Meinem lieben Freunde
Professor Dr. Heinrich Kern in Leiden
Als Erinnerung an die in den Sommern 1868 und 1871 in Jena gemeinsam verlebten Tage.
4650. Eine Fliege, Wind, eine Buhldirne, ein Bettler, eine Maus, ein Dorfältester und ein Astrolog, diese sieben sind dazu da um Andere zu quälen.
4651. Fliegen ist es um eine Wunde zu thun, Fürsten um Reichthümer, gemeinen Menschen um Hader, Guten um Ruhe.
4652. (4680.) Fliegen spüren Wunden auf, Bienen – Blumen, gute Menschen – Vorzüge, gemeine Menschen – Fehler.
4653. Berührung heilbringender Gegenstände, Verbindungen, Studium, Fleiss, Redlichkeit und häufiges Sehen vorzüglicher Menschen schaffen Wohlfahrt.
[1] 4654. (2085.) Man stürze sich in's Wasser, steige auf des Meru Gipfel, besiege die Feinde in der Schlacht, erlerne den Handel, den Ackerbau, den Dienst und andere Gewerbe, alle Wissenschaften und Künste, erhebe sich wie ein Vogel in den weiten Himmelsraum und wende alle seine Kraft an: was nicht geschehen soll, geschieht hier auch nicht in Folge des Schicksals, und wie sollte anderseits das, was geschehen soll, unterbleiben?
4655. Das spanische Rohr prangt mit seinen Blüthensträussen an den Ufern der Flüsse und will gleichsam mit seinem Finger fragen, welcher Baum ihm wohl gleichkäme.
4656. (2086.) Ein Edelstein rollt vor den Füssen, ein Glasstück wird auf dem Haupte getragen: wie es ihnen gerade ergeht, so mag es ihnen ergehen; Glas bleibt doch Glas und Edelstein Edelstein.
4657. (2087.) Ein auf einem Schleifstein abgeschliffener Edelstein, ein[2] durch ein Wurfgeschoss durchbohrter Sieger in der Schlacht, ein durch Brunst abgemagerter Elephant, Flüsse, die im Herbst trocken gelegte Sandbänke zeigen, der Mond, wenn nur ein schmaler Streifen von ihm übrig geblieben ist, ein junges Weib, das durch Liebesgenuss mitgenommen wurde, und Fürsten, die ihr Vermögen durch Spenden an Bedürftige erschöpften, gewinnen an Ansehen durch den Verlust ihrer Fülle.
4658. (2088.) »Verstand ist mehr werth als Kraft; weil jener fehlt, deshalb befinden sich Elephanten in dieser Lage.« Solches ruft die vom Führer angeschlagene Trommel auf dem Elephanten, wenn sie ertönt, gleichsam öffentlich aus.
4659. (2089.) Selbst der Guten Meinung geräth in's Schwanken in Folge von Reden böser Menschen; bei wem solche Reden Vertrauen erwecken, der geht wie Kitrakarna (das Kamel) in den Tod.
4660. (2090.) Der Trunkene, der Fahrlässige, der Wahnsinnige, der Ermüdete, der Erzürnte, der Hungrige, der Habsüchtige, der Furchtsame, der Eilende und der Verliebte kennen kein Gesetz.
4661. (4681.) Wer das Gesetz kennt, tödtet nimmer einen Feind, wenn dieser trunken, nicht auf seiner Hut oder verrückt ist, wenn er schläft,[3] wenn er ein Kind, ein Weib oder ein Schwachkopf ist, wenn er bei ihm Zuflucht sucht, wenn er um seinen Kriegswagen gekommen oder von Furcht ergriffen ist.
4662. (2091.) Es giebt auf Erden Helden zum Spalten der Stirnanschwellungen brünstiger Elephanten, es sind Einige geschickt sogar im Tödten eines wüthenden Löwen; aber, ich sage es den Starken in's Gesicht, es giebt wenige Menschen, die im Stande wären mit aller Kraftanstrengung den Uebermuth des Liebesgottes zu brechen.
4663. (2092.) Glücklich ist derjenige, der, vom Liebesgenuss ermüdet, mit der Brust an dem von Saffran feuchten, mit den Stirnanschwellungen brünstiger Elephanten an Umfang wetteifernden Busen der Geliebten ruhend, im Käfig ihrer Arme eingeschlossen, alsbald in Schlaf versinkend, die Nacht verbringt.
4664. (2093.) Wer wohl weckt, aus Verlangen Jama's Welt zu schauen, einen zweiten Todesgott, einen schlafenden Löwen, der sich im Zerfleischen der Stirnanschwellungen brünstiger Elephanten geübt hat?
4665. (4682.) Nachdem der Verständige mit dem Verstande geprüft, im Geiste vielfach erwogen, nachdem er gehört, gesehen und erkannt hat, schliesst er mit Einsichtigen Freundschaft.
[4] 4666. (2094.) Ein Fisch packt den andern und ein Blutsverwandter zweifelsohne den andern: um Râvana aus dem Wege zu räumen ehrte Râma den Vibhîshana (dessen Bruder).
4667. (4683.) Die Stimme eines von Liebeslust bewegten Flamingo's, Kokila's oder Pfauen reisst uns nicht in der Weise hin, wie der Beifallsruf weiser Männer.
4668. (4684.) Wissenschaft, die sonst Hochmuth und andere Untugenden wegwischt, erzeugt bei Thoren Hochmuth, gleichwie das Tageslicht, das sonst die Sehkraft erweckt, bei Eulen Blindheit hervorruft.
4669. Ein von Wein Berauschter hört und sieht ja noch Etwas, ein von Fürstenglück Berauschter aber hört und sieht Nichts mehr.
4670. Was bewirkt wie Wein Geistesverwirrung? Die Liebe. Wer sind die Räuber? Die Sinnesgegenstände. Was ist die Schlingpflanze des weltlichen Daseins? Die Gier. Wer ist unser Feind? Die Trägheit.
[5] 4671. (2095.) Wenn ein von Hochmuth aufgeblasener Fürst wie ein brünstiger Elephant auf unrechten Wegen wandelt, dann werden ja die Führer getadelt.
4672. (2096.) Wenn ein vor Hochmuth toller Fürst und ein brünstiger Elephant auf Abwegen wandeln, dann werden die ihnen zur Seite gehenden Führer getadelt.
4673. Wie Brahmanen ein berauschendes Getränk und wie Säufern geklärte Butter, so wird auch Andern, o Brahmane, etwas sonst Geniessbares ungeniessbar.
4674. Wie ein Topf für Branntwein, würde er auch mit Flusswasser gewaschen, nicht rein wird, so wird auch die Seele trotz alles Badens nicht rein, wenn sie durch Verblendung und Anderes besudelt ward.
4675. (4685.) Ein Bienenschwarm verlässt einen Mangobaum und begiebt sich zu einer Jasminstaude, darauf fliegt er wieder zu einem rothen Açoka und dann zu einem Kadamba; ohne gar lange zu verweilen, eilt er von diesem zu einer Lotusblüthe: die Welt mag nicht alte Bekannte und begehrt stets nach neuen.
[6] 4676. (4686.) Die Biene und die Riesenschlange sind in dieser Welt unsere besten Lehrmeister, da wir durch die von ihnen empfangene Lehre zur Entsagung und zur Genügsamkeit gelangt sind.
4677. (2097.) Honig ist in der Rede der Weiber und Nichts als Gift in ihrem Busen; darum eben saugt man an ihren Lippen und schlägt (drückt) die Brust mit Fäusten.
4678. (2098.) Wie die Bienen aus der Pflanze, so ziehe (der Fürst) aus dem Reiche den Honig; auch nehme er beim Melken Rücksicht auf das Kalb und reisse die Zitzen nicht wund.
4679. (4687.) Welch ein Unglück, dass sogar der Bienen Gesumme, das ihrer ob des Genusses von Honigseim sanft tönenden Kehle entfährt, dem Ohre Verliebter scharf erscheint!
4680. (2099.) Dieser Frühling vernichtet sogar durch die süssen Töne[7] der Kokila-Weibchen und durch die vom Malaja-Gebirge wehenden Winde Männer, die von ihren Geliebten getrennt sind: im Unglück wird, wie du siehst, selbst Nektar zu Gift.
4681. (2100.) Ihre Lippen sind süss wie Nektar, ihre Hand zart wie junge Sprossen, ihre Augen beweglich wie die einer erschrockenen Gazelle.
4682. (4688.) Der Frühling wird mittels der süssen, wohlriechenden Mangoknospen es schon dahin bringen, dass von der Gazellenäugigen Groll der blosse Name nachbleibt.
4683. (2101.) In wessen Geiste taucht nicht, o Lotusäugige, der Zweifel auf, ob deine durch der Brüste Last mitgenommene Taille noch da ist, oder nicht?
4684. (4689.) Wenn ein von der Mittagssonne gequälter Elephant in einen Teich steigt, dann beabsichtigt er, wie mir scheint, die Wasserrosen auszureissen, weil sie der Sonne Angehörige sind.
4685. (2102.) Durch die Weiber, die das Herz erquicken und hoch erfreuen, werden ja selbst grosse Charaktere gebrochen, wie Berge durch Gewässer.
[8] 4686. Das Herz ist schon von Natur unstät und als Ziel schwer in's Auge zu fassen; wie kommt es nun, dass der Liebesgott es mir dessenungeachtet mit allen seinen Pfeilen durchbohrt hat?
4687. (2103.) Eine Sache, die man im Geiste ausgedacht hat, soll man durch das Wort nicht verrathen, da eine Sache, die ein Anderer gewahr wird, nicht zu gelingen pflegt.
4688. (2104.) Mit dem Geiste wird beschlossen, darauf mit dem Worte verkündet, schliesslich mit der That vollbracht; darum ist der Geist meine Richtschnur.
4689. (2105.) Wer auch nur in Gedanken auf etwas für Andere seines Gleichen Unliebes sinnt, dem wird eben dieses zu Theil in dieser und in jener Welt.
4690. In Gedanken glaubt ja Jedermann die Glücksgöttin schon in der Hand zu haben, in Wirklichkeit aber gehorcht diese nur denen, die eine unbeschränkte Gewalt ausüben.
[9] 4691. (2106.) Wie viele solcher Edler giebt es, die in Gedanken, Worten und Thaten von nektargleichen Tugenden erfüllt sind, die die drei Welten durch ganze Reihen von Wohlthaten erfreuen, die die Atome fremder Vorzüge zu Bergen erheben und dabei im eigenen Herzen stets froh und heiter sind?
4692. Es ergiebt sich, dass die Liebe die Wurzel des Seelenschmerzes ist; die Liebe macht es, dass der Mensch sich an Etwas heftet und in Leid geräth.
4693. (2107.) Bei edlen Menschen stimmen Ge danken, Worte und Thaten vollkommen überein; bei bösen Menschen dagegen gehen Gedanken, Worte und Thaten weit auseinander.
4694. (2108.) Verständige schlagen es nicht hoch an, dass sie von Andern ihren Lebensunterhalt beziehen: die Kokila fühlen sich ja nicht hingezogen zu den opferverzehrenden Krähen (die ihre Ernährer sind).
4695. (2109.) Das Herz Verständiger gewinnt gerade durch den Aerger eine gute Laune: eine glühende Kohle erhält durch Asche einen noch grösseren Glanz.
[10] 4696. (2110.) Ein Verständiger stirbt wohl, erniedrigt sich aber nicht: Feuer erlischt zwar, wird aber nimmer kalt.
4697. (2111.) Wer nachsichtig ist, mag immerhin dem verzeihen, der ihn in geringem Grade oder nur ein Mal und nicht wieder beleidigte; wer aber möchte dem verzeihen, der immer und immer wieder beleidigt?
4698. (2112.) Da es nur eine Gattung »Mensch« giebt, so ist der Stand der Diener überaus verachtet. Wer nun nicht einmal unter ihnen der erste ist, wird auch der zu den Lebenden gezählt?
4699. (4690.) Sind Leute reich geworden, so verlangen sie ja alsbald nach dem Königthum; vom Königthum verlangen sie nach der Stellung der Götter, von der Stellung der Götter nach Indra's Macht sogar.
4700. Das Herz ist der Gott, der heilige Badeplatz, die Meditation und das Gebet, ohne das Herz ist Alles vergebens; darum soll man des Herzens Meister werden.
4701. (4691.) Diejenigen, deren Rath der Absicht und deren Absicht[11] dem Wohle des Herrn entspricht, sind die wahren Minister der Fürsten, nicht aber diejenigen, welche die Backen weit aufblasen.
4702. (2113.) Die Beratschlagung ist ein Same, der sorgfältig so zu hüten ist, dass er auch nicht im geringsten verletzt (verrathen) wird: wird er verletzt, so geht er nicht auf.
4703. (2114.) Die Nachtheile, welche Fürsten durch den Verrath einer Berathschlagung erwachsen, können nach meiner Meinung auf keine Weise wieder gut gemacht werden.
4704. (4692.) Weil die Regierung in der Berathung wurzelt, so soll er (der Fürst) die Berathung sehr geheim anstellen, so dass Niemand sie erfährt, bis die Frucht der Thaten aufgeht.
Stenzler.
4705. (2115.) Wenn ein Minister bei irgend einer Gelegenheit des Fürsten Herz mit Jemanden entzweit, so vermag Niemand es wieder zu einen, eben so wenig wie ein zerschlagenes Armband von Krystall.
4706. (2116.) Der Rathgeber Verstand offenbart sich beim Zusammenführen[12] Entzweiter, der Aerzte Verstand bei der Behandlang des gestörten Zustandes in den Flüssigkeiten des Körpers: wer wäre dem Gesunden gegenüber nicht weise?
4707. (2117.) Ein blinder König wird durch rathserfahrene Minister glücklich über die Gefahren hinübergeführt und ein sehender, wenn er durch Hochmuth verblendet ist, richtet sich selbst vollständig zu Grunde.
4708. (2118.) Für Feinde in Ministergestalt sollen Weise diejenigen halten, welche einen guten Plan aufgeben und einem verkehrten nachgehen.
4709. (2119.) Wie die Vorstellung, die man sich von einem Zauberspruch, einem Wallfahrtsort, einem Brahmanen, einem Gotte, einem Schicksalsdeuter, einem Heilmittel oder einem Lehrer macht, so der Erfolg. (Wer da glaubt, dem wird geholfen.)
4710. (2120.) Eine Berathschlagung gleicht einem feigen Krieger: wenn auch alle ihre Theile verhüllt sind, so vermag sie doch nicht lange Stand zu halten (geheim zu bleiben), weil sie durch Andere (Feinde) verrathen (durchbohrt) zu werden fürchtet.
[13] 4711. (2121.) Die im Beginn der Regenzeit niederfallenden Wassertropfen machen allmählich Eindrücke in den Staub, dringen in die Oeffnungen, die ins Innere der durch die Gewalt des brausenden Wirbelwindes zusammengestürzten Hütten führen, verscheuchen den Schweiss vom Busen der bei der Arbeit beschäftigten Hausfrauen und lassen die Blüthenblätter der Kandalî tanzen.
4712. Trägen, Einfältigen und Kurzlebigen verstreichen die Lebensjahre in der Nacht unter Schlafen und am Tage unter unnützen Beschäftigungen.
4713. (4693.) Für Verliebte in der Fremde wird ein sanfter Wind ätzend, der Mond zu Feuer und das Auflegen von Sandelsalbe zu einem Messerschnitt.
4714. (2122.) Sogar ein Dummer wird durch den Umgang mit einem Klugen verständig, wie auch trübes Wasser durch das Bestreichen (der Wände des Gefässes) mit der Kataka-Frucht (klar wird.)
4715. (2123.) Wenn die Leute dadurch, dass sie mich schmähen, zufriedengestellt werden, dann kann ich ja ohne alle Mühe diese Gnade mir[14] gewinnen; lassen doch Menschen, die nach der Seligkeit Verlangen tragen, sogar schwer erworbene Schätze fahren um Andere zufriedenzustellen.
4716. Çambara meint, dass Nachsicht gut sei, nachdem man (dem Feinde) hart zugesetzt habe, aber nicht mit Feuer behandeltes Holz nimmt wieder seine ursprüngliche Form an.
4717. (2124.) Wer ein Verbrechen begeht, meint, es sehe ihn Niemand, aber es sehen ihn doch die Götter und die in ihm wohnende Seele.
4718. (2125.) Fürsten achten die Entehrung hoch stehender Männer einem Spiele gleich, diese aber sehen darin, so lange sie leben, einen von Athemzügen begleiteten Tod.
4719. (2126.) Verbrecher meinen, es sehe sie Niemand, es sehen sie aber die Götter und ihre eigene Seele, die in ihnen wohnt.
4720. Der Brahmanen Geschoss ist der Zorn, nicht kämpfen sie mit gewöhnlichen Waffen; mit ihrem Zorne schmettern sie (ihre Gegner) nieder, wie Indra die Asura.
4721. Gute preisen ja hier auf Erden, o Kṛshṇâ, die Ueberwindung des[15] Zornes; nach der Meinung Vorzüglicher ist der Gute, der Nachsicht übt, seines Sieges hier stets gewiss.
4722. (2127.) Was soll bei Leuten von Verstand dieses Interesse für die Gazellenäugigen bedeuten? Ziemt es sich nicht um den eigenen Leib sich zu kümmern, wie kann man es dann gutheissen, dass man sich um Andere kümmert?
4723. (4694.) Man hänge weder an Herrschaft, noch an Reichthümern, da Andere das vorher Erworbene Einem wegnehmen, was man ja als das bei Fürsten geltende Gesetz kennt.
4724. Bei keinem Menschen fasst das Gefühl des Bezitzes festen Fuss, wenn der Fürst das Recht verlässt und sich der Fahrlässigkeit hingiebt.
4725. Wenn man dem Bösewicht nicht wehrt, haben Gute, o Lieber, nie, wie es doch Recht wäre, das Gefühl, dass Etwas ihnen gehört; dann ist überhaupt Nichts von Bestand.
4726. (4695.) Ein Bündniss, welches man in der Voraussetzung schliesst, dass der Andere den Dienst, den man ihm früher erwies, vergelten werde, heisst Pratîkâra (Vergeltung).
4727. (4696.) Und auch das Bündniss, welches man in der Voraussetzung[16] schliesst, dass der Andere den Dienst, den man ihm zu erweisen gedenkt, vergelten werde, wie dieses bei Râma und Sugrîva der Fall war, heisst Pratîkâra.
4728. In mir, dem klaren Meere der Erkenntniss, ist diese Wasserblase, die Welt, eitel und leer: wie käme ich zu dem Schleier, dem Zweifel, ob sie verschwunden oder aufgegangen sei?
4729. (4697.) Weise nennen das Sterben der Geschöpfe ein natürliches, das Leben aber ein regelwidriges Verhältniss: ist demnach ein Mensch nicht schon im Gewinn, wenn er auch nur eine kurze Weile athmet?
4730. (2128.) Was Regen in der Wüste, das ist Speise einem vom Hunger Gequälten: die Gabe, die man einem Armen reicht, trägt Früchte, o Sohn des Pâṇḍu!
4731. (2129.) Führt man sich den Schmerz vor die Seele, der über einen Menschen kommt beim Gedan ken, dass er sterben muss, so kann dadurch selbst ein Feind gerettet werden.
4732. (4698.) Rauhe Reden versengen hier im Leben der Menschen Gelenke, Knochen, Herz und Lebensgeister; darum soll der, welcher an der Gerechtigkeit seine Freude hat, eine verletzende rauhe Rede stets vermeiden.
[17] 4733. Bei der Entleerung des Leibes und der Blase, beim Baden, beim Gottesdienst, beim Essen und beim Beischlaf, in diesen sechs Fällen wird Schweigen für gut erachtet.
4734. (2130.) Die häufigen vom Malaja-Gebirge wehenden Winde (im Frühling) sind dahin, die heisse Jahreszeit mit ihrem Uebermaass an Duft von blühendem Jasmin ist gebrochen; wenn du es, o Wolke, vermagst, so schaffe den Lieblosen her! Wer im Stande ist die Kühe zurückzubringen (die Person kümmert uns wenig), der ist der rechte Dhana ģaja (Arģuna, der die dem Virâta geraubten Kühe wieder zurückführte; Dhana ģaja bezeichnet zugleich den, der den Preis, den Lohn davonträgt).
4735. (4699.) Man wird in Betreff der Werke einer grossen Verschiedenheit des Lohnes gewahr: Einige tragen den Palankin, Andere reisen im Palankin.
4736. (4700.) Ein Einfältiger, der Hochstehenden flugs entgegentritt, geht durch seine eigene Schuld zu Grunde: brennendes Feuer macht, wie man weiss, nicht aus eigener Lust Lichtmotten zu seiner Nahrung.
[18] 4737. Wer Hochstehende beleidigt, beruhige sich nicht mit dem Gedanken, dass er nun weit weg sei: lang sind die Arme des Klugen, mit denen er den schlägt, der ihm ein Leid zufügte.
4738. (2131.) Gelangt man auch zur Stellung von hoch Stehenden, so richtet sich doch der Lohn nach den (vorangegangenen) Werken; obgleich der Schlangendämon Vâsuki an Çiva's Halse hängt, so geniesst er doch nur Luft.
4739. (2132.) Der Grossen Machtglanz ist so gewaltig, dass die Schwachen ihm gegenüber sich zur Ruhe begeben: durch das Licht der Sonne verschwinden ja die Sterne.
4740. (2133.) Um den hohen Preis der guten Werke hast du dir dieses Schiff, den Körper, erkauft; eile, bevor es bricht, den Ocean der Schmerzen zu überschiffen.
[19] 4741. (2134.) Wer selbst bei grossem Vermögen Feinden und einer erkalteten Gattin traut, dessen Mittel zum Leben gehen durch sie zu Ende.
4742. (2135.) Selbst grosser Opfer Lohn schwindet mit der Zeit, die gewährte Sicherheit vor aller Gefahr dagegen bringt unvergänglichen Lohn.
4743. Ungemach und Glück wird nur Grossen zu Theil; gewöhnliche Menschen haben weder Ungemach, noch Glück.
4744. (2136.) Ein Niedriger eignet sich ja nimmer zu einer Stelle Hochstehender: will doch Niemand den Schuh an die Stelle des Diadems setzen!
4745. Wenn ein Hochstehender einen Niedrigen kränkt, so gereicht es diesem zur grössten Ehre: ein Fusstritt von Ka sa's Feinde (Kṛshṇa) ist ein Schmuck des Kâlija.
[20] 4746. (2137. 2144.) Schon ein Ungemach dessen, der mit einem Grossen wetteifert, ist überaus ehrenvoll: man preist es ja, wenn Elephanten beim Spalten eines Felsens sich den Zahn zerbrechen.
4747. (4701.) Wenn Jemand Feindschaft beginnt mit einem Manne, der ihm grossen Schaden zuzufügen vermag, dann beruhige er sich nicht mit dem Gedanken, dass er von jenem weit entfernt sei.
4748. (2138.) Bei einem grossen Manne ist Furchtsamkeit in der Ferne (wenn die Gefahr fern ist) und Beherztheit in der Nähe (wenn die Gefahr da ist) ein Vorzug: im Unglück zeigt ja, wie wir es in der Welt sehen, der grosse Mann Standhaftigkeit.
4749. (2140.) Selbst ein Niedriger gelangt zu Ruhm, wenn er durch einen Grossen auch zu Grunde geht, wie die nach Brunstsaft begierige Biene, wenn sie zwischen den Ohren eines Elephanten zerdrückt wird.
4750. (2139.) Woraus schliesst man, dass solche (Fürsten), welche grosse Männer geringschätzen und mit Entehrten zusammenkommen, das wahre Wesen der Ehre kennen?
[21] 4751. (2141.) Darin besteht die Grösse grosser Männer, die den Schmuck der Lebensklugheit tragen, dass sie selbst beim Eintritt argen Missgeschicks Begonnenes nicht aufgeben.
4752. (2142.) Wer die rechten Mittel kennt, ist einem Grossen und einem Kleinen auf gleiche Weise gewachsen, wie eines Flusses Strömung sowohl Bäume als Gräser zu entwurzeln vermag.
4753. Berauschende Getränke, diese reiche Quelle des Elends, sind, wie man sagt, dazu da um Leib, Vermögen, Verstand, Charakter und Wohlfahrt zu Nichte zu machen. Hat man einen getrübten Verstand, so kümmert man sich ja, da die Sinne ganz von jenen Getränken beherrscht werden, nicht darum, ob man Etwas essen darf oder nicht, und eben so wenig um Anderes.
4754. (2143.) Viele durch grosse Sünden verzehrte, im Herzen verzweifelnde Verbrecher, die in eine fürchterliche Hölle hinabfahren, rettet die Gañgâ, wenn diese von ihnen besucht wird.
4755. (2145.) Wen erhebt nicht die Berührung mit einem Grossen? Ein Wassertropfen auf dem Blütenblatte einer Wasserrose zeigt einer Perle Pracht.
[22] 4756. Wenn bei Hochgesinnten das Herz ohne Veranlassung sich froh oder betrübt fühlt, so kündigt dieses bevorstehendes Glück oder Unglück an.
4757. (2146.) Hochgesinnte nehmen selbst Feinde, die sich in ihren Schutz begeben, freundlich auf: Ströme führen die Gebirgsbäche, die doch ihre Nebenbuhler sind, zum Meere hin.
