Augspurg, Anita

[24] Augspurg, Anita, Dr. jur., München, Kaulbachstr. 51 a. Lina Morgenstern schreibt in der »Deutschen Hausfrauen-Zeitung«: Anita Augspurg stammt aus Verden, einer kleinen Stadt der Provinz Hannover, mütterlicherseits aus der bekannten, fast nur aus Ärzten bestehenden Familie Langenbeck, väterlicherseits aus der fast nur aus Juristen bestehenden Familie Augspurg. Als nachgeboren, wurde sie fast wie ein einziges Kind betrachtet, das sich viel selbst überlassen blieb. Mit einer reichen Phantasie begabt, beschäftigte sie sich lieber allein mit selbstgeschaffenen Gebilden, als mit Spiel- und Altersgenossen. Früh entwickelte sich ihre Liebe zur Natur und den Tieren. Sie streifte gern in Haide und Feld umher, wie sie überhaupt ihren Körper durch Kraftübungen zu stärken suchte. Ihrer glücklichen Kindheit folgte jedoch eine Jugendzeit, in der sie sich unglücklich in engherzigen Formen und philiströsem Elend der kleinen Stadt fühlte. So viel es anging, zog sie sich von dem unerquicklichen Gesellschaftstreiben zurück und suchte ihre Zerstreuung und Erhebung in Studien der Litteratur und Kunst. Ihr Vater, der Rechtsanwalt war, beschäftigte sie auch mit Arbeiten in seiner Kanzlei. Bei den damaligen Vorurteilen, namentlich der Kleinstädter, war es selbstverständlich, dass sie bald als überspannt erklärt wurde, aber je weniger sie Verständnis in ihrer Umgebung fand, desto mehr erwachte der Drang nach Selbständigkeit und künstlerischer Lebensgestaltung. Im Anfang glaubte sie, bei ihrer grossen Vorliebe zur Malerei, dass sie diesen Beruf erwählen würde, aber bald war es die Schauspielkunst, für die sie sich entschied. Schwer erkämpfte sie von den Eltern, dass sie sie vom Hause fortliessen, und es musste der Verwandtschaft verheimlicht werden, dass sie nach Berlin zog, um sich von Frau Frieb-Blumauer zur Künstlerin ausbilden zu lassen. Nach einigen Jahren sah sie sich am Ziel ihrer Wünsche und war auf den Bühnen in Meiningen, Riga, Altenburg und Amsterdam thätig. Allein es blieben ihr innere Konflikte nicht erspart. Sie vermochte nicht, sich in dem Schablonismus und dem Treiben am Theater wohl zu fühlen und sagte demselben Valet, um sich ihre Selbständigkeit in einem geschäftlichen Berufe[24] zu sichern. Im Verein mit Sophia Goudstikker begründete sie in München ein photographisches Atelier, dessen schnelles Emporblühen namentlich dem hervorragenden Talent des Fräulein Goudstikker zu danken war. Nun erst konnte Anita zu voller Kraft- und Lebensentwickelung gelangen, indem sie in einen neuen Kreis trat, wo Kunst- und Geistesleben die gesellschaftliche Atmosphäre bildeten und sie sich so wohl fühlte, dass sie München als ihre eigentliche Heimat betrachtet. Wie Anita selbst sich ausdrückt, »streifte sie nun die letzten Eierschalen des konventionellen Lebens ab in der freien Luft Süddeutschlands, welche der Entwickelung einer Individualität so ungleich günstiger ist, als der Norden.« Durch zufällige Anregung trat sie in die Frauenbewegung ein, indem sie von dem Verein Frauenbildungsreform gewonnen wurde, der sie bald in seinen Vorstand aufnahm. Sie machte für denselben Agitationsreisen durch ganz Süddeutschland bis Strassburg einerseits und Wiesbaden andererseits. Allein schon winkte ihr ein anderes Ziel: es war die Rechtsstellung der Frau in dem zu erwartenden Bürgerlichen Gesetzbuch, welche ihr lebhaftes Interesse erregte. Sie fühlte, dass juristische Kenntnisse der Frau notwendig seien und die einzige sichere Basis bilden, um mit den alten Traditionen zu brechen. So beschloss sie 1894, sich dem Studium der Jurisprudenz zu weihen und in ihrer impulsiven Art führte sie auch sofort den Beschluss aus, indem sie sich auf der Universität in Zürich immatrikulieren liess. Im Winter 1895/96 unterbrach sie ihre Studien und hielt in den verschiedensten Städten Deutschlands Vorträge, um die Frauen aus ihrer Indolenz, die eigene gesetzliche Stellung betreffend, aufzurütteln. Namentlich beteiligte sie sich bei der Organisation des kräftigen Protestes gegen die Gesetze des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches, welches der Frau im Familienrecht Einschränkungen auferlegt. Sie nahm an den beiden Frauenprotestversammlungen im Februar und Juni 1896 in Berlin, ebenso an dem im September 1896 in Berlin tagenden Internationalen Kongress teil, wo sie einen Vortrag über das Recht der Frau hielt. Anita Augspurg hörte Vorlesungen an der Universität in Berlin über das Rechtsstudium. Sie ist Mitbegründerin des Vereins für Frauenstudium und dessen provisorische Vorsitzende und ging zur Vollendung ihrer Studien nach Zürich, woselbst sie im August 1897 zum Dr. Juris promoviert ist.

‒ Anleitung zur Blumenmalerei in Öl, Aquarell, und Deckfarben. 8. (29) Dresden 1890, Leipzig, Levien. n 1.–

‒ Die ethische Seite der Frauenfrage. 12. (35) Minden 1893, W. Köhler. n –.60

‒ Gesegnete Mahlzeit, Kochanleitung. 8. (40) Dresden 1892, Volksbücher-Verlag M. Fischer. bar –.80

‒ Pflege deine Blumen. 8. (32) Ebda. 1892, bar –.20

‒ Untersuchungen über Praxis und Entstehung der Volksvertretung in England. Inauguraldissertation. München 1897.

‒ Wie kleide ich mich? Prakt. Anleitung zur gesundheitsgemässen und geschmackvollen Kleidg. f. Jedermann. 8. (32) Dresden 1893. Volksbücher-Verlag M. Fischer. –.30

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 24-25.
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