch etwas von meinem geselligen und häuslichen Leben in Nürnberg sage, und billig spreche ich auch hier wieder zuerst von meinem häuslichen. Meine Frau war bald in Nürnberg eingewohnt, sie war froh, wieder in einer größern Stadt zu leben, und die freundschaftlichen Verhältnisse, in welche sie nach und nach mit mehrern Familien geriet, machten ihr den Aufenthalt in derselben je länger, je angenehmer. Meine Tochter war bereits herangewachsen und die Zeit näher gekommen, wo wir sie an einen wackern Mann verheuratet wünschten. Diesen fanden wir in dem königlichen Oberpostamtssekretär Hänlein, einem wohlgestalteten, braven und tüchtigen jungen Mann aus einer der angesehensten Familien in Ansbach, und wir hatten keine Ursache, es zu bereuen, daß wir ihm unsere einzige Tochter zur Frau gegeben hatten. Allein er bekam an ihr auch eine Frau,[253] welche von ihrer Mutter zu einer tüchtigen Hausfrau gebildet worden. Die Frucht ihrer Ehe waren drei Mädchen, gesund, wohlgebildet, begabt mit vielversprechenden Fähigkeiten. Sie wuchsen freudig heran, und sie so gedeihend und jugendlich heiter um mich zu sehen, ist die schönste Freude meines Alters und macht mich selbst wieder jung.
Weniger Erfreuliches kann ich leider von meinem Sohn sagen. Er war jünger als meine Tochter, als Kind ebenso gut geartet wie sie und als Knabe wegen der ausgezeichneten Fähigkeiten, die er verriet, ebenso vielversprechend als durch seine Wohlgestalt sich empfehlend. Er sollte Jurisprudenz studieren, und nachdem er die Gymnasialstudien vollendet hatte, begab er sich auf die Universität zu Altdorf. Hier gehörte er nach dem einstimmigen Zeugnis seiner Lehrer zu den fähigsten, fleißigsten und wohlgesittetsten Studenten, ja er wurde von denselben als Muster für die andern aufgestellt. Allein im Jahr 1809 wurde die dortige Universität aufgehoben, mein Sohn bezog mit andern daselbst Studierenden die Universität Erlangen, und mit der Veränderung des Orts wurde er ein ganz anderer Mensch. Er geriet in schlechte Gesellschaften, gewöhnte sich das Trinken an, machte Schulden, und ob er schon seine Kollegien fleißig besuchte, kam er doch in seinen Studien nicht so weit vorwärts, als er bei seinen Fähigkeiten hätte kommen können. Ich hatte von dem wüsten Leben, dem er sich ergeben, lange nichts erfahren, ich hörte bloß zufällig davon, und man kann sich leicht denken, daß ich ihm darüber die ernstesten eindringendsten Vorstellungen machte. Betroffen von diesen Vorstellungen bezeigte er nicht nur Reue wegen des Vergangenen, sondern er klagte sich darüber auch selbst an und versprach mit Tränen, dem unseligen Hang zu entsagen. Allein dieser Hang war bereits zu tief bei ihm eingewurzelt, als daß er hätte Wort halten können, auch blieb er seinen bisherigen schlechten Gesellschaften, die seine Gutmütigkeit oder vielmehr seinen Leichtsinn, je länger, je mehr mißbrauchten, zu getreu, als daß ihn bessere Gesellschaften hätten anziehen können. Alles, was er über sich vermochte, war, daß er sich mehr zu Hause hielt, die Bierhäuser etwas seltener besuchte[254] und fleißiger studierte; seine Neigung zum Trinken ganz zu bezwingen vermochte er nicht, weder auf der Universität noch während seiner nachherigen verschiedenen Anstellungen im Staatsdienst. Bei seiner guten Konstitution hatte diese Leidenschaft lange keinen nachteiligen Einfluß auf seine Gesundheit, auch betrieb er seine Amtsgeschäfte dabei zwar lässiger, aber doch so, daß ihm keine Versäumnis zur Last gelegt werden konnte, weil seine Talente seine Lässigkeit vergüteten. Allein um so stärker zeigte sich späterhin die verderbliche Wirkung derselben. Er fing an Blut auszuhusten, die Anfälle von Bluthusten kämen öfter und stärker, und die Folge war eine unheilbare Lungenschwindsucht, an welcher er im September 1825 starb, in einem Alter von fünfunddreißig Jahren. Wäre er in Erlangen geblieben, der er in Altdorf war, was hätte er bei seinen Talenten leisten können und was würde aus ihm geworden sein! Ich darf hieran nicht denken, ich muß vielmehr froh sein, daß er nicht länger gelebt hat, wenn ich bedenke, wozu ihn eine Leidenschaft, die er nicht mehr zu überwinden vermochte, hätte führen können.
Es ist leicht zu erachten, daß ich in der langen Reihe von Jahren, welche ich in Nürnberg durchlebte, in manche Verbindungen gekommen bin, die mir das Leben daselbst interessant und angenehm machten. Zuerst erwähne ich hier die Verbindung, in welche ich als Mitglied der Regierung mit dem Generalkommissär Freiherrn von Lerchenfeld, dem Nachfolger des Grafen von Thürheim, den Direktoren von Hettersdorf und von Kracker und den Räten Cella, von Lochner und Freudel und bei der Finanzkammer mit den Räten Nagler, Roth und Lutz kam, vorzüglich aber des Wiederzusammentreffens mit meinem vormaligen Würzburger Kollegen und Freund Paulus, der als Schulrat bei der Regierung angestellt ward und an dessen Frau auch die meinige ihre alte, liebe Freundin wiedergefunden hatte. Nicht minder als die Mitglieder der Regierung gewann ich mir auch die meisten Professoren an dem Gymnasium, besonders den Rektor an demselben, den in der Folge als Professor der Philosophie in Berlin so berühmt gewordenen Hegel, und den Professor Heller, nachmaligen Professor in Erlangen,[255] und an der Realschule die Professoren Schweigger, Schubert, Pfaff etc. zu Freunden. Solange ich mit diesen Männern zusammenlebte, hatte ich die frohesten Tage in Nürnberg, und in so viele freundschaftliche Verbindungen ich auch in der Folge mit andern wackern Männern gekommen bin, so muß ich doch gestehen, daß ich dieser schönen Zeit noch immer mit Freude gedenke und schmerzlich bedaure, daß sie vorüber ist.
Daß ich von den Ärzten in Nürnberg zuerst den D. Osterhausen kennenlernte, habe ich schon gesagt. Bald lernte ich auch die andern, Bayer, Weiß, Eurich, Riederer, Schadelock, Eichhorn und beide Preu, kennen. Ich fand an ihnen insgesamt tüchtige Ärzte und fleißige, tätige und größtenteils auch brave Männer; aber doch war mir Osterhausen immer der liebste, nicht weil ich ihn für den gelehrtesten der Nürnberger Ärzte halte, denn gelehrt kann jeder werden, der viel liest und fleißig studiert, sondern weil ich an ihm einen der besten Menschen kennenlernte, die mir je vorgekommen sind. Wir waren bald die besten Freunde zusammen, unsere Freundschaft besteht noch, und sie wird bestehen, solange wir leben. Nächst meinem Freund Osterhausen war mir der liebste Eurich, ein ebenso braver Mann als ein tüchtiger und, was so selten ist, eine selbstdenkender Arzt. Das letztere war auch der jüngere Preu, der als Stadtgerichtsarzt in Nürnberg starb, ein ausgezeichnet guter und mit vielen Kenntnissen ausgerüsteter Kopf. Mit den übrigen Ärzten kam ich weniger in Berührung, und es bildete sich daher auch kein näheres freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen und mir.
Das gleiche war der Fall mit den in immer größerer Zahl in der Stadt auftretenden jüngern Ärzten. Anstatt sich an die ältern Ärzte anzuschließen, machten sie lieber ihren Weg für sich, suchten sich bei dem Publikum zu insinuieren und geltend zu machen, auf welche Art sie konnten, und so gelang es denn auch mehrern, die ältern zu verdrängen, so daß sie gleich den Landärzten, wie man leider auch von den Ärzten zu sagen pflegt, bald zu einer bedeutenden Kundschaft gelangten. Daß auch ich zu diesen ältern Ärzten gehörte, auf deren Verdrängung[256] die jüngern ausgingen, obschon sie mich zuweilen zu Konsultationen rufen ließen, versteht sich von selbst. Nur wenige von diesen jungen Ärzten kultivierten das Verhältnis, in welches sie als Besucher der Krankenanstalten während ihres praktischen Bienniums mit mir gekommen waren, und von diesen nenne ich vorzüglich Merkel und Lochner, von denen ich gewiß bin, daß sie meine Freunde bleiben werden, solange ich lebe.
Mehr als mit den Ärzten kam ich in freundschaftliche Verhältnisse mit einigen Geistlichen, wie mit dem verstorbenen Dekan Veillodter, dem Pfarrer Seyfried und späterhin mit den Pfarrern Seiler und Hilpert und dem Hauptprediger Fikenscher, sowie auch mit mehrern bürgerlichen Familien, von denen ich hier vor allen andern die Merkelsche nenne. Habe ich je einen Mann gekannt, von dem man sagen konnte, er sei ein ganzer Mann, so war es der Vater der Familie, Paul Wolfgang Merkel. Anerkannt als einer der ersten Kaufleute in der Stadt, war er auch anerkannt als ihr erster Bürger. Reich an den vielseitigsten Kenntnissen, rastlos tätig in seinem Beruf und überall, wo Einsicht und kraftvolle Tätigkeit erfordert wurde, in Anspruch genommen, war er auch ein Mann von dem edelsten Charakter, ein treuer Freund seiner Freunde, ein redlicher Berater jedes Ratsbedürftigen, ein furchtloser Verteidiger und Schützer des gekränkten Rechts, ein zärtlicher Gatte, ein liebevoller Vater, kurz alles, was ein Mann sein soll. Gleich nach mei ner Ankunft in Nürnberg wurde ich mit ihm bekannt durch seinen Schwiegersohn und meinen Landsmann, den damaligen städtischen Konsulenten und jetzigen Präsidenten des protestantischen Oberkonsistoriums in München, Roth. Mein Wunsch, mit ihm und seiner würdigen Familie in nähere Verbindung zu kommen, wurde bald erfüllt, mit niemand kam ich öfter zusammen als mit ihm, ich wohnte zwölf Jahre lang in einem seiner Häuser so bequem und behaglich, als wenn ich Eigentümer des Hauses gewesen wäre, und ich freue mich, sagen zu können, daß die freundschaftlichen Gesinnungen des Vaters gegen mich auch auf seine Söhne fortgeerbt haben.[257]
Nächst Merkel hatte ich einen andern wahren Freund an dem Spitalverwalter Sörgel. Er war schon ein bejahrter Mann, als ich ihn kennenlernte, aber noch lebhaften Geistes und heitern Gemüts. Ich habe wenige so wohlwollende Menschen gesehen, wie er war, und, was so selten ist, sein Wohlwollen war allgemein, wem er etwas Gutes erweisen konnte, dem erwies er es, nicht aus Eitelkeit, sondern weil er von Herzen wohlwollend war, kurz, er war ein echter alter Nürnberger, ein Mann aus der alten guten Zeit, wie er denn diese alte gute Zeit bei jeder Gelegenheit zu preisen pflegte.
Solcher Freunde gewann ich nach und nach immer mehrere, und zwar nicht allein unter dem männlichen, sondern auch unter dem weiblichen Geschlecht. Von den erstern nenne ich vorzüglich den ehemaligen Bürgermeister, jetzigen Direktor der polytechnischen Schule Scharrer, von dem ich schon an einem andern Ort gesprochen, den Bürgermeister Binder, wegen seiner Rechtlichkeit ebenso achtungswert als wegen seiner Tüchtigkeit und Gewandtheit in Geschäften, die Advokaten Kreittmair, dem ich für die vielen mir und meiner Familie geleisteten Dienste besondern Dank schuldig bin, und Toussaint, beide allgemein anerkannt als geschickte Advokaten und rechtschaffene Männer, und noch mehrere andere; unter den letztern vorzüglich die Frau Gräfin von Pückler, die Frau von Peterson, jetzt Frau von Tutschef, die Frau Legationsrätin von Hepp und ein Fräulein von Kretschmann, Tochter des berühmten vormaligen coburgischen Ministers von Kretschmann.
Die erste war die Gemahlin des vormaligen württenbergischen Oberstkammerherrn Grafen Friederich von Pückler und wohnte mit ihrem Gemahl, seit er sich vom Dienst zurückgezogen hatte, in Nürnberg schon einige Jahre vor meiner Ankunft daselbst. Als Landsmännin hatte ich sie schon früher gekannt, ich erneuerte diese Bekanntschaft in Nürnberg, kam aber erst in nähere Verbindung mit ihr, nachdem sie Witwe geworden war. Sie war in jeder Hinsicht eine treffliche Frau, und je näher man sie kennenlernte, desto mehr mußte man sie achten wegen ihres männlichen Verstandes und der Würde[258] ihres Betragens und lieben wegen ihres guten Herzens, welches sich unverkennbar in ihrem Wohlwollen gegen jedermann, ihrem höflichen freundlichen Benehmen auch gegen die Geringsten und ihrer zuvorkommenden, in keinem Fall verweigerten Dienstfertigkeit aussprach. Sie starb erst vor einigen Jahren in einem Alter von sechsundsiebenzig Jahren, ebenso betrauert nach ihrem Tode als geschätzt in ihrem Leben.
Die zweite, die Frau von Tutschef, ist eine der geistreichsten und liebenswürdigsten Frauen, die ich kenne, und die Stunden, welche ich im Umgang mit ihr zubrachte, gehören zu den angenehmsten meines Lebens. Auch meiner Frau war sie eine gleich liebe Freundin, und mit Wehmut sahen wir sie, als sie nach dem Tod ihres ersten Mannes, den ich ebenfalls zu meinen wahren Freunden zählen darf, nach München zog, von uns scheiden.
Die dritte ist die Witwe des ehemaligen Legationsrat von Hepp, eines wegen seiner Herzensgüte allgemein geachteten Mannes. Sie ist schon eine Frau von Jahren, aber noch ebenso gefällig als wie zu Lebzeiten ihres Mannes, eine treue Anhängerin ihrer Freunde und Freundinnen, artig gegen jedermann und wegen ihrer prunklosen Wohltätigkeit gegen die Armen allgemein geehrt und geliebt.
Das Fräulein Bertha von Kretschmann kenne ich erst seit einigen Jahren, und ich glaube, sie richtig genug zu schildern, wenn ich sage, daß ich sie nie sehe, ohne mich an das früher geschilderte Fräulein von Gemmingen zu erinnern, welcher sie an Geist und Herz gleich ist. Seit der Auflösung des Pegnitzkreises, wo Paulus nach Ansbach versetzt wurde, und der Aufhebung der Realschule, wo die an derselben angestellten Professoren Pfaff, Schubert, Schweigger usw. die Stadt verließen, blieben mir nur wenige Freunde, mit denen ich mich geistig unterhalten konnte, und auch mit diesen, wie z.B. mit Osterhausen, kam ich, weil es ihnen ihre Geschäfte und anderweitigen Verhältnisse nicht erlaubten, selten zusammen. Diesen Mangel an geistiger Unterhaltung ersetzte mir Fräulein von Kretschmann reichlich. Was nur irgend von einem gebildeten Frauenzimmer verlangt werden kann, besaß sie in vollem Maß.[259] Ohne zu den gelehrten Frauenzimmern zu gehören, war sie reich an Kenntnissen aller Art, aber diese Kenntnisse waren nicht eingelernt wie bei andern, das Eingelernte war bei ihr zum Eigentum geworden, ihre Ansichten über Geschichte, Philosophie, Religion usw. hatten etwas Originelles, und nie unterhielt ich mich mit ihr über einen dieser Gegenstände, ohne für die Berichtigung und Erweiterung meiner eigenen etwas gewonnen zu haben. Daher gab ich ihr auch die meisten meiner philosophischen Aufsätze, ehe ich sie ins reine schrieb, zu lesen, und nie erhielt ich sie zurück, ohne daß sie von den trefflichsten Bemerkungen begleitet gewesen wären.