4758. (4702.) Çiva haben wir zum Gott, diesen Götterfluss (die Gañgâ) zum Fluss, Höhlen zur Wohnung, die Weltgegenden zum Kleide, die Zeit zum Freunde, unverbrüchliches Selbstgefühl zum Gelübde; dieses Wenige wollen wir noch hinzufügen: ein Zweig von einem Feigenbaum sei unsere Geliebte.
4759. (2147.) Man vermeide auf jegliche Weise das Uebersetzen über einen grossen Fluss, einen Kampf mit grossen Männern und einen Streit mit vielen Menschen zu gleicher Zeit.
[23] 4760. (2148) Selbst eine grosse Menge von Vorzügen erscheint dem, der keine hat, klein, wie ein riesiger Elephant im Spiegel, da ein Behälter nur so viel aufnimmt, als er fassen kann.
4761. (2149.) Sogar ein grosser, kräftiger, festwurzelnder Baum kann, wenn er allein steht, mitsammt seinem Stamme vom Winde in einem Augenblick zerschmettert werden.
4762. (2150.) Festwurzelnde Bäume dagegen, die in grosser Anzahl zusammenstehen, trotzen den heftigsten Stürmen, weil sie sich gegenseitig stützen.
4763. (2151.) So meinen auch Feinde, sie könnten einen einzelnen Menschen, wäre er auch mit Vorzügen ausgestattet, leicht bezwingen, wie der Wind einen einzeln stehenden Baum.
[24] 4764. (2152.) Wen erhebt nicht der Umgang mit Mächtigen? Das von den Strassen ablaufende Wasser wird, wenn es sich mit der Gañgâ verbindet, sogar von den Göttern verehrt.
4765. (2153.) Nur Grosse sind im Stande die Sache Grosser zu vollbringen: wer anders als das Meer trägt das höllische Feuer?
4766. (4703.) Wer sogar einen grossen Reichthum, an dem Ungerechtigkeit haftet, aufgiebt, wird dadurch nicht erniedrigt und schläft behaglich, indem er grosse Leiden abstreift, wie eine Schlange ihre alte Haut.
4767. (2154.) Werden Grosse um eine geringe Gabe angesprochen, so spenden sie ja von selbst reichlich: jener Freigebige gab dem, der vor Durst ihn um Wasser bat, das Milchmeer.
4768. Ein grosser Baum schiesst auf und wächst und verschiedene Geschöpfe begeben sich in seinen Schutz; wird dieser Baum umgehauen und verbrannt, so werden seine Schützlinge obdachlos.
4769. (4704.) Sieh, wie Fürsten von grosser Macht und grossem Ansehen, nachdem sie ein an Schätzen und Korn reiches Land beherrscht hatten, ihr Königthum und ihre zahlreichen Genüsse aufgaben und in die Gewalt des Todesgottes geriethen!
[25] 4770. (2155.) Wie die Flüsse, so streben die Weiber, selbst die von vornehmer Herkunft, ihrer Natur gemäss, o Schande, zum Niedrigen hin!
4771. (4705.) In der durch deinen Ruhm, o glückgesegneter Grosskönig, erhellten Welt sucht jetzt Vishnu das Milchmeer, Çiva den Kailâsa, Indra seinen stattlichen Elephanten, der Dämon Râhu den Mond und Brahman seinen Flamingo (da die ganze Welt dir gehört).
4772. (2156.) Der Erdboden ist sein prächtiges Lager, die Arm-Lianen sein weiches Kissen, der blaue Himmel sein Zeltdach, dieses angenehme Lüftchen sein Fächer, der funkelnde Mond seine Leuchte: so ruht der zur Ruhe gelangte Asket, des Umganges mit seinem Weibe, der eigenen Zufriedenheit, froh, behaglich wie ein Fürst, da die Furcht vor der Welt von ihm gewichen ist.
[26] 4773. (2157.) Wie sollte dem Fürsten, an dessen Seite vorzügliche Dichter fehlen, Ruhm zu Theil werden? Wie viele Fürsten haben nicht auf Erden gelebt und Niemand kennt auch nur ihre Namen!
4774. (2158.) Stürzt sich ein durch Hochmuth verblendeter Fürst in das Meer der Geschäfte, so ist ja das Verfahren des ihm befreundeten Ministers die Stütze seiner Hand, wenn er strauchelt.
4775. (2159.) Ich erkenne keinen wesentlichen Unterschied an zwischen Çiva, dem Oberherrn der Welten, und Vishṇu, der Weltseele, dennoch verehre ich gläubig den Gott, der den jungen Mond als Diadem auf dem Haupte trägt.
4776. Eine Zunge, die keine schönen Aussprüche kennt, ist keine Zunge, sondern ein Stück Fleisch, das man sicherlich aus Furcht vor Krähen im Munde versteckt hat.
[27] 4777. Der Weiber Brüste sind zwei Klumpen, Fleisch und ihr von Würmern wimmelnder Leib ist mit Koth und Anderem vollgestopft: hieran vergnügt sich ein Verliebter nach Krähenart!
4778. (4706.) Die Erde ist gleichsam beladen mit Vieh in Menschengestalt, d.i. mit Thoren, die Fleisch essen, Branntwein trinken und nicht zu lesen verstehen.
4779. (2160.) Lass fahren die Sorge um diesen aus Fleisch, Urin, Koth und Knochen zusammengesetzten vergänglichen Leib und wahre, mein Freund, deinen Ruhm!
4780. (4707.) Brüste dich nicht mit Reichthum, Untergebenen und Jugend, da die Zeit Alles in einem Augenblick dahinrafft. Gieb diese ganze auf Täuschung beruhende Welt auf, gewinne die wahre Erkenntniss und gehe eiligst in Brahma's Stätte ein!
4781. »Gehe nicht« ist ein unheilbringendes, »mach dass du fortkommst« ein liebloses Wort, »bleibe« verräth den Gebieter, »mach was du willst« den Gleichgiltigen, »was könnten wir dir jetzt zu Gefallen thun?« ist ein höfliches Wort; (wir aber sprechen) »du sollst nur unser gedenken, bis wir uns wiedersehen!«
[28] 4782. In den Nächten der Monate Mâgha und Pausha mögest du Nichts, in denen des Kârttika viel und in denen des Ḱaitra Zucker geniessen.
4783. (2161.) Wer auch dann noch leben bleibt, wenn ihn der Schmerz über die ihm erwiesene Geringschätzung des Gegners versengt, der verdient nicht zu leben, der hätte gar nicht geboren werden sollen, da er der Mutter nur Schmerzen bereitete.
4784. Wer seine Mutter, seinen bejahrten Vater, seine treue Gattin, seinen unerwachsenen Sohn, einen Brahmanen, der ihn unterrichtete, und einen bei ihm Schutz Suchenden nicht ernährt, obgleich er es vermag, ist todt, athmete er gleich.
4785. (2162.) O Mutter Täuschung, Schwester Einfalt, Vater Netz der Verirrung, begebet euch heim! Möge diese Trennung von euch lange währen! Ich will alsbald auf einem mit den Fluthen der Gañgâ, die den Füssen des Gatten der Lakshmî entstürzte, sich berührenden Felsen meinen Blick auf das höchste Brahman richten.
[29] 4786. (2163.) O Mutter Erde, Vater Luft, Freund Feuer, lieber Schwager Wasser, Bruder Aether, zum letzten Male lege ich jetzt ehrfurchtsvoll vor euch die Hände zusammen: ich gehe in das höchste Brahman ein, da durch den Ueberschuss an guten Werken, der mir durch den Umgang mit euch zu Theil wurde, eine fleckenlose Erkenntniss bei mir aufstrahlt, durch die ich die Macht der gesammten Finsterniss vom Geiste abgeschüttelt habe.
4787. (2164.) O Mutter Lakshmî, wende deine Liebe irgend einem Andern zu und begehre nicht mein! Diejenigen, die nach Genüssen verlangen, stehen in deiner Gewalt; was vermagst du über die, die gar kein Verlangen mehr haben? Jetzt, da unser Betteltopf, eine aus einem alsbald zusammengenähten Palâça-Blatte gebildete Tüte, gereinigt ist, verlangt es uns nur von erbetteltem Mehle zu leben.
4788. (4708.) Die Mutter als göttliche Lakshmî, der Vater als Gott Vishṇu und die Angehörigen als Verehrer Vishṇu's, so hat man im eigenen Lande die drei Welten.
4789. Sowohl die Mutter, als auch der Vater und auch der älteste Bruder, alle drei fahren zur Hölle, wenn sie ein Mädchen die Regeln erleben sehen (ehe sie verheirathet ist).
[30] 4790. (2165.) Die Mutter schilt, der Vater heisst dich nicht willkommen, der Bruder spricht nicht mit dir, der Diener zürnt, der Sohn geht dir nicht nach, die Gattin umfängt dich nicht und der Freund beginnt nicht einmal ein Gespräch mit dir aus Besorgniss, du könntest ihn um Geld angehen. Darum, o Freund, schaffe dir Geld: Alle stehen ja in der Gewalt des Geldes.
4791. Mutter und Vater sind die besten unter den Angehörigen, die Gattin stellt das Alter dar, der Sohn ist Nichts als Same, der Bruder ein Feind, der Altersgenosse eine feuchte Hand (die man drücken muss), die eigene Person empfindet allein die Freuden und die Leiden.
4792. Wer von Mutter und Vater so wie von seinen Angehörigen verlassen wird und keine andere Zuflucht hat, dem bietet Vârânasî eine Zuflucht.
4793. (4709.) Tausende von Müttern und Vätern und Hunderte von Söhnen und Gattinnen haben wir in der langen Reihe von Geburten gehabt: wem gehören jene oder wem gehören wir an?
[31] 4794. Ich und der Vogel da haben sowohl dieselbe Mutter als auch denselben Vater; mich brachten Weise hierher, ihn aber Gärber.
4795. Ich höre die Reden der Weisen, er die der Gärber; er ist frei von Mängeln und ich kann mich keiner Vorzüge rühmen: Mängel und Vorzüge entstehen durch Umgang.
4796. Der Mutter vertraue man die Küche an, der Tochter die häuslichen Geschäfte, die Gattin aber muss bei den häuslichen Geschäften stets die Aufsicht haben.
4797. (2166.) Mutter, Freund und Vater, diese drei sind von Natur wohlwollend; die Uebrigen sind in einer bestimmten Absicht freundlich gesinnt.
4798. (2167.) Wenn eine Mutter dem Sohne Gift giebt, ein Vater ihn verkauft und der Fürst dessen ganzes Vermögen einzieht, wer hat dann noch eine Zuflucht?
4799. (2169.) Der Liebesgott hatte Lakshmî zur Mutter und Vishnu[32] zum Vater, war selbst mit fünf Pfeilen bewaffnet und wurde dennoch von Çiva verbrannt: wer vermag der früher vollbrachten That (dem Schicksal) zu entgehen?
4800. (2170.) Mutter und Vater erscheinen als Feinde und Widersacher des Sohnes, wenn sie ihn nicht unterrichtet haben, da er alsdann in der Gesellschaft eben so wenig glänzt wie ein Reiher unter Flamingos.
4801. (4710.) Durgâ seine Mutter! Çiva sein Vater! Er selbst, Gaṇeça, bekanntlich Vernichter der Hindernisse und dabei er, der Gott der schwer zu Ende zu führenden Dinge, ohne eigenen Kopf, den Kopf eines Elephanten tragend! Da will ich denn alles Andere unbesprochen lassen!
4802. Abhimanju, der Govinda zum mütterlichen Oheim und Dhana ģaja zum Vater hat, liegt auf dem Schlachtfelde! Wer vermag das Schicksal in seinem Gange aufzuhalten?
4803. (2171.) Diejenige, die dem Gatten (im Tode) nachfolgt, entsündigt drei Geschlechter: das der Mutter, das des Vaters und das Geschlecht desjenigen, dem sie zur Ehe gegeben ward.
[33] 4804. (2172.) Der Knabe wird reich an Vorzügen, den Vater und Mutter zum Studium anhalten: durch die blosse Geburt wird aus dem Sohne noch kein Gelehrter.
4805. (2173.) Wer auf eines Andern Weib wie auf seine Mutter, auf fremdes Gut wie auf einen Erdkloss und auf alle Geschöpfe wie auf sich selbst schaut, der schaut richtig.
4806. Werthlos ist das Leben eines mutterlosen Kindes, werthlos die frische Jugend einer Jungfrau ohne Geliebten, werthlos der Lohn von Busse ohne Ruhe des Gemüths, werthlos eine Speise ohne Tamarindensaft.
4807. (2174.) Wissen hütet uns wie eine Mutter, hält uns zum Guten an wie ein Vater, erheitert uns wie eine Gattin, indem es den Trübsinn verscheucht; es breitet unsern Ruhm nach allen Weltgegenden aus und bringt uns Besitz: jeglichen Freundschaftsdienst erweist uns ja das Wissen.
4808. (4711.) Wer von Mutter, Vater, Söhnen, Gattin und Vermögen sich trennt, empfindet nicht solchen Schmerz, wie ihn die Trennung von der Gañgâ verursacht.
[34] 4809. (2175.) Man soll weder mit der Mutter, noch mit einer Schwester, noch mit einer Tochter an einsamem Orte zusammen sitzen: die mächtige Sinnenschar zieht sogar einen Gebildeten mit sich fort.
4810. (2176.) Wenn du, Verehrter, die Macht hast, darfst du einem schwachen Manne kein Leid zufügen: im Geschlecht derer, die ein Schwacher versengte, schiesst ja Nichts mehr auf.
4811. (2177.) Die hochachtbaren Herren mögen, nachdem sie zuvor die Missgunst bei Seite gesetzt und die Sache wohl erwogen haben, uns mit aller Bestimmtheit sagen, ob man die Thäler der Berge oder die der vor Liebe lächelnden Dirnen besuchen soll.
4812. (2178.) Wenn das Tagesgestirn im Augenblick des Verlöschens aus Missgunst die Planeten übergeht und seinen Glanz dem ihm unebenbürtigen Gotte, der den Rauch zum Banner hat (dem Feuer), übergiebt, weil es ihn für den Rechten hält, so setzt es sich dem Gelächter aus. Hoch lebe aber der in eine Spitze auslaufende Flammengott, der das Schicksal nicht kennt, und auch die Lampen, die ihm sein Dasein verdanken und mittels dessen sie bewirken, dass die Welt der Sonne vergisst!
[35] 4813. (2179.) Anmuthige Liebenswürdigkeit Frauen gegenüber, zuvorkommendes Benehmen Ehrenwerthen gegenüber, Heldenmuth Feinden gegenüber, Ehrerbietung Eltern und Lehrern gegenüber, Gerechtigkeit Guten gegenüber, Folgsamkeit Rechtskennern gegenüber, Ehrenbezeugungen aller Art Gelehrten gegenüber und Hinterlist Bösewichtern gegenüber bezeichnet man als die acht Vorzüge des Mannes, mit denen Alles erschöpft ist.
4814. Wer den Hochmuth aufgiebt, macht sich beliebt; wer den Zorn aufgiebt, verfällt nicht in Trauer; wer die Neigungen aufgiebt, wird reich; wer die Habsucht aufgiebt, wird des Glückes theilhaftig.
4815. (2180.) Ein Mann, der auf Ehre hält, würde, wenn er dieses nicht mit Ehren thun könnte, sogar auf die Ehre, mit den Göttern zusammen in ihrem Wagen zu sitzen, verzichten: Unglück auf Schritt und Tritt wäre ihm lieber.
[36] 4816. Was thut nicht. Alles, sogar Tadelhaftes, ein von Hunger gequälter Mensch? Er lässt von der Ehre, giebt seine Würde auf, nimmt die Natur eines Stockes an (wirft sich der Länge nach Andern zu Füssen), lässt die Scham fahren, giebt sich der Hartherzigkeit hin, nimmt seine Zuflucht zu niedrigem Benehmen und fügt der Gattin, Verwandten, Freunden und Söhnen mannichfaches Leid zu.
4817. Ein Seelenschmerz versetzt den Körper in Wallung, wie eine glühende Kugel von Eisen Wasser in einem Topfe.
4818. Darum bringe man einen Seelenschmerz durch richtige Erkenntniss zur Ruhe, wie Feuer durch Wasser; hat der Seelenschmerz sich gelegt, so legt sich auch der körperliche Schmerz.
4819. (2181.) Der Mann fährt zur Hölle, der, sei es aus Hochmuth, aus Habsucht, aus Zorn oder aus Furcht, einen falschen Urtheilsspruch fällt.
4820. Wenn man Ehrenerweisung und geringschätzige Behandlung für Nektar und Gift erklärt, so meint man damit, dass eine geringschätzige Behandlung Nektar, eine Ehrenerweisung dagegen furchtbares Gift sei.
4821. Ehrenerweisung bewirkt bei gewöhnlichen Menschen ein freudiges Gefühl, geringschätzige Behandlung dagegen eine unangenehme Aufregung; eben dieselben bringen bei einem beschaulichen Asketen gerade die entgegengesetzte Wirkung hervor.
[37] 4822. (2182.) Bei Menschen entscheidet über den Besitz einer Sache ein zehnjähriger Genuss derselben; Vögeln und Thieren gehört eine Sache nur so lange, als sie sie benutzen.
4823. (4712.) Wer in dem menschlichen Leben, welches marklos ist wie der Stamm der Kadalî und einer Wasserblase ähnlich, ein Mark sucht, der ist thöricht.
Stenzler.
4824. (4713.) Wird man Mensch, so hält es doch schwer Mann zu werden; ist man Mann, so ist es nicht leicht Brahmane zu werden; ist man Brahmane, so wird man nicht leicht ein hervorragender Gelehrter; ein Gelehrter ist nicht so bald mit dem Sinne des Gelernten vertraut; bei dem, der mit dem Sinne des Gelernten vertraut ist, trifft man nicht leicht grosse Beredsamkeit an, bei einem Beredten nicht leicht Weltkenntniss; bei einem Manne, der Weltkenntniss besitzt und mit allen Wissenschaften vertraut ist, ist selten Sinn für Gerechtigkeit anzutreffen.
[38] 4825. (2183.) Beginnen die Ehren zu schwinden, ist das Vermögen verthan, geht ein Armer mit leeren Händen von dannen, sind die Verwandten eingeschmolzen, hat sich die Umgebung wegbegeben und ist die Jugend allmählich geschwunden, dann schickt sich nur dieses Eine für Verständige, dass sie ihren Wohnsitz aufschlagen in irgend einer mit Laub überwachsenen Höhle in einer Schlucht des Fürsten der Berge, dessen Steine das Wasser der Gañgâ gereinigt hat.
4826. (2184.) Selbstgefühl, Uebermuth, Stolz, der Familie erwiesene Ehren von Seiten der Angehörigen, die Autorität über Sclaven und Dienerschaft, Alles geht mit dem Wittwenstande dahin.
4827. (2185.) Selbstgefühl, Uebermuth, Kenntnisse, Anmuth, gesunder Verstand, Alles geht auf ein Mal dahin, wenn ein Mann sein Vermögen einbüsst.
4828. Das Selbstgefühl ist ja die Wurzel des Reichthums; was nützt uns das Geld, wenn das Selbstgefühl dahinging? Was fängt der, der um Selbstgefühl und Stolz kam, mit Geld und Leben an?
[39] 4829. (2186.) Wohin ist Mândhâtar, der Eroberer der drei Welten, gegangen? Wohin der König Satjavrata? Wohin Nahusha, der Götter Fürst? Wohin Keçava, der die reine Lehre besass? Ich meine, diese Männer, die Streitwagen und prächtige Elephanten hatten und auf Indra's Throne sassen, seien nur durch den erhabenen Gott der Zeit in ihr Amt eingesetzt und auch durch ihn daraus vertrieben worden.
4830. Mândhâtar, Dhundhumâra, Hariçḱandra, Purûravas, Bharata und Kârtavîrja sind die sechs Weltherrscher.
4831. Mândhâtar, der ausgezeichnete Fürst, die Zierde im Kṛtajuga, ist dahingegangen. Wo ist der Vernichter des zehnköpfigen Râvana, der über den Ocean eine Brücke schlug? Und wo die übrigen Fürsten, ein Judhishṭhira und Andere? So lange du Fürst bist, ist mit Niemanden zugleich sein Reich dahingegangen, mit dir aber, glaube ich, wird es verschwinden.
4832. (2187.) Feinde soll man durch Hinterlist schlagen, wenn man sie durch Gewalt nicht zu schlagen vermag, wie Bhîma die Kîkaka schlug, indem er Frauentracht anlegte.
[40] 4833. (2188.) Hinterlist soll ein Verständiger niemals anwenden, wenn es ihm um sein Heil zu thun ist; wird sie angewandt, so bringt sie Schaden, wie jenem Mönche, den es nach einer Jungfrau gelüstete.
4834. Wer stets nur Hinterlist und Trug übt, durch Hinterlist die Leute betrügt und heuchlerischer Weise Kasteiungen übt, der Mann wird als Weib wiedergeboren.
4835. Wenn ein hinterlistiger Mann auch Niemanden ein Leid zufügt, so soll man ihm, der durch seine eigene Schuld zu Grunde geht, dennoch wie einer Schlange misstrauen.
4836. (2189.) Wie der Wind in allen Geschöpfen verborgen umhergeht, so gehe ein Fürst mittels der Späher unter den Stadtbewohnern, Ministern, andern Beamten und Verwandten umher.
4837. (2190.) Wenn ein Haushahn von einer Katze gefressen wird, ist unser Schmerz grösser, als wenn ein Sperling oder eine Maus gefressen wird, weil diese in keiner näheren Beziehung zu uns stehen.
4838. (2191.) Eine Katze, ein Büffel, ein Widder, eine Krähe und ein Feigling werden mächtig, wenn man ihnen Zutrauen schenkt; darum ist Zutrauen hier nicht am Platze.
[41] 4839. Wie ein Spiegel, den man beständig abwischt, rein zu sein pflegt, so wird auch der Männer Verstand durch Studium rein.
4840. Ein im Sonnengeschlecht geborener Fürst hat bei einem Kaṇḍâla Dienste gethan; Râma, der Mann von wunderbarem Heldenmuthe, hat in einer tiefen Höhle gewohnt; Bhîma und andere vorzügliche Fürsten aus dem Mondgeschlecht haben sich wie Bettler erniedrigt: zu was Allem haben sich Männer nicht entschlossen um einer eingegangenen Verpflichtung treu zu bleiben?
4841. (4714.) Milde gegen alle Geschöpfe, Nichtmurren, Nachsicht, Zufriedenheit und das Ehren der Freunde verlängern nach dem Ausspruch der Weisen das Leben.
4842. (2192.) Eine im Aufblühen begriffene Jasminblüthe auf dem Kopfe, Sandel mit Saffran vermengt auf dem Körper, eine herzentzückende Liebste am Herzen: hiermit ist auch der übrige Himmel da!
4843. (4715.) Mache es, o König, wie ein Gärtner, nicht wie ein Köhler;[42] folgst du dieser Weise, so wirst du schützend lange die Herrschaft gemessen können.
4844. (4716.) Haue nicht einen von Tigern bewohnten Wald nieder, damit nicht die Tiger aus dem Walde verschwinden: der Wald wird ja von den Tigern beschützt und er schützt ja wiederum die Tiger.
4845. (2193.) Wie die Sonne acht Monate hindurch mit ihren Strahlen das Wasser an sich zieht, so erhebe ein Fürst auf ganz zarte Weise den Zoll und die übrigen Abgaben.
4846. (2194.). In jedem Monat ist in beiden Hälften gleicher Mondschein, aber nur die eine von ihnen ward die lichte Hälfte: durch gute Werke erlangt man Ruhm.
4847. Beute, o Lieber, einen schwachen Mann nicht aus, wenn du die Macht hast, auf dass die Augen des Schwachen dich nicht versengen, wie Feuer das, was mit ihm in Berührung kommt.
4848. (2195.) Vater, Bruder und Sohn messen ja ihre Gaben zu; welches Weib wird also nicht den Gatten ehren, der ohne Maass spendet?
[43] 4849. (4717.) Wer mässig isst, indem er mit den Untergebenen theilt, wer mässig schläft, nachdem er ohne Maass gearbeitet hat, und wer sogar den Feinden spendet, wenn sie ihn darum angehen, den Wohlgesinnten verlässt das Ungemach.
4850. (4718.) Wer dem Schütze der Unterthanen (d.i. der Regierung) Hindernisse in den Weg legt, er heisse Freund, Verwandter, Vater oder Lehrer, den soll der Fürst mit dem Tode bestrafen.
4851. (2196.) Er (der Fürst) prüfe den Freund auf vielfache Weise und verstosse ihn erst dann, wenn er seine Schuld erkannt hat, denn wer einen schuldlosen Freund verstösst, der macht ja Verdienst und Vortheil zu Nichte.
4852. Glücklich sind diejenigen, die nicht den Freund im Unglück sehen, nicht die Heimath von Feinden bedrängt, nicht des Landes Verfall und nicht der Familie Untergang.
[44] 4853. (2197.) Einen Freund gewinne man durch offenes Benehmen, einen Feind durch Klugheit und Kraft, einen Habsüchtigen durch Geld, seinen Herrn durch Dienst, einen Brahmanen durch Rücksichten, ein junges Weib durch Zuneigung, Verwandte durch Vorzüge, einen überaus Leidenschaftlichen durch Lobeserhebungen, seinen Lehrer durch demüthige Verneigung, einen Thoren durch Erzählungen, einen Klugen durch Kenntnisse, einen auf Etwas Versessenen durch sein Steckenpferd, Jedermann aber durch eine gute Gemüthsart.
