Kapitel XX.
De histrionca
oder
Von der Gaukler- und Komödiantenkunst

[91] Das gauklerische Tanzen ist eine Kunst, nachzuahmen, und eine Sache mit Gebärden an Tag zu geben, wodurch die Sitten und Affekten so klar und deutlich präsentieret werden, dass der Zuschauer, obgleich der Gaukler nichts redet, ihn aus seinen Sitten und Gebärden klar verstehen kann. So viel kann diese Kunst wirken, dass man keinen Dolmetscher nötig hat; denn durch ihre artige Stellung repräsentieren sie einen Alten, einen Knaben, ein Weib, einen Knecht, einen Trunkenen, einen Zornigen, ja aller Menschen Unterscheid und Affekten stellen sie also vor, dass auch einer, der von weitem steht und zuschaut, ob er sie gleich nicht reden hört, doch aus ihren Mienen und Springen vernimmt, was sie haben wollen.

Dahero lesen wir, dass die Komödianten nicht in geringem Wert sind gehalten worden und ist aus dem Macrobio bekannt, dass Cicero mit dem Komödianten, dem Roscio, welcher auch dem Syllae Dictatori lieb gewesen, habe pflegen zu disputieren, wer von ihnen beiden eine Idee besser darstellen könnte, ob der eine[91] durch sein Spiel oder der andere durch seine Redekunst; welches den Roscium dergestalt bewogen, dass er ein Buch geschrieben, darinnen er die Beredsamkeit mit der Komödiantenkunst verglichen hat. Aber die Massilier, wie Valerius Zeugnis gibt, haben über ihre Gravität und Ansehen so gehalten, dass sie solchen Leuten bei ihnen keinen Zutritt verstattet haben, und zwar nicht unbillig, weil durch ihr Wesen nichts als meistenteils Hurenaktus repräsentieret werden, damit sie nicht, indem sie solches sehen, dergleichen Sachen zu exerzieren Anlass bekommen möchten. Überdieses, so ist ja diese Kunst zu exerzieren nicht allein schändlich und ein leichtfertiges Werk, sondern auch lasterhaft dasselbe anzusehen und sich daran zu delektieren, weil die Belustigung eines so leichtfertigen Gemüts meistenteils auf Sünde und Schande hinausläufet. Endlich hat vor Zeiten nichts Unehrlichers können genennet werden, als der Name eines Gauklers oder Komödianten, und wurden diejenigen zu keinen Ämtern genommen, die diese Kunst getrieben und auf dem Theatro agieret und rumgesprungen hatten.[92]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 91-93.
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