So lieb mir auch alle diese Freunde und Freundinnen waren, und so wohl ich mich in ihrem Umgang befand, so kam ich doch nicht so oft mit ihnen zusammen, als ich wünschte. Nicht nur hatten sie selbst ihre Geschäfte, denen sie den größten Teil ihrer Zeit widmen mußten, wie meine Vorgesetzten und Kollegen bei der Regierung, die Professoren an dem Gymnasium und an der Realschule usw., sondern auch ich hatte die meinigen, vorzüglich aber hielt mich von freundschaftlichen Besuchen meine Praxis ab. Denn obschon diese nie weit ausgebreitet war; so mußte ich ihr doch den größten Teil des Vormittags widmen, und die Nachmittagsstunden benutzte ich zum Studieren, so daß ich selten dazu kam, die Abendgesellschaften zu besuchen, wo ich mit meinen Freunden hätte zusammenkommen können. Die häufigste Gelegenheit, sie zu sehen, gaben mir die Kranken, die ich in ihren Familien zu behandeln hatte, allein Besuche dieser Art sind viel mehr betrübend als erfreuend, und ich kann sie daher nicht zu den freundschaftlichen rechnen, von welchen hier die Rede ist. Überhaupt beschränkte sich mein Umgang größtenteils auf meine Patienten, und was mir bei demselben an freundschaftlicher Unterhaltung abging, das ersetzte mir wenigstens zum Teil der Gewinn an Menschenkenntnis, den er mir verschaffte. Niemand sieht die Menschen so, wie sie sind, besser als der Arzt. Sie legen, wenn sie krank sind, ihr Sonntagshabit ab und erscheinen im Schlafrock wie vor ihren Bedienten, und der Arzt, der darauf ausgeht, die Gelegenheit, sie so zu sehen, zur Vermehrung seiner[260] Menschenkenntnis zu benutzen wie ich, geht nie leer; aus. Wollte ich erzählen, was für Erfahrungen ich hier gemacht habe, ich würde nie fertig werden. So viele, die sich in gesunden Tagen als sehr verständige Menschen betrugen und als solche allgemein erkannt waren, betrugen sich so unverständig in ihren Krankheiten, daß es eine wahre Not war, ihnen das Verständnis zu öffnen. So viele andere, die in gesunden Tagen spotteten, wenn sie hörten, dieser oder jene Kranke betrage sich kleinmütig, ängstlich, verzweifelnd, waren die weheleidigsten, kleinmütigsten, ungeduldigsten Menschen, wenn sie erkrankten. So viele endlich, die in gesunden Tagen für die artigsten, höflichsten, freundlichsten Menschen galten, waren in kranken gerade das Gegenteil, ungebärdig, grob, beleidigend, wie gegen ihre Umgebungen auch gegen den Arzt. Von allen diesen Gattungen von Kranken sind mir sehr viele vorgekommen, einer der merkwürdigsten aber ist einer von der letzten Gattung, und ich kann um so weniger umhin, seiner zu erwähnen, da ich zuvor nie seinesgleichen gesehen hatte. Es war ein bei der vormaligen österreichischen Regierung in den Niederlanden angestellter Baron, welcher, nachdem er zuvor in Wien, Prag und andern Orten als Pensionär gelebt hatte, nach Nürnberg gezogen war – ein von Natur zwar hitziger, aber in seinem Benehmen der artigste, höflichste, wie in seinem Anzug der eleganteste Herr; allein dies war er nur, solange er gesund war. Sobald er zu kränkeln anfing, war er ein ganz anderer Mensch geworden, und wie ich ihn kennenlernte, war er der größte Egoist, den man sich denken kann. Ungeachtet er schon tief in den Achtzigen war, wollte er doch nicht begreifen, daß man in diesem hohen Alter nicht mehr so gesund sein könne als zwanzig oder dreißig Jahre früher. Er meinte, es solle ihm gar keine Unpäßlichkeit zustoßen, und um auch die geringste von sich abzuhalten, verschloß er sich in sein Zimmer, welches er auch in den wärmsten Sommertagen nicht verließ, und um den Zudrang jedes rauhen Lüftchens abzuwehren, ließ er selten ein Fenster öffnen, selten das Zimmer reinigen, selten die Fenstervorhänge waschen, und ebenso selten war er dahin zu bringen, seine Leibwäsche zu wechseln. So benahm er sich, auch[261] wenn er sich vollkommen gesund fühlte; allein schon dieses stete Lauern auf seine Gesundheit erlaubte ihm selten, sich gesund zu fühlen, auch wurde er wirklich öfters von kleinen Unpäßlichkeiten befallen, und wenn eine solche eintrat, setzte sie ihn in eine solche Sorge für sein Leben, daß er nicht nur sich unausgesetzt an den Puls fühlte, auf jede kleine wirkliche oder eingebildete Veränderung, die er an sich wahrnahm, mit der gespanntesten Aufmerksamkeit achtgab, sondern auch die gleiche Aufmerksamkeit von mir verlangte, und damit ja nichts übersehen werde, sogar seinen Leibstuhl nie ausleeren ließ, bis ich seine Exkremente gesehen hatte, und wenn dies auch erst nach zwei Tagen geschah. So lebte er im eigentlichen Verstand in seinem Schmutz, und nur die Gewohnheit desselben konnte machen, daß er gleichwohl nie von einer bedeutenden Krankheit befallen worden. Fühlte er sich ganz wohl, so war er zwar etwas heiterer und wie zufriedener mit sich selbst auch freundlicher gegen seine Umgebungen; allein da er für nichts Sinn hatte als für sein eigenes Wohlbefinden, so nahm er auch gar keinen Anteil an den Leiden anderer, so daß, wenn jemand von seinen Umgebungen krank war, ja starb, wie seine Frau, die er in hohem Grad zu achten und zu lieben schien, und einer seiner Freunde, der über dreißig Jahre lang nicht von seiner Seite gekommen, ebenso gleichgültig war als ungebärdig und böse bei dem geringsten eigenen Übelfinden. Er war ein wahrer Quälgeist seiner Umgebungen, selbst seiner Tochter, die alle Freuden des Lebens seiner Pflege opferte. Er wollte schlechterdings nie krank werden, er wollte stets gleich gesund sein, und da er nicht einsah, daß dies unmöglich sei, betrug er sich bei der geringsten Unpäßlichkeit wie ein ungezogenes Kind, dem man sein Spielzeug nehmen will, und zwar nicht nur gegen seine Umgebungen, sondern auch, wenn die Unpäßlichkeit nicht alsbald vorüberging, gegen mich, so daß ich mich mehrere Mal genötigt sah, ihm den Kopf auf eine derbe Art zurechtzusetzen. Glücklicherweise war dieser Kranke der einzige dieser Art, der mir in meiner langen Praxis vorgekommen. Nichts hätte mir mein praktisches Leben mehr verleiden können als mehrere Kranke seinesgleichen, und man kann sich denken, wie froh ich[262] war, daß ich in der Folge nichts mehr mit ihm zu tun hatte. Freilich machten mir häufig auch Kranke anderer Art, die ungeduldigen, kleinmütigen, pretiösen, undankbaren, das Leben sauer genug; aber ich konnte es um so leichter ertragen, da weit die Mehrzahl meiner Kranken durch ihr entgegengesetztes Betragen mich reichlich dafür entschädigten, was ich besonders von dem weiblichen Geschlecht rühmen muß, das sich, wie gewiß auch andere Ärzte erfahren haben werden, überhaupt in seinen Krankheiten ruhiger, geduldiger, ja selbst verständiger benimmt als das männliche.
Daß ich in dem Verkehr mit Kranken der letztern Art für den Verdruß, den mir die zuvor genannten machten, mich hinlänglich, ja mehr als hinlänglich entschädigt fand, brauche ich nicht zu sagen. Aber nicht minder entschädigte er mich auch für den Ärger, welchen mir manchmal die von dem obersten Medizinalkollegium ausgegangenen Verfügungen verursachten, zu deren Befolgung besonders ich, als Dirigent der öffentlichen Krankenanstalten, aufgefordert wurde. Ich rechne dahin vorzüglich die Anweisungen zu Versuchen mit neu aufgekommenen Arzneimitteln, wie z.B. dem Binellischen Wundwasser, der grünen Seife usw., die neuen die Schutzpockenimpfung betreffenden Verordnungen und vor allen die Maßregeln, welche gegen die Cholera getroffen werden sollten. – Von dem Binellischen Wundwasser dachte ich wie von den meisten neu aufkommenden Arzneimitteln, zumal wenn so viel Rühmens in Journalen und Zeitungen davon gemacht wurde. Auch von diesem Wundwasser vermutete ich voraus, daß es nicht mehr wirken würde als jedes andere blutstillende Mittel, das Resultat meiner Versuche damit bestätigte meine Vermutung, und ich sah, daß ich damit nichts gewonnen, sondern bloß Zeit verloren hatte. – Von der grünen Seife hatte ich schon vorher in dem St.-Sebastian-Spital Gebrauch machen lassen, und ich hatte nicht nötig, ihre Wirksamkeit gegen die Krätze erst auf Befehl der Regierung kennenzulernen. – Den neuern Verordnungen in betreff der Schutzpockenimpfung konnte ich schon darum nicht beistimmen, weil sie etwas bewirken sollten, was sie der Natur der Sache nach nicht bewirken können, die absolute[263] Schutzkraft der Kuhpocken gegen die Menschenpocken. Freilich mußte der bayerischen Regierung, da ihr als der ersten, welche die Schutzpockenimpfung gesetzlich einführte, alles daran gelegen sein mußte, die absolute Schutzkraft der Kuhpocken durch die Tat zu beweisen, jeder Vorschlag willkommen sein, der in dieser Absicht gemacht wurde, wie z.B. der Eichhornsche, recht viele und tiefe Stiche zu machen; und so veranlaßte sie auch jeder zu einer sich auf denselben beziehenden Verordnung, die sie erließ, ohne zu bedenken, daß Maßregeln wie die, das Impfgift unmittelbar von pockenkranken Kühen zu nehmen, als ob es entschieden wäre, daß dieses wirksamer sei als das von Menschen auf Menschen fortgepflanzte, oder wie die oben erwähnte Eichhornsche, bei der Impfung nur recht viel Gift beizubringen, als ob viel auch hier mehr tue als wenig, unmöglich zum Ziele führen können. Bekanntlich gibt es in Deutschland wenig oder gar keine pockenkranke Kühe, und solange es daran fehlt, ist die Maßregel, das Impfgift unmittelbar von solchen Kühen zu nehmen, unausführbar, und wollte man, um sich pockenkranke Kühe zu verschaffen, das Gift von vakzinierten Menschen auf sie fortpflanzen, läßt sich wohl glauben, daß das Gift auf diesem Umwege an Kraft etwas gewinnen könne? Ferner kommt es bei der Impfung selbst zwar vor allem darauf an, daß das Gift, mit dem man impft, frisch ist, aber ist es denn frischer, wenn man es erst in Gläschen auffängt, als wenn man es unmittelbar von einer reifen Pocke aufnimmt und dem Impfling beibringt, solange es noch warm, lebenswarm ist? Endlich, was den unwissenschaftlichsten von allen diesen Vorschlägen, den Eichhornschen, betrifft, daß man nämlich, um der schützenden Kraft der Kuhpocken ganz gewiß zu sein, nur recht viel Gift beizubringen habe, wie konnte wohl der gelehrte Eichhorn vergessen, daß wie alle ansteckende tierische Krankheitsgifte auch das Kuhpockengift nicht quantitativ, sondern qualitativ wirkt und daß es gar nicht weder auf die Menge des beizubringenden Gifts noch auf die Zahl der Stiche, noch auf die Tiefe derselben ankommt? Schon aus Mitleiden mit den armen Kindern hätte er nicht auf einen so grausamen Vorschlag kommen sollen. Mich, der ich schon seit einigen[264] Jahren nicht mehr impfte, kümmerten zwar diese Maßregeln weniger, weil ich sie nicht zu befolgen hatte; aber ich ärgerte mich doch darüber, und um so mehr, da ich nie an eine absolute Schutzkraft der Kuhpocken gegen die Menschenpocken geglaubt hatte, schon damals nicht, als der Glaube daran allgemein war und der Medizinalrat Krauß in Ansbach in seiner bogenreichen Schrift »Die Schutzpockenimpfung in ihrer endlichen Entscheidung« den Beweis geliefert zu haben wähnte. Nach meiner Ansicht schützt keine ansteckende Krankheit vor einer andern, ja nicht einmal vor der nämlichen, als bloß auf eine längere oder kürzere Zeit. So schützt die Ruhr, der ansteckende Typhus usw. nur, solange die Epidemie dauert; kommt wieder eine neue Ruhr- oder Typhusepidemie, so können diejenigen, welche die Krankheit in der vorhergegangenen überstanden haben, ebensogut wieder von ihr befallen werden als die damals von ihr verschont Gebliebenen. Schon länger schützt das Scharlach und die Masern, und am längsten schützen nach den bisherigen Erfahrungen die Menschenpocken; allein ihre Schutzkraft ist ebensowenig eine perennierende als die der Ruhr, des Typhus, des Scharlachs und der Masern, und es ist unrichtig, wenn man sagt, der Mensch bekomme die Pocken nur einmal in seinem Leben, richtiger würde man sagen, der Mensch werde nicht alt genug, um die Pocken zum zweitenmal zu bekommen. Mit wie wenig Recht kann man daher den Kuhpocken eine absolute Schutzkraft gegen die Menschenpocken zuschreiben? Wer an dieselbe glaubt, hat auf gleiche Weise Theorie und Erfahrung gegen sich – die Theorie, weil sie sich vergebens nach Gründen umsieht, warum eine Krankheit vor der andern schütze oder gar schützen müsse – die Erfahrung, weil sie täglich Fälle genug aufstellt, wo Vakzinierte bei aller Vorsicht, mit welcher man bei ihrer Impfung verfuhr, wahre Menschenpocken bekommen haben. Freilich weichen die bei Vakzinierten vorkommenden Pocken in vielen Stücken von den gewöhnlichen Menschenpocken ab, ihr Verlauf ist anders, ihre Erscheinungen sind anders, und, was die Hauptsache ist, sie sind milder und gutartiger; aber man irrt sich, wenn man glaubt, sie seien eine andere Art von Pockenkrankheit, vor welcher die[265] Kuhpocken nicht schützen. Denn auch abgesehen, daß hier sogleich die Frage entsteht, warum die Kuhpocken nicht auch vor dieser Art von Pockenkrankheit schützen sollten, so kann die Verschiedenheit derselben von den gewöhnlichen Menschenpocken, obschon man beide durch verschiedene Namen unterschieden hat, indem man jene Varioloiden, diese Variolen nannte, doch nichts weiter beweisen, als daß die wahren Menschenpocken bei Vakzinierten gutartiger sind als bei Nichtvakzinierten, und ich denke, daß man sich mit dieser wohltätigen Wirkung der Kuhpocken gar wohl hätte begnügen können. Der Glaube an die absolute Schutzkraft derselben ist einmal ein Wahnglaube, das hat die Erfahrung zur Genüge erwiesen, und eingedenk, daß, was die Natur nicht will, die Kunst nicht erzwingen kann, hätte man ihn längst aufgeben sollen, anstatt daß man noch immer neue Verordnungen erläßt, von denen man sich einbildet, daß durch ihre Befolgung der Zweck ganz gewiß werde erreicht werden.