4854. (4329.) Niemand ist ganz und gar Jemandes Freund oder Feind: man erlebt es, dass man in irgend einer Absicht von einem Freunde zu Grunde gerichtet und von einem Feinde gerettet wird.
4855. (4719.) Nach Verlauf einiger Zeit wird ein Freund zum Feinde und ein Feind zum Freunde, da der eigene Vortheil mächtiger als alles Andere ist.
4856. (2198.) Dass es für diese vier: den Verräther eines Freundes, einen Undankbaren, einen Frauenmörder und einen Hinterbringer eine Sühne gebe, ist uns nicht zu Ohren gekommen.
4857. (2199.) Der Verräther eines Freundes, ein Undankbarer und Einer, der das Vertrauen missbraucht, fahren zur Hölle bis Sonne und Mond zu Grunde gehen.
[45] 4858. Den Verräther eines Freundes, einen Bösgesinnten, einen Ungläubigen, einen Unredlichen, einen Heimtückischen und denjenigen, der einen Mann mit Vorzügen anfeindet, bezeichnet man als niedrigsten Menschen.
4859. (4721.) Möget ihr als gute Menschen einen Freund gewinnen! Mögen die Länder des Segens theilhaftig werden! Mögen die Fürsten, stets bei ihrer Pflicht verharrend, die Erde hüten! Möge eure Klugheit, wie eine Neuvermählte, lange dem Herzen Redlicher zur Freude gereichen! Möge der hehre Gott, der den Halbmond zum Diadem hat, den Menschen Heil bringen!
4860. (2200.) Ein Freund, der ein Freude bereitender Zaubertrank für die Augen so wie eine Wonne für's Herz ist, und der mit dem Freunde Freuden und Leiden theilt, ist schwer zu finden; andere Freunde dagegen, die zur Zeit des Glückes voller Verlangen nach unserer Habe sind, begegnen uns überall. Der Prüfstein für ihre Aechtheit ist aber das Ungemach.
[46] 4861. (2201.) Weil ein Mann, der Freunde hat, sogar schwer zu vollbringende Dinge vollbringt, darum sollen wir uns Freunde erwerben und gerade solche, die uns gleich sind.
4862. (2202.) Was an seiner Freunde, seiner Dienerschaft, seiner Angehörigen und was an seinem eigenen Verstande und Muthe ist, lernt der Mensch am Prüfstein des Unglücks kennen.
4863. Wahre Freunde sind die, die im Ungemach als solche erscheinen; diejenigen heissen in der Welt klug, die Menschen und Menschen zu unterscheiden verstehen; derjenige ist freigebig, der auch dann mit Andern theilt, wenn er wenig besitzt; derjenige hilft Andern im wahren Sinne des Wortes, der dieses ohne Nebenabsicht thut.
4864. (4722.) Indem die Staatsklugheit gleichsam Freunde zu Feinden und in Folge der Umstände auch Feinde zu Freunden macht, führt sie noch lebende Menschen in eine andere Geburt, in der sie sich der früheren Begebenheiten nicht mehr erinnern.
4865. (2203.) Freunde sind es ja, die uns schützen: wer Freunde hat, geräth nimmer in Noth; eine Fehde aber, die ein Freund hervorruft, zerhaut sogar die Wurzeln (vernichtet bis auf den Grund).
[47] 4866. (2204.) Wenn Bundesgenossen, Minister und Gefährten treu ergeben sind, bei den Feinden aber das Umgekehrte Statt findet, dann soll man Krieg beginnen.
4867. (2205.) Für einen Freund und einen Verwandten bemüht sich ein Verständiger, wenn das Unglück da ist, stets und alles Ernstes; dieses Wort hat Manu ausgesprochen.
4868. Eine falsche Lehre ist die schlimmste Krankheit, die schlimmste Qual, der schlimmste Feind und das schlimmste Gift.
4869. Einer, der die kleine Regel befolgt, ist ja besser als Tausende, die einer falschen Lehre huldigen; Einer, der die grosse Regel befolgt, ist besser als Tausende, die die kleine Regel befolgen.
4870. Ein Bekenner der wahren Lehre ist besser als Tausende, die die grosse Regel befolgen; einen so Würdigen, wie es der Bekenner der wahren Lehre ist, hat es nicht gegeben und wird es auch nicht geben.
4871. Das Lügen ist ein gar arges Laster, aber noch schlimmer sind diese beiden: Ehebruch und wilde Wuth, wenn keine Feindschaft besteht.
[48] 4872. Das Lügen, grosse Unternehmungen, Ohnmacht, Geschwätzigkeit, Hochmuth, Hinterlist und Neid, diese sieben mit m (im Sanskrit) anfangenden Dinge soll man vermeiden.
4873. (4723.) Ein Fisch lebt nur für's Baden, eine Schlange nährt sich vom Winde, ein Widder lebt von Blättern, eine Maus hält sich in einer Höhle auf, ein Löwe im Walde, ein Reiher giebt sich der Vertiefung hin, der Ochs eines Oelmüllers wandert umher, ein Götzenträger zieht von Ort zu Ort und hat beständig mit Göttern zu thun. Welchen Lohn haben nun diese für solche Kasteiungen? Lass dir also die Reinheit des Herzens angelegen sein!
4874. (2206.) Wenn ein Glasstück in ein Diadem und ein Edelstein in einen Fussschmuck gefasst werden, so ist dieses nicht die Schuld des Edelsteins, sondern eine Dummheit des Juweliers.
4875. Sobald ihr erfahrt, dass derjenige, der eine Lehre verkündete, auf dass mit Vernunft begabte Wesen erlöst d.i. zu (gefühllosen) Steinen würden, Gotama (Name eines berühmten Philosophen und zugleich der grösste Ochs) hiess, so habt ihr den Mann gerade so, wie ihr ihn kennen lernt.
[49] 4876. (2207.) Männer geringen Verstandes glauben beim Weibe, o Wunder, Perlenschnüre zu sehen, desgleichen goldene Fussspangen mit tönenden Edelsteinen, Schminke aus Saffran, wohlriechende vielfarbige Blumenkränze und ein Gewand aus buntem Nesseltuch. Für diejenigen aber, die die Sache von aussen und innen betrachten, ist es nur eine Hölle, der man den Namen Weib gegeben bat.
4877. (4724.) Strebst du, mein Lieber, nach der Erlösung, so meide die Sinnenwelt, als wäre es Gift, und befleissige dich der Nachsicht, Redlichkeit, des Mitleidens, der Zufriedenheit und Wahrhaftigkeit, als wäre es Nektar.
4878. Ihr Gesicht ersetzt den Mond, ihre beweglichen Augen eine Gruppe von blauen Lotusen, ihre wogenden Brauen den Bogen des Liebesgottes, ihr schön aufgebundenes Haar eine Gruppe von Wasserlilien, ihr Leib die Göttin der Schönheit.
4879. Dass Papageien, Rebhühner und Predigerkrähen eingefangen werden, daran trägt ihre Mundfertigkeit die Schuld; Reiher werden aus diesem Anlass nicht eingefangen: Schweigsamkeit ist zu allen Dingen nütze.
4880. Ein krampfhaft verzogenes Gesicht, eine klägliche Stimme, allgemeiner Schweiss und grosse Angst, diese Anzeichen eines bevorstehenden Todes sind auch bei einem Bettelnden wahrzunehmen.
[50] 4881. (2208.) Dein Gesicht, o Liebste, ist wie der Mond, deine Hand gleicht einem jungen Schoss, deine Reden sind wie Nektar, deine Lippen gleichen einer Bimba-Frucht, dein Herz aber ist wie Stein.
4882. (4725.) Der Mund wie das Blüthenblatt eines Lotus, die Rede kalt wie Sandel, das Herz eine Scheere bergend: dies die drei Merkmale eines Schelmes.
4883. (2209.) Ein heiteres Gesicht, ein klarer Blick, Wohlgefallen an unsern Erzählungen, süsse Rede und ein liebevolles plötzliches Hinsehen sind die Anzeichen einer uns im Herzen gewogenen Person.
4884. (2210.) Was nützt uns ein Baum, der sich ob der Menge von Früchten neigt, wenn an seiner Wurzel eine Schlange haust, die Gift aus ihrem Rachen speit?
[51] 4885. (2211.) Mit ihrem Gesicht, das lieblich wie der Mond war (das ein Mondedelstein war), mit ihren Haaren, die dunkelschwarz (Smaragde) waren, und mit ihren Händen, die die Farbe der Wasserrose hatten (Rubine waren), strahlte sie, als wenn sie aus Edelsteinen gebildet gewesen wäre.
4886. (2212.) Wie Çiva es mit dem Gifte that, so thut es ein Edler mit den Fehlern (Anderer): er speit sie nicht zum Munde hinaus, führt sie nicht hinunter in's Herz, sondern verdaut sie im Innern.
4887. Reizend wie ein blühender Lotus ist der Mund und auch die Rechte, mit denen Lakshmî den Sieg erringt.
4888. (4726.) Wer vorzügliche Minister entlässt und sich mit schlechten abgiebt, der geräth in eine fürchterliche Noth, aus der er sich nicht zu retten weiss.
4889. (4727.) Eine Schöne, die schon davon in Ohnmacht gefallen war, dass sie den Geliebten von Reisen sprechen hörte, richtet, nachdem sie zur Besinnung gekommen ist und den Liebsten erblickt hat, an ihn die Worte: bist du schon lange zurück?
[52] 4890. (2213.) Thörichte Hirten stellen den Kühen Eimer unter in der Meinung, es gäbe Milch; Geliebte stecken eine Nachtwasserrose an's Ohr im Glauben, es sei eine Tagwasserrose; eine Çabarî, der es um Perlen zu thun ist, pflückt Karkandhû-Beeren: wem verwirrt nicht ein heller Mondschein den Sinn?
4891. (4728.) O Schöne, die nach dem Dufte deines Mundes lüsterne Biene, die hier umherfliegt, begiebt sich nicht zu deines Ohrschmucks Wasserrose, die doch aufgeblüht ist.
4892. (2214.) Was ist das, o Schöne, für eine unerhörte Geschicklichkeit im Bogenschiessen, die man an dir gewahr wird, bei der du die Herzen mit Bogensehnen (Vorzügen), nicht mit Pfeilen durchbohrst?
4893. (2215.) »Einfältige, warum gedenkst du all die Zeit in blosser[53] Einfalt zuzubringen? Lege Selbstgefühl an den Tag, zeige Entschlossenheit, gieb das gerade Wesen gegen den Geliebten auf!« So von der Freundin ermahnt, giebt sie mit erschrockenem Gesicht ihr folgende Antwort: »sprich leise, der mir im Herzen wohnende Liebste könnte es ja hören«!
4894. (2216.) Wenn des Helden Hammîra Schwert aus der Scheide fährt, fährt der Feinde Schar aus der Schatzkammer; wenn jenes zuckt, zuckt diese zusammen; wenn Jenes die Geduld verliert, verlässt diese stracks die Erde.
4895. Beim Ruf »lass los, lass los« fällt das eine (Gewand), beim Ruf »lass nicht los«, das zweite; (als der dritte) die beiden (Gewänder) fallen sieht, (denkt er bei sich:) Schweigsamkeit ist zu allen Dingen nütze.
4896. Das Haupt ist kahl, aus dem Munde hier kommt ein übler Geruch, der verfluchte Bauch muss durch Betteln ernährt werden, der Leib,[54] durch Schmutz verunreinigt, hat allen Reiz verloren; nichtsdestoweniger verlangt das Herz, o Weh, nach Liebe!
4897. In jedem Kopfe eine andere Ansicht, in jeder Quelle anderes Wasser, in jedem Stande andere Sitten, in jedem Munde eine andere Sprache.
4898. (2217.) Verzagtheit zerstört den Frohsinn, des Winters Ankunft – den Herbst, die Sonne – die Finsterniss, Undankbarkeit – die guten Werke, ein erfreuliches Ereigniss – die Trauer, kluges Benehmen – Unglück, dummes Benehmen zerstört sogar eine grosse Wohlfahrt.
4899. (4729.) Mädchen in prächtigem Juwelenschmucke, mit vor Trunkenheit rollenden Augen und mit starken Hüften, vermögen einen Geliebten mit Wonne zu erfüllen.
4900. (2218.) Selbst eines Weisen Herz versetzt ein Weib nothwendig in Leidenschaft, wie ja auch die Dämmerung die klare, Glanz erzeugende Mondscheibe färbt.
4901. (2219.) Selbst in Beziehung zum Weisen, der im Walde lebt und seine heiligen Handlungen verrichtet, bilden sich drei Parteien: Freunde, Gleichgiltige und Feinde.
[55] 4902. Nach der Erlösung Strebende sollen stets eifrig den Götterfluss (die Gañgâ) besuchen; Verliebte sollen stets einem für Liebesgenuss empfänglichen Mädchen nachgehen.
4903. (2220.) Fürsten müssen Beamte die Geld in Händen haben, beständig peinigen: entlässt wohl ein Badehemd nach einmaligem Drücken sein vieles Wasser?
4904. (2221.) Ein Verständiger, dem es um sein Wohl zu thun ist, soll sich weder mit einem Manne, der öfters in seiner Arbeit gestört wurde, noch mit einem besiegten Spieler in eine Unterredung einlassen.
4905. (4730.) Besser, dass ein Mann bei lauterem Handeln nur einen Augenblick lebt, als dass er bei schlechtem Handeln, das sich weder mit dieser noch mit jener Welt verträgt, sogar ein ganzes Weltalter lebt.
4906. (4731.) Besser, o grosser König, dass ein Mann, wenn auch nur für einen Augenblick, wie ein Feuerbrand von Tinduka-Holz hell lodert, als dass er wie ein Spreufeuer ohne Flamme lange Zeit raucht.
[56] 4907. Wer ist wohl stumm? Der zur rechten Zeit nicht im Stande ist etwas Passendes zu sagen. Wer ist wohl taub? Der auf ein wahres und heilsames Wort nicht hört. Wer verdient kein Vertrauen? Das Weib.
4908. (4732.) O Thor, gieb auf die Gier Reichthümer zu erwerben! Sorge dafür, dass Leib, Geist und Herz zufrieden sind! Mit den Schätzen, die du durch eigene Arbeit dir erwirbst, erheitere deine Seele!
4909. Ein Verliebter beriecht ja nach Art der Hunde der Buhldirnen Leib, einen mit Urin, Schleim und andern Unreinigkeiten erfüllten, übelriechenden, mit Haut umzogenen Knochenhaufen.
4910. (4733.) Gieb dich, o Einfaltspinsel, der leicht zu gewinnenden Thorheit hin; auch sind dem Thoren acht Vorzüge eigen: er ist sorgenfrei, isst viel, ist sehr geschwätzig, geniesst bei Tag und bei Nacht des Schlafes, braucht nicht über Recht und Unrecht nachzudenken u.s.w., ist gleichgiltig gegen Ehre und Schande, setzt seine Füsse auf Jedermanns Haupt (erhebt sich über Alle) und lebt lange.
[57] 4911. (4734.) Das Unterweisen eines dummen Schülers, das Ernähren einer bösen Frau und der Verkehr mit einem Feinde kann sogar einen Weisen in Verzweiflung bringen.
4912. (4735.) Besser ein Sohn, der alsbald nach der Geburt stirbt, als ein dummer, der lange lebt: jener, der da stirbt, bereitet uns nur kurzen Schmerz, der Einfaltspinsel aber zehrt an uns wie Feuer, so lange er lebt.
4913. Vier Sachen bringen Andere zum Lachen: wenn ein Einfaltspinsel dichtet, wenn ein Heiserer singt, wenn ein Armer Spiel und Scherz treibt und wenn ein Greis nach der Sinnenwelt verlangt.
4914. (2222.) Ein Thor büsst ja aus Furcht vor einer ganz unbedeutenden Ausgabe Alles ein: welcher Verständige lässt wegen allzugrosser Scheu vor den Zollgebühren seine Waare im Stich?
4915. (4737.) Gebildete sind Thoren verhasst, Reiche Armen, Buhldirnen anständigen Frauen und Hässliche Schönen.
4916. (2223.) Gebildete sind Thoren verhasst, Reiche Armen, Fromme Schlechtgearteten, anständige Frauen untreuen Weibern.
[58] 4917. (4738.) Wo Thoren nicht geehrt werden, wo Korn reichlich aufgespeichert ist und wo Eheleute sich nicht zanken, da zieht die Glücksgöttin von selbst ein.
4918. Einem Dummen, einem Armen, einem weit Wohnenden, einem Späher, solche die nach der Erlösung trachten, einem Manne ohne Vorzüge und Bejahrten soll man auf keinen Fall eine Tochter zur Ehe geben.
4919. (2224.) Ein dummer Brahmane, ein bejahrter Hausvater (d.i. ein bejahrter Mann, der noch einem Hauswesen vorsteht und nicht den Wanderstab ergriffen hat), ein armer Verliebter, ein reicher Büsser, eine hässliche Buhldirne und ein geiziger Fürst sind die sechs Gegenstände des Gespöttes in der Welt.
4920. (2225.) Auch ein Thor prangt eine Weile in der Gesellschaft, wenn er in ein schönes Gewand gehüllt ist; aber nur so lange prangt der Thor, als er den Mund nicht aufthut.
[59] 4921. (2226.) Ein Büsser, der dumm and nicht zur Ruhe gelangt ist, ein träger Fürst, ein Tugendhafter, der neidisch ist, ein in Noth befindlicher und dabei hochmüthiger Hausvater, ein über die Maassen geiziger vornehmer Mann, ein der Tugend ermangelnder Gelehrter, ein Fürst ohne Autorität, ein redlicher Mann, der stets an fremdem Tische speist, ein alter, kranker und armer Mann, der dabei eine junge Frau hat: pfui rufe ich über diese mannichfachen Lächerlichkeiten!
4922. (2227.) Hört ein Thor bei einer Unterhaltung von Männern gute und schlechte Reden, so eignet er sich die schlechte Rede an, wie ein Schwein den Koth.
4923. (2228.) Hört dagegen ein Kluger bei einer Unterhaltung von Männern gute und schlechte Reden, so eignet er sich die gute Rede an, wie ein Flamingo sich die Milch aus dem Wasser nimmt.
4924. (4736.) Einem Thoren muss man ja aus dem Wege gehen, da er offenbar ein zweibeiniges Vieh ist: mit der Pfeilspitze seiner Rede verwundet er uns, wie ein nicht bemerkter Dorn.
[60] 4925. (2229.) Geradezu die leibhaftige Erbärmlichkeit, die Quelle (das Haus) alles Ungemachs, nur ein anderes Wort für Tod ist der Menschen Armuth.
4926. Der Kopf, die Augen, der Mund, die Scham und auch das Herz, dies sind die fünf Orte des Liebesgottes, in denen er selbst weilt.
4927. (2230.) Auf Kosten alter Diener soll (ein Fürst) keine Fremdlinge ehren, da es keinen ärgern Missgriff als diesen giebt, indem er zum Bruch der Regierung führt.
4928. (4739.) Stets soll man zu allererst die Wurzel der feindlichen Partei entzweihauen, darauf die Gefährten und deren Partei und schliesslich Alle sammt und sonders.
4929. (2231.) Es giebt kein Plätzchen am Sandelbaum, zu dem nicht[61] eine Menge von Thieren von allen Seiten her ihre Zuflucht genommen hätten; zur Wurzel Schlangen, zum Gipfel Vögel, zu den Aesten Affen, zu den Blüthen Bienen.
4930. (2232.) Eine Maus muss man tödten, obgleich sie im Hause geboren ist, weil sie Schaden anrichtet; eine Katze erbittet man sich anderswoher und zahlt noch für sie, weil sie Nutzen bringt.
4931. (2234.) Gazellen, Fische und gute Menschen, denen (der Reihe nach) Gras, Wasser und Genügsamkeit als Lebensunterhalt angewiesen worden ist, haben in der Welt ohne allen Grund (der Reihe nach) Jäger, Fischer und Hinterbringer zu Feinden.
4932. (2235.) Jagd, Würfelspiel und Trunk sind tadelnswerth bei Fürsten; das Unglück, das aus ihnen hervorgeht, hat man (der Reihe nach) an Pâṇḍu, Nala und den Vṛshṇi gesehen.
4933. Jagd, Würfelspiel, Weiberhuldigung, Trunk und Alles, was damit in Zusammenhang steht und daraus erwächst, wird von Weisen getadelt; und doch sieht man gar sehr gelehrte Männer an jenen hängen.
[62] 4934. (2236.) Gazellen schliessen sich Gazellen an, Kühe Kühen, Pferde Pferden, Thoren Thoren, Kluge Klugen: Freundschaft findet man zwischen denen, die gleichen Charakter und gleiche Liebhabereien haben.
4935. Fürsten verschleudern ihr Vermögen um die Seltenheit Gazellenäugiger, den guten Athem von Rossen, der Schmarotzer Bereitwilligkeit böse Reden zu ertragen und der Barden Lobhudeleien zu erkaufen.
4936. (2237.) Beim Vernehmen des Gewiehers der Rosse machten sich die Gazellen aus dem Staube, die Hasen versteckten sich, die Eber drehten sich in ihrer Wuth um, die Löwen aber blieben ruhig liegen wie zuvor.
4937. (4740.) Wer über einen Verstorbenen, über Verlorenes oder Vergangenes trauert, schafft sich aus Leid neues Leid, nimmt zwei Mal Schaden.
4938. (2238.) Wenn die Angehörigen einen entseelten Körper wie ein Holzstück oder einen Erdkloss auf dem Boden hingelegt haben, kehren sie heimwärts; die guten Werke aber folgen dem Todten nach.
4939. (4120.) Darum soll man nach und nach und ununterbrochen gute Werke einsammeln, um einen Gefährten zu haben; denn wenn man die guten Werke zu Gefährten hat, kommt man leicht über das schwer zu überwindende Dunkel hinweg.
[63] 4940. (2239.) Entweder man fällt in der Schlacht und gewinnt den Himmel, oder man erlegt den Feind und wird des Glückes theilhaftig: diese beiden überaus schwer zu erlangenden Vortheile haben ja Helden.
4941. Wenn ein Sohn, der mit Mühe aufgezogen wurde, stirbt, heben ihn, o Fürst, die Leute auf, tragen ihn zum Hause hinaus, weinen mit aufgelösten Haaren kläglich um ihn und werfen ihn dann wie ein Stück Holz auf den Scheiterhaufen.
4942. Wenn es heisst, dass ein Verstorbener seiner früheren Geburten sich erinnere, dass ihm der Lohn für seine Werke in ununterbrochener Folge zu Theil werde und dass er von dem, was Andere geniessen, satt werde, so rufe ich aus: fort mit diesem Schelmengewerbe!
4943. (2240.) Treuen Dienern, die im Dienste des Herrn sterben, wird ein ewiger Aufenthalt im Himmel und Ruhm auf Erden zu Theil.
4944. Wenn Todtenopfer auch verstorbene Menschen sättigen, dann ist es unnütz, dass man denen, die im Leben auf Reisen gehen, eine Zehrung auf den Weg bereitet.
4945. (2241.) Wenn Todtenopfer auch verstorbene Menschen sättigen, dann wird auch Oel die Flamme einer erloschenen Lampe beleben.
[64] 4946. Gestorben ist die Mutter der finsteren Verirrung (die Morgenröthe), geboren der Sohn der lichten Erkenntniss (die Sonne). Beide sind dadurch verunreinigt worden; wie sollten wir demnach die Morgenröthe verehren?
4947. (4741.) Die Frau, die nach dem Tode des Gatten den Scheiterhaufen besteigt, von der sagt man, dass sie der Arundhatî gleicht, und dafür geniesst sie im Himmel selige Freuden.
4948. (2242.) Die tugendhafte Frau, die nach dem Tode des Gatten in Keuschheit verharrt, gelangt, auch wenn sie keine Söhne hat, in den Himmel, wie jene Brahmanen, die das Gelübde der Keuschheit erfüllen.
4949. (2243.) Die in der Schlacht Gefallenen erringen den Himmel, die am Leben Bleibenden den höchsten Ruhm; demnach haben Helden diese beiden überaus schwer zu erlangenden Vortheile.
4950. (2244.) Todt ist ein armer Mann; todt ein Beischlaf, bei dem[65] keine Kinder gezeugt werden; todt ein Todtenmahl, an dem kein schriftkundiger Brahmane Theil nimmt; todt ein Opfer, das von keinen Opfergaben begleitet ist.
4951. Ein und dasselbe Lehmstück erscheint in vielen Gefässen, ein und dasselbe Gold bildet das Wesen vieler Schmucksachen, ein und dieselbe Kuhmilch rührt von vielen Kühen her, ein und dieselbe Weltseele befindet sich in vielen Leibern.
4952. (2245.) Selbst der ganze von einem Wasserstreifen rings eingefasste Erdklumpen ist ja winzig klein; nachdem Scharen von Fürsten nach Hunderten von Kriegen eben diesen Klumpen zerstückelt haben, zehren sie selbst daran, oder, wenn sie spenden, härmen sie sich darüber ab. Wie viel mehr die andern Winzigen, Bettelarmen! Pfui, pfui rufe ich aber über den Abschaum von Menschen, der sogar von diesen ein Lumpengeld zu erhalten wünscht!
4953. Da die Welt vom Tode heimgesucht und durch's Alter geplagt wird und da die Nächte nicht vergeblich dahineilen, so schiffe auf dem Nachen der Tugend hinüber.
[66] 4954. Bei Allen, die geboren werden, wird, o Held, der Tod zugleich mit dem Körper geboren: der Tod ereilt sicher Alles, was da lebt, sei es heute oder erst nach hundert Jahren.
