[1721] Traube, Ludwig, zu Berlin, berühmter Kliniker, geb. 12. Jan. 1818 zu Ratibor in Oberschlesien als älterer Bruder des auch durch tüchtige naturwissensch. Arbeiten bekannten Weinhändlers Moritz T., bezog 1835 die Univ. Breslau, wo ihn besonders die physiol. Vorlesungen Purkinje's fesselten. 1837 vertauschte er Breslau mit Berlin, hörte hier mit Vorliebe[1721] Johannes Mueller, studierte in seinen Mussestunden die Werke der Franzosen, vor allem Magendie's und Laënnec's und gehörte, als Schoenlein 1840 nach Berlin berufen wurde, auch zu dessen eifrigsten Zuhörern. 1840 promovierte er mit der Diss.: »Specimina nonnulla physiologica et pathologica«, die einige kleinere selbständige Beobachtungen enthielt. Noch vor absolviertem Staatsexamen ging T. nach Wien und bildete sich besonders unter Skoda in der Handhabung der physikal. Untersuchungsmethoden, und unter Rokitansky in der pathol. Anat. aus. Dann kehrte er nach Berlin zurück, erlangte 1841 die Approbation als Arzt, machte 1843 abermals eine wissenschaftl. Reise nach Wien und liess sich darauf in Berlin nieder. Hier begann er 1843, auf Anregung mehrerer jüngerer Ärzte, Auskultations- und Perkussionskurse zu erteilen, die seinen Namen bald bekannt machten. Inzwischen wandte er sich, da ihm durch ein 1844 erlassenes Verbot der Armen-Direktion das Material zu seinen Kursen so gut wie abgeschnitten wurde, dem in Deutschland bisher fast unbetretenen Wege des Experimentes an Tieren zu und beschäftigte sich zunächst mit dem Studium der durch Longet angeregten Frage über die Natur der nach Durchschneidung der Vagi experimentell erzeugten Lungenaffektion. Als Resultat dieser Untersuchungen, durch die T. zugleich der Begründer der experim. Pathol. in Deutschland geworden ist, erschien die[1722] berühmte, bahnbrechende Abhandlung: »Die Ursachen und die Beschaffenheit derjenigen Veränderungen, welche das Lungenparenchym nach Durchschneidung der Nn. vagi erleidet«. Diese Monographie, sowie die nachfolgende Arbeit: »Beitrag zur Lehre von den Erstickungserscheinungen am Respirationsapparat« (veröffentlicht 1846 und 47 in dem von T. zus. mit Virchow und Reinhardt gegründeten Journal: »Beiträge zur experimentellen Pathologie«) erregten das grösste Aufsehen bei allen ärztl. Autoritäten. Nachdem ihm als Juden, erst infolge der polit. Ereignisse von 1848 die Habilitation zum Privatdozenten an der Univ. ermöglicht war, wurde er auch schon im folgenden Jahr als der erste Zivil-Assistent an der Klinik von Schoenlein angestellt und zugleich mit der Aufgabe betraut, in der Auskultation und Perkussion Unterricht zu erteilen. Er entfaltete nun an der Charité eine ausserordentlich fruchtbare Thätigkeit als Forscher und Lehrer, wurde 1853 zum dirig. Arzt einer Abteilung, 1857 zum Prof. e. o. ernannt und seine Abteilung, als durch den Abgang E. Wolff's die 2. Klinik einging, zur propäd. Klinik erhoben. Er gehörte nach Schoenlein's Abgang unbedingt zu den beliebtesten und berühmtesten Klinikern, wurde 1862 zum ord. Prof. an den milit.-ärztl. Bildungsanstalten ernannt und erhielt 1866 den Charakter als Geh. Med.-Rat; erst 1872 erfolgte seine Ernennung zum ord. Prof. der med. Fakultät. 1875, bei Gelegenheit des Jubiläums der Univ. Leyden, wurde er zum Ehrendoktor dieser Univ. ernannt. In den letzten Lebensjahren kränkelte T. sehr und musste darum vielfach seine Thätigkeit unterbrechen; sein Tod erfolgte 11. April 1876. Seine zahlreichen klin.-kasuist. und experiment.-pathol. Arbeiten, unter denen neben den schon vorhin genannten besondere Bedeutung die Untersuchungen über Fieber, über die Wirkungen der Digitalis und über den Zusammenhang von Herz- und Nierenkrankheiten beanspruchen, erschienen meist zuerst in den Charité-Annalen, den Verhandlungen der Berliner med. Gesellschaft, deren sehr eifriges Mitglied T. war, sowie in anderen Journalen zerstreut und sind später zusammengefasst in den »Gesammelten Beiträgen zur Pathologie und Physiologie« (2 Bde., Berlin 1871;[1723] Bd. I enthaltend die experiment. Untersuchh., Bd. II die klin. Arbeiten) publiziert worden. Ein 3., erst nach dem Tode T.'s von seinem Neffen A. Fraenkel herausgegebener Band (Berlin 1878) enthält die Tagebücher und den sonstigen wissensch. Nachlass T.'s. Ausserdem rührt von T. noch eine selbständig erschienene, leider unvollendet gebliebene Monographie her: »Die Symptome der Krankhh. des Respirations- u. Circulationsapparates« (Berl. 1867).