Winkler, Anna

[441] *Winkler, Anna, geb. Lehmann, Oetzsch bei Leipzig, Hauptstrasse 98, am 18. März 1861 als Tochter eines Schmiedes zu Leipzig-Lindenau geboren, hat die Volksschule besucht. Der heisse Wunsch, einen Beruf als Lehrerin oder dergleichen, ergreifen zu können, wurde ihr nicht erfüllt. Gänzliche Mittellosigkeit der Eltern und deren geringes Verständnis für geistige Arbeiten stellten sich diesem Wunsche entgegen. Man hielt Lesen und Schreiben, das Liebhaben der Künste und ein eifriges Streben als nicht für ihren Stand passend. Sie that heimlich, was man nicht dulden wollte. Auf diese Weise bildete sich bei ihr die Schriftstellerei aus. Mit sechzehn Jahren brachte sie ihre erste kleine Novelle in die Öffentlichkeit und erwarb sich damit in ihrem Kreise die Bemerkung: »Verrückt!« Sie liess sich jedoch nicht irre machen, arbeitete weiter und hatte bald die Genugthuung, weitere Kreise für sich zu interessieren. Man fand aber, dass für ihren Stand dergleichen Thätigkeit ein Luxus sei, dass viele andere Talente noch in ihr schlummerten und sie wohl ausgezeichnet zur Diakonissin passen würde. Man brachte sie in einem Alter von 161/2 Jahren zu Diakonissinnen, doch Anna wollte viel lieber Schauspielerin werden und obgleich sie kaum zweimal ein Theater bis dahin gesehen hatte, so fühlte sie doch, dass dort die Kunststätte sei, die ihrem Geist vorschwebte. Anna durchkostete während dieser Zeit des Verzichtens alle Stadien des Seelenleides. Im Alter von zwanzig Jahren machte sie ihr Examen als Klein-Kinder-Lehrerin und kam bald darauf an ein Institut der innern Mission zu Leipzig als Lehrerin, woselbst sie mehrere Jahre – bis zu ihrer Verheiratung – thätig war. In dieser Zeit schrieb sie auch mehrere Aufsätze für Zeitungen, ferner das Schauspiel »Die Teufelsbraut«, mehrere Novellen, und etwas später das Märchendrama »Die Schneekönigin«. Einige[441] scenische Prologe, die in Leipzig zur Aufführung kamen, weckten das alte Streben und den alten Eifer. Die erste der Öffentlichkeit übergebene dramatische Arbeit war das Drama »Charlotte«.

‒ Charlotte. Drama in 5 Aufz. 12. (82) Leipzig 1898, P. Friesenhahn. 1.–

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 2. Berlin, 1898., S. 441-442.
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