4955. (4742.) Wie kommt es, dass du gutes Muths bist, da doch die Menschen dem Tode, dem Alter, Krankheiten und den aus vielen Ursachen entspringenden Leiden nicht zu entgehen vermögen?
4956. (4743.) Wie eine untreue Frau im Herzen über ihren Gatten lacht, dass er mit solcher Liebe am Sohne hängt, so lacht der Tod über den, der seinen Leib, und die Erde über den, der seine Schätze hütet.
4957. (2246.) Einem Fürsten, der wie der Todesgott strenge Strafe verhängt, unterwerfen sich seine Feinde; wenn er aber Alles ruhig hinnimmt, dann achten ihn die Gegner einem Grashalm gleich.
4958. Was fürchtest du dich, o Thor, vor dem Tode, da dieser den Furchtsamen nicht laufen lässt? Der Tod ereilt sicher Alles, was da lebt, sei es heute oder erst nach hundert Jahren.
[67] 4959. (4744.) Die Lust (unter Menschen) im Dorfe zu wohnen, ist wie des Todes Behausung; der Wald dagegen ist gleichsam der Götter Sammelplatz: so heisst es.
4960. Ein Bösewicht hält einen Milden für einen machtlosen Schwätzer; ein Dummer wähnt, wenn er auf Milde stösst, dass seine Sache gewonnen sei.
4961. (2247.) Was nützt uns sogar ein weicher, ganz runder, sehr leckerer und überaus reizender Kuchen, wenn er erst verdient werden muss?
4962. Durch Milde schlägt man den Harten, durch Milde schlägt man den Weichen. Durch Milde kann man Alles erreichen; darum ist Milde das Strengere.
4963. (2248.) Wird doch sogar eines Berges fester Boden durch weiches Wasser unterwühlt und weggeschwemmt, wie viel mehr werden nicht der Menschen weiche Herzen durch Einflüsterungen solcher, die sich darauf verstehen, unterwühlt und abwendig gemacht?
[68] 4964. (2249.) Durch Milde sollst du den Milden aus dem Wege räumen, durch Milde schlägt man den Harten. Durch Milde kann man Alles erreichen; darum ist der Milde der Strengere.
4965. (2250.) Viele sanfte Männer können einem Helden Nichts anthun: junge Tauben können einem Falken Nichts anthun.
4966. (4745.) Den Milden schätzt man gering und vor dem Strengen erschrecken die Leute: darum sollst du weder streng, noch milde sein, sondern streng und milde zugleich.
4967. (4746.) Indem ein Feind sich milde, weich und unansehnlich stellt, schmiegt er sich allmählich an; darauf macht er es, wie ein Ameisenhaufe mit einem Baume: er richtet die Wurzeln zu Grunde.
4968. (2251.) Ist Jemand milde, so schätzt man ihn gering; ist Jemand streng, so schrickt man vor ihm zurück. Wenn es gilt strenge zu sein, sei man strenge; wenn es gilt milde zu sein, sei man milde.
4969. Der Milde wird gering geschätzt, vor dem Strengen schrecken[69] die Leute zurück; wer zu rechter Zeit Beides (Milde und Strenge) anzuwenden versteht, der ist ein wahrer Fürst.
4970. (2252.) Dem Milden steht beständig Demüthigung, dem Strengen stets Feindschaft bevor; darum gebe man Beides auf und gehe die Mittelstrasse.
4971. (2253.) Ein böser Mensch ist, wie ein irdener Krug, leicht zu trennen und schwer zu einen; ein guter Mensch dagegen, wie ein goldener Krug, schwer zu trennen und schnell zu einen.
4972. Verloren ist ein Land ohne Wolken (Regen), verloren ein Geschlecht ohne Sohn, verloren eine schöne Gestalt ohne Kleider, verloren ein Heer ohne Führer.
4973. Die Regenzeit, die Finsterniss um sich verbreitet, erfreut den Pfau, der reine Herbst – den Flamingo: das gegenseitige Gefallen bewirkt es, dass Geber und Empfänger durchaus den gleichen Geschmack haben.
[70] 4974. (2254.) Es mag regnen, donnern oder blitzen, Weiber, die zum Geliebten eilen, kümmern sich darum eben so wenig wie um Kälte und Hitze.
4975. Wolken, Bäume, die Wasser der Flüsse und gute Menschen, diese vier Dinge hat das Schicksal geschaffen um Andern Hilfe zu leisten.
4976. (2255.) Wer klug, beredt und gebildet ist, die Sinnesweise Anderer erräth, standhaft ist und treu berichtet, der wird zum Gesandten bestimmt.
4977. (4747.) Wer klug, beredt, standhaft und gewandt ist, seine Sinne im Zaume hält und mit allen Wissenschaften vertraut ist, von dem sagt man, dass er ein (würdiger) Schreiber sei.
[71] 4978. Der Berg Meru ist in weiter Ferne; der Himâlaja hat sich in Schnee gehüllt; der Mond ist zwar reich, hat aber aus Furcht, man könnte ihn um eine Gabe ansprechen, sich schmächtig gemacht; auch hat Çiva (als Büsser) ein Tuch um die Lenden geschlagen; der hehre Vishṇu liegt auf dem Wasser; der Behälter der Gewässer, das Meer, ist untrinkbar geworden: wer wäre wohl im Stande Etwas zu spenden?
4979. Nicht so! Jedermann verlangt ja nach einem ihm entsprechenden Lohne: ein Hund begnügt sich mit einem blossen Knochen, ein Löwe setzt einem Elephanten nach.
4980. Wer einen erschrockenen, bei ihm Zuflucht suchenden Mann dem Feinde überliefert, der Thor sucht vergebens nach Nahrung, der stürzt regungslos vom Himmel herab und dessen Opferbutter nehmen die Götter nicht entgegen.
4981. Der Verkehr mit Thoren führt ja zu Geistesverdummung, während der tägliche Umgang mit Gebildeten zur Quelle der Tugend wird.
4982. (2256.) Wasche, o Herz, den Unverstand ab! Habe deine Freude[72] an dem, der den Halbmond zum Diadem hat! Finde Gefallen am Uferabhange des Götterflusses! Ist wohl irgend ein Verlass auf Wellen, Wasserblasen, Blitze, Glücksgüter, Flammenspitzen, Schlangen und auf schwierige Furten?
4983. Thoren durchziehen den Süden und Westen, den Osten und Norden, weil sie nicht im Stande sind gemächlich zu baden im klaren Flusse, in dem aus Sein und Denken bestehenden Herzen.
4984 (4748.) Wer, der Gattin und der Söhne wegen sich abmühend, diesen Wohlgedeihen schafft, indem er Gutes und Schlechtes vollbringt, der ist vom Unverstand ergriffen.
4985. (4749.) Der Kluge zieht einen aus Dummheit in's Unglück Gerathenen, dieser sei ihm gleichgiltig oder auch sein Freund, zuerst nach Kräften aus diesem Unglück und schilt ihn erst dann zu seinem Besten aus.
4986. Nicht darum heisst man Muni, weil man Stillschweigen beobachtet, auch nicht darum, weil man im Walde wohnt, sondern derjenige ist der beste Muni, der sein Selbst genau zu bestimmen weiss.
4987. (2257.) Schweigt man, so gilt man für stumm; ist man beredt,[73] so heisst es, man sei ein Schmeichler oder ein Schwätzer; steht man in der Nähe, so ist man unverschämt; hält man sich in der Ferne, so ist man schüchtern; zeigt man Nachsicht, so gilt man für furchtsam; lässt man sich Etwas nicht gefallen, dann pflegt es zu heissen, man sei nicht von guter Herkunft: die Pflichten des Dieners sind überaus verfänglich und selbst beschaulichen Asketen unverständlich.
4988. (2258.) Wer stillschweigt, wenn ihm ein Fusstritt versetzt wird, ist nicht nachsichtig, sondern gemein; wer das Schwert selbst gegen den Freund zieht, der ist nicht muthig, sondern niederträchtig.
4989. (4750.) Wer der Wohlfahrt (des Reichs) nachgeht, indem er auf das, was ihm selbst lieb und angenehm ist, verzichtet, der bereitet alsbald Freude seinen Ministern.
4990. Der Mann, der ein empfindliches Gewissen hat, erscheint der ganzen Welt ehrwürdig: er hat unendlichen Glanz, ist frohen Muths, aufmerksam und strahlt mit seinem Glänze wie die Sonne.
4991. Wenn Jemand durch seine eigene Missethat sich etwas Böses zuzieht, dann darf er um dieses Uebels wegen keinen Andern in Verdacht haben.
[74] 4992. Wer dir beide Ohren der Wahrheit gemäss mit dem heiligen Worte erfüllt, den musst du für deine Mutter und deinen Vater ansehen und dem darfst du nie und nimmer ein Leid zufügen.
4993. (4751.) Wer von seiner Geburt, seinem Leben und seiner Gelehrsamkeit die rechten Früchte zu erlangen gedenkt, der gehe zur Gañgâ und stelle dort Manen und Götter zufrieden.
4994. (2259.) Wer Andere um ihre Reichthümer, ihre schöne Gestalt, ihren Heldenmuth, ihre edle Abstammung, ihre Freuden, ihr Glück und um die Ehre, die ihnen erwiesen wird, beneidet, der hat es mit einer endlosen Krankheit zu thun.
4995. (2260.) Der schlaffe Mann, der seinen Feind oder eine Krankheit, die zufällig hervortreten, nicht beachtet, wird allmählich – durch sie aufgerieben.
4996. (4752.) Denselben Eifer, den man bei der Verwüstung eines fremden Reiches an den Tag legt, soll man beim Hüten des eigenen Reiches an den Tag legen.
4997. Jegliche Handlung, die ein Mensch im Hinblick auf ein bestimmtes[75] Ziel vollbringt, würde Erfolg haben, wenn die frühere That (die That aus dem frühern Leben) nicht da wäre.
4998. (4753.) Für einen des Feuers ermangelnden Mann, dessen sich Verzagtheit bemächtigt, wenn es gilt muthig aufzutreten, giebt es kein menschliches Bemühen (d.i. der verlässt sich ganz auf das Schicksal).
4999. (2261.) Ein Mann, der Böses thut, liebt sicher sich selbst nicht, da er ja selbst die Frucht des Bösen, das er beging, geniesst.
5000. (4754.) Jeder fern Stehende, er sei wer er wolle, der sich als Freund benimmt, ist unser Angehöriger, unser Freund, unsere Zuflucht und unser Hort.
5001. (2262.) Die Glücksgöttin verlässt nimmer den Löwen von Fürsten, der sogar einen Dreier, der an einen unrechten Ort gerieth, aufhebt, als wären es tausend Goldstücke, am rechten Orte dagegen sogar Millionen mit offener Hand verschenkt.
5002. (4755.) Einen Fürsten, der Liebe und Zorn aufgiebt, einem Würdigen Reichthümer zukommen lässt, Urtheilskraft besitzt, gelehrt ist und schnell zu Werke geht, nimmt Jedermann sich zur Richtschnur.
5003. (4756.) Wenn Einer alle seine Wünsche erreicht, ein Anderer[76] aber allen insgesammt entsagt, so sage ich, dass das Aufgeben aller Wünsche besser ist als das Erreichen derselben.
5004. (2263.) Ein Fürst, der sein Glück an die Minister knüpft, geräth, wenn diesen ein Unglück zustösst, wie ein Blinder ohne Führer in Verlegenheit.
5005. (2264.) Wer der Familie, der Abstammung und den Sitten nach vollkommen rein ist, Hoheit besitzt, gerecht und in der Staatskunst erfahren ist, der eignet sich zum Herrn der Erde.
5006. (2265.) Wer, wenn er dem Fürsten einen schweren, nützlichen und ausserordentlichen Dienst erwiesen hat, verschämt kein Wort darüber sagt, an dem hat der Fürst einen wahren Gefährten.
5007. (4757.) Wessen Pferde, Kühe, Diener und Gäste mager (schlecht gehalten) sind, der, o König, ist mager (armselig), nicht der am Leibe Magere.
5008. (2266.) Wer, bevor er die fünf inneren, aus dem Herzen hervorgehenden Feinde (die Sinnesorgane) besiegt hat, andere Feinde zu besiegen im Sinne hat, den bewältigen die Feinde.
[77] 5009. (2267.) Wenn eine Mutter durch einen Sohn, der atfs Furcht vor einer Demüthigung seine Heimath verläset, schon für eine wirkliche Mutter angesehen wird, wie muss dann der Sohn beschaffen sein, durch den sie unfruchtbar genannt wird?
5010. Wer stumm ist, wenn es gilt Andere zu tadeln, blind, wenn es gilt eines Andern Weib anzuschauen, und lahm, wenn es gilt eines Andern Gut zu rauben, der siegt als grosser Mann in der Welt.
5011. (2268.) Der Mann, der Schmähungen Anderer stets ruhig hinnimmt, hat, so wisse, Devajânî, diese ganze Welt gewonnen.
5012. (4758.) Wer früher zu thuende Sachen später und später zu thuende früher zu thun beabsichtigt, der weiss nicht, was kluges und dummes Benehmen ist.
5013. Wenn aber ein Mann, o Schöne, nicht beständig seinen Zorn unterdrückt, dann führt der überaus heftige Zorn zu seinem Verderben.
[78] 5014. (2269.) Wer, bevor er an ein Werk geht, ehrwürdige Männer, die befragt zu werden verdienen und die ihm gewogen sind, befrägt, dem stellt sich bei keinem Werke ein Hinderniss in den Weg.
5015. Wer keinen richtigen Begriff hat vom Bestehen, Wachsen und Vergehen des Schatzes, des Landes und der Streitkräfte, der bleibt nicht lange in der Herrschaft.
5016. Wer aber einen richtigen Begriff hat von den eben erwähnten Dingen und ein Verständniss für das Gute und Nützliche, der gelangt zur Herrschaft.
5017. (4759.) Die Freuden der Lüste in dieser Welt und die grossen himmlischen Freuden verschwinden in Nichts vor den Freuden über das Schwinden des Begehrens.
5018. (2270.) Alles, was in der Welt vorgeht, kennen die Leute, auch das, was in den Veden und den Lehrbüchern nicht angetroffen wird und auch sonst nicht gehört worden ist.
5019. Wenn ein Fürst jedes edle Werk und jedes schöne Wort, die zu[79] seiner Kenntniss kommen, in Ehren hält, dann wird er des höchsten Verdienstes theilhaftig.
5020. (2271.) Wem es um sein Wohl zu thun ist, der esse, was gegessen werden kann und gegessen verdaut wird und nach der Verdauung wohl bekommt.
5021. (2272.) Die Wolke wird, obgleich sie nur Wasser spendet, der Liebling der ganzen Welt; selbst den Freund (die Sonne) kann man nicht ansehen, wenn er (sie) beständig die Hand ausstreckt (Strahlen entsendet).
5022. Mag der Sohn Pându's ein Opfer veranstalten, Indra den Himmel hüten, die Sonne scheinen, wir wollen unser Feinde schlagen: Jeder hat seine Sache im Auge.
5023. (2273.) Wenn Menschen auch nur ein ganz kurzes Leben leben, das aber ob der Kenntnisse, des Heldenmuthes und des Ruhmes weit gepriesen wird und bei dem die Ehre nicht leidet, so nennen Kenner der Sache dieses ein wahres Leben: auch eine Krähe lebt lange und verzehrt die hingeworfene Spende.
[80] 5024. (2274.) Das Leben ist ein wahres, das berühmte und muthige Männer leben: auch eine Krähe, die eine hingeworfene Spende verschlingt, lebt lange.
5025. (4760.) Gate, die von den Ueberbleibseln eines Opfers sich nähren, werden von jeglicher Schuld befreit; Böse dagegen, die für sich selbst kochen, geniessen Sünde.
5026. Der Brahmanen Festtag ist ein Opfer, der Thoren Festtag Hader, der Weiber Festtag ein Mann, der Kühe Festtag frisches Gras.
5027. (2275.) Welchen Weg ein Fürst betritt und geht, auf dem Wege geht auch der grosse Haufe, indem er dem Fürsten auf dem Fusse folgt.
5028. (2276.) Wodurch ein Schade kam, dadurch wird er auch wieder gehoben: Blasen eines am Feuer Verbrannten werden sicherlich durch Feuer geheilt.
5029. Seitdem die fünf groben Elemente bestehen, seitdem die Welten[81] vom Schöpfer gebildet und seitdem Männer und Frauen geschaffen wurden, von der Zeit an haften die Mängel an den Frauen, o Nârada!
5030. (4761.) Wo die Wahrheit ist, da ist die Göttin des Glückes; wo die Göttin des Glückes ist, da ist Vishnu (ihr Gatte); wo Vishnu ist, da ist das Recht; wo das Recht ist, da ist der Sieg.
5031. Wie sollte nicht ein Mann mit demjenigen, den er als Grund seines Daseins erkennt, wie mit einer leibhaftigen Gottheit verfahren?
5032. (4762.) Von Allem, dem man entsagt, wird man befreit, da derjenige, welcher Allem entsagt, auch nicht das geringste Leid empfindet.
5033. (2277.) Çiva möge euch behüten, der Gott, an dessen Halse das Gift wie Rosenäpfel, auf dessen Haupt die himmlische Gañgâ wie Wassertropfen, auf dessen Schoosse das Gesicht der Gebirgstochter (seiner Gattin) wie eine Wasserrose, auf dessen Hüfte das umgeworfene Tigerfell wie eine Vallisneria prächtig glänzen, und dessen Trugbild wie ein Netz die gesammte Welt umstrickt.
[82] 5034. Der Geizhälse Reichthum, der Unbehagen, Beschwerden, Durst nach mehr, Verblendung und Nachtwachen verursacht, ist kein Reichthum, sondern nichts Anderes als eine Krankheit des Herzens.
5035. (4763.) Für jegliches böse oder gute Werk, das der Mensch, o Bester, vollbringt, erhält er nothwendig den Lohn, darüber waltet kein Zweifel ob.
5036. (4764.) Welches Leid immer Jemand thörichten Sinnes einem Andern zufügt, das wird ihm selbst sicher zu Theil, da der Lohn dem Thäter zufällt.
5037. (4765.) Eine Handlung, bei deren Vollbringen das Herz Befriedigung findet, soll man zu vollbringen sich eifrig bestreben, eine entgegengesetzte Handlung aber meiden.
5038. Den Samen, den Einer ehemals aussäete, als er eine That vollbrachte, erntet er sicherlich, da sogar der Schöpfer etwas früher Vollbrachtes nicht zu ändern vermag.
5039. Was man für gut hält, darauf richte man sei nen Geist; einem Bösewicht vergelte man nicht mit Bösem, sei vielmehr stets nur gut.
[83] 5040. Ὅ, τι δήποτε ποιεῖ ὁ βασιλικὸς ὑπηρέτης, εἴτε ἀγαϑὸν, εἴτε κακὸν, τούτου ὁ βασιλεὺς (εἰς τὸν βασιλέα ἀναδέρεται), καὶ τὸν καρπὸν τῆς κακίας καὶ τῆς ἀρετῆς ἀπολαμβάνει.
Galanos, Varr. 77.
5041. (4766.) Worum man auch gebeten wird, das soll man ohne Murren geben, da ein der Gabe Würdiger erscheinen wird, der Einen aus allen Gefahren rettet.
5042. Ein Mann versinkt in Schmerz dadurch, dass er nach irgend Etwas verlangt; wenn er nach gar Nichts verlangt, dann wird er unvergänglicher Freuden theilhaftig.
5043. (2278.) Wenn unvernünftige Knaben und Mädchen sich zanken, so ahme ein Verständiger dieses nicht nach: jene kennen ihre Kräfte nicht.
5044. (4767.) Wer möchte wohl eine Handlung vollbringen, durch deren Vollbringung er kein Verdienst, keinen guten Namen und sicher auch keine Ehre, sondern nur eine Ermüdung des Körpers einernten würde?
5045. (4768.) Was ein Zorniger opfert, was er spendet, die Kasteiungen, die er übt, und was er den Göttern darbringt, alles dieses raubt ihm Vaivasvata: vergeblich ist ja des Zornigen Bemühen.
[84] 5046. (2279.) Nachsicht, ein aufmerksames Ohr zu rechter Zeit, Herzensfreude beim Ausruf »Çiva, Çiva«, Gefallen an Almosen, Verzicht auf Reichthümer, Vergnügen an beständiger Andacht, das Wohnen an einsamem Orte, ein demüthiges Benehmen vor dem Lehrer, Umgang mit Edlen, Lust an der Wahrheit und Besiegung der Geschlechtsliebe: dieses heisst auf dem Wege sein zur Erlösung Guter.
5047. (4769.) Eine Freude, die am Anfange wie Gift, am Schluss aber wie Nektar erscheint, nennt man eine wahrhafte, da sie aus der Ungetrübtheit der eigenen Erkenntniss hervorgeht.
5048. (4770.) Was man aber in Erwartung eines Gegendienstes oder in Rücksicht auf einen Lohn und was man ungern giebt, eine solche Gabe hat man als eine aus der Leidenschaft hervorgegangene bezeichnet.
5049. (4771.) Wenn ein richtig begonnenes Werk einen schlimmen Ausgang nimmt, dann ist nicht der Mann dafür zu tadeln, da (in solchem Falle) das Schicksal seiner menschlichen Anstrengung Hindernisse in den Weg gelegt hat.
[85] 5050. (2280.) Die blaue Wasserrose, deren Schönheit der deiner Augen gleichkommt, ist unter das Wasser gegangen; der Mond, o Liebe, der der Farbe deines Antlitzes sich nähert, ist durch Wolken verhüllt worden, und auch die Flamingo, deren Gang mit deinen Schritten wetteifert, sind davongezogen: das Schicksal gönnt mir nicht einmal den Zeitvertreib mit dem dir Aehnlichen.
5051. (2281.) Wer würde wohl, gäbe er sich auch Mühe, bei den Pfauen den Ort, wo die Speise hinaustritt, sehen, wenn nicht die Thörichten aus Freude über das Donnern der Wolken selbst tanzten?
5052. Böses übt man mit Eifer, Gutes vollbringt man nicht einmal gelegentlich. Das ist ja eine wunderbare Erscheinung in der Welt der Menschen, dass man Milch stehen lässt und Gift schlürft.
5053. (2282.) Da aller Reis, alle Gerste, alles Gold, alles Vieh und alle Weiber, die sich auf Erden finden, nicht einmal für Einen genug sind, so entsage man der Gier.
[86] 5054. (2283.) Aller Reis, alle Gerste, alles Gold, alles Vieh und alle Weiber, die sich auf Erden finden, befriedigen nicht das Herz eines von der Begierde gequälten Mannes.
5055. (2284.) Wer da sieht, dass aller Reis, alle Gerste, alles Gold, alles Vieh und alle Weiber, die sich auf Erden finden, für Einen nicht genug sind, der bleibt vernünftig.
5056. (2285.) Da aller Reis, alle Gerste, alles Gold, alles Vieh und alle Weiber, die sich auf Erden finden, für Einen nicht genug sind, so wird ein Weiser ruhig in seinem Herzen.
5057. Welcher vernünftige Mann betritt die wenig fesselnde Festung, Haus genannt, in der nicht eine Geliebte mit vollem Busen und starken Hüften sitzt und auf den Weg schaut (den er kommen muss)?
5058. (2286.) Wo immer ein Kriegsheld, von Feinden umzingelt, erschlagen wird, erlangt er unvergängliche Welten, wenn er sich nicht feig benimmt.
5059. (2287.) Wer in dem Lande oder an dem Orte, wo er früher vermöge seiner Macht Genüsse genossen hat, wohnen bleibt, nachdem er um sein Vermögen gekommen ist, der ist der allerniedrigste Mensch.
[87] 5060. Geschlagen sind die Beisitzer im Gericht, wenn unter ihren Augen das Recht durch das Unrecht und die Wahrheit durch die Lüge geschlagen wird.
5061. Sobald ein Kluger einen vorzüglichen Mann mit vielen guten Eigenschaften gewahr wird, bittet er ihn mit freundlichen Worten um Etwas und trägt ihm ein Geschäft auf.
5062. (2288.) Wo kein grosser Gewinn, wohl aber eine Niederlage zu erwarten ist, da wird kein Verständiger einen Kampf hervorrufen und sich in ihn begeben.
5063. (4772.) Wo die Frauen geehrt werden, da freuen sich die Götter; wo aber jene nicht geehrt werden, da bleiben alle heiligen Werke fruchtlos.
5064. Wo keine Gewaltthat geschieht, da führt der Fürst ein strenges Regiment; ist er um das Wohl des Armen besorgt, so findet keine Scheu, sondern ein inniges Verhältniss zwischen Beiden Statt.
[88] 5065 (2289.) Wohin der Mädchen Blick fällt, dahin fallen scharfe Pfeile; darum meine ich, der Liebesgott laufe mit dem Pfeile auf dem Bogen vor ihnen her.
5066. (4773.) Wenn man sich mit einem mächtigen Feinde unter der Bedingung verbündet, dass man ihm einen Theil des Landes abtritt, so nennen Männer, die sich auf Bündnisse verstehen, ein solches Bündniss Âdishṭa.
5067. Wohin gerade der Schöpfer Jemanden, wenn dieser noch im Mutterleibe steckt, immer und immer wieder hinsetzt, dort weilt er, nicht aber da, wo er selbst möchte.
5068. (2290.) Wo der König ist, da ist auch der Schatz: ohne Schatz kann man nicht König sein. Aus diesem Schatze zahle der König seinen Soldaten: wer kämpft denn nicht für den, der zahlt?