Aber noch mehr als die Anweisungen zu Versuchen mit neu aufgekommenen Arzneimitteln und die Verordnungen im betreff der Schutzpockenimpfung verdrossen mich die Instruktionen in betreff der Cholera, nicht nur die im Jahr 1832, sondern auch die im Jahr 1836 ausgegangene. Allerdings war die erstere, als sie erschien, viel besser, als sie in ihrem ersten Entwurf war, und ich darf mir schmeicheln, daß ich, wie ich in der Folge erzählen werde, durch mein mir von dem Präsidium der Regierung in Ansbach abgefordertes Gutachten viel zu ihrer Abänderung beigetragen habe; aber sie enthielt doch immer noch Vorschriften genug, die nicht minder unzweckmäßig und unausführbar waren als die zuerst angeordneten Grenzkordons, die Absperrung der Straßen und Häuser, die den Ärzten vorgeschriebene Kleidung usw. Zu diesen beibehaltenen Vorschriften rechne ich vorzüglich die Errichtung von Cholera-Spitälern außerhalb der Städte, wohin alle Kranke, sie mochten sein, welche sie wollten, gebracht werden sollten. Auch in Nürnberg wurde ein solches Cholera-Spital außerhalb der Stadt, in der sogenannten Johannis-Kaserne, errichtet, und zur Hinschaffung der Kranken wurde eine Art von Körben verfertigt,[266] deren Anblick für manche nicht minder furchtbar war als die Krankheit selbst. Da alle diese Anstalten auf Befehl der Regierung getroffen wurden, so fand dagegen keine Einwendung statt, der Befehl mußte, wie hoch sich auch die Einrichtungskosten des Spitals belaufen mochten, befolgt werden, und als Dirigent der Krankenanstalten wurde ich dabei besonders in Anspruch genommen. Aber über diese Anordnungen zu denken, war nicht verboten, und je mehr ich darüber dachte, desto weniger konnte ich sie gut finden. – Erstlich wurde dabei als entschieden vorausgesetzt, daß die Cholera eine fremde Krankheit sei, die aus Asien nach Europa gekommen, was ich nicht glauben konnte, weil ich in meiner Praxis Fälle genug von unserer einheimischen, unrichtig so genannten sporadischen Cholera gesehen hatte, wo die Krankheit von ebenso fürchterlichen Symptomen begleitet war und ebenso schnell tötete als die asiatische. – Zweitens wurde dabei als ebenso entschieden angenommen, die Cholera sei eine ansteckende Krankheit, deren Verbreitung ebenso sicher verhindert werden könne als die Verbreitung der Pest, was ich ebenso wenig glauben konnte, als daß sie eine fremde Krankheit sei, weil ich von allen Orten her hörte, daß sie gegen die Gewohnheit ansteckender Krankheiten nicht allmählich von einem Ort zum andern fortschreite, daß sie bald diesen, bald jenen überspringe, um einen entferntern desto ärger heimzusuchen, daß sie da, wo sie ausgebrochen, nicht so viele Menschen befälle und nicht so lange dauere als andere ansteckende Krankheiten, und weil ich, wenn von Fällen erzählt wurde, wo wirklich Ansteckung stattgehabt zu haben schien, Grund zu haben glaubte, die Ansteckung sei vielmehr psychisch als Wirkung der Furcht vor der Krankheit oder des Entsetzens über den Anblick eines Kranken als vermittelst eines übertragenen materiellen Stoffes erfolgt. – Endlich wurde bei jenen Anordnungen nicht bedacht, daß die Cholera eine viel zu schnell verlaufende Krankheit ist, als daß man Zeit hätte, die Kranken in ein weit entferntes Spital zu transportieren, daß viele unterwegs würden sterben müssen, ja daß manche schon der Abscheu vor den Cholerakörben töten könnte. Nach meiner Ansicht waren alle diese Anordnungen nicht nur überflüssig[267] und unausführbar, sondern auch nachteilig, weil sie die Furcht vor der Krankheit vermehren müssen, die Furcht aber mehr als alles andere für sie empfänglich macht. Wer sich vor einer Krankheit nicht fürchtet, wird nicht leicht von ihr ergriffen, und besonders von einer nicht ansteckenden wie die Cholera, bei welcher, dem oben Gesagten zufolge, die Ansteckung, wenn sie irgend statthat, nur auf psychischem Wege zu erfolgen scheint. Daher bin ich fest überzeugt, daß, wenn nicht zu ihrer Abhaltung, doch zur Verhinderung ihrer Verbreitung in den Orten, wo sie ausgebrochen, die wirksamsten Mittel solche sind, welche die Furcht vor ihr vermindern. Um einen Feind weniger zu fürchten, muß man ihn nicht von fern, wo er immer furchtbarer scheint, als er ist, sondern in der Nähe sehen. Man muß, wenn er sich zu nähern droht, ihn nicht durch Grenzkordons, durch Absperrungen oder andere dergleichen unmächtige Vorkehrungen abzuhalten und, wenn er wirklich da ist, sich nicht vor ihm zu verbergen suchen, sondern ihm mutig ins Angesicht sehen, und was insbesondere die Ärzte betrifft, so sind sie es, die hier vorzüglich mit einem guten Beispiel vorangehen müssen. Der Mut, den sie zeigen, wird auch andere mutig machen; auch dürfen sie den Mut nicht sinken lassen, wenn sie sehen, daß die Krankheit ihrer Kunst spottet. Schon Sydenham hat gesagt, daß ihm bei ungewöhnlichen Epidemien im Anfang die meisten Kranken sterben und daß er erst, wenn er den Genius der Krankheit genauer studiert und erkannt habe, in ihrer Behandlung glücklicher sei. Dies gilt auch vorzüglich von der Cholera. Auch hier kommt es vor allem darauf an, den Genius der Krankheit zu studieren und zu erkennen, und es ist kein Zweifel, daß die Cholera-Ärzte allerorten dieses Studium nicht versäumt haben. Aber anstatt sich nach spezifischen Mitteln gegen die Krankheit umzusehen, die es nicht gibt und nicht geben kann, hätten sie dieselbe vielmehr nach allgemeinen therapeutischen Prinzipien behandeln sollen, was leider die wenigsten getan zu haben scheinen, ohne Zweifel in der Meinung, daß eine so ungewöhnliche Krankheit auch eine ungewöhnliche Behandlungsart erfordere. Allein dem ist nicht also. Wie jede andere Krankheit muß auch die Cholera nach allgemeinen therapeutischen[268] Prinzipien behandelt werden, und daß die rechte Methode noch nicht gefunden ist, beweist nicht, daß es keine solche gibt, es beweist vielmehr, wie sehr es überhaupt noch an einer wissenschaftlichen Therapie fehlt. Daher werden vorderhand zweckmäßig getroffene polizeiliche Vorkehrungen immer die Hauptsache bleiben, und wenn sie so sind, wie sie neuerlich in München getroffen worden, so leisten sie gewiß alles, was man erwarten kann. Unleugbar haben sie viel dazu beigetragen, daß sich die Krankheit nicht allgemeiner verbreitet und länger geherrscht hat. Aber das meiste hat gewiß die Furchtlosigkeit des Königs, da er München auch zur Zeit der größten Gefahr nicht verließ, und der Mut des Fürsten von Wallerstein getan, der beinahe täglich die Cholera-Spitäler persönlich besuchte, und während er die Kranken tröstete, den Gesunden in seinem Beispiel den Beweis lieferte, daß Mut das kräftigste Vorbeugungsmittel gegen die Cholera sei.
Aber genug nun von medizinischen Dingen; jetzt auch wieder etwas von meinem geselligen Leben. – Größere Gesellschaften besuchte ich in den spätern Jahren meines Aufenthalts in Nürnberg viel seltener als zu Anfange, auch hatte ich weniger Anlaß dazu, da sie selbst seltener wurden. Die belebtesten und interessantesten derselben waren die, welche der verstorbene Generallieutenant Graf von Eckart gab. Er war der einzige, welcher in Nürnberg ein sogenanntes Haus machte, und wie er selbst einer der höflichsten, gefälligsten und unterhaltendsten Männer und seine Gemahlin eine gleich gefällige und unterhaltende Dame war, so waren auch die Gesellschaften in seinem Hause für jeden, der dazu geladen war, gleich angenehm. Er wußte jedem die ihm angemessene Unterhaltung zu verschaffen; wer spielen wollte, fand seinen Spieltisch, wer sich mündlich unterhalten wollte, fand seinen Mann, wer ein Liebhaber der Musik war, konnte Klavierspielen und Singen hören, ja es fehlte auch nicht an einem Liebhabertheater für die jüngere Welt. – Nicht minder angenehm als die Gesellschaften waren auch die Diners, die er gab. Sie waren alle ebenso geschmackvoll angeordnet, als reich die Tafeln an den ausgesuchtesten Speisen und köstlichsten Weinen. Die Tischgesellschaft[269] war gewöhnlich zahlreich, und die dadurch bewirkte Manchfaltigkeit der Unterhaltung machte, daß jeder Gast sich heiter und vergnügt fühlte. Die Unterhaltung bezog sich auf alle mögliche Gegenstände, und, wie leicht zu erachten, kamen manchmal auch solche vor, die tüchtig zu lachen machten. So erinnere ich mich z.B. eines solchen Gastmahls, dem ein gewisser Kavallerieoberst, ein Herr von B., beiwohnte. Es war die Rede von der damals viel besprochenen Behauptung, daß der Kopf auch nach seiner Trennung von dem Rumpfe noch Bewußtsein habe. Der größte Teil der Gesellschaft widersprach dieser Behauptung, der Oberst nahm die entgegengesetzte Partie, es kam zum Streit, und nachdem lange hin und her geredet worden, sagte endlich der General, auf mich hinweisend: »Da sitzt ja ein Arzt, der wird es uns am besten sagen können, was an der Sache ist.« Ich hatte bis dahin bloß zugehört, und es machte mir Vergnügen, einen Mann, der von dergleichen Dingen gar nichts verstehen könne, doch als so gescheiter Mann, wie er war, so entscheidend darüber sprechen zu hören. Allein da ich zum zweitenmal aufgefordert wurde, meine Meinung abzugeben, so sagte ich, daß ich diese nicht klarer aussprechen zu können glaube, als wenn ich eine Geschichte erzähle, die ganz deutlich zeigen werde, was an der Sache sei. Ich erzählte also, es sei einmal ein Scharfrichter gewesen, der so fertig in seiner Kunst war, daß, wenn er einen köpfte, der Kopf so geschwind und geschickt abgehauen ward, daß der Geköpfte glaubte, der Kopf sitze noch so fest als vorher. Ein solches Meisterstück der Scharfrichterkunst sei ihm nun besonders bei einem kurzhalsigen Delinquenten gelungen, dieser habe gar nichts von der vollbrachten Operation gemerkt, sondern er sei, dieselbe jeden Augenblick erwartend, sitzen geblieben, wie ihm aber die Zeit endlich zu lange geworden, habe er den Scharfrichter mit den Worten angefahren: »Nun, Herr Scharfrichter, wird's bald?« – »Schon geschehen«, habe ihm der Scharfrichter geantwortet, »schüttle Er nur!«; er schüttelte, und der Kopf fiel zu Boden. »Nun, meine Herren«, fragte ich, nachdem ich meine Erzählung geendigt hatte, »kann wohl etwas klarer beweisen, daß ein vom Rumpf getrennter Kopf noch Bewußtsein[270] habe, als diese Geschichte?« Die ganze Gesellschaft lachte, nur der Oberst blieb ernsthaft. Er schien die Geschichte für keine Fabel zu halten, und die Mystifikation gelang vollkommen. Ob er in der Folge bei seinem Glauben geblieben ist, ist mir nicht bekannt, aber sooft ich ihn auch nachderhand wiedersah, ließ er mich nie merken, daß er den Spaß übelgenommen. Solcherlei Späße kamen bei diesen Diners öfter vor, und wie es überhaupt meine Art war, das Lächerliche auch an bedeutenden Personen aufzusuchen, so tat ich es besonders gern in solchen größern Gesellschaften, nicht in der Absicht, einem von der Gesellschaft wehe zu tun, sondern weil ich sah, daß es der Gesellschaft Vergnügen machte, denn auch diejenigen, denen es galt, lachten gewöhnlich mit und nahmen mir den Spaß um so weniger übel, da ich ihnen Gelegenheit genug gab, das Wiedervergeltungsrecht an mir auszuüben. Jeder Mensch, so vorzüglich er auch an Geist und Herz sein mag, hat seine lächerliche Seite, es kommt nur darauf an, daß man sie aufsucht, und wenn man keinen Mißbrauch von der Entdeckung macht, und ein guter Mensch tut das nie, so ist eine nicht beleidigende und nicht zur Unzeit angebrachte Persiflage oder Mystifikation nicht an der unrechten Stelle. Mir war besonders bei ausgezeichneten und auch von mir selbst hochgeschätzten Menschen das Auffinden ihrer lächerlichen Seite von jeher eine angenehme Beschäftigung. Der hochgeachtete Mann ward mir dadurch auch lieb, weil ich mich ihm gleicher fühlte und mich weniger beschämt ihm gegenüberstellen konnte. So imponierten mir auch die hochgepriesensten Menschen weniger als anderen, ich huldigte ihnen nicht wie Göttern, dagegen aber gewann die gemeine Menschheit mehr Wert in meinen Augen, und ich lernte sie um so höher schätzen, je öfter ich sah, daß der Nimbus, der sich um die Hochgepriesenen in der Ferne verbreitete, bei näherer Beschauung nichts mehr als der Schein eines Stümpchens Unschlitt war. So lebte z.B. in Nürnberg noch kurz vor meiner Ankunft ein gewisser Staatsrat, ein Mann, gleich hochgepriesen wegen seines Verstandes als seiner juristischen Gelehrsamkeit. Dieser hochgelehrte Jurist konnte nicht überzeugt werden, daß das deutsche Reich nicht mehr existiere. Die Errichtung[271] des Rheinbundes, die seine Auflösung zur Folge hatte, galt ihm für eine Fabel, und er ging aus der Welt in der beruhigenden Überzeugung, daß ein Reich, welches auch ihm ein heiliges war, nie untergehen könne. Dieser Staatsrat erinnerte mich an einen Kaufmann in Ludwigsburg, welchen man allgemein für einen gescheiten Mann hielt, welcher aber ebensowenig als jener Staatsrat an den Untergang des deutschen Reichs an den Dreißigjährigen Krieg glaubte. »Was?« sagte er, als einmal in einer Gesellschaft von diesem Krieg die Rede war, »ein Krieg von dreißig Jahren! In einem so langen Krieg müßte ja zuletzt kein Soldat mehr aufzutreiben gewesen sein, man hätte denn die Weiber zu Soldaten anwerben müssen, was ein barer Unsinn gewesen wäre.« – Solche Lächerlichkeiten sehen wir täglich nicht nur in betreff des Urteilens, sondern auch in betreff des Handelns. So war ich z.B. der Arzt eines vornehmen, sehr reichen Mannes, der im Großen nichts weniger als geizig, im Kleinen aber ein solcher Knicker war, wie man nicht leicht einen findet. In den Gesellschaften und an den Tafeln, die er gab, war, wie in den Gesellschaften und an den Tafeln unseres edeln Generals von Eckart, alles im Überfluß, es war an gar nichts gespart, es ging alles auf das splendideste zu; allein ebensoweit ging auch in Kleinigkeiten seine Knickerei, wovon ich nur ein einziges Beispiel anführen will. Er befand sich nicht wohl, ich wollte ihm eine Arzenei verschreiben und verlangte ein Blatt Papier zum Rezept. Er reichte mir eins, zwar groß genug für ein Rezept, denn meine Rezepte waren nicht lang, aber auf der einen Seite des Blattes war schon etwas geschrieben, es standen darauf die Anfangsworte eines Briefchens an einen Freund, die Worte: Guten Morgen. Ich bemerkte dies, und nachdem ich das Rezept auf die leere Seite geschrieben hatte und es ihm hinreichte, bemerkte er es ebenfalls. Er bat mich, das Rezept auf ein anderes Blatt zu schreiben, und suchte nach einem solchen. »Nicht doch«, sagte ich, »Sie sehen, daß auf dem Papier Raum genug für ein Rezept ist, man muß das Papier, dessen man in unserer schreibseligen Zeit ohnehin so viel unnützerweise verbraucht, sparen, und damit diese patriotische Probe von Papierersparnis auch dem Apotheker zum[272] Muster dient, will ich bei meinem nächsten Rezept selbst auf die eine Seite statt guten Morgen, guten Abend schreiben.« Er lachte zwar über diese Beschämung, aber es ärgerte ihn doch, daß ich darauf beharrte, das Rezept müsse in die Apotheke geschickt werden, und die Folge war, daß mir von jetzt an immer ein ganzer Bogen vorgelegt wurde, von dem ich dann mit der beigelegten Schere abschnitt, soviel ich brauchte.
