Welcker, Hermann

Welcker, Hermann
Welcker, Hermann

[1830] Welcker, Hermann, Anatom und Anthropolog in Halle, entstammte einer ansehnlichen Gelehrtenfamilie, war Neffe des Altertumsforschers Gottlieb W., des Mitbegründers der alten Bonner Philologenschule, und des freisinnigen Politikers und Publizisten Karl Theodor W., Mitherausgebers des »Staatslexikons«. Geb. 8. April 1822 in Giessen, begann W. seine Studien in Bonn 1841 und beendigte sie in seiner Vaterstadt, wo er 1851 promovierte, 1850 bis 53 Assistent an der med. Klinik war, 1853 sich für Anatomie habilitierte und 1855 Prosektor wurde. 1859 folgte er einem Ruf als Prosektor und Prof. e. o. nach Halle, erlangte hier 1866 die ord. Professur der Anatomie und war seit 1876 als Nachfolger von A. W. Volkmann auch Direktor des anat. Instituts, eine Stellung, die er bis zu dem 1893 aus Gesundheitsrücksichten erfolgten Rücktritt verwaltete. Er zog sich nach Winterstein im Gothaischen zurück und starb hier 12. Sept. 1897. W. gehörte zu den verdientesten und vielseitigsten medizinisch-naturwissenschaftl. Forschern der Neuzeit.[1830] Das weit über 50 Nummern betragende Verzeichnis von W.'s schriftstellerischen Arbeiten in dem älteren Lexikon zeigt, dass W.'s Produktivität den verschiedensten Gebieten zu Gute gekommen ist: Optik, Mikroskopie, Histologie, Biologie, Anatomie, Anthropologie und Ethnologie und dazu noch verschiedenen anderen Zweigen des menschlichen Wissens. Wir heben vor allem die schönen Arbeiten über »Schiller's Schädel und Todtenmaske nebst Mittheilungen über Schädel und Todtenmaske Kant's« (Braunschweig 1883) – über den »Schädel Raphael's und die Raphaelporträts« (Archiv für Anthropol. XV) – über den »Schädel Dante's« (Anthrop. Review 1867) hervor. Die Mikroskopie förderte W. durch Angabe von Methoden zur Ausmessung des senkrechten Durchmessers mikroskopischer Objekte und zur Unterscheidung der Erhöhungen und Vertiefungen in mikroskopischen Präparaten, durch Konstruktion eines Zahlenmikrometers. Die Physiologie verdankt W. wesentliche Bereicherungen in der Blutlehre; so verbesserte er u.a. die Vierordt'sche Methode der Blutkörperchenzählung, lieferte Modelle der Blutkörperchen, deren Grösse, Zahl, Oberfläche und Farbe beim Menschen er bestimmen lehrte, untersuchte systematisch und im grösseren Massstabe die Blutmenge bei Menschen und Tieren, wobei eine Reihe von früheren Irrtümern berichtigt wurden, und lehrte ein besonderes Färbeverfahren zur Feststellung des Gehaltes des Blutes an gefärbten Körperchen. Zur makroskopischen Anatomie bezw. Anthropologie brachte W. noch Beiträge über Hirnventrikel, über Bau und Entwickelung der Wirbelsäule, über Gelenke, Untersuchungen über Bau und Wachstum des menschlichen Schädels nebst einem besonderen Messungssystem, mit welchem er die deutschen und holländischen Sammlungen 1860 bis 65 durchforschte, und verschiedene andere kraniologische Studien.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1830-1831.
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