5069. (4774.) Was habe ich da zu schaffen, wo der Fürst selbst ein Dieb ist, desgleichen seine Minister und sein Hauspriester? Wie der Fürst, so die Unterthanen.
5070. Wo man keine Wissenschaft erlernen und kein Geld erwerben kann, und wo man sich nicht wohl fühlt, da verweile man keinen Tag.
[89] 5071. (2291.) Wo es keine klugen Leute giebt, da wird auch ein Schwachkopf gepriesen: in einer Gegend, wo die Bäume ausgerottet wurden, gilt selbst die Ricinus Staude für einen Baum.
5072. (4775.) Wo ein gutes und ein schlechtes Wort, o Madhusûdana (Krshna), gleich viel gelten, da pflegt ein Verständiger nicht zu reden, wie auch kein Sänger vor Tauben singt.
5073. (2292.) Ein Haus, in dem ein Weib, ein Spieler oder ein Knabe das Regiment führt, geht zu Grunde: dieses hat ja Bhrgu's Spross erklärt.
5074. Wo ein Weib, ein Spieler oder ein Knabe das Regiment führt, da geht man, o Fürst, man mag wollen oder nicht, zu Grunde wie Nachen aus Stein in einem Flusse.
5075. Wie die Sonne, wenn sie, den Berg des Ostens verlassend, auf dem sie den Aufgang erlebte, zu einem andern Berge sich begiebt, dem Untergang entgegengeht, so auch ein Mann, wenn er, seinen frühern Fürsten verlassend, uuter dem er zu Glück gelangte, sich zu einem andern Fürsten begiebt.
5076. (2293.) Dass dort, wo eine schöne Gestalt sei, auch Tugenden[90] sich finden, ist kein richtiger Ausspruch der Dichter, da jene in meinem Herzen lebende Geliebte, obgleich sie überaus reizend ist, meinen Leib versengt, wenn wir von einander getrennt sind.
5077. (2294.) In einem Hause, wo Viele waren, bleibt später nur Einer; und wo nur Einer, und darauf Viele, da ist am Ende auch nicht Einer. So, die Nacht und den Tag wie zwei Würfel werfend, spielt Kâla mit der Kâlî auf dem Schachbrette der Erde mit Menschenfiguren.
Stenzler.
5078. Wohin auch immer die Flamingo kommen, da schmücken sie den Erdkreis; ein Verlust aber ist es ja für diejenigen prächtigen Teiche, welche von den Flamingo verlassen werden.
5079. Wo ein Schwacher, wenn er geschlagen wird, keinen Retter findet, da fällt eine grosse, fürchterliche, vom Schicksal verhängte Strafe nieder.
5080. (2295.) Wenn ohne Kampf der Tod sicher, bei einem Kampfe aber nur Gefahr des Lebens ist, dann gerade, so sagen die Weisen, ist die Zeit zum Kampfe.
5081. (2296.) Wer an demselben Orte, wo er früher als stolzer Mann[91] froh und lustig gelebt hat, später klägliche Reden im Munde führt, der wird von den Andern getadelt.
5082. Wer, die Tage nicht zählt (da er Nichts zu essen hat), den nennt man keinen grossen Esser; es ist schon eine grosse Freude, o Indra, wenn man blosses Gemüse im eigenen Hause sich kocht.
5083. (2297.) Dass gerade dorthin, wohin diese Mädchen mit ihren wie Wogen hin und her tanzenden Augen die Brauen richten, stets jene in die empfindlichsten Theile dringenden Pfeile niederfallen, kommt bestimmt daher, dass alsdann der Liebesgott, dessen Hand von dem auf dem gespannten Bogen liegenden befiederten Pfeile in Bewegung gesetzt wird, zornig vor ihnen herläuft um ihre Befehle zu überbringen.
5084. (2298.) Wo man kräftig die Hand an's Werk legt, wo man die Trägheit unterdrückt und wo Klugheit und Muth zusammen erscheinen, dort weilt gewiss das volle Glück.
5085. (4776.) Wo es Wasser giebt, da lassen sich Flamingo nieder und einen ausgetrockneten Wasserbehälter verlassen sie wieder. Der Mensch soll nicht wie die Flamingo sein, die heute gehen und morgen kommen.
5086. (2299.) Einen Herrn, von dem man keinen Gewinn, sondern Nichts als Ungemach zu erwarten hat, soll man schon aus der Ferne meiden, zumal wenn man vom Waffenhandwerk lebt.
[92] 5087. (4777.) Ich verbeuge mich vor dem Gelde, dem eine wunderbare Macht innewohnt, da durch die Hingabe desselben das erfolgt, was das Sammeln von Juwelen und Heilkräutern bewirkt: das Ende alles Ungemachs.
5088. (4778.) Einer solchen Freude, bei deren Genuss man weder um das Verdienst noch um den Nutzen kommt, soll man sich getrost hingeben und nicht die Weise des Thoren befolgen.
5089. Wenn ein Mann durch eigene Arbeit irgend eines Lohnes theilhaftig wird und zwar Angesichts der Welt, so nennt man dieses menschliche Arbeit (im Gegensatz zum Schicksal).
5090. Der Fall eines Edlen ist ja wie der eines Balles (der sich wieder erhebt), der Fall eines Thoren dagegen wie der eines Erdklosses.
5091. (2300.) Wie die sogenannte Krähengerste und wie wilder Sesam nicht in Wirklichkeit, sondern nur dem Namen nach Gerste und Sesam sind, so sind auch Leute ohne Geld nur dem Namen nach Menschen.
5092. (2301.) Wie der Ackerbau, wenn man zu rechter Zeit gearbeitet[93] hat, so trägt, o Fürst, kluges Benehmen, von dem die Rede geht, Früchte: nach längerer Zeit, nicht gleich im Augenblick.
5093. (2302.) Wie zwei Holzstücke im Weltmeere zusammenstossen und darauf wieder aus einander gehen, so ist es auch mit dem Zusammentreffen der Geschöpfe.
5094. (2303.) Wie ein hölzerner Elephant und wie eine ausgestopfte Gazelle ist ein Brahmane, der nicht studirt: alle drei führen nur den Namen (dessen, was sie vorstellen sollen).
5095. (4779.) Wie ein Mann, der mit einer Schaufel gräbt, auf Wasser stösst, so gelangt ein folgsamer Schüler zu dem im Lehrer verborgenen Wissen.
5096. (4780.) Wie ein Esel, der eine Last Sandelholz trägt, einen Begriff[94] von der Last, aber nicht vom Sandelholz hat, gerade so tragen ja diejenigen, die viele Lehrbücher gelesen, aber nicht den Sinn begriffen haben, Lasten nach Art der Esel.
5097. (4781.) Wie durch ein Bad in der Gañgâ der Körper rein wird, so wird man beim Anblick einer treuen Frau durch ihr Glück rein.
5098. (2304.) Wie ein Haus auf festen Stützen zusammenstürzt, wenn es alt wird, so sinken Menschen zusammen, wenn sie in die Gewalt des Alters und des Todes gerathen.
5099. (2305.) Wie man eine Kuh hütet und melkt zu rechter Zeit, und wie man einen Blumenstock begiesst und pflegt, so macht man es auch mit den Unterthanen.
5100. (4782.) Wie auch ein ganz kleines Feuer gross wird, wenn es der Wind anfacht, so breitet sich auch das Schicksal prächtig aus, wenn es durch menschliches Bemühen unterstützt wird.
5101. Wie ein Gegenstand aus Lack in der Nähe von Feuer schmilzt, so ein Mann in der Nähe eines Weibes, sei er auch noch so klug und noch so mager.
[95] 5102. (2306.) Wie ein Mann, der sich in ein anderes Dorf begiebt, im Freien übernachtet und am andern Tage, dieses Nachtlager verlassend, wieder aufbricht;
5103. (2307.) gerade so sind Vater, Mutter, Haus und Habe nur Ruhestätten für die Menschen, o Râma! Kluge Menschen hängen nicht daran.
5104. (4783.) Wie man Gold auf viererlei Weise prüft: durch Reiben, Schneiden, Glühen und Schlagen, so prüft man auch den Menschen auf viererlei Weise, indem man die Freigebigkeit, die Gemüthsart, die Vorzüge und die Handlungen in Betracht zieht.
5105. (2308.) Wie die Gedanken, so die Worte; wie die Worte, so die Handlungen: gute Menschen sind in Gedanken, Worten und Handlungen dieselben.
5106. (2309.) Wie Licht und Schatten stets auf das Engste mit einander[96] verbunden sind, so sind auch That und Thäter (in diesem Leben) durch die eigenen Thaten (in einem vorangehenden Leben) mit einander verbunden.
5107. So gewiss eine Blase im Wasser vergeht, so gewiss vergehen Schönheit und Jugend. Hierzu kommt noch, dass es gar schwer hält hier auf Erden Mensch zu werden. Wie erklärt es sich nun, dass du nicht gewahr wirst, was zu deinem Heil gereicht?
5108. (2310.) Wie ein Kranker, der am Leben zu bleiben wünscht, eine ihm nicht schmeckende Arzenei einnimmt, wenn sie heilsam ist, so soll derjenige, der auf Erden den Gang zur Versenkung des Geistes zu gehen im Sinne hat, die Genüsse geniessen ohne dass sein Herz an ihnen hängt.
5109. (2349.) Damit verhält es sich aber wie mit einem Baume, den ein Mann pflanzte und aufzog: wird es ein mächtiger Baum mit hohem Stamme, dann ist er für einen kleinen Mann schwer zu erklimmen.
5110. (2350.) Zeigt dieser Baum, nachdem er abgeblüht hat, keine Früchte, so geniesst der Mann nicht die Freude, deretwegen er ihn pflegte.
[97] 5111. (4784.) Wie ein Licht schwindet mit der Abnahme des Oels, so das Schicksal mit der Abnahme des menschlichen Thuns.
5112. (4785.) Wie das Augenmerk beständig auf den Leib gerichtet wird, so ist der Fürst die Quelle der Wahrheit und des Rechts im Reiche (d.i. der Fürst sorgt für das Reich, wie die übrigen Menschen für den Leib).
5113. (2311.) Ein Fehler an uns springt mehr in die Augen als ein Vorzug: der Flecken im Monde pflegt mehr aufzufallen, als sein heller Glanz.
5114. (2312.) Wie ein Kalb unter tausend Kühen seine Mutter findet, so folgt auch eine früher vollbrachte That dem Thäter auf dem Fusse nach.
5115. (2313.) Wie ein Jäger aus den zur Erde gefallenen Blutstropfen die Stätte des Hirsches ausfindig macht, so soll ein Fürst durch Schlussfolgerungen die Stätte des Rechts ausfindig machen.
[98] 5116. (2322.) Wie ein Gesunder nimmer nach einem guten Arzte verlangt, so begehrt ein Fürst, den kein Ungemach drückt, nimmer einen Rathgeber.
5117. Wenn eine Lichtmotte aus Dummheit frohen Muthes in's Feuer fliegt um alsbald den Tod zu finden, so ist dieses offenbar die richtige Erklärung eines Helden.
5118. Wenn mit Hilfe des Wissens das gewünschte Ziel erreicht würde, wie man den Durst stillt, wenn man Wasser bekommt, dann würde Niemand das Wissen vernachlässigen.
5119. Wie Wassertropfen, die auf die Blütenblätter einer Wasserrose fallen, nicht an denselben haften, so ist auch Freundschaft mit Unehrenhaften vergeblich.
5120. Wie ein Elephant, der, nachdem er sich vorher gebadet hat, mit seinem Rüssel in den Staub fährt und sich wieder besudelt, so ist auch Freundschaft mit Unehrenwerthen vergeblich.
5121. (4786.) In der Weise, wie Männer hier auf Erden für die ihnen vom Herrn erwiesene Ehre kämpfen, kämpfen sie nicht sogar für vieles Geld, das ihnen der Fürst giebt.
[99] 5122. (4787.) Wie eine Strömung Sand anschwemmt und wegschwemmt, so vereint und trennt die allmächtige Zeit die Lebenden.
5123. (2314.) Wie reifen Früchten keine andere Gefahr droht als das Herabfallen, so dem zur Welt gekommenen Menschen keine andere Gefahr als das Sterben.
5124. (2315.) Wie Samen, wenn er nicht auf einem Felde ausgesäet wird, keine Frucht trägt, so geht auch das Schicksal ohne die Arbeit des Menschen nicht in Erfüllung.
5125. (2316.) Wie ein zarter Keim, wenn er gepflegt und geschützt wird, mit der Zeit herrliche Früchte trägt, so auch die Unterthanen hier.
5126. Wie eine Biene, die vor Durst an der Blüthe des Kaça–Grases saugt, keinen Seim darin findet, so ist auch Freundschaft mit Unehrenwerthen vergeblich.
5127. (2317.) Wie eine Biene den Honig fortnimmt, die Blumen aber schont, so nehme (ein Fürst) das Geld von den Unterthanen, ohne ihnen wehe zu thun.
[100] 5128. (2318.) Wie ein Töpfer aus einem Lehmkloss bildet, was er will, so wird der Mensch der von ihm Selbst vollbrachten That theilhaftig (d.i. so erntet der Mensch den Lohn seiner eigenen Thaten).
5129. (4788.) Sobald ein Mensch das Unrecht, das er begangen, selbst bekennt, wird er von diesem Unrecht befreit, wie eine Schlange von ihrer (alten) Haut.
5130. (4789.) Sobald Jemandes Herz eine begangene Missethat missbilligt, wird seine Person von diesem Unrecht befreit.
5131. (2319.) Je freundlicher ein Mann gegen die Weiber verfährt, desto mehr geräth er in ihre Gewalt; je mehr er ihnen Liebes sagt, desto mehr wird er gedemüthigt.
5132. Was Jemand erlangen soll, das erlangt er auch, und was geschehen soll, das geschieht auch so.
5133. Je höher sich der Busen hebt, desto scheler blickt das Auge; daher ist es zu erklären, dass böse Menschen, die von Natur ein schwarzes Herz haben, das Glück Anderer, o Weh, nicht zu ertragen vermögen.
[101] 5134. (2320.) So wie der Mensch seinen Sinn auf das Gute richtet, gelingen ihm, daran ist nicht zu zweifeln, alle Sachen.
5135. (4790.) Alles Ernstes muss man darauf hinarbeiten, dass man vor Allem am Leben bleibt: das Leben ist besser als das Sterben; wer da lebt, kann sich Verdienste erwerben.
5136. (2321.) Wie der Todesgott, wenn die Zeit gekommen ist, Freund und Feind bezwingt, so soll ein Fürst seine Unterthanen bezwingen: dies ist die Weise des Todesgottes.
5137. Wie man Korn mittels stacheliger Aeste geschickt schützt und wie man der Frucht wegen sich einen Stock zurechtmachen muss, gerade so muss diese Welt (vom Fürsten) genossen (regiert werden).
5138. (4791.) Wie durch eine Krankheit beim Menschen hohe Schönheit schwindet, so schwindet, o König, durch Hartherzigkeit die Wohlfahrt auf Erden.
[102] 5139. (4792.) Wie Blutegel, Kälber und Bienen ganz allmählich ihre Nahrung zu sich nehmen, so soll ein Fürst die Jahresabgaben ganz allmählich aus seinem Reich erheben.
5140. (4793.) Männer von klugem Verstande streben und handeln nicht über ihre Kräfte und achten Nichts gering.
5141. Wie donnernde Herbstwolken, auch wenn sie sprühen, nicht durchnässen, so ist auch Freundschaft mit Unehrenwerthen vergeblich.
5142. (4794.) Da dieser unser Leib einer Wasserblase gleicht, so frage ich, wozu die Glücksgüter dienen sollen, die unstät sind wie die Flamme einer im Winde stehenden Lampe.
5143. Wie ein Igel beständig seinen Fuss bewegt, so sauge (ein Fürst) auf eine sanfte Weise am Reiche.
5144. Er lasse sich zunächst eine ganz allmählich wachsende Abgabe zahlen, darauf aber steigere er dieselbe regelmässig immer stärker und stärker.
5145. (2323.) Wie ein Eunuch mit Weibern keine Kinder erzielt, wie[103] eine Kuh mit einer Kuh kein Kalb erzeugt, und wie eine Gabe, die man einem Thoren reicht, keine Früchte trägt, so ist ein Brahmane, der die heiligen Sprüche nicht kennt, aller Früchte baar.
5146. (2324.) Wie ein im Meere Versinkender, wenn er sich an eine Schlange klammern kann, nicht weiss, ob er sie soll fahren lassen oder ergreifen, so weiss auch ich jetzt nicht, was zu thun ist.
5147. (2325.) Wenn ein Fürst alle Unterthanen eben so ernährt, wie die Erde alle Geschöpfe auf gleiche Art trägt, so ist dieses die Weise der Erde.
5148. Was Amṛta für die Götter, Svadhâ für die Manen und Sudhâ für die Schlangendämonen ist, das ist das Wasser der Gangâ für die Menschen.
5149. Da man gewahr wird, dass sogar der Götter Stellungen nicht ewig dauern, wie sollte da das Schicksal ohne die Arbeit des Menschen bestehen für den, der einer Sache Bestand zu geben gedenkt?
5150. (2326.) Wie ein Wanderer eine Weile im Schatten verweilt und, wenn er ausgeruht, wieder weiter zieht, so treffen die Geschöpfe zusammen.
[104] 5151. (4795.) Wie ja ein (gewöhnlicher) Mensch die grösste Sorgfalt auf seinen Körper wendet, indem er sich der Kleider und anderer Mittel bedient, so wendet ein Fürst die grösste Sorgfalt auf die Regierung.
5152. (4796.) Denn wie der Schauspieler seinen Körper mit Farben bemalt und verschiedene Gestalten annimmt, so nimmt der Geist die aus seinen Thaten entspringenden Körper an.
Stenzler.
5153. (2327.) Wie man mit schmutzigen Kleidern sich ohne Weiteres überall hinsetzt, so schont ein Mann, dessen Vermögen in Unordnung gerathen ist, nicht den Rest des Vermögens.
5154. (4797.) Wie die Zügel das Ross, der Haken den Elephanten, so hält, wie man lehrt, eines Fürsten Gerechtigkeit die Welt im Zaume.
5155. (4798.) Wie ein Wanderer zu einer vorbeiziehenden Karavane spricht: auch ich will mich euch anschliessen;
5156. (4799.) so ist uns der Weg, den Väter und Ahnen gingen, fest vorgezeichnet. Da man diesen Weg nicht verlassen darf, so hat auch Niemand Grund zu klagen, wenn er ihn betreten hat.
[105] 5157. (4800.) Was der Himmel ohne Sonne, die Erde ohne Berge und der Luftraum ohne Wind, das sind, darüber herrscht kein Zweifel, Länder und Himmelsgegenden ohne die Gañgâ.
5158. Wie man Gold durch Glühen, Schlagen und Schneiden prüft, so den Mann, indem man das Geschlecht, die Gemüthsart und die Handlungen in Betracht zieht.
5159. (2328.) Wie Flüsse ohne Wasser, wie ein Wald ohne Gras und wie Kühe ohne Hirten ist ein Reich ohne Fürsten.
5160. (2329.) Wie Fleisch in der Luft von Vögeln, auf der Erde von Raubthieren, im Wasser von Fischen verzehrt wird, so der Reiche aller Orten.
5161. (2330.) Denn wie durch ein Rad der Gang des Wagens nicht zu Stande kommt, so geht ohne die That des Mannes das Schicksal nicht in Erfüllung.
Stenzler.
[106] 5162. (2331.) Wie Indra vier Monate hindurch Alles, was auf Erden lebt, durch Regen erquickt, so erquicke ein Fürst die Unterthanen durch Gnadenbezeigungen.
5163. (2332.) Wie durch eine Hand kein Händegeklatsch zu Stande kommt, so trägt, wie gelehrt wird, das Schicksal (die vorangegangene That) ohne die Arbeit des Menschen keine Frucht.
5164. (2333.) Wie Brennholz durch das in ihm selbst entstehende Feuer zu Grunde geht, so geht der Mann ungeläuterten Herzens durch die angeborene Habsucht in's Verderben.
5165. (2334.) Wie Bienen über eine Blume, sobald sie sich nur geöffnet hat, herfallen um sie auszusaugen; so fällt man über einen Menschen her, wenn er im Unglück ist: wo einmal ein Riss ist, da mehren sich die Uebel.
5166. (4801.) Wie aus einem vollen Wasserbehälter die Wasser nach allen zehn Himmelsstrichen strömen, so fliesst vom Hofe eines Fürsten der Reichthum auf die Erde.
5167. Wie uns ein Vater einerseits ohne Umstände etwas Unangenehmes sagt, so hätschelt er uns auch anderseits, o Thor, ohne sich lange zu bedenken.
[107] 5168. (4802.) Wie mit dem wachsenden Rinde das Horn, so wächst mit dem wachsenden Reichthum die Habsucht.
5169. Wem es um sein Heil zu thun ist, muss seinen Nächsten mit denselben Augen wie sich selbst ansehen, da die eigenen Freuden und Leiden mit denen des Nächsten übereinstimmen.
5170. (2335.) Wie auf dem Berge im Osten, hinter dem die Sonne aufgeht, ein Gegenstand durch die Nähe (der Sonne) glänzt, so glänzt selbst ein Mann geringen Standes durch Berührung mit Edlen.
5171. (4803.) Wie ein Jäter das Unkraut ausreisst und das Korn in Acht nimmt, so nehme ein Fürst sein Reich in Acht und vernichte die Feinde.
5172. (4804.) Eine Freude, die sowohl am Anfange als auch in der Folge den Geist bethört und aus Schlafsucht, Trägheit und Fahrlässigkeit hervorgeht, nennt man eine Freude der Finsterniss.
5173. (2336.) Da sogar der bewusstlose Sonnenstein entflammt, wenn ihn die Füsse (die Strahlen) der Sonne berühren, wie sollte ein glanzvoller Mann eine ihm von Andern angethane Beleidigung ertragen?
[108] 5174. Die schrecklichste Sünde, die ein Mensch ohne Wissen vollbringt, macht er durch Fasten vollständig zu Nichte, wie Feuer das Brennholz.
5175. (2337.) Holz, das ungeglüht sich biegt, das glüht man auch nicht, und Holz, das von selbst gebogen ist, biegt man auch nicht.
5176. Den Lohn der That, die man hienieden vollbringt, geniesst man im Jenseits: wenn Bäume an den Wurzeln begossen werden, treten Früchte an den Aesten hervor.
5177. (2338.) Wenn ein Geizhals sein Geld tiefer und tiefer in die Erde vergrub, so geschah es, um sich im Voraus einen Weg zur Hölle zu bahnen.
5178. (2339.) Was im Herzen ist, kommt nicht auf die Zunge; was auf der Zunge ist, tritt nicht heraus; was heraustritt, das thun sie nicht: wunderbar ist der Weiber Treiben.
5179. (2340.) Wenn ein Widder zurücktritt, so thut er dieses um zuzustossen;[109] selbst der Thiere Fürst duckt sich im Zorn, bevor er seinen Sprung ausführt: kluge Menschen, die Etwas im Sinne haben, verbergen ihre Absicht im Herzen, gehen im Geheimen zu Rathe und lassen sich dieses und jenes gefallen.
5180. (2341.) Wenn er (der Diener) auch Etwas ganz genau weiss, spreche er es dennoch mit leiser Stimme: er sei bescheiden und bekunde ihm (dem Herrn) seine Ueberlegenheit durch die That.
5181. (2342.) »Was nicht geschehen soll, geschieht auch nicht; wenn aber Etwas geschehen soll, so wird es auch so, nicht anders.« Das ist die Arzenei gegen das Gift der Sorge, warum trinkst du sie nicht?
5182. Die Süssigkeiten, welche die Zähne hier kauen, geniesst ja die Zunge mit Leichtigkeit: für eines Andern Sache zu leiden ist die Natur Reiner.
5183. Solcher Besitz, der mit Mühe erworben, erworben nicht genossen und schliesslich von Andern getheilt wird, möge Niemanden zu Theil werden!
5184. (2344.) Um die ich mein Vaterhaus verliess und um die ich mein halbes Leben mir rauben liess, die verlässt mich lieblos: welcher Mann möchte Weibern trauen?
[110] 5185. (2343.) Man verzichte schon von Ferne auf das Königthum, da um dieses Willen Brüder, ja sogar eigene Söhne den Tod regierender Fürsten ersehnen.
5186. (2345.) Was unmöglich ist, das ist nicht möglich, und was möglich ist, das ist möglich: im Wasser geht kein Karren und eben so wenig ein Schiff auf dem Festlande.
5187. (2346.) Dass ein Mensch die Unwahrheit redet, dass er dem dient, der es nicht verdient, und dass er in die Fremde zieht: alles dieses geschieht des Bauches wegen.
5188. (2347.) Als ich, Nichts wissend, wie ein brünstiger Elephant vor Wahn blind ward, da war mein Sinn hochmüthig, weil ich Alles zu wissen glaubte; als ich nach und nach etwas Weniges von weisen Männern lernte, da wich der Wahn wie ein Fieber von mir, weil ich nun wusste, dass ich ein Thor war.
5189. (2348.) Was Jemand, o Treffliche, als Thäter Gutes oder Böses[111] vollbringt, eben dessen wird er, o Beste, als Lohnes seiner eigenen That theilhaftig.
5190. (4805.) Wenn aber ein Mann in eine durch den Verlust seiner Wohlfahrt gedrückte, vom Schicksal herbeigeführte Lage geräth, dann werden sogar seine Freunde zu Feinden und es wird ihm eine selbst seit lange gewogene Person abhold.