Solche Gelegenheiten zur Bereicherung meiner Menschenkenntnis bot mir mein praktisches Leben täglich dar; aber von allen war mir keine interessanter als die Erscheinung des berüchtigten Kaspar Hauser in Nürnberg, dessen Geschichte noch jetzt ein Rätsel ist und allem Vermuten nach bleiben wird. Der Mensch war ungefähr funfzehn Jahre alt, als er nach Nürnberg kam. Er wußte nicht, wie und durch wen er nach Nürnberg gebracht worden. Man fand ihn eines Morgens vor einem Hause einsam auf einem Steine sitzend, und er hatte nichts bei sich als einen Brief an einen Rittmeister von dem in Nürnberg garnisonierenden Kavallerieregiment, von unbekannter Hand und ohne Namensunterschrift. Der Rittmeister, ebenso unbekannt mit diesem Menschen als jeder andere und sich vergebens hin und her besinnend, wer wohl der Verfasser des Briefes, der ihn in seinen Schutz empfahl, sein könne, zeigte sogleich den Vorfall der Polizei an. Der alsbald herbeigekommene Polizeisoldat nahm ihn in Empfang und brachte ihn in das Findelhaus, wo er verpflegt und so lange aufgehoben werden sollte, bis eine nähere Untersuchung ergeben würde, was weiter mit ihm zu tun sei. Das Resultat dieser Untersuchung war, daß er nichts weiter von sich wisse, als daß er Kaspar Hauser heiße und von seiner frühen Kindheit an eingesperrt gewesen, wo aber, wisse er ebensowenig, als wie und durch wen er aus seiner Gefangenschaft erlöst worden. Daß er eingesperrt und sehr lange eingesperrt gewesen, war nicht zu bezweifeln, seine Unwissenheit, sein Unvermögen, sich auszudrücken, seine kindische Art zu sprechen, die Empfindlichkeit seiner Augen gegen das Licht und überhaupt die Empfindlichkeit seines ganzen Körpers gegen äußere Eindrücke, vorzüglich aber die weiche Haut seiner Fußsohlen verrieten es aufs deutlichste. Aber[273] diese lange Einsperrung schien noch eine andere, ungleich merkwürdigere Wirkung auf ihn gehabt zu haben, eine ungewöhnliche Erhöhung seiner geistigen Kräfte, besonders seines Auffassungs- und Erinnerungsvermögens. Was er sah und hörte, faßte er ebenso tief und schnell auf, das Aufgefaßte haftete so fest in seiner Erinnerung, daß er jeden, den er gesehen hatte, und man kann sich denken, welche Menge neugieriger Personen er zu sehen bekam, sogleich wiedererkannte und, wenn er ihre Namen gehört hatte, sich derselben ebenso schnell und lebhaft wiedererinnerte als dessen, was sie mit ihm gesprochen hatten, kurz, dieser Findling verriet ein ebenso seltenes Genie, als sein Schicksal selten war, welches ihn zuletzt nach Nürnberg führte. Ganz natürlich wurde er daher nicht als ein gemeiner Findling betrachtet. Man glaubte, diese seltenen Geistesgaben verdienten auch eine ihrem Grade gemäße Entwickelung, und man sah sich, diese zu bewerkstelligen, um so mehr veranlaßt, da man sich einbildete, ein so wohlgestalteter, mit Geistesfähigkeiten so reich ausgestatteter und die Spuren einer als Kind genossenen bessern Erziehung so deutlich verratender Jüngling könne nicht von gemeinem Stand, er müsse entweder der Sohn eines hohen katholischen Geistlichen oder gar der Sohn eines Fürsten oder Fürstin sein, den man wie einst den Mann mit der eisernen Maske aus dem Weg geschafft und, weil man ihn nicht geradezu umbringen wollte, eingesperrt habe. Natürlicherweise hatte man nichts Angelegeneres, als diese Vermutung zur Gewißheit zu bringen. Die Erscheinung des Unglücklichen in Nürnberg wurde so sentimentalisch als möglich durch die öffentlichen Zeitungen bekanntgemacht. Das Ausland wie das Inland wurde zur Teilnahme aufgefordert. Man stellte Nachforschungen aller Art an, jeder leisen Spur, die sich zeigte, ging man nach. Aber alles war, wie leicht zu erwarten, vergebens. Wenn man Vögel fangen will, muß man nicht mit Prügeln dreinwerfen, sagt das Sprichwort, und dieses Sprichwort bewährte sich auch hier. Alle Nachforschungen waren fruchtlos. Nicht einmal der Ort, wo der Unglückliche eingesperrt war, wurde entdeckt, noch viel weniger kam man den Bösewichtern, die ihn einsperren ließen, noch ihrem Helfershelfer,[274] der den Eingesperrten verpflegte, auf die Spur. Gleichwohl gab man jene Vermutungen nicht auf, die Fruchtlosigkeit der angestellten Nachforschungen schien sie vielmehr glaubwürdiger zu machen, und was vorauszusehen war, geschah. Der Findling wurde zu einem Kind der Stadt gemacht, auf Kosten der Stadt erzogen, aber nicht in dem Findelhaus, wohin er gehörte, sondern in einem Privathaus unter der Aufsicht eines Professors, wo er sofort alles lernen sollte, was zu einer höhern Erziehung gehört, selbst das Reiten und Tanzen nicht ausgenommen. Außer der Vermutung über seine Abstammung von einem Vornehmen, selbst einem Fürstenhaus, auf deren eines man im stillen sich wirklich zu deuten erlaubte, glaubte man sich auch und noch mehr zur Befolgung dieser Maßregel von den außerordentlichen Geistesfähigkeiten dieses Adoptivsohns der Stadt aufgefordert, und wirklich schien auch der gute Erfolg der Erwartung vollkommen zu entsprechen. Allein das war nur im Anfang so, weiterhin war der Erfolg nicht mehr so erfreulich. Die Geistesfähigkeiten zeigten sich nicht so groß, wie sie anfangs schienen; es verhielt sich damit, wie ich schon, da ich den Wunderjungen zum erstenmal sah, voraussagte, wie in typhösen Fiebern, wo die Kranken im Delirium oft auch ungewöhnliche Geisteskräfte zeigen und manche sogar lateinisch sprechen, sobald sie aber wieder gesund geworden, diese erhöheten Geisteskräfte wieder auf ihr gewöhnliches Maß heruntergesetzt sind. Man sollte, sagte ich, den Wunderjüngling erst außer Wasser und Brot, was zuvor seine einzige Nahrung war, auch etwas anderes essen und trinken lehren, man sollte sein durch die lange Finsternis, in der er lebte, übermäßig empfindlich gewordenes Auge allmählich an das Licht, sein übermäßig empfindlich gewordenes Ohr, das so lange nichts hörte als die leise Stimme seines Verpflegers, an manchfaltigere und lautere Töne gewöhnen, man sollte seine durch die lange Gefangenschaft geschwächten körperlichen Kräfte durch allmähliche Gewöhnung an eine manchfaltigere und reichlichere Nahrung und an eine dem Maß derselben angemessene Bewegung etc. zu stärken suchen, und man würde bald sehen, was von seinen so hoch angeschlagenen Geisteskräften übrigbleibe. Sollte[275] auch, fuhr ich fort, der junge Mensch wirklich der Sprößling eines hohen Hauses und selbst eines Fürstenhauses sein, so sei er doch vorderhand nichts mehr und nichts weniger als ein Findling, der in das Findelhaus gehöre, und es würde am besten für ihn gesorgt werden, wenn man ihn, nach erhaltenem gewöhnlichen Unterricht, ein Handwerk lernen ließe und einem braven und tüchtigen Meister in die Lehre gäbe. So würde man ihn nicht nur vor den durch die wiederholten lauten Nachforschungen wegen seines Herkommens herausgeforderten und mit Recht zu befürchtenden Gegenvorkehrungen seiner Unterdrücker sicherstellen, sondern er selbst würde auch als ein tüchtiger Handwerker ein glücklicherer Mensch werden, als er als ein vermeinter Prinz oder als eines andern vornehmen Mannes Sohn werden könne, solange er nicht dafür anerkannt sei – eine Anerkennung, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie zu hoffen stehe, und gesetzt auch, die Anerkennung erfolge seinerzeit, so würde es eben kein Unglück für den Fürstensohn sein, ein Handwerk erlernt zu haben, auch wenn ihn das Schicksal zum Erben eines Thrones bestimmt hätte. Dieses und noch manches andere sagte ich bald da und bald dort, aber es fand nirgends Beherzigung. Der Findling wurde wie ein junger Mensch von Stand erzogen; er bekam Unterricht in Sprachen und in wissenschaftlichen Gegenständen; er lernte Zeichnen, Malen, Tanzen, Reiten und andere Künste. Aber in nichts zeichnete er sich besonders aus, er blieb ein ganz gewöhnlicher Mensch, und wohl ihm, wenn er nichts weiter als das geblieben wäre! Allein er ward auch ein verdorbener Mensch, und er ward es durch seine unzweckmäßige fehlerhafte Erziehung. Er ward eingebildet, weil er sich als ein Wunderwesen angestaunt sah; stolz, weil man ihm zu verstehen gab, er könne der Sprößling einer vornehmen Familie oder gar ein Fürstenkind sein; eitel, weil er sich von den Damen, die den lieben Jungen in ihre Gesellschaften einluden, ihm allerlei Geschenke machten, Ringe an die Finger steckten und was dergleichen Auszeichnungen mehr waren, geschmeichelt sah; anmaßend, weil er sich gewöhnte, mehr aus sich zu machen, als an ihm war; lügenhaft, weil er, um sich noch geltender zu machen, sich mit Eigenschaften und[276] Vorzügen brüstete, von denen er gar wohl wußte, daß sie ihm fehlten – kurz, er wurde im eigentlichen Verstand ein verdorbener Mensch. Wie wenig der ihm erteilte Unterricht bei ihm gefruchtet, sah man bald ein; aber an seine sittliche Verdorbenheit wollten nur wenige glauben, und es ist auffallend, daß nicht nur Lord Stanhope, dessen Schützling er vorzüglich war und der ihn bald genug hätte durchschauen können, sondern auch ein Mann wie Feuerbach, der sonst die Menschen so gut zu beurteilen wußte, so blind für ihn eingenommen sein konnten. Indessen wie alles in der Welt seinen Reiz endlich verliert, so war dies auch mit Kaspar Hauser der Fall. Er hörte nach und nach auf, das Tagesgespräch zu sein, man fing an, weniger aus ihm zu machen, man nahm immer weniger Notiz von ihm, und bald schien es, daß man ihn gar vergessen wolle. Dies fühlte er selbst sehr gut, schon als er noch in Nürnberg in dem Hause und unter der Aufsicht des Professors Daumer war und wo seinem Vorgeben nach das erste Attentat auf sein Leben versucht ward – ich sage, seinem Vorgeben nach, denn was man auch auf den Grund seiner Aussagen und des ärztlichen Parere für seine Unschuld gesagt hat, ich konnte mich von der Wahrheit seiner Aussagen nicht überzeugen. Ich glaubte, daß er sich selbst verwundet und es getan habe, um die Aufmerksamkeit des Publikums, die sich immer mehr zu verlieren schien, aufs neue auf sich zu ziehen, und was mir außer der Verwundung selbst, die an dem Ort, wo sie geschah, als eine Verwundung von fremder Hand nicht wohl zu begreifen ist, für die Richtigkeit meiner Meinung vorzüglich zu sprechen schien, war, weil es mir unglaublich vorkam, daß der gedungene Mörder, statt ihm den beabsichtigten tödlichen Streich zu versetzen, sich mit einer bloßen Verwundung begnügt habe. Ebendieser Meinung war ich auch in betreff des zweiten Attentats auf sein Leben in Ansbach, wo er in einer Kanzlei als Schreiber arbeitete. Hier sah er sich auf dem Wege, bald ganz vergessen zu werden, und nichts ist natürlicher, als daß der eitle, verwöhnte, ja verhätschelte Mensch das zu erlöschen drohende Andenken an sich durch ein zweites vorgebliches Attentat auf sein Leben wieder aufzufrischen suchte. Er entschloß sich also zu einer zweiten Selbstverwundung,[277] in der Hoffnung, er werde seine Absicht auch jetzt wieder ebenso glücklich erreichen als das erstemal in Nürnberg. Aber diesmal kam er nicht so leicht weg als damals. Er stach fehl, das Instrument drang tiefer ein, als er gewollt hatte, die Wunde war tödlich, und er starb als ein Selbstmörder, nicht als ein Verwundeter von fremder Hand. So dachte ich, und ich weiß, daß viele ebenso dachten. Aber ich bin weit entfernt, ihn einen Betrüger zu nennen, wie einige getan haben, die ihn schon bei seiner Ankunft in Nürnberg als einen solchen in Verdacht genommen hatten, indem sie seine Aussage, mehrere Jahre eingesperrt gewesen zu sein, für eine Lüge, sein ganzes Benehmen in Nürnberg für eine einstudierte Rolle, kurz, ihn für einen abgefeimten Betrüger hielten. Ich halte ihn vielmehr für einen Betrogenen, betrogen von der hohen Meinung von sich, die ihm seine selbst nicht minder verblendeten Gönner und Beschützer und, ich möchte wohl noch hinzusetzen, seine Liebhaber und Liebhaberinnen beibrachten. Diese hohe Meinung von sich machte ihn zu einem eiteln, stolzen, anmaßenden Menschen, und wenn er endlich zum Selbstmörder wurde, so war es seine gekränkte Eitelkeit, sein unbefriedigter Stolz, seine getäuschten Hoffnungen und Erwartungen, die ihn dahin führten. Sein Selbstmord gereicht daher ihm weniger zum Vorwurf als denjenigen, die ihn so eitel, stolz und anmaßend machten. Zu diesen gehört vorzüglich Lord Stanhope, und es tut mir leid, ihm auch den trefflichen Feuerbach an die Seite stellen zu müssen, obschon der erstere mehr schuld an seinem Verderben war als der letztere. Jener war es vorzüglich, der ihn so eitel, stolz und anmaßend machte, und es wäre weit besser gewesen, wenn er das seinem Schützling zugefügte Übel im stillen bereut hätte, als daß er ihn in der Folge öffentlich für einen Betrüger ausgab. Feuerbach war bloß verblendet, indem er in einem ganz gemeinen Menschen etwas Außerordentliches zu sehen glaubte, an dem doch gar nichts war, als was man ihm andichtete oder er sich selbst anlog.
Fremde Personen von Bedeutung lernte ich in Nürnberg wenige kennen. Es kamen zwar täglich viele; teils durchreisende, teils länger in der Stadt verweilende Fremde an; aber ich nahm[278] nur von solchen Notiz, die mich besonders interessierten, teils als Männer vom Fach, teils als Gelehrte von Ruf, deren persönliche Bekanntschaft ich zu machen wünschte. Von den ersten nenne ich vorzüglich den preußischen Geheimenrat von Wendt aus Breslau, von den letztern der großherzoglichen Kanzler von Müller aus Weimar.
Den Geheimenrat von Wendt hatte ich längst als ausgezeichneten Schriftsteller geschätzt, und als praktischer Arzt war er mir schon einige Jahre vor seiner Ankunft in Nürnberg von einem seiner Landsleute, dessen Hausarzt er ist, so sehr zu seinem Vorteil geschildert worden, daß ich über den Besuch, mit dem er mich beehrte, hoch erfreut war. Er hielt sich nur ein paar Tage in Nürnberg auf, aber die wenigen Stunden, die ich in seiner Gesellschaft zubrachte, zähle ich zu meinen angenehmsten in Nürnberg, nicht allein weil ich an ihm einen vorzüglichen Arzt, sondern auch einen ebenso heitern und jovialischen als geistreichen und gelehrten Mann kennenlernte.
