Bidder, Heinrich Friedrich

[165] Bidder, Heinrich Friedrich, 28. Oktober (9. November) 1810 auf dem Gute Laudohn in Livland geb., studierte von 1828 bis 34 in Dorpat, wurde hier 1834 Dr. med., ging dann nach Deutschland, wo er mit längerem Aufenthalt in Berlin bis 1836 verweilte, und erhielt nach seiner Rückkehr die Stellung als ausserordentlicher Professor der Anatomie und Prosektor. 1842 zum ord. Prof. ernannt, vertauschte er bereits 1843 den Lehrstuhl der Anatomie mit dem der Physiologie und verwaltete diesen bis 1869, wo er seinen Abschied nahm, um als Emeritus bis zu seinem 27. August 1894 erfolgten Ableben in Dorpat[165] zu verweilen. Bis 1858 hatte B. auch über pathol. Anat. gelesen und von 1857 bis 64 das Rektorat der Universität verwaltet. 1877 wurde er Präsident der Dorpater Naturforscher-Versammlung, 1879 erhielt er als Erster die Baer-Medaille der Petersburger Akad. der Wissenschaften, zu deren Ehren-Mitglied er 1884 ernannt wurde. B.'s Arbeiten auf dem Gebiet der Biologie, z.T. im Verein mit Alfred Wilhelm Volkmann, später vielfach mit Carl Schmidt und Karl Kupffer, betreffen Untersuchungen über den Sympathicus u. d. T.: »Die Selbständigkeit des sympathischen Nervensystems, durch anatomische Untersuchung nachgewiesen« (Leipzig 1842), ferner die Physiologie der Nerven, die Innervation des Herzens, und vor allem die Verdauungssäfte und den Stoffwechsel. Die letztgenannten mit Karl Schmidt angestellten Forschungen erschienen u. d. T.: »Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel, eine physiologisch-chemische Untersuchung« (Leipzig 1852) und sind von grundlegender Bedeutung. Auch zahlreiche, nicht unwichtige Entdeckungen auf dem Gebiet der Histologie und pathol. Anat. rühren von B. her, u.a., über den Bau der Retina, der Malpighischen Körperchen, der Haare, Knochen, über den Epithelialkrebs und die Genese der Gelenkmäuse.

– Von den Söhnen B.'s ist neben dem seit 1876 als Petersburger Professor der Gynäkologie fungierenden Ernst Friedrich B., geb. 19. April 1839, welcher sich 1899 nach Thüringen in den Ruhestand zurückzog, noch dessen jüngerer Bruder Alfred B., zu erwähnen. Derselbe 9. Jan, 1844 in Dorpat geb. und daselbst 1868 promoviert, wirkte bis Ende 1872 an der chirurgischen Klinik in Halle, dann als Arzt in Mannheim und seit 1883 in Berlin. Hier erhielt er 1894 die Stellung als Dirigent des Kreiskrankenhauses bei Britz, gab jedoch diese bereits 1898 auf. Seine, wissenschaftlichen Forschungen haben sich besonders auf die Wachstumsverhältnisse der Röhrenknochen, die Regeneration des Knochengewebes, namentlich in Bezug auf die Resultate der Resektionen bezogen. Sie sind, ebenso wie die »Experimente über den Mechanismus der Brucheinklemmung« in v. Langenbeck's Archiv (XVIII, XXII, XXVIII) publiziert.[166] Eine jüngere Arbeit: »Die Beziehungen der Alkalien der Nahrungsmittel (Nährsalze) zur Ätiologie der Tuberkulose« findet sich in B. kl. W. (1883). Andere Arbeiten betreffen die Lähmung des Radialis, die Behandlung des Furunkels und der Verbrennungen, der einfachen Oberschenkelbrüche mit Gewichtsextension, die kombinierte Extensionsbehandlung bei beginnender Hüftgelenksentzündung, die Streckbehandlung von Gelenkkontrakturen, seltene Geschwulstbildungen u.a.m.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 165-167.
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