Die einzelnen Linien

[50] Anfangs eine Sechs bedeutet:

Ein Heer muß ausziehen nach der Ordnung.

Ist die nicht gut, droht Unheil.


Zu Beginn einer kriegerischen Unternehmung muß Ordnung herrschen. Es muß ein gerechter und triftiger Grund da sein, und der Gehorsam und das Ineinandergreifen der Truppen muß wohl organisiert sein, sonst ist Mißerfolg die unvermeidliche Folge.
[50]

Û Neun auf zweitem Platz bedeutet:

Inmitten des Heeres!

Heil! Kein Makel!

Der König verleiht dreifache Auszeichnung.


Der Führer muß inmitten seines Heeres sein. Er muß Fühlung mit ihm haben und Gutes und Böses mit den Massen teilen, die er führt. Nur auf diese Weise ist er der schweren Anforderung gewachsen, die auf ihm ruht. Er bedarf dabei der Anerkennung durch den Herrscher. Die Auszeichnungen, die er erhält, sind berechtigt, da es sich nicht um persönliche Bevorzugung handelt, sondern in dem Führer das ganze Heer geehrt wird, in dessen Mitte er weilt.


Sechs auf drittem Platz bedeutet:

Das Heer führt etwa im Wagen Leichen. Unheil!


Die eine Erklärung deutet auf eine Niederlage infolge davon, daß ein anderer als der berufene Führer sich in die Leitung einmischt. Die andere Erklärung stimmt dem Sinne nach damit überein, nur daß der Ausdruck »Leichen im Wagen führen« anders gedeutet wird. Bei Beerdigungen und Totenopfern war es in China Sitte, daß der Verstorbene, dem geopfert wurde, durch einen Knaben aus der Familie vertreten wurde, der am Platz der Leiche saß und an der Stelle des Verstorbenen geehrt wurde. Daraus entnimmt diese Erklärung den Sinn, daß auf dem Wagen ein »Leichenknabe« sitzt, d.h. daß die Autorität nicht von der dazu berufenen Stelle ausgeht, sondern sich von andern angemaßt wird. Vielleicht läßt sich die ganze Schwierigkeit beheben durch Annahme eines Schreibfehlers (fan = alle für schï = Leiche). Dann würde der Sinn ohne weiteres sein: Wenn im Heer etwa sich die Menge zum Herrn macht (auf dem Wagen fährt), so ist das unheilvoll.


Sechs auf viertem Platz bedeutet:

Das Heer zieht sich zurück. Kein Makel.


Wenn man einem überlegenen Feind gegenübersteht, mit dem der Kampf aussichtslos ist, so ist ein geordneter Rückzug das einzig Richtige, weil durch ihn das Heer vor Niederlage und Auflösung bewahrt wird. Es ist keineswegs ein Zeichen von Mut oder Stärke, einen aussichtslosen Kampf unter allen Umständen annehmen zu wollen.


Û Sechs auf fünftem Platz bedeutet:

Im Feld ist ein Wild. Es ist fördernd, es zu fangen.[51]

Ohne Makel.

Der Älteste führe das Heer.

Der Jüngere fährt Leichen,

da bringt Beharrlichkeit Unheil.


Das Wild ist im Feld, d.h. es hat seinen Aufenthaltsort, den Wald, aufgegeben und ist in die Felder verwüstend eingebrochen. Das deutet auf einen Einbruch des Feindes. In diesem Fall ist energischer Kampf und Bestrafung durchaus berechtigt. Nur muß der Kampf nach der Regel geführt werden. Er darf nicht zum wilden Durcheinander werden, da sich jeder auf eigene Faust wehrt. Das würde trotz größter Beharrlichkeit und Tapferkeit zu Unheil führen. Sondern das Heer muß von einem erfahrenen Führer geleitet sein. Es muß Krieg geführt werden. Nicht darf die Menge einfach totschlagen, was ihr in die Hände kommt, sonst erleidet man eine Niederlage, und trotz aller Beharrlichkeit droht Unheil.


Oben eine Sechs bedeutet:

Der große Fürst erläßt Befehle,

gründet Staaten, belehnt Familien.

Gemeine Menschen soll man nicht benützen.


Der Krieg ist siegreich beendet. Der Sieg ist gewonnen, der König verteilt unter seinen Getreuen Lehen und Familienbesitz. Dabei ist es aber wichtig, daß gemeine Menschen nicht zur Macht gelangen dürfen. Wenn sie mitge holfen haben, so mag man sie mit Geld abfinden. Aber Landgebiete und Herrschaftsrechte darf man ihnen nicht verleihen, damit kein Mißbrauch vorkommt.


Die einzelnen Linien
Quelle:
I Ging. Köln 141987, S. 50-52.
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