5191. (4806.) Wenn bei dem, der das Gesetz über Alles stellt, der Damm des Gesetzes reisst, dann erscheint er, o Lakshmana, niedergeschlagen, und es erwacht in ihm der Unglaube.
5192. (4807.) Wenn ein Mann gegen kein Geschöpf eine unfreundliche Gesinnung hegt, dann erscheint ihm, der auf Alles in gleicher Weise schaut, die ganze Welt voller Freuden.
5193. (2351.) Wenn der Leib weder früher da war, noch später da[112] sein wird, so ist das vertraute Verhältniss zu ihm auf eine kurze Weile in der Zwischenzeit beschränkt. Worauf soll also, da diese Verbindung eben so wie die schliessliche Trennung naturgemäss ist, die Liebe gerichtet und die Trauer bezogen werden?
5194. (2352.) Wenn im Herzen des schon von Natur leidenschaftlichen Menschen das Feuer des Liebesgottes mächtig lodert, warum werfen auf Unheil sich verstehende Dichter noch Butterspenden, ihre schlechten Gedichte, hinein?
5195. (2353.) Wenn Gattin und Gatte sich gegenseitig zu Willen leben, dann thun sich Tugend, Vortheil und Annehmlichkeit, alle drei, zusammen.
5196. (2354.) Wenn Saturn da den Wagen der Rohiṇî durchbricht, dann regnet der Regengott ganze zwölf Jahre hier auf Erden nicht.
5197. (2355.) Wenn der metallreiche Meru, vom Feuer am Ende der[113] Welt getroffen, zusammenstürzt; wenn die Meere, die Behausungen zahlreicher Makara und Haie, austrocknen; wenn die Erde, die doch von Bergen als Füssen getragen wird, ihr Ende erreicht: wie kann da noch viel vom Körper die Rede sein, der eben so unstät ist wie die Ohrenspitzen eines Elephantenkalbes?
5198. (4808.) Wenn die vom Schicksal bestimmte Zeit des Untergangs erscheint, dann richtet der Mensch seinen Sinn auf Verkehrtes.
5199. (4809.) Wenn der vom Schicksal bestimmte Untergang der Geschöpfe erscheint, dann achten die Menschen, weil sie in der Gewalt des Schicksals stehen, nicht auf das, was sie thun sollten.
5200. (4810.) Wenn sogar Leib und Seele nothwendig einst auseinander gehen müssen, wer möchte wohl da in Verzweiflung gerathen, wenn er von seinem Nächsten getrennt wird, da ja eine solche Verbindung nur eine äusserliche ist?
5201. (2358.) So oft du des Umganges mit Guten beraubt sein wirst, wirst du in die Gesellschaft Böser gerathen.
[114] 5202. (2357.) Als Unwissenheit, erzeugt durch das Wandeln in der Finsterniss der Liebe, herrschte, da schien es uns, als wenn diese ganze Welt sogar nur aus Weibern bestände; jetzt, da wir Gefallen finden an der Augensalbe der schärferen Erkenntniss, hält das auf Alles gleichsehende Auge selbst die Dreiwelt für das Brahman.
5203. (2358.) Wenn jener schwer zu hemmende Brunstsaft des Elephanten »Herz« hervortritt, wie steht es dann bei dem Treiben, das aus der ohne Maass hervorquellenden Feuchtigkeit entspringt, mit dem Pfosten, an den er gekettet wird, der Festigkeit? Wie mit der Fusskette, der guten Sitte seines Hauses? Wie mit dem Stricke, der Scham? Wie mit dem scharfen Leithaken, dem bescheidenen Benehmen?
5204. Wenn eine Krähe ihren Unrath auf den Kopf eines majestätischen Elephanten entlässt, so ist ja dieses der Gemeinen Natur: der Elephant bleibt deshalb immer ein Elephant.
5205. (2359.) Richtet man die Gedanken auf Krshna's Stätte und verehrt man seine Lotusfüsse, was hat man sich dann um Abgründe oder Schluchten, um Tod oder Schlacht zu kümmern?
[115] 5206. (4811.) Wenn eine Schlange, schwarz wie der Kokila und Augenschminke, in irgend einer Absicht ihre Haube nicht anschwellt, obgleich man unvermuthet mit dem Fusse auf sie getreten ist, darf man darum, hätte sie auch wenig Gift, sie ausser Acht lassen?
5207. Wenn die Seele, nachdem sie den Körper verlassen, wirklich in die andere Welt geht, warum kehrt sie dann nicht auch wieder zurück aus Liebe zu den Angehörigen?
5208. (4812.) Donnert der Wasserträger am Himmel (die Wolke), so mag er donnern: man weiss ja, dass Männer hartherzig sind; kennst aber auch du, o Blitzflamme (die du doch ein Weib bist), nicht der Frauen Schmerz? (Worte, die ein bei einem Gewitter zum Geliebten eilendes Mädchen spricht.)
5209. Wenn es keine Geburt, kein Altern und keinen Tod gäbe; wenn keine Furcht vor der Trennung vom geliebten Gegenstande bestände; wenn nicht alles dieses vergänglich wäre: wer hätte dann nicht seine Lust am Leben hier auf Erden?
[116] 5210. Wenn nur diesen Einen und Niemanden anders der Tod träte, dann ziemte es mir laut zu jammern über das mir angethane Unrecht.
5211. Wird ein thätiger Mann, wenn er an ein Werk geht, nicht des Lohnes theilhaftig, so trifft ihn keinerlei Tadel: was er erlangen soll, erlangt er doch.
5212. (2360.) Was ist es für ein Wunder, dass Feuer brennt und Berge schwer sind? Des Oceans Wasser ist stets salzig und Unverzagtheit ist ja der Edlen Natur.
5213. (4813.) Wenn ein Fürst nicht unverdrossen Strafe verhinge über diejenigen, welche Strafe verdienen, dann würden die Stärkeren die Schwächeren wie Fische an Spiessen braten;
5214. (4814.) dann würde die Krähe den Opferkuchen verzehren und der Hund die Opferbutter belecken, dann wäre man über Nichts mehr Herr und Alles ginge drunter und drüber.
5215. (2361.) Wenn es keinen Fürsten gäbe, der die Unterthanen gehörig[117] leitete, dann würden diese wie ein Schiff ohne Steuermann auf hohem Meere hin und her geworfen werden.
5216. Wenn es unter den Menschen nicht Geduldige gäbe, die der Erde gleichen, dann bestände kein Friede unter den Menschen, da der Zorn die Wurzel des Streites ist.
5217. Derjenige, dem man fluchte, würde wieder fluchen, und derjenige, den der Vater (Lehrer) schlüge, würde wieder schlagen: auf diese Weise würde der Untergang der Geschöpfe und die Ungerechtigkeit um sich greifen.
5218. (2362.) Wenn es nicht ihn selbst trifft, so die Söhne, wenn nicht die Söhne, so die Enkel, nimmer aber bleibt ein gethanes Unrecht ohno schimme Folgen für den Thäter.
5219. Wenn es nicht ihn selbst trifft, so die Söhne, wenn nicht die Söhne, so die Enkel, da eine verübte Missethat, wie ein Acker, nicht sogleich Früchte trägt.
5220. (2363.)
Und wenn auf Erden gleich
Bliebe kein Lotosteich,
Doch scharrte nie der Schwan
Im Miste wie der Hahn.
Fr. Rückert.
[118] 5221. Wenn unser Leib von innen nach aussen gekehrt würde, müssten wir einen Stock ergreifen um ihn vor Hunden und Krähen zu schützen.
5222. (2364.) Wenn Ruhm, der unvergänglich und rein ist, mittels des Körpers, der vergänglich und schmutzig ist, erworben werden könnte, was wäre dann nicht zu erwerben?
5223. (4815.) Wenn es den Weibern, o Brahmane, auf keine Weise gelingt zu Männern zu kommen, so treiben sie sogar unter einander Unzucht, da sie ja nicht den Gatten treu bleiben können.
5224. Wenn man durch die Erzeugung eines Sohnes den Himmel gewönne, dann bestände nicht das Gebot des Spendens und wir hätten unsere Freude darüber, dass das Gebot des Spendens von keinem Nutzen sei.
5225. (2365.) Wenn unser Leib nicht zum Dienste der Menschen nützlich ist, wozu erweisen dann die Menschen ihm Dienste Tag für Tag?
5226. (2366.) Wenn sogar ein hässlicher Mann zufällig in eines unkeuschen Weibes Herzen wohnt, pflegt es dann nicht nur mit Mühe und Noth der Liebe mit dem wirklichen Gatten, wäre dieser auch noch so schön?
[119] 5227. (4816.) Wenn das, was der Eine geniesst, in den Leib eines Andern gelangte, dann würde man für Verreisende ein Todtenmahl veranstalten: verträte dieses nicht die Stelle der Wegekost?
5228. Wenn die Anstrengung Etwas vermöchte, dann würde ein Sterblicher alsbald des Lohnes theilhaftig werden und dann gäbe es für die Menschen nichts Unerreichbares, o Bester der Bharatiden!
5229. (4817.) Hat man ein Weib, Reichthümer, einen wohlgezogenen, tugendhaften Sohn und einen Sohn vom Sohne, so frage ich, was es in Indra's Stadt noch mehr giebt.
5230. (2367.) Wenn der Sonne Sohn (Saturn) den Wagen der Rohiṇî auf der Himmelsstrasse durchbricht, dann sendet ja Indra zwölf Jahre hindurch keinen Regen auf die Erde.
[120] 5231. Wenn du einen Stab, den Kopf geschoren oder eine Flechte trägst, wenn du in einer Höhle an der Wurzel eines Baumes auf einem Steine dein Lager aufschlägst, wenn du ein Purâṇa, den Veda oder einen kanonischen Siddhânta studirst, so hilft dir alles dieses Nichts, wenn dein Herz nicht rein ist.
5232. Wenn es nur der Worte (eines Verläumders) bedürfte um eine böse That in's Werk zu setzen, dann hätte schon das blosse Wort die Bedeutung der That, während doch das Wort, dass man einen Mord begehen wolle, noch nicht die Bedeutung (des vollbrachten Mordes) hat.
5233. Durch eine solche Handlungsweise verräth (der Verläumder), dass seine Mutter vom Unrechten befruchtet wurde; er gleicht einem Pfau, der, wenn er tanzt, seine Schamtheile entblösst.
5234. Wenn ein Mann mit Hilfe der Gelehrsamkeit der Freuden theilhaftig werden könnte, dann würde kein Gelehrter seines Lebensunterhaltes wegen sich in den Dienst eines Ungelehrten begeben.
5235. (4818.) Wenn du, o Geliebter, in Wahrheit reisen willst, dann suche dir irgend eine Andere, da mich der auf eine Schwäche lauernde Tod schon heute in seine Gewalt bekommen hat.
[121] 5236. Je nachdem Jemand einem Guten oder einem Schlechten, einem Frommen oder einem Diebe dient, geräth er in die Gewalt dieses oder jenes, wie Zeug sich nach dem Farbestoff richtet.
5237. (2368.) Wenn sich Vorzüge bei Menschen finden, dann treten sie schon von selbst zu Tage: den Wohlgeruch des Moschus empfindet man ja nicht auf eines Andern Betheuerung hin.
5238. (2369.) Wenn nirgends als nur in der Schlacht Gefahr zu sterben wäre, dann würde es ganz angemessen sein sich davonzumachen; wenn aber der Tod den Menschen nothwendig treffen muss, warum wollt ihr dann den Ruhm unnützer Weise beflecken?
5239. (2370.) Wenn Jedermanns Vorzüge Segen bringen, woher kommt es dann, dass die mannichfachen Vorzüge der Gazellenäugigen mich versengen?
5240. Wenn ich der Schlanken gedenke, muss ich am Leben verzweifeln; vergesse ich sie aber und bleibe am Leben, so frage ich, wozu ich am Leben noch hänge.
[122] 5241. Wenn das Feuer kalt, der Mond brennend heiss oder das Meer süss würde, dann würde Weibertreue sein.
5242. (2371.) Wenn das Feuer kalt oder der Mond brennend heiss würde, dann könnte die Natur der Menschen hier auf Erden umgewandelt werden.
5243. (2372.) Wenn das Feuer kalt, der Mond brennend heiss oder der böse Mensch gut würde, dann würde auch Weibertreue sein.
5244. (4819.) Willst du die Welt durch eine einzige That deinem Willen unterwerfen, so verehre im Zeitalter Kali die Alles gewährende Schlingpflanze, die Göttin Betrügerei.
5245. (2373.) Willst du die Welt durch eine einzige That deinem Willen unterwerfen, so halte die weidende Kuh, die Zunge, vom Kornfelde, der üblen Nachrede, zurück.
5246. (4820.) Wem es um dauernde Freundschaft zu thun ist, der soll dreierlei unterlassen: das Glücksspiel, das Ausleihen von Geld auf Zinsen und den Besuch einer Frau hinter dem Rücken des Freundes.
[123] 5247. (2374.) Das Wort, o Pârvatî, dass eine schöne Gestalt nicht zum bösen Handeln führe, bewährt sich als wahr, da deine edle Gemüthsart, o Schönäugige, sogar Büssern zum lehrenden Beispiel geworden ist.
5248. (2375.) Dass ein mächtiger Mensch stets guten Menschen zu nahe tritt und hochfahrende Reden führt, ist des Reichthums Folge.
5249. Was ist aus Kṛshṇa's Stadt Mathurâ und was aus Râma's Stadt Uttarakosalâ geworden? Mit solchen Gedanken sollst du dein Herz stählen und zur Einsicht gelangen, dass diese Welt nicht von Bestand ist.
5250. (2376.) Wer den Ruhm, den Reichthum und die Macht, die sich der Vater erworben, nicht einbüsst, der gilt für einen mittelmässigen Menschen.
5251. (2377.) Wer nach seinen Kräften noch neue Macht zu Tage fördert, die grösser als die des Vaters ist, den nennen Weise einen ausgezeichneten Menschen.
5252. (2378.) Wer den Reichthum, die Macht und den Ruhm, die sich der Vater erworben, verringert, den heissen Weise den schlechtesten Menschen.
[124] 5253. Ein einmaliges Zusammentreffen mit guten Menschen ist, wäre es auch nur zufällig zu Wege gekommen, von ewiger Dauer: eine beständige Wiederholung erwartet man nicht.
5254. Der Genügsame lebt glücklich mit dem, was ihm der Zufall bringt; der Ungenügsame dagegen fühlt sich, weil er nicht über sich selbst Herr ist, nicht glücklich, auch wenn er die drei Welten gewönne.
5255. (2379.) Auf diesem Antlitz der Schlankgliedrigen, das von ausserordentlicher Schönheit ist und des Vollmonds Glanz überstrahlt, findet sich Lippenhonig; dieser selbe Honigseim wird, wenn diese Zeit dahingegangen ist, überaus übelschmeckend wie die Koloquinthengurke und quälend wie Gift werden.
5256. (4821.) Obgleich ich seit sehr langer Zeit darüber nachgrüble, so weiss ich doch nicht, welcher ausserordentlicher Kasteiungen Folgen es sind, dass man so nach eigenem Belieben sich ergeht, seine Nahrung ohne Erniedrigung geniesst, mit Ehrwürdigen zusammen wohnt, dass der Lohn des erworbenen Wissens nur die Beobachtung vollständiger Gemüthsruhe ist und dass das Herz nach aussen hin sich nur langsam in Bewegung setzt.
[125] 5257. (2380.) Wenn diese Reichen hier Guten abgeneigt sind, so ist dieses keine Geringschätzung von ihrer Seite, sondern Furcht vor Verausgabung ihrer Reichthümer. Darum betrüben wir uns auch nicht darüber, haben vielmehr nur Mitleid mit ihnen: wie sollten Gazellen uns beleidigen, wenn sie darüber erschrocken sind, dass es sich um ihr Fleisch handelt?
5258. Was gerade Jemanden gefällt, das ist für ihn auch schön: Rudra hat nicht eine solche Freude an Sandel wie an Asche.
5259. (2381.) Freude, die uns auf Leid zu Theil wird, ist um so süsser: eines Baumes Schatten gereicht ja vornehmlich einem von der Sonne Geplagten zur Erquickung.
5260. (4822.) Wenn ein Gatte seines Weibes Lust an Zaubereien kennte, er fürchtete sich vor ihr, wie vor einer Schlange im Hause.
5261. (2382.) Sobald man Verlangen nach dem Königthum hat, muss[126] man alsbald seine Gedanken auf (bevorstehendes) Ungemach richten, da die Krüge bei der Fürstenweihe zugleich mit dem Wasser Unglück ausgiessen.
5262. (2383.) Nur das, was der Reiche spendet und geniesst, ist sein Reichthum: ist er todt, so spielen Andere mit seinem Weibe und seinen Reichthümern.
5263. (2384.) Was du an Vorzügliche spendest und was du täglich geniessest, das sehe ich als deinen Reichthum an: das Uebrige bewahrst du für diesen oder jenen Unbekannten.
5264. (4823.) Ein Tag, der ohne Unterhaltungen über Hari, diesem Nektar der Gespräche, verstreicht, halte ich für einen trüben Tag; nicht der bewölkte ist der trübe Tag.
5265. (4824.) Was fern ist, was schwer zu bezwingen ist und was in der Nähe steht, Alles muss man durch Kasteiungen zu Stande bringen: den Kasteiungen entgeht man ja nicht leicht.
[127] 5266. (2385.) Welches Wesen wäre grösser als derjenige (d.i. der Brahmane), aus dessen Hand stets die Götter ihre Opferbutter und die Manen ihre Todtenkuchen gemessen?
5267. (2386.) Den Reichthum, den der Schöpfer auf unsere Stirnplatte geschrieben hat, er sei gering oder gross, erlangen wir jedenfalls auch in einer Wüste und mehr als diesen auch nicht auf dem (goldreichen) Meru. Darum sei beherzt und suche nicht umsonst einen erniedrigenden Lebensunterhalt unter Reichen! Sieh, im Brunnen wie im Meere schöpft ein Krug gleich viel Wasser.
5268. In dem Guten und Bösen, das wir vollbringen, erkenne den vom Schicksal bestimmten Eintritt der Folgen vorangegangener Werke.
5269. (4825.) Was man denkt, was man thut und was man will, das erreicht man ohne Mühe, wenn man keinem Wesen ein Leid zufügt.
5270. (4826.) Sobald man irgend einem Wunsche entsagt, tritt jedes Mal Freude an dessen Stelle; ein Mensch aber, der seinen Wünschen nachgeht, ist dahin, sobald seine Wünsche dahin sind.
[128] 5271. (4827.) Jede Handlung, die von Andern abhängt, soll man sorgfältig meiden; jede Handlung, die von Einem selbst abhängt, nach Kräften üben.
5272. (4828.) Alles, was von Andern abhängt, ist Schmerz; Alles, was von Einem selbst abhängt, ist Freude: wisse, dass dieses in Kürze die Merkmale der Begriffe Freude und Schmerz sind.
5273. Alles Angenehme, was, o Maitreja, den Menschen zu Theil wird, verwandelt sich zu Samen für den Baum der Schmerzen.
5274. (4829.) Alles, was der vornehme Mann thut, thun auch die gewöhnlichen Menschen: was Jener zur Richtschnur macht, dem folgt der grosse Haufe.
5275. Kein Werk, das ein Mann, in dem sich die Missethaten gleichsam zusammengethan haben, unternimmt, trägt Früchte, eben so wenig wie Samen, der auf salzhaltigen Boden gesäet wurde.
5276. (2387.) Aus Allem, was man sich wünscht, entspringt ein neuer Wunsch; in Wirklichkeit hat man nur das erreicht, wodurch das Wünschen selbst aufhört.
[129] 5277. (4830.) Wenn auch der Fürsten Befehle von selbst überall hindringen, so bewegt sich doch der Weisen Verstand erst bei der Fackel der Wissen schaft.
5278. Obgleich der Sandelbaum vom Schöpfer ohne Früchte und Blüthen geschaffen ward, so verscheucht er dennoch durch Hingabe seines eigenen Leibes die Gluth Anderer.
5279. (2388.) Obgleich der Vogel Ḱâtaka die Wolke zur Unzeit quält, so zürnt sie ihm doch nicht, da er nicht anders handeln kann.
5280. (4831.) Obgleich es rund herum in allen Weltrichtungen Flüsse mit reichlichem Wasser giebt, so ist es doch die Gañgâ, die uns die Freude schafft, mit Indra's jungen Weibern zusammenzukommen.
5281. Obgleich es Einem auch keinen Schaden thut, wenn ein Esel fremden Wein verspeist, so wird doch Jedermanns Herz beim Anblick einer solchen Ungebührlichkeit mit Schmerz erfüllt.
5282. (4832.) Wenn Brüder oder die Gattin uns auch zürnen aus irgend einem Grunde, so lieben sie uns doch in Folge der natürlichen Verhältnisse; die andern Menschen aber lieben uns nicht.
[130] 5283. Wäre die eigene Arbeit vom Glücke Verlassener auch vergeblich, so dürfen sie doch nicht an sich selbst verzweifeln, müssen vielmehr handeln wie es sich gebührt.
5284. (2389.) Obgleich der glückliche Erfolg in der Regel allerdings nach Gründen bestimmt wird, so befürchtet doch der Freunde Herz (stets) etwas Widerwärtiges.
5285. (2390.) Wenn auch zur Erreichung eines Zieles vier Mittel angegeben werden, so geschieht dieses doch nur der Zahl wegen: das Gelingen beruht auf dem versöhnlichen Mittel.
5286. (4833.) Wenn die Leute eine Sache deshalb nicht unternehmen, weil sie sie für unmöglich halten, dann wird ihnen die Sache fehlen, weil sie es an Bemühung fehlen lassen.
5287. Wenn es, o Fürst, unheilbare Leiden giebt, die Grosse nicht zu heben vermögen, warum prägt man dann diesen den Stempel der Grosse ein?
[131] 5288. (2391.) Was uns nicht gefällt, danach tragen wir kein Verlangen, wäre es auch schön: die am Tage blühende Wasserrose fühlt sich im Herzen nicht hingezogen zum Monde, obgleich er reizend ist.
5289. Was Jemanden zur Speise angewiesen ward, das schadet ihm auch nicht. Grosser Schaden aber erwächst aus dem Genuss verbotener Speise; darum soll man seine Nahrung nicht wechseln.
5290. (2392.) Was zu einander passt, das verbindet der Weise mit einander: ich (Maus) bin die Speise, du (Krähe) bist Verspeiser, wie kann da Freundschaft bestehen?
5291. (2393.) Gäbe es nicht in der Welt eine Beschäftigung, die der Zunge Befriedigung brächte (d.i. wäre das Essen nicht da), so gäbe es keinen Diener und Niemand gehorchte dem Andern.
5292. (2394.) Sage mir, o Gazelle, wo und welche Kasteiungen hast du geübt, dass du der Reichen Antlitz nicht immer und immer wieder zu schauen brauchst, nicht vergeblich freundliche Worte an sie richtest, nicht ihre hochmüthigen Reden anhörst, nicht voller Hoffnung zu ihnen läufst, dass du zu rechter Zeit junges Gras verspeisest und behaglich schläfst, wenn die Zeit zum Schlafen kommt?
[132] 5293. (4834.) Wie du, o Indra, der Ahaljâ wegen dich fälschlich für Gautama ausgiebst, so nimm auch meinen Schmerz gewahr und halte die Wolke zurück. (Worte einer bei einem Gewitter zum Geliebten eilenden Schönen.)
5294. (2395.) Was ein Mensch am Tage sich wünscht, sieht oder thut, das spricht oder thut er aus Gewohnheit auch im Traume.
5295. (2396.) Ein Verständiger wartet, wenn er in widerwärtige Verhältnisse gerathen ist, ruhig die Zeit ab und verrichtet jegliches Werk, das er sich im Herzen vorgenommen hat, es sei gut oder schlecht: hatte nicht Arģuna, dem die Hände vom beständigen Anprallen der auf dem Bogen Gâṇḍîva schwingenden Sehne hart geworden waren, einen Frauengürtel angelegt, der bei seinen nur zum Schein angestellten Tänzen funkelte?
5296. Dasselbe Treiben eines Mannes, aus dem die Leute Nutzen ziehen, so lange jener in den gewöhnlichen guten Verhältnissen sich befindet, verzeihen ihm sogar Anverwandte nicht, sobald er in Noth geräth.
[133] 5297. (4835.) Was man hier moralische Verdienste nennt, entspringt aus den Glücksgütern: wer dem Andern die Glücksgüter nimmt, entzieht ihm die Verdienste.
5298. Bei wessen Anblick deine Zuneigung wächst und dein Zorn sich legt, in dem erkenne einen Freund aus dem früheren Leben.
5299. Bei wessen Anblick dein Zorn wächst und deine Zuneigung sich legt, in dem erkenne einen Feind aus dem früheren Leben.
5300. (2397.) Ein Bogen, ein Freund und ein Weib von reinem Stamme, die sich biegen, aber auch gerade sind und die bei Widerwärtigkeiten nicht zusammenbrechen, sind schwer zu finden.
5301. (2398.) Weil Verzierungen, die auf einem frischen (ungebrannten) Gefäss angebracht werden, sich nicht ändern, darum wird Kindern hier Lebensweisheit im Gewande von Erzählungen mitgetheilt.