Der Kanzler von Müller war mir schon, ehe ich seine persönliche Bekanntschaft machte, von der Geheimerätin von Wolzogen, meiner schon genannten hochverehrten Freundin, als einer der würdigsten Männer in Weimar geschildert worden, und man kann sich denken, wie erfreut ich über seinen Besuch war. Wegen seiner genauen Bekanntschaft mit Goethe und Schiller und wegen der Achtung, in welcher er bei beiden stand, war mir seine Bekanntschaft doppelt erfreulich. Von beiden großen Männern erfuhr ich durch ihn vieles, was ich zuvor nicht wußte; dagegen konnte ich ihm auch manches von Schiller, besonders aus seiner Jugendzeit, sagen, was er nicht wußte und was ihm viel Freude machte. Ich besitze ein Andenken von ihm, welches mir sehr wert ist, ein Exemplar der von dem Großherzog von Weimar veranstalteten Prachtausgabe von Goethes »Iphigenie«, für welches ich ihm um so größern Dank schuldig bin, da er es nur mit Mühe auftreiben konnte und demselben ein wahrhaft herzlicher Brief beigelegt war.
Von den Fremden, welche ich zuvor schon persönlich kannte, nenne ich zuerst den berühmten Jean Paul, den Legationsrat Friederich Richter, in Bayreuth. Hier lernte ich ihn zuerst kennen,[279] und zwar in dem Hause des damaligen Regierungspräsidenten Baron von Welden, bei welchem ich mit ihm zu Mittag speiste. Weil ich mehrere Tage in Bayreuth verweilte, sah ich ihn öfter, sowohl in seinem Hause als in Gesellschaft, besonders in der dortigen »Harmonie«, welche er alle Abende besuchte. Noch näher aber wurde ich mit ihm in Nürnberg bekannt, wo er sich einen vollen Monat aufgehalten hatte. Er hatte eine Privatwohnung gemietet, und es verging selten ein Tag, an dem ich ihn nicht besuchte. Ich traf ihn gewöhnlich an seinem Arbeitstisch, teils lesend, teils schreibend, und bald wurde ich auch mit der Art bekannt, wie er arbeitete. Er las sehr viel, selbst in der »Harmonie«, und nicht bloß Zeitungen und Journale, sondern auch Bücher, die er mitgebracht hatte. Er hatte immer eine Schreibtafel bei der Hand, um auf der Stelle nicht nur alles, was ihm beim Lesen interessant vorkam, sondern auch seine eigenen Gedanken dabei, seine originellen Ansichten, seine geistreichen Einfälle, seine überraschenden Witze, niederzuschreiben. Diese Früchte seiner Lektüre und seiner Studien trug er dann unter den gehörigen Rubriken in ein dickes Schreibbuch in Quartformat ein, und wenn er über einen Gegenstand schreiben wollte, so lieferten ihm diese Schreibbücher die Materialien, die er nur zusammenzustellen brauchte, um ein Buch daraus zu machen. So entstanden wenigstens die meisten seiner Werke. Aber unverkennbar verrät sich auch in ihnen diese Art zu schreiben in der sonderbaren, oft gezwungenen Zusammenstellung seiner Ideen und in ihrem häufigen unklaren Zusammenhang; auch ist sie ohne Zweifel die Ursache des Mangels an Geschmack, den man ihm nicht mit Unrecht vorwirft. Indessen gehört er ohne Widerrede zu den geistreichsten und originellsten unserer Schriftsteller und, was seinen Charakter betrifft, zu den gutmütigsten und liebenswürdigsten Menschen. Ich besitze noch mehrere Briefe von ihm, die davon Zeugnis geben. Wegen der Augenschwäche, an welcher er litt, sind sie alle auf grünes Papier geschrieben.
Ein anderer Fremder, welchen ich zuvor schon persönlich kannte und dessen ich hier mit Vergnügen erwähne, ist der schon früher von mir genannte D. Schlotmann aus Römhild.[280] Er besuchte mich zweimal in Nürnberg. Das erstemal kam er aus Wien, wohin ihn der damalige Kongreß gezogen hatte, und wie sehr er wie überall auch dort seine Neugierde befriedigt und wie scharf er alles, was auf dem Kongreß vorging, teils selbst beobachtet, teils auszukundschaften gewußt hat, beweist, daß er mir Resultate der Verhandlungen erzählte, die damals noch Geheimnisse waren, bei ihrer öffentlichen Bekanntwerdung aber sich vollkommen bewährten. – Das zweitemal war er im Begriff, nach Holland zu reisen, und machte mir bloß einen vorübergehenden Besuch; auch sagte er mir nicht, was der Zweck seiner Reise sei. Allein teils eben die Eile, mit welcher er die Reise fortsetzte, teils weil er diesmal zu Wagen, nicht wie sonst zu Fuß reiste, teils einige leise Winke, die er fallen ließ, ließen mich glauben, daß der Zweck derselben ein politischer sei. Seit dieser Zeit sah ich ihn nicht wieder; ich hörte bloß später, daß er nach Frankfurt gezogen, dort einen in Römhild nicht gewohnten Aufwand gemacht und vermutlich als Agent einer nordischen Macht eine nicht unbedeutende politische Rolle bis zu seinem daselbst erfolgten Tode gespielt habe. Er war ein trefflicher Kopf, reich an Kenntnissen aller Art, besonders aber an politischen; auch war er, wie einige kleine in Journale eingerückten Aufsätze von seiner Hand beweisen, ein guter Schriftsteller, und es ist schade, daß das von ihm angekündigte, vielversprechende Panorama der Politik nicht im Druck erschienen ist, vielleicht eben deswegen, weil er selbst eine politische Rolle übernommen hatte.
Ich habe schon gesagt, daß ich in den letzten Jahren meines Aufenthalts in Nürnberg größere Privatgesellschaften seltener besuchte als in den frühern, noch seltener aber besuchte ich öffentliche Gesellschaften und zuletzt gar keine mehr, nicht einmal die vorzüglichste von allen, das Museum. Ebenso nahm ich auch sehr selten an großen Gastmahlen teil, nicht allein, weil ich solche überhaupt nicht liebe, sondern auch, weil mir die Gäste zu gemischt und die Art, wie es gewöhnlich dabei zugeht, und besonders das dabei übliche Singen und Ausbringen von Toasten zuwider waren. – Dagegen machte ich, sooft ich Zeit hatte, Spaziergänge auf das Land, und wie damals in Ludwigsburg,[281] Würzburg und Ansbach suchte ich mir auch in Nürnberg in der Umgegend ein Plätzchen aus, wohin ich dieselben richtete. Diese Spaziergänge waren ein wahres Bedürfnis für mich, und ich war schon mehrere Wochen in Nürnberg, ehe ich eines fand. Es waren mir zwar mehrere empfohlen worden, welche ich in Begleitung des D. Schadelock besuchte, allein es wollte mir keines recht gefallen. Endlich führte mich derselbe auch nach Hummelstein. Ich fand hier nichts als ein einsames Wirtshaus; aber die nur eine halbe Stunde von der Stadt entfernte Lage desselben, der schöne Weg dahin und die Annehmlichkeit des Platzes selbst bestimmten mich sogleich zu seiner Wahl. Von allen solchen Plätzen in der Umgegend war dieser am wenigsten besucht; bloß Fuhrleute und aus der Stadt nur gemeine Leute, und auch diese nur zuweilen, kehrten in dem Wirtshause ein. Allein um so öfter begab ich mich dahin, anfangs ganz allein oder bloß begleitet von meiner Familie, bald aber lockten mein Beispiel und meine Lobpreisungen des Platzes auch andere dahin, die Gesellschaft, die man dort traf, wurde immer zahlreicher, und nicht lange, so wurde der Platz der besuchteste in der Umgegend und um so angenehmer, da das gemeine Volk von einem Ort, wo sich die ersten Personen von dem Militär- und Zivilstand versammelten, von selbst wegblieb. So blieb es mehrere Jahre. Erst nachdem sich die öffentlichen Gesellschaftsplätze in und außerhalb der Stadt vermehrten, teilte sich die Gesellschaft, und der Besuch des Hummelsteins nahm, ungeachtet der Verschönerung des Platzes durch eine kleine englische Anlage und vielleicht eben wegen dieser Verschönerung, wie dies oft der Fall ist, dergestalt ab, daß man nur noch am Sonntag früh oder an einem oder zwei Wochentagen Gesellschaft daselbst antraf. Auch ich besuchte seit dem Tod meiner Frau den Ort seltener, es war ihr Lieblingsplatz, und es ist natürlich, daß ich mich scheute, einen Ort oft zu besuchen, wo ich die Unvergeßliche nicht mehr an meiner Seite sah. Überhaupt machte ich in der letztern Zeit selten mehr einen Spaziergang auf das Land, und wenn ich mich in Gesellschaft erheitern wollte, begab ich mich auf den sogenannten Schloßzwinger, wohin mich schon die schöne Aussicht[282] in die weite reiche Umgegend einlud, welcher nur die Aussicht von der im Dreißigjährigen Krieg so berühmt gewordenen alten Veste bei Zirndorf zu vergleichen ist.
Unter diesen Verhältnissen befand ich mich ganz wohl und zufrieden in Nürnberg, und obschon mein Leben hier viel einförmiger war als in Ludwigsburg und Würzburg, so wandelte mich doch selten die Lust an, Nürnberg mit einem andern Ort zu vertauschen, nicht allein weil ich stets auf die Realisierung meiner Pläne wegen der Krankenanstalten hoffte, sondern auch weil Nürnberg unstreitig diejenige Stadt in Bayern ist, wo man am ungeniertesten leben kann. Schon die Stadt selbst, so alt sie ist, gehört gleichwohl zu den schönern Städten in Deutschland, auch kenne ich keine, die [ich] ihr in Rücksicht auf Salubrität, welche sie vorzüglich ihrer hohen und freien Lage, der Richtung ihrer mehrenteils weiten Straßen von Osten nach Westen, der durchfließenden Pegnitz und der Reinlichkeit ihrer Bewohner zu danken hat, vorziehe. Seit meinem vieljährigen Aufenthalt in derselben habe ich nie eine eigentliche Epidemie erlebt, dergleichen z.B. so oft in Stuttgart herrschen, nicht einmal eine Ruhrepidemie, die bekanntlich an andern Orten eine so häufige Erscheinung sind. Die häufigste Krankheit in Nürnberg ist die Lungensucht, an ihr sterben die meisten Menschen, und ohne Zweifel trägt außer dem sandigen Boden und dem Staub der vielen Fabriken das meiste die Kälte der massiven Häuser bei, die, zumal im Sommer, so leicht Veranlassung zu Katarrhen gibt, deren öftere Wiederkehr und häufige Vernachlässigung endlich zur Lungensucht führen. – Nicht minder als diese Salubrität der Stadt machen auch die in derselben noch vorhandenen vielen Denkmäler der Kunst, die vielen Fremden, die sie besuchen, der bedeutende Handelsverkehr sowohl in der Stadt selbst als zwischen ihr und der nahe gelegenen Stadt Fürth, überhaupt das überall herrschende rege Leben, vor allem aber die Biederkeit und Gutmütigkeit der Einwohner, ihre zuvorkommende Höflichkeit gegen Fremde, ihre Gastfreundschaft, den Aufenthalt in ihr angenehm. Allerdings gibt zwar wie in allen Handelstädten auch in Nürnberg der Handelstand den Ton an, allein keineswegs so sehr[283] wie in andern Handelstädten, z.B. in Augsburg, was sich leicht daraus erklären läßt, daß es unter den Nürnberger Kaufleuten keine Millionäre, dagegen aber eine Menge wohlhabender Bürger gibt, die sich den Kaufleuten an die Seite stellen können und sich ebensowenig vor dem Handelstand demütigen als früher vor dem Patriziat. Mich kümmerte weder der Handelstand noch das Patriziat, ich war ein königlicher Staatsdiener, von beiden gleich unabhängig, und ich war zufrieden, mich von beiden geachtet zu sehen. Ohnehin kein Freund von zerstreuenden Vergnügungen, konnte ich mich leicht in meine einförmige Lebensart fügen, und wenn ich mich zerstreuen wollte, so machte ich eine Reise in mein Vaterland, was ich während meiner Anstellung in Nürnberg mehrmals tat. Meine Besuche im Vaterland waren mir jedesmal gleich erfreulich. Ich sah meine Eltern, Geschwister, meine Anverwandten und meine alten Freunde wieder, und das Andenken an die schönen Tage, welche ich mit ihnen verlebte, entschädigte mich hinlänglich für das, was ich in Nürnberg entbehrte. Allein nachdem ich im Jahr 1815 meine Mutter, im Jahr 1823 meinen Vater und bald nachher auch meine älteste Schwester in Stuttgart und in Ludwigsburg meine Schwiegermutter, zwei meiner Schwäger und eine Schwägerin verloren hatte, machten mir meine Reisen dahin weniger Freude, und ich verweilte daher nie mehr so lange in dem Vaterland als früher. Es ist ein trauriges Gefühl, die Seinigen da, wo man sie sonst fand, nicht wiederzufinden, und es würde vergebens sein, die Empfindungen zu schildern, von denen ich ergriffen wurde, als ich bei meinen letztern Reisen im Jahr 1834 und 1836 nur noch zwei Schwestern, einen Schwager und zwei Schwägerinnen und von meinen ehemaligen vielen Freunden und Freundinnen so wenige mehr am Leben antraf.
Aber ein noch weit traurigeres Ereignis für mich und meine Familie als der Tod so vieler lieben Anverwandten und Freunde war der Tod meiner Frau. Sie starb am siebenten Dezember 1827, nachdem sie längere Zeit zuvor gekränkelt hatte. Wie mein ihr vorangegangener Sohn starb auch sie an der Lungensucht. Was ich an dieser treuen Gattin, was meine[284] Tochter an dieser liebevollen Mutter verloren, können wir nicht sagen, wir können es bloß fühlen. Es starb an ihr eine der verständigsten, gebildetsten, edelsten der Frauen. Dafür galt sie bei allen, sowohl Männern als Frauen, die sie näher gekannt hatten, und die Achtung und Verehrung, deren sie überall, wo wir waren, genoß, und das Andenken an sie, das noch lebendig in den Herzen aller ihrer Freunde ist, ist das schönste Denkmal, welches ihr hätte errichtet werden können.
Ein anderes für mich sehr schmerzhaftes Ereignis war der Tod des Grafen von Thürheim im Jahr 1833. Schon zwei Jahre zuvor hatte er sich aus dem Staatsdienst zurückgezogen und privatisierte in Ansbach, wo seine einzige Tochter an den Regierungsrat Fürsten Karl von Wrede, ältesten Sohn des berühmten Marschalls, verheuratet war. Wie glücklich es mich machte, diesem mir so teuren Freund wieder näher zu sein, brauche ich nicht zu sagen. Seine Kränklichkeit erlaubte ihm nicht, zu mir nach Nürnberg zu kommen; aber um so öfter besuchte ich ihn in Ansbach, und gewöhnlich auf einige Tage. Seine Gesundheit war durch häufige Anfälle von Podagra sehr geschwächt, doch waren seine Geisteskräfte noch in voller Wirksamkeit, nur sein Gedächtnis hatte bedeutend nachgelassen. Neuere Vorgänge, auch wenn sie ihn in hohem Grade interessierten, vergaß er in kurzem wieder, dagegen erinnerte er sich der frühern noch immer deutlich, und daher waren auch diese der gewöhnliche Gegenstand unserer Unterhaltung. So versetzten wir uns zurück in unsere in der Akademie in Stuttgart durchlebten Jugendjahre, so wiederholten wir in der Erinnerung unser Zusammenleben in Würzburg, Ansbach und Nürnberg, und diese Erinnerungen befestigten aufs neue unsern alten Freundschaftsbund. Aber leider dauerte dieses Beisammensein nicht lange. Die Kränklichkeit des Grafen nahm zu, mit dem zunehmenden Verfall des Körpers fingen auch seine Geisteskräfte merklicher an zu schwinden, das Gedächtnis war völlig erloschen, und der sonst so geistreiche Mann verfiel zuletzt in einen Zustand gänzlicher Besinnungslosigkeit, in welchem er, nach mehrwöchentlicher Dauer vom Schlag getroffen, starb. Nächst Schiller war er mir von meinen Jugendfreunden[285] der liebste; auch hat keiner von ihnen auf mein ganzes Schicksal so großen Einfluß gehabt als er. Er war es vorzüglich, der mich bestimmte, mein Vaterland zu verlassen und in bayerische Dienste zu treten, er war es auch vorzüglich, der mich diesen Wechsel nie bereuen ließ. Ich hatte an ihm einen immer gleich eifrigen Gönner, einen immer gleich wohlgesinnten Freund, ebenso an dem hochgestellten Staatsminister wie an meinem ehemaligen Mitzögling in der Akademie in Stuttgart. Wie so viele andere meiner ältern Freunde ist auch er heimgegangen; aber sein Andenken lebt in meinem Herzen und wird leben, bis auch ich dahin gehe, wohin er mir vorausgegangen ist.
Zu den fröhlichen Ereignissen, welche ich in Nürnberg erlebte, zähle ich außer den Besuchen, die ich von Zeit zu Zeit von meinen Freunden und Verwandten aus Stuttgart, Ludwigsburg, Würzburg, Ansbach und München und von Fremden aus mehreren Gegenden von Deutschland erhielt, vorzüglich den Besuch der Herzogin Franziska von Württenberg im Jahr 1810, die Durchreise der verwitweten Kaiserin von Rußland Maria Federowna, der Mutter des damals regierenden Kaisers Alexander, durch Nürnberg im Jahr 1818, die Anwesenheit des Königs Maximilian von Bayern in Nürnberg im Jahr 1823 und meine Jubiläumsfeier im Jahr 1830.
Die Herzogin Franziska, Gemahlin des im Jahr 1793 verstorbenen Herzogs Karl, kam nach Nürnberg, hauptsächlich in der Absicht, wie sie mir sagte, mich wegen ihres Gesundheitszustandes um Rat zu fragen. Sie war schon seit längerer Zeit kränklich gewesen, als sie auf einer zu ihrer Erholung gemachten Reise in Nürnberg ankam. Sie litt an einem unheilbaren organischen Übel, gegen welches ich ihr bloß Palliativmittel verordnen konnte. Auf den Gebrauch dieser Mittel glaubte sie, sich besser zu befinden, und beschloß daher, bis zu ihrer völligen Genesung in Nürnberg zu verweilen. Sie logierte in einem Gasthof, und ich war alle Mittage bei ihr zu Tische. Sie war gewöhnlich heiter, und der Gegenstand unserer Unterhaltung war meistens die ehemalige Akademie in Stuttgart, deren Stifter ihr Gemahl und deren Zögling ich war.[286] Gleich mir erinnerte sich auch die Herzogin einer Menge interessanter Vorfälle in derselben, und diese Erinnerungen machten uns beiden große Freude. Indessen gefiel dem König Friederich, damals noch Kurfürst, ihr langer Aufenthalt in Nürnberg nicht. Er wollte, daß sie nach Hause zurückkehre, ich sollte ihr dies beibringen, und ich hatte um so mehr Ursache, sie, dem Wunsche des Königs gemäß, zur Heimreise zu bewegen, da ich zu ihrer Herstellung schlechterdings keine Hoffnung hatte. Sie verweilte einen vollen Monat, den ganzen November, in Nürnberg, und als ich ihr die Rückreise nach Kirchheim, ihrem Witwensitz, anriet, sagte sie mir, daß sie dazu entschlossen sei und daß sie auch gern dahin zurückkehren würde, wenn nur nicht der fatale Neujahrstag bevorstände. Ich glaubte, sie fürchte die lästigen Gratulationen an diesem Tage; allein diese Furcht schien vielmehr eine Ahnung ihres nahe bevorstehenden Todes gewesen zu sein, denn der Neujahrstag war der Tag, an welchem sie starb.
Das zweite erfreuliche Ereignis war die Anwesenheit der Kaiserin Mutter von Rußland. Sie besuchte Nürnberg auf ihrer Reise nach Stuttgart zu ihrer Tochter, der Königin Katharina von Württenberg. Sie kam erst am späten Abend in Nürnberg an, dennoch war das Gedränge auf der Straße so groß, daß der Wagen nur Schritt vor Schritt fahren konnte und mehrere Male halten mußte. Um so besser konnte die Kaiserin das sie begrüßende Glockengeläute hören, welches ihr so wohl gefiel, daß sie, um es noch deutlicher und länger zu hören, den Wagen einigemal absichtlich halten ließ. Sie verweilte sich nur einen Tag in der Stadt, besah aber alle Merkwürdigkeiten derselben, und bei der Kunstausstellung auf dem Rathaussaal ließ sie sich auch die Personen, die ihr aufwarten wollten, vorstellen. Ich war nicht darunter, obwohl ihr Leibarzt, der Staatsrat Ruhl, den ich auf das Rathaus begleitet hatte, mich ihr ebenfalls vorstellen wollte. Ich verbat es, weil ich nicht dazu angekleidet war. Allein ob ich schon nicht das Glück hatte, mit ihr zu sprechen, so sah ich doch diese hohe Frau in der Nähe und freute mich ihrer imponierenden Gestalt, ihrer wahrhaft fürstlichen Haltung und der auffallenden Ähnlichkeit ihrer Gesichts[287] bildung mit der ihres Bruders, des Königs Friederich von Württenberg, dem sie auch an Geist gleich war. Wie wohl es ihr in Nürnberg gefiel und wie sehr sie insbesondere der Anblick der alten Denkmäler der Kunst erfreute, konnte man nicht bloß aus ihren Äußerungen darüber, sondern auch daraus schließen, daß sie mit Verwunderung hörte, ihr Sohn, der Kaiser Alexander, der die Stadt nicht lange zuvor besucht hatte, habe sich nur einige Stunden in ihr verweilt. Gleich am Morgen nach der Ankunft der Kaiserin erhielt ich von ihrem Leibarzt, dem schon genannten Staatsrat Ruhl, einen Besuch, der mich um so mehr freute, da ich an ihm einen ebenso lieben Mann als tüchtigen Arzt kennenlernte. Ich führte ihn überall in der Stadt herum und begreiflich auch in meine Krankenanstalt im Spital zum heiligen Geist. Unter andern Kranken, auf welche ich ihn aufmerksam machte, war auch eine junge Weibsperson, die im Gedränge beim Einzug der Kaiserin am Kopf verwundet worden war. Die Verwundung war, wie er sich selbst überzeugte, ohne Bedeutung, gleichwohl setzte er die Kaiserin von dem Vorfall in Kenntnis, und am Nachmittag ließ mir dieselbe acht Stück Dukaten für die Verunglückte durch ihn zustellen, welche ich ihr gleich am folgenden Morgen einhändigte. Aber das war noch nicht genug. Unter andern bayerischen Staatsdienern, welche die Kaiserin bis an die Grenze begleiteten, war auch ein Regierungsrat von Bayreuth, der Graf von Münster. Dieser stellte mir nach seiner Zurückkunft noch zehn Stück Dukaten für die verunglückte Weibsperson zu; allein ich übergab ihr solche nicht, teils weil sie bereits als vollkommen hergestellt aus der Krankenanstalt entlassen war, teils weil ich unterdessen erfahren hatte, daß sie ein notorisch liederliches Weibsbild sei, sondern glaubte, das kaiserliche Geschenk würde ungleich besser angelegt sein, wenn es eine arme, blinde Buchhändlerswitwe namens Grattenauer erhielte, zumal da die Mutter ihres verstorbenen Mannes Säugamme bei der Kaiserin gewesen sei. Ich schrieb deshalb sogleich an den Staatsrat Ruhl nach Stuttgart, der Kaiserin wurde mein Vorschlag vorgelegt und mit Vergnügen von ihr genehmigt, nur bemerkte sie, daß sie sich zwar ganz wohl einer Grattenauerin erinnere, daß aber die[288] selbe nicht sie, sondern einen ihrer Brüder gestillt habe. So bekam also diese arme blinde Witwe jene zehn Stück Dukaten, ich ließ mich über den Empfang von ihrer Tochter quittieren und glaubte, die Sache sei nun abgemacht, weil ich vermutete, daß die Weibsperson, der sie zuerst zugedacht waren, nichts davon erfahren habe. Aber der Graf von Münster mußte ausgeschwatzt haben, und zwar in der Bestelmeierischen Handlung, wo er vor seiner Rückkehr nach Bayreuth etwas gekauft hatte und die Mutter der Weibsperson eben damals in dem Bestelmeierischen Haus als Taglöhnerin arbeitete. Hier hatte diese nun erfahren, daß mir noch weitere zehn Stück Dukaten für ihre Tochter zugestellt worden, aber nicht, was weiter damit geschehen sei. Sie glaubte daher, ich hätte sie unterschlagen, und in dieser Voraussetzung kam sie nach einigen Tagen zu mir. Natürlich verriet sie ihre Absicht nicht sogleich, sie sagte mir bloß, daß ihre Tochter noch nicht ganz gesund sei, daß sie noch immer über heftige Schmerzen im Kopf klage und daß sie noch außerstand sei, etwas zu arbeiten. Ich erwiderte ihr, daß die Wunde von gar keiner Bedeutung gewesen, so dürfe sie außer Sorgen sein, die Schmerzen im Kopf würden sich in kurzem von selbst verlieren. Die Frau ging, wie es schien, beruhigt fort, aber nach einigen Tagen kam sie wieder, die nämlichen Klagen wiederholend, ich gab ihr denselben Bescheid wie das erstemal, aber ich merkte wohl, was sie eigentlich auf dem Herzen hatte; sie zögerte, als ob sie sich noch auf etwas besinne, fortzugehen, und sie war bereits schon der Türe zugegangen, als sie wieder umkehrte und mit der wahren Absicht ihres Besuchs herausrückte. »Um Verzeihung, Herr Doktor«, sagte sie, »noch ein Wort, wenn Sie erlauben; wie ich höre, haben Sie von der russischen Kaiserin für meine Tochter noch weitere zehn Stück Dukaten erhalten, die Sie wahrscheinlich noch bei Handen haben, und wenn ich bitten dürfte ...« – »Das ist's also«, unterbrach ich sie, »warum Ihre Tochter noch nicht gesund ist. Aber woher weiß Sie denn«, fuhr ich fort, »daß ich die zehn Stück Dukaten erhalten habe?« – »Von der Madame Bestelmeier«, war ihre Antwort, »bei welcher ich als Tagelöhnerin arbeite.« – »Madame Bestelmeier«, erwiderte ich, »hat Ihr[289] die Wahrheit gesagt, aber die zehn Dukaten hat eine andere Person erhalten, die des Geschenks würdiger ist als Ihre Tochter, das sage Sie der Madame Bestelmeier, und wenn sie wissen will, wer, so soll sie nur zu mir kommen, und ich werde es ihr sagen.« Die Frau entfernte sich, ohne etwas zu erwidern; allein nach einigen Tagen erhielt ich von dem Bürgermeister Binder ein Schreiben nebst einem Protokoll, woraus ich ersehen würde, daß ich von der mehr erwähnten Weibsperson wegen Geldunterschlagung verklagt worden. Hätte ich den Brief des Staatsrats Ruhl und die von der Tochter der Frau Grattenauer ausgestellte Quittung nicht wohl aufgehoben gehabt, so wäre ich, weil ich bloß durch die Erzählung des Vorgangs auf die Beschuldigung hätte antworten können, allerdings in einige Verlegenheit gekommen. Aber ich hatte zu meiner Rechtfertigung nichts zu tun, als dem Bürgermeister den Brief und die Quittung mitzuteilen. Die Klägerin wurde vorgefordert, Brief und Quittung ihr vorgelegt, sie wurde mit ihrer Klage abgewiesen, und ich wurde gefragt, welche Genugtuung ich wegen der Injurie verlange. Natürlich verlangte ich keine. Ich wußte, daß niemand in Nürnberg mich einer solchen Handlung für fähig halte, und das Weibsbild, glaubte ich, sei genug gestraft, daß sie die Dukaten nicht erhalten hatte.
Das dritte erfreuliche Ereignis war die Anwesenheit des Königs Maximilian in Nürnberg. Es war das erstemal, daß der König die Stadt mit einem Besuch beehrte. Er ward mit Jubel empfangen, und diesen Jubel erwiderte er durch seine gewohnte liebreiche Popularität. Die zwei Tage, während welcher er in Nürnberg verweilte, waren Festtage für die Stadt, sie waren auch Festtage für ihn. Sorgenvoll kam er in Nürnberg an, denn er hatte gefürchtet, es möchte in dem Volksgedränge auf dem Wege von Fürth nach Nürnberg ein Unglück geschehen sein; aber wie man ihm meldete, daß alles gut abgelaufen sei, erheiterte sich sein Gesicht, und freudig rief er aus: »Nun bin ich erst gern in Nürnberg!« So war es auch. Wie er durch seine Herablassung und Leutseligkeit alle Herzen gewann, so huldigten ihm auch alle Herzen, und diese ungeheuchelte Huldigung wirkte wieder auf ihn zurück. Es war ihm wohl in der[290] Mitte eines ihm so herzlich huldigenden Volks, und tief gerührt versprach er beim Abschied, bald wiederzukommen. Bei der Aufwartung, welche ihm die höhern Militär- und Zivilbeamten, der Magistrat und die Gemeindebevollmächtigten, die Geistlichkeit etc. bei seiner Ankunft machten, grüßte er alle ihm schon bekannten Individuen auf das freundlichste, und unter diesen war auch ich. Nach der Tafel am folgenden Tag, zu welcher auch ich gezogen worden, unterhielt er sich lange mit mir über Würzburg, über das Julius-Spital, wie oft er dasselbe besucht, mit mir und meinen Schülern in den Krankenzimmern herumgegangen, und als ich auf die Frage, ob nicht auch in Nürnberg eine solche Krankenanstalt einzurichten sei, mit ja antwortete, war er sehr erfreut darüber und forderte mich auf, dafür zu sorgen, daß sobald als möglich Hand an das Werk gelegt werde. Überhaupt war er sehr gnädig gegen mich, er erkundigte sich aufs genaueste nach meinen Verhältnissen in Nürnberg, er interessierte sich für alles, was ich ihm darüber sagte, so wie er nichts vergessen hatte, was er von Würzburg her von mir wußte, und man kann sich denken, wie glücklich mich dieser neue Beweis seiner königlichen Huld machte. – In seiner Begleitung befanden sich unter andern auch sein Leibarzt Hartz und sein Leibchirurg Winter, die ich bei dieser Gelegenheit zum erstenmal sah. Ich wurde bald näher mit ihnen bekannt, ja vertraut, und diese nähere Bekanntschaft mit zwei schon vorher von mir hochgeschätzten Männern machte mir die Anwesenheit des Königs um so erfreulicher.