5302. (2399.) Dass Elephanten, bei denen sich vom Brunstsaft die[134] Schläfen geöffnet haben, schlaftrunken dastehen, dass am Thore goldverzierte ausgelassene Rosse wiehern und dass ein Schlafender durch Lauten, Flöten, Trommeln, Muscheln und Pauken geweckt wird, alles dieses, das der Herrschaft über die Götterwelt nahekommt, ist der Tugend Jubelruf. (Hohe Stellung ist der Tugend Lohn.)
5303. (2400.) Wessentwegen Trauer, Qual oder Schmerz entsteht und woraus Abspannung hervorgeht, das gebe man auf, sei es auch ein Glied des eigenen Leibes.
5304. (2401.) Da auch edle Ströme, die sonst lautlos hinfliessen, in einem durch dicht bei einander liegende Felsblöcke unebenen Orte fürchterlich brausen und da eben diese Ströme, die sonst klar sind, in der durch Wolken getrübten Zeit durch Schmutz über die Maassen verunreinigt werden, so bewirken gewiss nur diese beiden, Ort und Zeit, dass auch bei grossen Männern ein Benehmen entsteht, dass dem der Ströme gleicht.
5305. (2402.) O du mit den beweglichen Augen! selbst ein Fäserchen von einer Lotuswurzel, das sogar dünner als deine Taille ist, findet zwischen deinen Brüsten keinen Platz.
5306. Was hundert Wünsche nicht erreichen, was Dichter sogar mit Worten nicht berühren, wohin man sich sogar im Traume schwer zu versetzen vermag, das gewährt Einem das Schicksal ohne alle Mühe.
[135] 5307. Was Eltern an einem Sohne ohne Unterlass thun, dieses von Mutter und Vater an ihm Gethane, vermag dieser nicht leicht zu vergelten.
5308. (4836.) Wen das vollständige Gelingen einer Sache nicht erfreut und ein zu Zeiten erscheinendes Ungemach nicht verwirrt, und wer sich mässigen Freuden und Leiden hingiebt, der Mann ragt über alle Andere hervor.
5309. (4837.) Des Mannes Leben bringt Nutzen, von welchem o, Sa ģaja, alle Geschöpfe leben, wie wenn sie einen Baum mit reifen Früchten gefunden hätten.
5310. (2403.) Einen Fürsten, bei dem von Hunger geplagte Diener, wenn sie zu ihm ihre Zuflucht nehmen, keine Erholung finden, soll man wie einen Arka–Baum meiden, wäre er auch stets mit Blüthen und Früchten versehen.
5311. (2404.) Jama, Vivasvant's Sohn, nimmt von dem die Sünde, mit dem das im Herzen wohnende Gewissen, der Thaten Zeuge, zufrieden ist.
5312. (2405.) Wenn aber dieses Gewissen mit dem bösen Menschen nicht zufrieden ist, dann peinigt Jama den Uebelthäter, den Frevler.
[136] 5313. (2406.) Der Gott, der in deinem Herzen wohnt (d.i. das Gewissen), ist Jama, Vivasvant's Sohn; wenn du mit ihm nicht im Streite bist, brauchst du nicht zur Gañgâ, nicht zu den Kuru zu wallfahrten.
5314. (2407.) Zu dem ich die Liebesbotin sandte, bei dem eben ist sie hängen geblieben: erkennt darin, o Freundinnen, meine Einfalt oder die Folgen des Schicksals.
5315. (4838.) Wen Spieler, umherziehende Schauspieler und liederliche Weiber preisen, der Mann bleibt nicht am Leben.
5316. (2408.) Das Leid, welches Mütter und Vater bei der Geburt eines Menschen ertragen, kann selbst in hundert Jahren nicht wieder gut gemacht werden.
5317. Zwischen Zweien, bei denen Besitz, Geburt, Macht, Aussehen und Wohlfahrt gleich sind, können Ehe und Freundschaft geschlossen werden, nimmer aber zwischen einem Hohen und einem Niederen.
5318. (2409.) Nur zwischen Zweien, die gleichen Reichthum besitzen und nur zwischen Zweien, die von gleichem Wissen sind, können Ehe und Freundschaft geschlossen werden, nimmer aber zwischen Wohlgenährten und Ausgehungerten.
[137] 5319. Wenn bei Zweien die Absicht, die Anspruchslosigkeit oder die Einsicht übereinstimmen, dann wird die Freundschaft zwischen ihnen nicht zu Schanden.
5320. (2410.) Ein jüngerer Bruder, ein Sohn und auch ein guter Schüler sind als Söhne zu betrachten, wenn das Gesetz zur Richtschnur genommen wird.
5321. (2411.) Auch ziemt es sich nicht aus Rücksicht für den Ruhm den Körper zu vernachlässigen: der eigene Ruhm ist kein Zaubertrank für die verstopften Ohren Todter.
5322. Wer eine Sache genau kennt und trotz dieser Kenntniss sie verschweigt, der verunreinigt sich mit demselben Verbrechen (das der Andere beging und er verschweigt), darüber herrscht kein Zweifel.
5323. Wer in der Welt sich auf das Schicksal verlässt und wer ein Anhänger der Lehre vom Zufall ist, beide sind Ausgestossene; gerühmt wird derjenige, der des Menschen Arbeit anerkennt.
[138] 5324. Wer seines Weges geht ohne die Tugend zu beeinträchtigen, der gewinnt an ihr eine Gehilfin zur Erfüllung des Erwünschten.
5325. (2412.) Wer einen Nimba–Baum mit der Axt, wer ihn mit Honig und Butter und wer ihn mit wohlriechenden Kränzen und Aehnlichem behandelt, für Alle behält er dieselbe Schärfe des Geschmacks.
5326. (2413.) Wer mich mit der grössten Hingebung gewinnen will, der muss stets die Brahmanen ehren: auf diese Weise werde ich zufriedengestellt.
5327. Den überaus Dummen in der Welt und den überaus Frommen ergeht es wohl: Mittelmässige kasteien sich.
5328. Wer ihn erzeugt, wer ihn aus einer Gefahr rettet und wer ihm den Lebensunterhalt gewährt, alle drei sind seine Väter.
5329. (2414.) Wenn die Ehre zweier in Leidenschaft gerathener Menschen[139] darin besteht, dass sie wie zwei Hunde, die auf eine und dieselbe Sache erpicht sind, sich an einander reiben, dann frage ich, welche Schande darüber geht?
5330. (4839.) Wenn, o Lieber, ein Herr niemals im Zorn auffährt gegen einen ergebenen und auf sein Wohl bedachten Diener, dann haben die Diener zu ihm Vertrauen und verlassen ihn nicht im Unglück.
5331. (2415.) Ein Fürst, der durch geheime Späher die mit einem Regenten in Berührung kommenden Personen auf seiner Seite, insbesondere aber die auf des Feindes Seite kennt, pflegt nicht in Missgeschick zu gerathen.
5332. Wer den in ihm aufgestiegenen Zorn mittels der Einsicht zurückdrängt, den halten Weise, die die Wahrheit schauen, für energisch.
5333. (2416.) Der Mann, der nicht Hand an's Werk legt, indem er auf das Schicksal baut, steht bald ohne Habe da und baut auf die Flucht.
[140] 5334. (4840.) Wer aber ein frommendes Wort aus Thorheit nicht annimmt, der kommt als Saumseliger um seinen Vortheil und empfindet hinterher Reue.
5335. (4841.) Wer aber ein frommendes Wort, wenn er es hört, alsbald annimmt, indem er seine eigene Meinung aufgiebt, dem ergeht es wohl in der Welt.
5336. Wenn ein Fürst einen Andern sich gleich stellt, dann schreitet die Glücksgöttin nicht in derselben Weise fort. Die Unstäte, die diesen beiden Emporgestiegenen ihre Füsse leiht, kann nicht lange so stehen: sicher lässt sie Einen fallen.
5337. (4842.) Ein Landmann aber, welcher sein Feld bestellt ohne die Regenzeit zu kennen, kommt um seine Arbeit und gelangt nicht zu Korn.
5338. (4843.) Wer aber, wenn er auch in der Uebermacht ist, Mitleid angedeihen lässt einem heldenmüthigen Feinde, der in seiner Gewalt steht, ja in seinen Händen ist, den nennt man einen Mann.
[141] 5339. (4844.) Wer ein volles Jahr unter beständigem Schweigen seine Mahlzeit hält, geniesst im Himmel zehntausend Millionen von Weltaltern der Seligkeit.
5340. (4845.) Wenn Jemand von der Sonne erwärmtes Wasser aus der Gañgâ trinkt, so ist dieses mehr werth, als wenn man ein mit dem Kothe der Kühe abgehendes Gerstenkorn geniesst.
5341. (2417.) Wer einen im Unglück befindlichen Freund im Stich lässt und hartherzig seiner Wege geht, der Undankbare fährt dieser Sünde wegen sicher zur Hölle.
5342. Sogar Vjâsa, dem Kenner der drei Veda ihre Hochachtung bezeugen müssen, hat euch gesagt, dass es ein gutes Werk sei einem verliebten Weibe die Hand zu reichen.
[142] 5343. (2418.) Warum, wodurch, wie, wann, welcher Art, wie gross und wo die gute oder böse That von uns verübt wurde, darum, dadurch, so, dann, der Art, so gross und da trifft sie uns nach des Schicksals Willen.
5344. (4846.) Derjenige, vor dem die Geschöpfe zittern, wie Gazellen vor ihrem Jäger, geht zu Schanden, auch wenn er die meerumgrenzte Erde gewönne.
5345. (4847.) Weil Fürsten mittels eines Spähers alle Sachen in der Ferne sehen, darum werden Könige weitsichtig genannt.
5346. (4117.) Da eine Sache in Bezug zu diesem oder jenem Menschen entweder nicht geschehen kann oder geschehen muss, so kommt kein Weiser darüber ausser Fassung, dass er ihrer nicht theilhaftig, oder darüber, dass er ihrer theilhaftig wird.
5347. Wie sollte derjenige zur Wohlfahrt gelangen, vor dem die Unterthanen zittern? Sobald sie an ihm eine Blösse entdecken, fallen sie sicher von ihm ab.
5348. (2419.) Durch den, wenn er lebt, Viele leben, der lebt hier in Wirklichkeit: füllen Vögel den eigenen Bauch mit Hilfe des Schnabels etwa nicht?
[143] 5349. (2420.) Der Mann, der im Geschlecht obenan steht, muss ja alles Ernstes gehütet werden; geht er zu Grunde, so ist das ganze Geschlecht dahin: ist die Nabe gebrochen, so laufen die Speichen nicht mehr.
5350. (2421.) Wer, wenn wir ihm ein Geschäft übertrugen, uns ruhig die Hände in den Schooss legen lässt, der ist ein wahrer Diener und wie ein zweites Weib.
5351. (2422.) An welchem Orte, zu welcher Zeit und in welchem Lebensalter man eine gute oder böse That vollbracht hat, dort und dann erntet man (im künftigen Leben) die Frucht davon.
5352. (2423.) Man meide ein Land, in dem es keine Ehren, keinen Lebensunterhalt, keine Angehörige und keine Gelegenheit eine Wissenschaft zu erlernen giebt.
5353. (4848.) In einem Lande, wo es keinen Baum mit Früchten und kühlem Schatten d.i. keinen die Wahrheit kennenden Ehrenmann giebt, soll man keinen Tag verweilen.
[144] 5354. Derjenige Mann, mit dem, o grosse Göttin, eine treue Gattin zufrieden ist, hat Alles, was das Gesetz fordert, erfüllt und ist ein wahrer Gatte.
5355. (4849.) Nur der Sohn, durch welchen man seine Schuld abträgt und der Unsterblichkeit theilhaftig wird, ist ein aus Pflicht erzeugter; die Übrigen hält man für Kinder der Lust.
5356. (2424.) Auf wen ein Fürst öfter das Auge richtet, der Mann, er stamme aus niedrigem oder hohem Geschlecht, ist ein Gefäss des Glücks.
5357. (4850.) Wie ein Mensch gegen einen Andern verfährt, so soll dieser gegen ihn verfahren: dies ist Gerechtigkeit. Wer sich hinterlistig benimmt, dem soll man durch Hinterlist zu Leibe gehen; wer sich redlich benimmt, dem soll man redlich begegnen.
5358. (4851.) Vor wem man sich nicht fürchtet, wenn er im Zorn ist, und von wem man kein Geld erhält, wenn er zufrieden ist, wer also weder schadet, noch fördert, was wird der im Zorn uns thun?
[145] 5359. (4852.) Wem sie aber der Vater zur Ehe giebt oder der Bruder mit Einwilligung des Vaters, dem soll sie bei seinen Lebzeiten gehorchen und nach seinem Tode ihm nicht entgegenhandeln.
5360. (2425.) Wem die Götter eine Demüthigung zugedacht haben, dem Manne rauben sie den Verstand, so dass er Alles verkehrt sieht.
5361. (4853.) Wessen Vorhaben oder berathenen Plan Andere nicht erfahren, wessen vollbrachte That sie nur erfahren, der heisst ein Weiser.
5362. (4854.) Wessen Vorhaben weder Kälte noch Hitze, weder Furcht noch Freude, weder Gelingen noch Misslingen stören, der heisst ein Weiser.
5363. Wer möchte, wenn er von Einsichtsvollen geachtet sein will, dem, dessen Zorn grosse Leiden und dessen Gunst grossen Lohn bringt, auch nur in Gedanken einen Schaden zufügen?
5364. (2426.) Wessen Feld an einem Flussufer liegt, wessen Weib mit[146] einem Andern buhlt und wer in einem Hause mit Schlangen wohnt, wie sollte der Wohlbehagen fühlen?
5365. (2427.) Wessen Feld an einem Flussufer liegt, wessen Weib eines Andern Liebste ist und wessen Sohn keine Zucht kennt, der erleidet sicher den Tod.
5366. Wer in seinem Hause eine Gattin hat, die wie eine Mutter auf sein Wohl bedacht ist, der nimmt am Körper zu wie der Mond in der lichten Hälfte eines Monats.
5367. (2428.) Wem man etwas Unliebes anthun will, zu dem spreche man stets Liebes: um eine Gazelle sicher zu erlegen, lassen Jäger melodischen Gesang ertönen.
5368. (4855.) Wessen Herz vor Mitleid gegen alle Geschöpfe schmilzt, der erlangt dadurch die richtige Erkenntniss und die Erlösung, nicht durch Zopf, Asche und Kutte.
[147] 5369. (2429.) Ein tugendhafter Mann wird geehrt, er stamme von wem es auch sei: was wird ein Bogen, wäre er auch aus reinem Stamme gemacht, nützen, wenn ihm die Sehne (Tugend) fehlt?
5370. (2430.) Die Zeit schlürft ja den Saft jeglichen Werkes, das nicht schnell vollbracht wird, vor Allem aber eines solchen, das schon Früchte angesetzt hat.
5371. (2431.) Wer den Freund durch Gaben, die Feinde in der Schlacht und das Weib durch Speise und Trank besiegt (für sich gewonnen) hat, dessen Leben hat Früchte getragen.
5372. (2432.) Für wen die Tage kommen und gehen ohne gute Werke im Gefolge zu haben, der lebt nicht, wenn er auch athmet, gleichwie eines Goldschmieds Blasebalg.
[148] 5373. Für den das Gute nur des Guten wegen da ist, der leidet nur Pein und ist nicht klug, der kennt die Bedeutung des Guten eben so wenig wie der Blinde den Glanz der Sonne.
5374. Desgleichen hat derjenige, für den der Reichthum nur des Reichthums wegen da ist, keinen richtigen Begriff vom Reichthum: er gleicht dem Knecht, der im Walde die Kühe hütet.
5375. (2433.) Wessen Gemüthsart, Geschlecht und Verbindungen man nicht kennt, mit dem schliesse man keine Freundschaft: solches hat Brhaspati gesagt.
5376. (2826.) Wer im Unglück nicht verzagt, im Glück nicht frohlockt und in der Schlacht nicht feig ist, einen solchen Sohn, einen Schmuck der Dreiwelt, bringt eine Mutter selten zur Welt.
5377. Wem Verstand nicht angeboren ward, dem wird vieles Vorreden von keinem Nutzen sein: eine Hunderuthe wird nimmer gerade, hielte man sie auch beständig in einer Röhre.
5378. (2434.) Wer keinen eigenen Verstand besitzt, sondern nur Vieles gelernt hat, der kennt den Sinn der Lehrbücher nicht, eben so wenig wie ein Löffel den Geschmack einer Brühe.
[149] 5379. (2435.) Wer nicht selbst Verstand besitzt und nicht der Freunde Rath befolgt, der geht in den Tod wie jener dumme Weber.
5380. (2436.) Was nützen dem Lehrbücher, der nicht selbst Verstand besitzt? Was wird dem ein Spiegel nützen, der keine Augen hat?
5381. Wessen Sohn nicht gelehrt, nicht heldenhaft und nicht klug ist, dessen Geschlecht ist finster wie eine mondlose Nacht.
5382. (4856.) Wer einen folgsamen Sohn und eine gehorsame Gattin hat, und wer mit seinen Vermögensverhältnissen zufrieden ist, der hat den Himmel schon hier auf Erden.
[150] 5383. (2437.) Von wessen Heldenmuthe Freunde, Angehörige und Verwandte, wie von dem Indra's die Götter, Nutzen ziehen, dessen Leben hat Früchte getragen.
5384. (2438.) In wessen Gunst die lotusfarbige Glücksgöttin, in wessen Heldenmuth der Sieg und in wessen Zorn der Tod wohnt, der (Fürst) vereinigt die Majestät aller (Götter) in sich.
5385. (2439.) Wessen Verstand in Abnahme ist, den beruhige man mit der Vergangenheit, den Thoren mit der Zukunft, den Klugen mit der Gegenwart.
5386. (2440.) Wer Verstand hat, der hat Macht; woher sollte beim Dummen die Macht kommen? Im Walde wurde ein durch seine Macht berauschter Löwe durch ein Häschen um's Leben gebracht.
5387. (4857. 2168.) Wem im Hause eine treue und freundliche Gattin fehlt, der muss in die Wildniss gehen: sein Haus gleicht einer Wildniss.
[151] 5388. Wessen Gattin stets im Hause wie eine Hündin bellt, der schrumpft am Leibe zusammen, wie eine Lotuspflanze beim Eintritt von Kälte.
5389. (4858.) Ein Fürst, dessen Plan weder die Fremden noch die Eigenen kennen, bleibt lange in seiner Herrschaft, da er seine Augen überall hat.
5390. (2441.) Es giebt hier auf Erden keinen Glücklicheren als den, der mit einem Freunde sich begrüssen, mit einem Freunde zusammen wohnen und mit einem Freunde sich unterhalten kann.
5391. Jedermanns Herz hat, o Affe, seine Freude an keinem andern Platze, als an dem, der für ihn bestimmt, und an keinem andern Gesicht, als an dem, das ihm gegeben ward.
5392. (2442.) Die That, die der Schöpfer zu Jemandes Verderben bestimmt hat, läuft dessen Spur nach, er mag laufen wohin er will.
[152] 5393. (2443.) Indem ein Kluger dadurch in das Herz eines Menschen sich einschleicht, dass er sich ganz in seine Art und Weise zu sein hineindenkt, bringt er ihn bald in seine Gewalt.
5394. (2444.) Wie das Vertrauen, so der Erfolg: Kṛshṇa's Macht wird auf die Weise bemessen, dass man sagt, sie sei so und so gross.
5395. (2445.) Wessen Brod man isst oder in wessen Hause man gewohnt hat, dem thue man Gutes durch Handlungen, Gedanken und Worte.
5396. (4859.) Derjenige, von dessen Handlungsweise die Menschen nicht als wie von etwas Grossem und Wunderbarem reden, ist nur dazu da, um den Haufen gross zu machen, ist gerade kein Weib, aber auch kein Mann.
5397. (4860.) Wessen Handlungsweise die Menschen, sowohl Städter als Landbewohner und Räthe, auch dann noch segnen, wenn er schon im Himmel ist, der Fürst gehört zu den Besten unter den Fürsten.
5398. (4861.) Des Helden Leben auf Erden ist schön, durch dessen muthiges Auftreten die Angehörigen gut gedeihen, wie die Götter durch das des Indra.
[153] 5399. Wessen umfassender Verstand dem Guten und Nützlichen nachgeht und wer das Nützliche dem Angenehmen vorzieht, der heisst weise.
5400. (4862.) Wer mit Weibern der Liebe zu pflegen vermag, das Essen verdauen kann und am Leibe einer ausserordentlichen Kraft sich erfreut, dem spricht man Gesundheit zu.
5401. (4863.) Wer Liebe empfindet, der kennt auch Furcht; die Liebe ist das Gefäss des Leidens, in der Liebe wurzeln die Leiden: man entsage diesen und lebe glücklich.
5402. Wem Heldenmuth angeboren ist, der wird nimmer von Feinden geschlagen: auch der heftigste Wind vermag der Flamme einer durch ihre Edelsteine leuchtenden Lampe Nichts anzuhaben.
5403. Wenn durch das Zustandekommen der Sache eines Mannes Andere gedeihen, dann gelingt ihm sicher die Sache, weil er in kluger Weise die Sache verfolgt.
5404. Einem Weibe mit geringelten Haaren, mit rundem Gesichte und einem Nabel, dessen Windungen nach rechts laufen, ergeht es wohl.
[154] 5405. (4864.) Gerade in der Lebenslage, in der man etwas Gutes oder Böses vollbringt, geniesst man die Frucht einer solchen That.
5406. (4865.) Wie geht es zu, dass die Schlanke auf einem brennenden Scheiterhaufen liegt, da (wenn sie lebte) sogar ein Blumenlager der Zartgliedrigen Schmerzen bereiten würde?
5407. Wessen Herz vom Bösen abgewandt und zum Guten hingeführt ward, der kennt hier Alles auf Erden, das Ursprüngliche und auch die Veränderungen.
5408. Wer Geld hat, das zum Guten und Angenehmen führt, dem geht Alles gut von Statten: ein Armer, dem es um Geld zu thun ist, kann trotz aller Bemühung nicht zu Gelde gelangen.
5409. (2446.) Wer Geld hat, hat auch Freunde; wer Geld hat, hat auch Angehörige; wer Geld hat, gilt in der Welt für einen Mann; wer Geld hat, ist auch gelehrt.
[155] 5410. Wer Geld hat, der ist der Edelste im Geschlecht; wer Geld hat, der besitzt Vorzüge; wer Geld hat, ist heldenmüthig; wer Geld hat, ist auch klug.
5411. Wer Geld hat, der ist auch heldenmüthig; wer Geld hat, der ist auch klug; wer Geld hat, hat lange Arme; wer Geld hat, ist reich an Vorzügen.
5412. Wer Alles in der Welt zu sagen und Alles zu thun für erlaubt hält, mit dem wechselt der Reine keine Worte, da Wort und That bei jenem eins sind.
5413. Wer, o Fürst, seine Reichthümer mit den Gefährten gemeinschaftlich geniesst, mit dem theilen die Gefährten auch das Unglück: dies ist das Mittel Gefährten zu gewinnen und Gefährten gewinnen heisst, wie man sagt, ein Reich gewinnen.
5444. (2447.) Wer Reichthümer besitzt, ist ein Mann aus edlem Geschlecht, ist klug, gelehrt, versteht Vorzüge zu schätzen, ist ein gewandter Redner und auch schön: alle Vorzüge beruhen auf dem Gelde.
5415. (2448.) Wer aller Orten sich hinbegeben kann, warum geht wohl der aus Liebe zur Heimath in's Verderben? »Dies ist des Vaters Brunnen« sprechen elende Wichte und trinken salziges Wasser.
[156] 5416. (2449.) Welches Wesen wäre grösser als dasjenige (das Feuer), durch dessen Mund stets die Götter ihre Opferbutter und die Manen ihre Todtenkuchen geniessen?
5417. (4866.) Wer wunde Füsse hat und zu Fuss umhergeht, der reisst sich die Füsse noch weiter auf, liefe er auch noch so behutsam.
5418. (4867.) Wer viele Hausgenossen zu ernähren hat, aber wenig Vermögen besitzt, dem verursachen diese Hausgenossen und auch das Vermögen grosse Leiden.
5419. (2450.) Wer beständig frägt, hört und das Gehörte behält, dessen Einsicht erweitert sich wie durch der Sonne Strahlen die Wasserrosen.
5420. (2451.) Wer den Zorn zurückhält, wer Beleidigungen ruhig erträgt und wer, von Andern gepeinigt, nicht wieder peinigt, der ist ein festes Gefäss für die Glücksgüter (d.i. dem fallen alle Glücksgüter zu).
5421. (4868.) Wer eine hervorbrechende Freude oder Trauer nicht zu beherrschen weiss, der geht, wenn er zur Wohlfahrt gelangt, zu Grunde, wie ein ungebrannter Topf im Wasser.
[157] 5422. (2452.) Wer hier auf Erden den hervorbrechenden Zorn geduldig abschüttelt, wie eine Schlange ihre alte Haut, den heisst man einen Mann.
5423. (2453.) Wer den hervorbrechenden Zorn wie ein Ross zurückhält, den nennen Weise einen Wagenlenker, nicht den, der die Zügel schiessen lässt.
5424. (2454.) Wer den hervorbrechenden Zorn in aller Ruhe abschüttelt, der hat, dies wisse, o Devajânî, diese ganze Welt erobert.
5425. (2455.) Den Fürsten, der den Untergebenen reichliche Ehren erweist, verlassen diese nimmer, selbst nicht beim Verlust seines Vermögens, und sind dabei froh.