Das vierte erfreuliche Ereignis war die Feier meines Jubiläums im Jahr 1830, die auf eine mir ganz unerwartete Art veranstaltet wurde. Überhaupt kein Freund von besondern Feierlichkeiten, wie Amtsjubiläen, silbernen und goldenen Hochzeiten usw., dachte ich an nichts weniger als an die Feier meiner funfzigjährigen Praxis, und es war ein bloßer Zufall, der dazu Veranlassung gab. Der damalige Präsident der Regierung in Ansbach Herr von Mieg hatte mich einige Wochen zuvor, wie er mich bei einem ihm gemachten Besuch so gesund und gutaussehend für mein Alter fand, gefragt, wie lange ich bereits praktischer Arzt sei. Ich antwortete ihm, ohne irgendeine[291] Absicht bei seiner Frage zu vermuten, daß es am Ende des nächsten Dezembers funfzig Jahre seien. Er mußte sich dieses gemerkt haben, und da er überhaupt sehr wohlwollend gegen mich gesinnt war, so war es mir leicht begreiflich, wie er auf den Gedanken kommen konnte, mir auch bei dieser Gelegenheit einen Beweis davon zu geben. Der Tag, an welchem ich meine praktische Laufbahn begonnen hatte, war der einundzwanzigste Dezember, und ehe noch dieser Tag herangekommen war, wurde ich durch ein Kabinettsschreiben des Königs Ludwig überrascht, worin er mir in den gnädigsten Ausdrücken zu meinem funfzigjährigen Jubiläum Glück wünschte und mich seiner Gnade versicherte. Dieses gnädige, dem Tag des Jubiläums zuvoreilende und mir eben deswegen doppelt schätzbare Schreiben des Königs, welcher der erste sein wollte, der mir Glück wünschte, ließ mich leicht ahnen, daß mir auf Veranlassung des Regierungspräsidenten von Mieg noch manches andere bereitet sein könnte. Am einundzwanzigsten Dezember vormittags erschienen zuerst die beiden Bürgermeister der Stadt, welche mir unter Darbringung ihrer Glückwünsche das Diplom eines Ehrenbürgers von Nürnberg überreichten, dann eine Deputation der Nürnberger Ärzte, welche mir ihre Teilnahme an diesem Ehrentage durch eine schöne lateinische Denkschrift bezeigten, hierauf eine Deputation von der Universität Erlangen, aus dem damaligen Prorektor und zwei Professoren von der medizinischen Fakultät bestehend, welche mir im Namen der Universität Glück wünschten, und noch an demselben Tag erhielt ich auch ein von dem Prorektor und sämtlichen Professoren der medizinischen Fakultät der Universität Würzburg unterzeichnetes höchst ehrenvolles Schreiben, welchem zum Andenken an meine vormals an derselben bekleidete Lehrerstelle ein neues Doktordiplom beigelegt war. Wie sehr ich durch diese vielfachen Ehrenbezeugungen erfreut war, brauche ich nicht zu sagen; aber den Beweis, welchen mir der Regierungspräsident von Mieg, welcher dazu Veranlassung gab, dadurch von seinen wohlwollenden Gesinnungen gegen mich gegeben, schätzte ich nicht minder hoch als alle jene Ehrenbezeugungen, wie ich denn überhaupt nie vergessen werde,[292] was ich ihm schuldig geworden, als ich in ihm meinen ersten Vorgesetzten zu verehren das Glück hatte.
Außer diesen mich besonders angehenden Ereignissen erlebte ich noch mehrere von allgemeinerem Interesse, wie das große Lustlager zwischen Nürnberg und Fürth im Jahr 1824, die mehrmalige Anwesenheit des jetzt regierenden Königs Ludwig in Nürnberg, die Grundsteinlegung zum Denkmal Albrecht Dürers, welcher unter andern Fremden auch mein lieber Jugendfreund Dannecker und der Obermedizinalrat Ringseis, dessen nähere Bekanntschaft ich bei dieser Gelegenheit machte, beiwohnten, die Erbauung des neuen Theaters in Nürnberg, die Gründung der musterhaften polytechnischen Schule und deren fortdauerndes erfreuliches Gedeihen unter der Direktion des genialen, rastlos tätigen Exbürgermeisters Scharrer, die Einführung des jährlichen großen Nationalfestes auf der sogenannten Peterhaide, seit dem Besuch, mit welchem es im Jahr 1833 der König beehrte, Ludwigsfeld genannt, die Errichtung der Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth, der ersten in Deutschland; auch möchte ich als ein solches allgemein erfreuliches Ereignis die große Julius-Revolution im Jahr 1830 nennen, während welcher ich mich gerade in Stuttgart befand, und die Freude darüber zunächst mit meinen Landsleuten teilte. Allein ich begnüge mich, diese Ereignisse bloß zu nennen, und kehre wieder zu der Geschichte meines amtlichen Lebens zurück.
Ehe ich aber da fortfahre, wo ich zuletzt stehengeblieben, muß ich noch etwas über das Verhältnis sagen, in welchem ich als Direktor der Krankenanstalten in Nürnberg zu der Kreisregierung in Ansbach stand. Ich habe schon erwähnt, daß ich meine Berichte und Anträge nicht an den Magistrat, sondern unmittelbar an die Regierung zu machen hatte. So war ich allerdings der Regierung untergeordnet, und dieser Unterordnung zufolge hatten das Referat über meine Berichte und Anträge die Kreismedizinalräte Gessner und Krauß. Allein ich hatte bald Gelegenheit zu bemerken, daß der letztere als Kreismedizinalrat glaube, sich über den der Regierung untergeordneten Direktor der Krankenanstalten etwas herausnehmen zu[293] dürfen, und wirklich herausnahm. So kam er z.B. einst ganz unvermutet nach Nürnberg und inspizierte, ohne mir vorher etwas davon zu sagen, die Krankenanstalten. So veranlaßte er gleich nach seiner Zurückkunft von dieser Inspektion die Regierung zu dem Beschluß, einen der Armenärzte zu entlassen, weil er bemerkt hatte, daß demselben ein Stück des Unterkiefers fehle, wodurch sein Anblick widrig und der Geruch, den das noch immer offene kariöse Geschwür verbreite, ekelhaft sei. Daß ich, da sonst nichts gegen diesen Armenarzt einzuwenden war, gegen den Beschluß der Regierung protestierte, versteht sich von selbst; auch nahm die Regierung, wie zu erwarten war, den Beschluß sogleich zurück, und der Armenarzt blieb an seiner Stelle. Allein ich begnügte mich nicht mit der erhaltenen Genugtuung in diesem einzelnen Fall, ich wollte seiner Anmaßung überhaupt ein Ende machen und bat daher die Regierung, ihm das Referat über die Krankenanstalten abzunehmen und seinem Kollegen Gessner zu übergeben, von dem ich als einem ebenso verständigen, ruhigen und billigen Mann als kenntnisreichen und gewandten Geschäftsmann keine solche Unbilden zu fürchten hatte, und die Regierung entsprach meiner Bitte. Überhaupt muß ich sagen, daß die Regierung sich stets liberal, wohlwollend, ja zuvorkommend gegen mich bewies, und insbesondere der damalige Präsident, der Graf von Drechsel, der wie seine beiden Vorgänger sich bei jeder Gelegenheit als einen wahren Freund von mir bezeigt hat.
Indessen kam ich doch einmal, und zwar gleich im Anfang, in eine unangenehme Kollision mit der Regierung wegen meiner Amtsadresse. Die Reskripte, die ich von derselben erhielt, kamen nämlich nicht unter meiner Amts-, sondern unter meiner Namensadresse an mich, ich erhielt sie daher nicht portofrei, und um mir diese Ausgabe zu ersparen, bat ich die Regierung, die Reskripte unter meiner Amtsadresse, nämlich: An die königliche Direktion der Krankenanstalten in Nürnberg, an mich gelangen zu lassen. Ob diese Adresse der Regierung zu vornehm für mich schien, weiß ich nicht, ich weiß bloß, daß in einer Sitzung viel darüber debattiert worden, genug, das[294] Resultat war, daß bei dem nächsten Reskript, das ich erhielt, die Adresse statt an die Direktion an die Kommission der Krankenanstalten lautete. Außerdem daß mir die Adresse: an die Kommission, schon an sich selbst sonderbar vorkam, so konnte ich mir auch keinen andern Grund denken, warum mir die Regierung die von mir vorgeschlagene Adresse nicht bewilligen wollte, als den oben erwähnten, daß sie nämlich zu vornehm für meine Stelle sei. Ich wandte mich daher aufs neue an dieselbe und bezog mich auf mein Anstellungsdekret, in welchem ausdrücklich ausgesprochen sei, daß mir die Direktion der Krankenanstalten in Nürnberg übertragen worden und daher nichts gegen die von mir vorgeschlagene Adresse eingewendet werden könne, die Regierung müßte sie denn für zu vornehm für meine Stelle halten, was sie doch keineswegs sei, da es nicht bloß Regierungsdirektionen, Polizeidirektionen etc., sondern auch Fabrikdirektionen, Theaterdirektionen etc. gebe, welchen die Direktion öffentlicher Krankenanstalten wenigstens gleichstehe. Gleichwohl fand die Regierung nicht für gut, mir die verlangte Adresse zu bewilligen. Ich entschloß mich daher, um dem Streit auf einmal ein Ende zu machen, mich an das Ministerium zu wenden, und dieses bewilligte mir nicht nur meine Bitte wegen der Adresse, sondern es veranlaßte auch den König, mir den Charakter und Rang eines Obermedizinalrats beizulegen, wodurch ich nicht nur ähnlicher Kollisionen mit der Regierung, sondern auch der Anmaßungen der Kreismedizinalräte überhoben ward.
Nach dieser Abschweifung komme ich wieder auf die Geschichte meines amtlichen Lebens zurück. Ich habe schon bemerkt, daß ich mir die Behandlung der Kranken in der in dem Spital zum heiligen Geist im Jahr 1812–1823 errichteten Krankenanstalt selbst vorbehalten hatte. Dies lag zwar nicht in dem Wirkungskreis, der mir als Direktor der Krankenanstalten angewiesen war, ich hatte als solcher bloß die Oberaufsicht über die Krankenanstalten und die an denselben angestellten Ärzte zu führen, Vorschläge zur Verbesserung der Anstalten zu machen, die Besetzung der erledigten Stellen an derselben zu begutachten, die Apothekerrechnungen zu revidieren und am[295] Schluß des Etatsjahrs einen allgemeinen Bericht über den Zustand der Anstalten an die Kreisregierung zu erstatten. Der Grund, warum ich die Behandlung der Kranken in der neu errichteten Krankenanstalt selbst übernahm, war, teils weil ich mir dadurch eine angenehme Beschäftigung verschaffte, teils weil die Anstellung eines besoldeten Arztes vorderhand dadurch unnötig wurde. Eben deswegen besorgte ich auch die Kranken allein, ohne einen Gehülfen, und erleichterte mir das Geschäft bloß dadurch, daß ich die ihr praktisches Biennium unter meiner Leitung machenden angehenden Ärzte zur Führung der Tagbücher und zu den erforderlichen anderweitigen Schreibereien benutzte. Erst später, wie ich älter geworden war, ließ ich mir ein paar Gehülfen zugeben, wozu ich den D. Merkel und den D. Ziehl und nach dem Abgang des letztern den D. Lochner vorschlug. Sie wurden mir von dem Magistrat ohne Schwierigkeit bewilligt, und ich hatte alle Ursache, mit der Wahl derselben zufrieden zu sein. Durch die Anstellung dieser Gehülfen wurden mir meine Geschäfte in der Anstalt bedeutend erleichtert; auch hatten sie sich bald so zu Spitalärzten ausgebildet, daß ich ihnen die Besorgung derselben ganz allein überlassen konnte, und solchergestalt nicht nur zur Betreibung meiner Privatpraxis, sondern auch zu außergewöhnlichen Arbeiten mehr Muße bekam. Zu solchen außergewöhnlichen Arbeiten wurde ich häufig aufgefordert, und sie bestanden meistens in Gutachten über Wahnsinnige und andere Kranke, welche von den Gerichten, von der Kreisregierung und von Privatpersonen von mir verlangt wurden. So wurde ich z.B. von dem in Bamberg residierenden Herzog Wilhelm zu einem Gutachten über den physischen und moralischen Zustand seines Sohnes, des Prinzen Pius, so späterhin von dem Präsidium der Regierung des Rezatkreises zu einem Privatgutachten über die Instruktion in betreff der Cholera, welche von dem Ministerium den Kreismedizinalräten zur Begutachtung vorgelegt worden, aufgefordert. – Mein Gutachten über den Prinzen Pius wurde ungeachtet der freien Sprache, welche ich mir in demselben erlaubte, nicht nur von seinem Vater, sondern auch von dem königlichen Familienrat wohlgefällig aufgenommen. Meine Vorschläge[296] hinsichtlich der Behandlung des Prinzen wurden größtenteils genehmigt, und der gute Erfolg hat ihre Zweckmäßigkeit bewährt. – Einen gleich guten Erfolg scheint auch das Privatgutachten gehabt zu haben, zu welchem ich über die Instruktion, die Cholera betreffend, von dem Präsidium der Kreisregierung aufgefordert wurde. Die Instruktion war längst verfaßt, aber sie sollte nicht eher bekanntgemacht werden, als bis die Krankheit Bayern näher käme. Dieser Zeitpunkt war eingetreten, ehe jedoch die Instruktion wirklich bekanntgemacht wurde, sollten erst die Kreismedizinalräte ihr Gutachten darüber abgeben. Es befand sich eben damals der Kreismedizinalrat Mark von Bayreuth in Nürnberg, als jene Aufforderung an die Kreismedizinalräte erging. Er ließ mich das deshalb an ihn ergangene Reskript lesen, erkannte wie ohne Zweifel alle andere Kreismedizinalräte die Schwierigkeit der Aufgabe, und ich war herzlich froh, daß ich kein Kreismedizinalrat mehr war. Ich hatte nämlich die Instruktion gelegenheitlich bereits früher gelesen und hatte so vieles gegen sie einzuwenden gefunden, daß ich mich mit Recht freuen konnte, kein Gutachten über sie abgeben zu müssen. Aber meine Freude dauerte nicht lange. Wenige Tage nach der Abreise Marks von Nürnberg wurde mir die Instruktion von dem Präsidium der Regierung zum Privatgutachten zugeschickt, und da ich die Aufforderung nicht abweisen konnte, so machte ich mich alsbald über die Instruktion her, und ich glaube kaum, mich über irgendeinen Gegenstand offener und freier ausgesprochen zu haben als über diesen. Ob mein Gutachten dem König unmittelbar vorgelegt worden, weiß ich nicht, ich weiß nur, daß die Instruktion, die hernach erschien, eine ganz andere war, als die ich gelesen und begutachtet hatte. Mehrere der von mir gerügten Vorschriften waren ganz weggelassen, und von den beibehaltenen waren viele so modifiziert, daß ich meine Einwirkung bei ihrer Umarbeitung nicht verkennen konnte.
Wie zu diesen und andern dergleichen außergewöhnlichen Arbeiten gab mir, wie schon gesagt, die Anstellung oben genannter Gehülfen auch mehr Muße zur Betreibung meiner Privatpraxis. Allein wie es mir überhaupt nie um große Erweiterung[297] derselben zu tun war, so benutzte ich meine freie Zeit mehr zu wissenschaftlichen Studien, besonders zu philosophischen und historischen, und ich muß gestehen, daß das Interesse an denselben die Lust zur ärztlichen Praxis je länger, je mehr bei mir verminderte. Hierzu kam, daß neben den Landärzten, die in der Stadt ihr Wesen trieben, jetzt auch Homöopathen auftraten und eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen anfingen. Zwar wußte ich wohl, daß dieser Unfug nicht lange dauern würde, denn es gehörten, um ihm ein Ende zu machen, nur einige Todesfälle bedeutender Personen dazu, welche, wie die Gräfin von Pückler, die Frau Präsidentin von Dörnberg, die Fürstin von Thurn und Taxis etc., das Opfer der Homöopathie wurden. Aber es ist doch höchst betrübend für einen wissenschaftlichen Arzt, seine Kunst unter einem Publikum auszuüben, wo dieses Maximum von Scharlatanerie selbst unter den höhern, sogenannten gebildeten Ständen so viele Anhänger fand und jener Opfer ungeachtet zum Teil noch findet. Indessen praktizierte ich doch noch immer fort, und ich konnte es um so eher tun, je mehr sich mit meinen zunehmenden Jahren meine Praxis von selbst verminderte. Schon seit längerer Zeit nämlich machte ich keine Besuche in der Nacht mehr; schon dies schreckte viele ab, mich zum Arzt zu wählen, so wie es auch schon manche zur Wahl eines jüngern Arztes statt meiner veranlaßt hatte. Aber auch bei Tag wurden mir meine Krankenbesuche je länger, je beschwerlicher, und so sah ich denn den Zeitpunkt immer näher rücken, wo ich auch diese, ohne mir weder selbst einen Vorwurf zu machen, noch einen solchen von andern befürchten zu müssen, würde einstellen können oder vielmehr müssen.
Allein ich wartete den Eintritt dieses Zeitpunkts von selbst nicht ab. Ich hatte am elften März 1836 mein siebenundsiebenzigstes Lebensjahr zurückgelegt. Ich fühlte mich zwar für mein hohes Alter geistig und körperlich noch ziemlich kräftig, und eine Reise im Sommer nach Stuttgart auf dem Eilwagen gab mir davon den Beweis. Allein nun kam auf den ungewöhnlich heißen und trocknen Sommer schnell der kühle und regnerische Herbst. Dieser Wechsel hatte wie gewöhnlich Krankheiten, gastrische[298] Fieber, ruhrartige Durchfälle, wirkliche Ruhren, Brechruhren etc. zur Folge. Die Kranken häuften sich, und wie die andern Ärzte hatte auch ich mehr zu tun als gewöhnlich. Für einen Mann von meinen Jahren war die Anstrengung zu groß, ich fühlte, daß ich einer solchen Anstrengung nicht mehr gewachsen war, und bald belehrte mich die Erfahrung darüber. Auch ich wurde von der epidemischen Diarrhöe befallen. Ich litt zwar an derselben nur einige Tage; aber ich war kaum wieder ausgegangen, so bekam ich einen Rückfall, die Diarrhöe dauerte bald stärker, bald schwächer mehrere Wochen lang fort, ich fühlte mich in hohem Grade entkräftet, das Gefühl der Entkräftung wollte sich nicht verlieren, und da ich mich schon seit mehreren Jahren in den Wintermonaten nie so wohl als im Sommer befunden, so konnte ich leicht voraussehen, daß ich im bevorstehenden Winter wenigstens als praktischer Arzt nicht mehr würde leisten können, was man von einem solchen fordert. Ich entschloß mich daher, am Schlusse des Jahrs meine Praxis aufzugeben, und am ersten Januar 1837 machte ich meinen Entschluß durch die Zeitungen bekannt.
Schon ehe ich mich zu diesem Schritt entschloß, hatte ich mir auch meine amtlichen Geschäfte auf eine meinem hohen Alter gemäße Art zu erleichtern gesucht, indem ich an den Magistrat den Antrag stellte, meine beiden Assistenten Merkel und Lochner zu wirklichen selbständigen Spitalärzten, jenen für die Versorgungs-, diesen für die Krankenanstalt, zu ernennen. Schon als mehrjährige Assistenten hatten sie Anspruch auf diese Beförderung, und ihre Geschicklichkeit, ihr Fleiß und ihr ebenso würdiges als humanes Betragen gegen die Kranken gaben ihnen volles Recht dazu. Mein Antrag wurde von dem Magistrat ohne Anstand angenommen und ebenso auch von der königlichen Regierung genehmigt. Der Vorteil, den ich von dieser Beförderung meiner Assistenten hatte, war, daß ich die Anstalten nicht mehr alle Tage besuchen durfte, daß das Ordinieren ihnen überlassen wurde und daß ich nur die Oberaufsicht zu führen hatte. Als ein Mann von siebenundsiebenzig Jahren hätte ich zwar als Staatsbeamter meine Versetzung in den Ruhestand schon längst fordern können; allein[299] außerdem, daß es gegen meine Grundsätze ist, dem Staat, solange man ihm noch Dienste leisten kann, als Pensionär zur Last zu fallen, lag mir auch die Ausführung meiner Plane zu einer bessern Organisation der Krankenanstalten zu sehr am Herzen, als daß ich mich hätte entschließen können, eher um meine Pensionierung zu bitten, als bis ich gewiß war, daß es zur Ausführung derselben entweder gar nicht oder doch wenigstens nicht mehr bei meinen Lebzeiten kommen würde. Ich beschloß daher, vorerst bloß meine Privatpraxis aufzugeben, und dies geschah, wie schon gesagt, am Anfange des Jahrs 1837. Ich kann nicht leugnen, ich tat diesen Schritt mit schwerem Herzen. So viele Familien hatten mir seit einer langen Reihe von Jahren ihr Vertrauen geschenkt, sie achteten mich nicht nur als Arzt, sondern sie liebten mich auch als ihren Freund, und auf einmal sollten sie sich von mir verlassen und den Arzt, den sie sonst so vertrauensvoll zu Hülfe gerufen hatten, gleichgültig gegen ihre Leiden an ihren Häusern vorübergehen sehen. – Indessen war, wie ich leicht voraussehen konnte, der Eindruck, den jene Anzeige machte, nicht überall derselbe. Manche verdroß mein Entschluß, und sie wählten ohne weiteres einen andern Arzt; viele betrübte es zwar, aber sie sahen ein, daß ich als ein Greis von siebenundsiebenzig Jahren recht getan, meine Privatpraxis aufzugeben, und beruhigten sich damit, daß ich bei jener Bekanntmachung erklärt hatte, den Hausärzten, die sie wählen würden, in allen wichtigen Fällen mit meinem Rat beizustehen; andere endlich nahmen von meinem Entschluß gar keine Notiz, sie beschickten mich nach wie vor, wenn jemand in ihrer Familie erkrankte, ja ich wurde sogar von Familien gerufen, deren Arzt ich zuvor nie gewesen. So war es denn im ganzen ebensogut, als ob ich meine Praxis nicht aufgegeben hätte, und ich sah wohl ein, daß ich mich von derselben nicht eher würde losmachen können, als bis ich von Nürnberg selbst wegzöge.
Hiezu fand ich nun in der Beförderung meines Schwiegersohns zum Postverwalter in Nördlingen eine Aufforderung, die mir zu keiner Zeit hätte gelegener kommen können. Allein ich konnte mich nicht entschließen, derselben zu entsprechen, weil[300] eben jetzt auch der Zeitpunkt zur Ausführung meiner Plane wegen der Krankenanstalten ganz nahe schien.
Ich habe nämlich bereits oben gesagt, wieviel ich von dem neugewählten Bürgermeister Merkel in betreff der Erbauung des längst projektierten allgemeinen Krankenhauses erwartete. Er hatte meine Erwartung nicht getäuscht. Gleich nach dem Antritt seines Bürgermeisteramts hatte er die Recherchierung der Mittel zur Ausführung des Unternehmens zu einem Hauptgegenstand seiner Tätigkeit gemacht, und das Ergebnis dieser Recherchen war, wie er mich versicherte, so befriedigend, daß an der wirklichen Ausführung um so weniger zu zweifeln war, da jetzt der größte Teil des Magistrats und der Gemeindebevollmächtigten günstiger für die Sache gestimmt schien als vormals. Es kam daher bloß auf den förmlichen Beschluß des Magistrats an, und auch dazu war bereits alles nach der Versicherung des ersten Bürgermeisters Binder, der sich das Referat über diesen auch ihm höchst wichtigen Gegenstand selbst vorbehalten hatte, so vorbereitet, daß es sich bloß noch von der Entscheidung der Vorfrage handelte, wo das Krankenhaus erbaut werden soll, ob auf dem vor acht Jahren dazu erkauften Platz außerhalb der Stadt oder innerhalb der Stadt auf der von der Pegnitz gebildeten Insel, auf welcher das Spital zum heiligen Geist steht. Das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten stimmte für den letztern Platz, und wirklich sprachen auch für die Wahl desselben so viele Gründe, daß auch ich dafür stimmte, vorausgesetzt, daß der Platz für ein Krankenhaus, das allen an ein solches zu machenden Anforderungen entsprechen sollte, Raum genug gewähre. Dies mußte nun näher untersucht werden. Der Magistrat ließ den Platz durch den städtischen Baurat ausmessen, und nachdem ich ihm meine Ideen über die Einrichtung des Krankenhauses mitgeteilt hatte, verfertigte er vorläufig einen Riß zu dem aufzubauenden Gebäude. Allein leider fand sich nicht nur der Raum viel zu klein, sondern es zeigte sich auch, daß sich die Baukosten viel höher belaufen würden, als man vermuten konnte. Es blieb also, da auch sonst in der Stadt kein anderer schicklicher Platz für das Gebäude vorhanden war, nichts übrig, als[301] sich für den schon vor acht Jahren dazu ausersehenen und angekauften Platz außerhalb der Stadt zu entscheiden. Die Haupteinwendung, welche ich gegen die Wahl dieses Platzes zu machen hatte, war, daß es an demselben an der erforderlichen Menge Wasser fehlen möchte. Allein, wie man mich von allen Seiten her versicherte, sollte dies keineswegs der Fall sein, und wirklich zeigte sich auch bei näherer Untersuchung kein Mangel an Wasser, weder an dem Platz selbst noch in der Umgegend. Ich schlug also vor, bei der Wahl dieses Platzes zu bleiben und die größern Kosten, welche hier die Aufführung des Gebäudes verursachen würde, nicht zu scheuen, da es nicht bloß um die Befriedigung eines Bedürfnisses zu tun sei, welcher nicht länger ausgewichen werden könne, sondern daß es auch die Ehre der Stadt fordere, nicht länger hinter andern, viel kleinern Städten als Nürnberg hierin zurückzubleiben.
Diesen Vorschlag machte ich im Monat Dezember 1836. Allein der Januar, der Februar, der März des folgenden Jahrs vergingen, ohne daß irgend etwas weiteres in der Sache geschah. Der magistratische Beschluß wurde von einer Woche zur andern hinausgeschoben. Der erste Bürgermeister konnte, wie er sagte, wegen zu vieler anderweitiger Arbeiten mit Abfassung seines Vertrags nicht fertig werden, der zweite wollte, diplomatisch bedenklich, das Referat dem ersten nicht abnehmen, und so kam es denn ganz natürlich nicht zu der längst verheißenen und von mir täglich erwarteten Sitzung, in welcher die Erbauung des neuen Krankenhauses beschlossen werden sollte. Nun war ich zwar überzeugt, das neue Krankenhaus werde früher oder später gebaut werden müssen, weil das immer dringender werdende Bedürfnis dazu nötige. Allein nach so vielen und mancherlei Verzögerungen, die ich bereits erlebt hatte, mußte ich fürchten, daß immer wieder neue eintreten würden, und wie sehr ich auch diese Furcht zu bekämpfen suchte, so schlug doch der Gedanke, daß ich, wie rasch es auch nach einmal gefaßtem Beschluß des Magistrats und nach Bestätigung desselben von der Kreisregierung in Ansbach und dem Ministerium in München mit der Ausführung vorwärtsgehen möchte, doch weder bei dem Bau des Krankenhauses tätig mitwirken[302] noch viel weniger die Direktion desselben in der Folge würde übernehmen können, meine Hoffnung immer wieder aufs neue nieder. Zur Erbauung des Krankenhauses mußte ich wenigstens einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren rechnen, bis zur Vollendung des Baues und seiner Einrichtung wäre ich einige achtzig Jahre alt geworden, und in diesem hohen Alter – wie hätte ich wohl hoffen können, die Direktion desselben mehr zu übernehmen? Es wäre töricht gewesen, wenn ich diese Hoffnung nicht aufgegeben hätte. Ich mußte mich begnügen, den Plan zu dem Krankenhause entworfen zu haben, die Mitwirkung bei der Ausführung des Baues, die Einrichtung des Hauses und die Direktion der Anstalt mußte ich einem jüngern Mann überlassen, und alles, was ich hätte leisten können, wäre gewesen, ihn dabei zu unterstützen, wenn er anders diese Unterstützung sich würde haben gefallen lassen. Ich bat daher bei der Regierung um meine Versetzung in den Ruhestand, und höchst ehrenvoll wurde mir meine Bitte von dem König bewilligt. – Daß auch dieser Schritt großes Aufsehen in der Stadt machte, läßt sich denken. Aber dies kümmerte mich nun nicht mehr, und ich war froh, daß ich diesen wichtigen Schritt endlich getan hatte. Mehr als fünfzig Jahre hatte ich größtenteils für andere gelebt, es war mir nicht zu verdenken, wenn ich auch noch einige Jahre für mich leben wollte. Schon dies ließ mich jenen Schritt nicht gereuen; dann hatte ich schon längst bei mir beschlossen und es auch da und dort laut ausgesprochen, daß, wenn es nicht bald mit der Herstellung des neuen Krankenhauses ernst werden würde, ich nichts mehr damit zu schaffen haben wolle, der Ärger über die lange Verzögerung befestigte mich in meinem Entschluß, und der Gedanke, die unerwartete Niederlegung meiner Stelle könnte vielleicht zur Beschleunigung des magistratischen Beschlusses indirekt mehr tun als alle meine bisherigen so oft vergebens wiederholten direkten Anregungen, bestimmte mich zu seiner Ausführung. Ich dachte nämlich, der Magistrat werde entweder die Niederlegung meiner Stelle als die Wirkung meines Ärgers ansehen und mir zum Trotze gleich nach meiner Entlassung Hand an das Werk legen, oder er werde, besser von mir denkend und einsehend, daß er meine[303] Mitwirkung dabei nicht entbehren könne, noch während meiner Anwesenheit in Nürnberg den so lange verzögerten definitiven Beschluß fassen. Wahrscheinlicher als das erste schien mir das letzte, und was ich vermutete, geschah. Die unerwartete Niederlegung meiner Stelle war ein neuer Antrieb für den ersten Bürgermeister, seinen Vortrag über die Errichtung des neuen Krankenhauses zu beschleunigen. Wenige Tage nachdem meine Entlassung bekannt geworden, bildete er ein aus dem zweiten Bürgermeister, einigen Mitgliedern des Magistrats und der Gemeindebevollmächtigten, dem königlichen Stadtkommissär, dem königlichen Stadtgerichtsarzt und mir bestehendes Komitee, der Tag der Sitzung wurde anberaumt, das Komitee hatte sich eingefunden, der vorsitzende erste Bürgermeister hielt einen ebenso umfassenden als gründlichen Vortrag über den Gegenstand, alle Glieder des Komitees stimmten ihm bei, die Erbauung des Krankenhauses wurde einstimmig beschlossen, und ich hatte die Freude, wenigstens den Hauptschritt zur Ausführung meines Plans getan zu sehen. Hätte ich meine Stelle nicht niedergelegt, so wäre allem Ansehen nach dieser Schritt viel später, vielleicht gar nicht getan worden, und so kann ich wohl sagen, was mir zuvor in einer langen Reihe von Jahren direkt nicht gelang, ist mir endlich indirekt in einer einzigen Sitzung von einigen Stunden gelungen. Und so hatte ich nun das Ziel, nach welchem ich so lange strebte, wenigstens so weit erreicht, als ich es erreichen konnte. Ich konnte mir wegen zu frühzeitigen Abtritts von meinem Amt keinen Vorwurf machen, ich konnte Nürnberg getrost verlassen, und was mich über meinen Abgang noch mehr beruhigte, war, daß mich der Magistrat in einem an mich erlassenen sehr ehrenvollen Schreiben aufforderte, auch aus der Ferne zum Besten der Krankenanstalten fortzuwirken.
Endlich kann ich nicht leugnen, daß ich die wenigen Jahre, die mir vielleicht noch zu leben vergönnt sind, in dem Schoße meiner Familie zuzubringen wünschte. Ein Greis von achtundsiebenzig Jahren ist getrennt von den Seinigen übel daran. So viele Freunde er auch haben mag, steht er doch allein, es fehlt ihm an tausend Dingen, die ihm nur die Seinigen gewähren[304] können, und wenn er vollends kränklich wird, so ist er doch bei aller Hülfe, die ihm seine Freunde leisten mögen, verlassen, und das Gefühl, allein zu sein, macht ihn bei aller Resignation, deren er fähig ist, unglücklich. Je näher die Abreise meiner Familie herbeikam, desto tiefer fühlte ich dies, und wenn ich zuvor minder fest entschlossen war, Nürnberg zu verlassen und mit meiner Familie nach Nördlingen zu ziehen, so war ich es jetzt desto fester. So vieles mir auch Nürnberg wert gemacht hatte, die vielen Jahre, die ich dort verlebt, die vielen Freunde, die ich mir erworben, die allgemeine Achtung, in der ich bei dem Publikum stand, und noch so vieles andere, so fiel mir doch der Abschied von der alten, ehrwürdigen Stadt nicht so schwer, als ich gefürchtet hatte. Der Gedanke, bei den Meinigen zu bleiben und in ihrem Kreise den Rest meines Lebens, meiner selbst genießend, zuzubringen, überwog jeden andern Gedanken, und ohne meinen Entschluß zu bereuen, zog ich mit meiner Familie nach Nördlingen, wohin mein Schwiegersohn schon vor einigen Monaten vorausgegangen war und unsere Ankunft mit Sehnsucht erwartete.
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