5426. (4869.) Der Baum des Wissens, welcher, wenn Thoren seiner beständig spotten, niemals Wurzeln, junge Triebe und anderes Leben zeigt, erzeugt, wie bekannt, in der Noth eine Frucht, indem er mit einem Male eines Menschen Ungemach durchschneidet.
5427. Wer sich den Frieden aller Geschöpfe angelegen sein lässt, wahrhaft[158] und mild ist, Andere ehrt und reines Herzens ist, den erkennt man inmitten der Verwandten alsbald, wie einen ächten, klaren Edelstein.
5428. (2456.) Wer einen am Abend anlangenden Gast nicht nach Kräften ehrt, dem giebt dieser seine bösen Thaten und nimmt von ihm die guten.
5429. Wer in seiner Einfalt schon mit dem Allergeringsten zufrieden ist, den verlässt das Glück, so dass sogar geschenkter Reichthum ihm wieder gestrichen wird.
5430. Wer beständig badet, dessen Sünden verschwinden, so lehren die Weisen, wie Würmer (im Wasser) verschwinden, da seine guten Werke sich wie Fische verhalten. (Wie Würmer von Fischen, so wer den Sünden von guten Werken verschlungen.)
5431. (2457.) Wer mit oder ohne Wissen einen Esel berührt, für den ist ein Bad in Kleidern vorgeschrieben, auf dass Unheil abgewehrt werde.
5432. Wer seine Partei verlässt und der Partei des Feindes dient, der wird schliesslich, wenn seine Partei zu Grunde gegangen ist, von Jenen getödtet.
[159] 5433. (2458.) Das angeborene Wesen zu überwinden fällt uns schwer: nagt ein Hund, der auf gute Kost gesetzt wird, darum nicht am Schuh?
5434. Spendet man einem Bettler, so mehrt es den Ruhm; spendet man Angehörigen, so mehrt es die Liebe; spendet man einem Würdigen, so mehrt es das Verdienst: eine Spende ist niemals nutzlos.
5435. (2459.)
Der Esel spricht:
Wer im Augenblick, wo es zu handeln gilt, erst eine Bitte vorbringt (Bedingungen macht), ist ein schlechter Diener, ist ein schlechter Freund.
Der Hund spricht:
Wer aber erst im Augenblick, da es zu handeln gilt, seine Diener ehrt, ist ein schlechter Herr.
5436. (4870.) Das Bitten macht ja alle Grösse eines Mannes zu Nichte, wie schon der Fall zeigt, dass sogar der erhabene Vishnu, sobald er zu bitten gedenkt, stracks zum Zwerge wird.
[160] 5437. (2460.) Den Schlangen hat der Schöpfer den Wind zur Speise bestimmt, um die sie nicht zu betteln brauchen und die sie ohne Mühe erlangen können; das Vieh nährt sich von Grasspitzen und ruht behaglich auf dem Erdboden; den Menschen dagegen, deren Geist im Stande wäre über das Meer des Erdenwallens hinüberzusetzen, ist ein Lebensunterhalt angewiesen, bei dem, wenn sie ihm nachgehen, stets alle Tugenden ihr Ende erreichen.
5438. (2461.) An die ich beständig denke, die fühlt keine Neigung zu mir und verlangt nach einem andern Manne; dieser Mann ist wieder einer Anderen ergeben und an uns findet wiederum eine Andere Gefallen. Pfui rufe ich über jene und über jenen, über den Liebesgott, über diese und über mich!
5439. (2462.) Bali fuhr tief zur Hölle, obgleich er die ganze Erde dem[161] Vishṇu abgetreten hatte; jener Einsiedler dagegen wurde in den Himmel erhoben, obgleich er nur einen Scheffel Mehl gespendet hatte; Kuntî ward zur Stadt der Götter erhoben, obgleich sie von Kindheit an untreu gewesen war; Sitâ dagegen fuhr, o Weh, zur Hölle, obgleich sie den Gatten vergötterte: gar fein und schwer zu fassen ist das Wesen des Verdienstes!
5440. (2463.) »Treffen denn, o Schöne, diejenigen, die verreisten, mit den Ihrigen nicht wieder zusammen? Du darfst dir meinetwegen keine Sorgen machen! Du bist über die Maassen abgemagert.« Als ich, Thränen vergiessend, so zu ihr spreche, da schaut sie mich an mit ihrem Auge – der Stern in ihm ist matt vor Scham und Thränen entstürzen in Strömen – und mit Lächeln verräth sie den festen Entschluss bald zu sterben.
5441. Durch Berührung mit Sandelbäumen sind alle Bäume (auf dem Malaja) zu Sandelbäumen geworden; das Bambusrohr aber wird nicht zum Sandelbaum, weil es im Herzen gar zu leer ist.
5442. Viele kummerbeladene Menschen auf Erden sind von dannen gegangen, gehen noch heute und auch in Zukunft von dannen; der Ruhm aber, der an einem Werke des Dichters haftet, ist unvergänglich und besteht für ewig.
5443. Die Zeit geht dahin, das Leben verrinnt und die Wünsche schwinden: kein gutes Werk ist vollbracht worden, das Leben ist nutzlos abgelaufen!
[162] 5444. (4871.) Die Streifen der Finsterniss, von den Strahlen des Mondes berührt, verschwinden und weisen auf das schlimme Ende hin, welches Gegner eines Fürsten alsbald nehmen.
5445. Ein hässliches, schmutziges, zanksüchtiges und nie um eine Antwort verlegenes Weib ist das wahre Greisenalter und wohl noch schlimmer.
5446. Ein schönes, folgsames und stets freundlich redendes Weib ist der wahre Reichthum und wohl noch besser.
5447. (2464.) Fort, fort mit ihm! Wozu soll er bleiben? Lass, lass ihn los, o Freundin, und gieb dir keine Mühe! Einen Liebsten, den (von einer Anderen) zerbissene Lippen entstellen, vermögen wir nicht mit Augen anzusehen.
5448. (2465.) Es fällt und steigt ein Mensch durch seine eigenen Werke, wie der, der einen Brunnen gräbt, und der, der eine Mauer aufführt.
[163] 5449. Die Stellung, die ein Diener einnimmt, entspricht, wie man weiss, der des Herrn, in dessen Dienste er sich begiebt, und ist entweder in der Welt verachtet oder von Jedermann hoch gepriesen: ein Strick aus Gräsern steigt tief hinab, wenn er sich an ein Brunnenrad kettet, und steigt hoch auf's Haupt eines Gottes, wenn er sich an Blumen schmiegt.
5450. (4872.) Diejenigen, denen das Essen nur zur Aufrechterhaltung des Lebens, der Beischlaf nur zur Erlangung von Nachkommenschaft und die Sprache nur zum Reden der Wahrheit dient, überwinden alle Schwierigkeiten.
5451. (2466.) Der Gier, der Thoren schwer entsagen, die mit dem Alternden nicht altert und die eine Schar von Leiden in ihrem Gefolge hat, entsage alsbald der, dem es um sein Heil zu thun ist.
5452. (2467.) Wer der Gier, dieser lebenslänglichen Krankheit, der Thoren schwer entsagen und die mit dem Alternden nicht altert, entsagt, dem ergeht es wohl.
5453. (4873.) Welcherlei Eigenschaften der Gatte besitzt, mit dem ein Weib gesetzmässig sich verbindet, solcherlei Eigenschaften nimmt sie an: es geht ihr wie dem Flusse, der sich mit einem Meere verbindet.
5454. (2468.) Was für Samen ein Landmann auf sein Feld säet, gute oder böse Thaten, solche Frucht erntet er.
[164] 5455. (2469.) Was für Samen aber auf einem zu rechter Zeit bestellten Felde gesäet wird, solcher Same geht darin auf, kenntlich an seinen Eigenschaften.
5456. (4874.) Wie diejenigen, mit denen er zusammen wohnt, wie diejenigen, denen er aufwartet und wie er selbst zu sein wünscht, so wird auch der Mann.
5457. (2470.) Wie diejenigen, die ihn bedienen, und wie diejenigen, die er bedient, so wird der Mann, darüber waltet nicht der geringste Zweifel ob.
5458. (2471.) Die Gattin, die nicht dem Gatten folgt, ihre Pflichten erfüllend und ihn über Alles liebend, wird von den Weisen nicht gelobt.
5459. (2472.) Allerlei Freunde soll man sich verschaffen und zu Hunderten: sieh, Tauben wurden durch ein Mäuschen, ihren Freund, von ihren Fesseln befreit.
[165] 5460. (4875.) Die Thränen, welche den Augen falsch Beschuldigter entstürzen, tödten die Kinder und die Heerden der falsch Beschuldigenden.
5461. Glücklich sind, o Freundin, die Frauen, die den Liebsten im Traume schauen: von uns aber ist, nachdem der Geliebte ging, auch der Schlaf als Feind von dannen gegangen.
5462. (2473.) Obgleich der schon von Natur bewegliche Blick eines Herrn selbst auf einen Unehrlichen fällt, so legen Diener dennoch einen grossen Werth auf ihn.
5463. (2474.) In der Gattin bösen Wandels, die stets nur an Hader Gefallen findet, sollen Verständige das unwirsche Greisenalter in einer Gattin Gestalt erkennen.
5464. »Ich verreise, o Schöne!« »Reise, o Wanderer.« »Gieb dich, o Geliebte, nicht unnützer Weise der Trauer hin!« »Warum sollte ich über deine Abreise trauern?« »Wie kommt es aber dann, dass du Thränen vergiessest?« »Weil du nicht schnell genug aufbrichst«. »Woher diese deine Hast mich fortzuschicken?« »Mächtig ist der Drang dieser meiner Seele mit dir zugleich von dannen zu gehen.«
[166] 5465. Wie eine Nacht ohne Mond, ein Weib ohne Gatten und Reichthum ohne Freigebigkeit traurige Erscheinungen sind, eben so eine Dichtung ohne einen Grundton.
5466. (2475.) Diese Nacht ist durch dicke Wolken in ein fürchterliches Dunkel gehüllt; mein Gatte da, erschöpft durch schwere Arbeit, ist in Schlaf gesunken; ich junges Weib bin aus Furcht vor dem Liebesgott in ein heftiges Zittern gerathen; das Dorf hier wird durch Räuber beunruhigt: o Wanderer, gieb auf den Schlaf!
5467. (2476.) Von der ersten Nacht an, in der die Menschenkinder ihren Aufenthalt im Mutterleibe beginnen, gehen sie Tag für Tag sichern Ganges dem Tode entgegen.
5468. (2477.) Die Nacht, die durch Vollmond geschmückt und durch keine Wolke getrübt wird, ist eine wahre Nacht; die Gattin, die mit Schönheit und Vorzügen ausgestattet ist und am Gatten sich erfreut, ist eine wahre Gattin; der Wein, den das Verlangen nach Kṛshṇa und die Lust an ihm versüsst, ist wahrer Wein; die Geschicklichkeit, die den Menschen beide Welten verschafft, ist wahre Geschicklichkeit.
5469. (2478.) So lange die Glücksgöttin ihren Leib nicht mit Saffran,[167] dem Blute der Feinde, gesalbt hat, verschafft sie, sei sie auch reizend, dem Herzen Verständiger nimmer Befriedigung.
5470. (2479.) So lange eine Gattin nach ihres Gatten Tode sich nicht im Feuer verbrennen lässt, wird sie nicht vom Körper befreit.
5471. So lange Verstand und Reichthum reichen und so lange das Herz es vermag, thue man das, was Einen frommen kann: rasch ist der Gang der Gerechtigkeit.
5472. (4876.) So oft man geboren wird, so oft stirbt man auch und so oft liegt man auch im Mutterleibe. Da ein solcher offenbarer Nachtheil mit dem Leben verbunden ist, so frage ich, wie du, o Mensch, hier Befriedigung zu finden vermagst.
5473. Man geniesse das Leben, so lange man lebt, mache Schulden und schlürfe Schmelzbutter, da der zu Asche verbrannte Leib nimmer wiederkehrt.
5474. (2480.) So viele dem Herzen theure Verbindungen ein Mensch schliesst, so viele Stacheln des Kummers bohren sich in sein Herz.
5475. (4877.) So lange eines Menschen guter Ruhm in der Welt besungen wird, so lange geniesst er, o du Tiger unter den Männern, im Himmel der Seligkeit.
[168] 5476. So viele Schritte man bei der Besteigung des Çatru ģaja thut, so viele Jahre geniesst man im Himmel der Seligkeit.
5477. (2481.) So viele Haare man am Körper hat – und deren sind hunderttausend Millionen –, so viele Jahre geniesst eine treue Gattin des Himmels Freuden, mit dem Gatten sich vergnügend.
5478. (2482.) So lange Jemand, sei er auch mächtig, seine Macht bei keiner Gelegenheit offenbart, so lange können ihn Alle, wie das noch im Holze ruhende Feuer, übersehen.
5479. (2483.) So lange dieser Körper noch frisch und gesund ist, so lange das Alter noch fern ist, so lange die Kraft der Sinne noch ungeschwächt ist, so lange die Lebenskraft noch nicht schwindet, so lange muss ein Verständiger mit grossem Ernst an sein Seelenheil denken: wozu das Bemühen einen Brunnen zu graben, wenn das Haus schon in Brand steht?
5480. (4878.) So lange der Leib hier gesund und der Tod noch in der Ferne ist, soll man das thun, was Einem frommen kann. Was wird man am Ende des Lebens thun können?
[169] 5481. (2484.) So lange man noch nicht gestrauchelt ist, geht man bequem auf ebenem Pfade; sobald man aber gestrauchelt ist, wird es sogleich uneben auf Schritt und Tritt.
5482. (4879.) So lange eines Menschen Knochen im Wasser der Gañgâ verbleibt, so viele Tausende von Jahren geniesst ein Verstorbener im Himmel der Seligkeit.
5483. (4480.) Ein Bündniss, welches das ganze Leben hindurch währt, gleichen Zwecken dient und bei keiner Veranlassung, weder im Glück noch im Unglück, gebrochen wird,
5484. (4481.) ist ein Sa gata-Bündniss. Weil es so vorzüglich wie Gold ist, nennen andere auf Bündnisse sich Verstehende dasselbe auch das goldene Bündniss.
5485. Durch Arbeit gewinnen, o Judhishṭhira, die Geschöpfe ihren Lebensunterhalt; von ihr befreit wird sogar nicht das Kalb, wenn es an der Mutter Euter saugt, sogar nicht der Wanderer, wenn er sich in den Schatten begiebt.
[170] 5486. (2485.) So lange das gebogene Auge gazellenäugiger Mädchen nicht tanzt, so lange nur hat der Verstand Macht über den Geist der Gelehrten.
5487. So lange das Licht des Dichters Bhâravi (der Lichtstrahlen der Sonne) hell leuchtet, lässt sich der Dichter (Monat) Mâgha nicht sehen; sobald aber der Dichter (Monat) Mâgha sich erhebt, ist das Licht Bhâravi's (der Sonne) wie das der Sonne.
5488. Nur so viel, als zur Füllung und Ernährung des Bauches erforderlich ist, dürfen die Menschen als ihr Eigenthum betrachten; wer da wähnt mehr zu besitzen, der verdient als Dieb bestraft zu werden.
5489. (4882.) So lange wir Reichthümer zu erwerben vermögen, so lange ist unsere Umgebung uns zugethan; wenn aber später unser Leib durch das Alter gebrechlich wird, dann erkundigt sich Niemand mehr nach uns im Hause.
5490. Wer bloss zu seiner Befriedigung ein Thier tödtet, der wird in jedem Leben, das er nach dem Tode antritt, getödtet und zwar so viele Male, als das Thier Haare hat.
[171] 5491. So viele Haare, als sich, o Bhârata, am Leibe des Thieres finden, so viele Jahre werden diejenigen (in der Hölle) gebraten, die ein Thier tödten.
5492. Wie viele Male Jemand beim Betrachten des Antlitzes eines fremden Weibes die Augen schliesst und wieder aufschlägt, so viele Hunderttausende von Jahren wird er in der Hölle Kumbhîpâka gebraten.
5493. (4883.) Sämmtliche dem Herzen zusagende Gegenstände, so viele ihrer in den drei Welten sind, vermögen nicht, o Fürst, den zu befriedigen, der seine Sinne nicht besiegt hat.
5494. Man verheirathe eine Tochter, so lange bei ihr noch nicht das Schamgefühl erwacht ist, so lange sie noch mit Sand spielt und so lange sie noch auf dem Wege weilt, den die Kühe gehen.
5495. So lange Jemand kein Weib ehelicht, ist er nur ein halber Mann, und ein Haus, das nicht von Kindern umgeben ist, gleicht einer Leichenstätte.
5496. Einen Schuldlosen zu bestrafen und einen Schuldigen laufen zu lassen gilt für ein gleiches Unrecht bei einem Fürsten; seine Pflicht ist es aber (die Unterthanen) im Zaum zu halten.
[172] 5497. (2486.) Lässt man die Glücksgöttin, die trotz der nahen Berührung mit den Wassern des Meeres, beständig schmutzig ist, zu den würdigen Männern gelangen, die im Besitz des nach oben strebenden Feuers sind (d.i. zu den Brahmanen), so wird sie fleckenlos, wie ein goldenes Götterbild, wenn es im Feuer gereinigt wird.
5498. Selbst stets hochgeachtete und geliebte Frauen, die man schützt, hängen sich an Bucklige, Blinde, Schwachköpfe und Zwerge.
5499. (2487.) Freundliches Entgegenkommmen, das ja alsbald Schlechte in Gute, Narren in Weise, Feinde in Freunde, Verborgenes in Offenbares und Gift in Nektar verwandelt, dieses hehre Wesen suche zu gewinnen um die ersehnte Frucht zu geniessen: mache dir nicht, o Bester, vergebens zu grosse Noth mit vielen Tugenden.
5500. (2488.) Da schon bei der Erwähnung der Weiber, ehe man sie sieht und mit ihnen zusammenkommt, Liebe erweckt wird, so ist es ein Wunder, dass man nicht schmilzt, wenn man sie erblickt und mit ihnen in Berührung kommt.
5501. Wenn die Weiber schon durch den Wind ihrer Seitenblicke eine Lampe ausblasen, wie kann dann ein Mann bei einer Umarmung derselben zur Hölle fahren?
[173] 5502. Wenn schon durch den Wind eines Seitenblickes der Weiber eine Krankheit sich steigert, wie kann man sich dann wundern, dass ein Mann bei ihrer Umarmung zur Hölle fährt?
5503. (2489.) »Wird sie wohl in die Hand eines braven Mannes gelangen, wird sie ihn wohl erfreuen, wird sie wohl fehlerfrei sein?« So härmt sich ja ein Dichter über eine Erzählung ab, sobald sie zur Welt gekommen ist, gerade so, als wenn es eine Tochter wäre.
5504. Wie sollte ein böses Weib, das dem eigenen Gatten Leid zufügt, den Buhlen verschonen? Lässt eine Katze, die ihr eigenes Junge frisst, eine Maus etwa laufen?
5505. (2490.) Die Glücksgöttin, die ja sogar um den Preis der Hingabe des Lebens nicht zu gewinnen ist, läuft, obgleich sie unstät ist, in das Haus lebenskluger Menschen.
5506. (2492.) Ein begründetes Wort, käme es auch von einem Kinde, soll sogar ein Weiser stets annehmen; ein schlechtes Wort dagegen, käme es auch von einem Bejahrten, soll man nicht beachten.
5507. (2491.) Etwas Begründetes soll ein Verständiger selbst von einem[174] Kinde annehmen: erhellt, wenn die Sonne nicht da ist, eine Lampe etwa nicht das Haus?
5508. (4884.) Am Ende eines Juga wankt der Berg Meru, am Ende eines Kalpa wanken die sieben Meere, Rechtschaffene aber wanken nimmer und stehen nicht ab von dem, was sie versprochen haben.
5509. (2493.) Wer zur Zeit des Kampfes voran schreitet, in der Stadt stets hinterher geht und im Palast am Thore des Herrn steht, der ist des Fürsten Liebling.
5510. (2494.) Zu kämpfen, früh aufzustehen, mit den Seinigen das Mahl einzunehmen und das in Noth gerathene Weib zu schützen: diese vier Dinge (lerne man) vom Hahn.
5511. (2495.) Im Kampfe finden bisweilen beide Theile ihren Untergang: kamen Sunda und Upasunda, die von gleicher Stärke waren, nicht Einer durch den Andern um?
[175] 5512. (2496.) Wenn ein Schwacher aus falschem Selbstgefühl mit einem Stärkern kämpft, dann erfüllt er dessen Wunsch und richtet sein eigenes Geschlecht zu Grunde.
5513. (2497.) Das Kämpfen ist Vögeln und vierfüssigen Thieren eigen, das Wortemachen den Papageien und Predigerkrähen: ein Held und ein Gelehrter zugleich ist, der Reichthümer zu spenden vermag.
5514. (4885.) Berittene Kämpfer sind sogar für Götter schwer zu besiegen und selbst entfernte Feinde sind in ihrer Hand.
5515. Schon als Jüngling befleissige man sich der Tugend, da das Leben bekanntlich nicht ewig dauert. Wer weiss es denn, wen heute die Todesstunde ereilen wird?
5516. Du hast eine Badarî-Wurzel und ich einen Badarî-Baum; du bist du und ich bin ich, das ist die Verwandtschaft mit Bâdarâjana. (Abfertigung eines zudringlichen Menschen, der sich für einen Verwandten ausgiebt.)
5517. Wenn man dadurch, dass man einen Opferpfosten errichtet,[176] Thiere schlachtet und eine Blutlache bildet, in den Himmel gelangt, wer fährt dann zur Hölle?
5518. (2498.) Ehemals waren wir der Meinung, dass du ich und ich du sei: was ist jetzt geschehen, dass du du und ich ich ist?
5519. Euer sind hundert, unser fünf, und wir liegen mit einander im Hader; wenn wir aber von Feinden angegriffen werden, sind wir unser hundertundfünf.
5520. (2499.) Die Frevelhaften, die da behaupten, Fürsten seien schwer zu befriedigen, bekunden hiermit nur ihre eigene Fahrlässigkeit, Trägheit und Stumpfheit.
5521. (4886.) Diejenigen, die zu den Freuden der Einsicht gelangt sind, alle Gegensätze überwunden haben und frei von Missgunst sind, werden weder durch Gewinn noch durch Verlust in Aufregung versetzt.
5522. (4887.) Diejenigen dagegen, die nicht zur Einsicht gelangt sind, sich vielmehr verkehrter Weise der Thorheit hingegeben haben, freuen und härmen sich über die Maassen.
[177] 5523. (4888.) Nur die Dümmsten und die Gescheidtesten in der Welt gedeihen wohl; der mittelmässige Mann hat zu leiden.
5524. (4889.) Mit denjenigen Männern, welchen Weiber mit Gesang und Musik aufwarten, und mit denjenigen, welche schutzlos fremdes Brod essen, verfährt der Gott der Zeit (der Tod) auf gleiche Weise.
5525. (2500.) Für diejenigen, welche Fürsten, die doch durch ihre Geburt und andere Vorzüge eine grosse Macht besitzen, sich nicht nähern, ist lebenslängliches Betteln als Sühne geschaffen worden.
5526. Thörichte, die ohne zu überlegen alsbald ein weit entlegenes Gebiet ihrer Feinde betreten, fühlen, da mit ihnen leicht fertig zu werden ist, in kurzer Zeit die Schwertschneiden jener an ihrem Halse.
5527. (2501.) Durch jedes beliebige Mittel, es sei gut oder schlecht, rette man sich, wenn man in schlimmer Lage ist; Gutes übe man aber, wenn man es vermag.
[178] 5528. (4890.) Eine solche That, über die man auf dem Siechbette sich härmen könnte, vollbringe man schon vorher nicht, da das Leben nicht von Bestand ist.
5529. (1702.) Wer sich durch ein Leid betrüben lässt, der wird nimmer froh sein, da ja der Leiden kein Ende ist, da ja aus einem Leid wieder ein anderes entspringt.
5530. (2502.) Wer einen Fürsten mit seinem Minister entzweit, hat, wie Nârada sagt, an ihm einen Mord ohne Waffe verübt.
5531. (2503.) In welchem Maasse und auf welche Weise Jemand hier auf Erden Böses oder Gutes sich hat angelegen sein lassen, in dem Maasse und auf die Weise geniesst er jenseits die Frucht davon.
5532. (4891.) Je nach dem Winde, bei dem eine Wolke ihr Wasser entlässt, hält der Kluge den Regenschirm.
[179] 5533. (4892.) Weshalb und in welcher Weise Jemand vorher eine That sich angelegen sein liess, deshalb und in der Weise geniesst er später stets den Lohn derselben, weil er selbst die That vollbrachte.
5534. (4893.) Auf jede beliebige Weise und durch jegliche That suche man, wenn man in Noth ist, sich am Leben zu erhalten; vermag man es aber, so übe man Gutes.
5535. (4894.) Mit welchem Leibe Jemand irgend eine That vollbringt, mit demselben Leibe wird er des Lohnes derselben theilhaftig.
5536. Fürsten, die, von Andern abhängig, ihr Land nicht schützen, ragen nicht hervor, eben so wenig wie Berge im Meere.
5537. (2504.) Der die Gänse weiss, die Papageien grün und die Pfauen bunt färbte, wird dir den Lebensunterhalt gewähren.
5538. (2505.) Eine Handlung, die das Ansehen des Herrn schmälern[180] oder irgendwann seinem Herzen Schmerzen bereiten könnte, verübt ein ausgezeichneter Diener nicht, selbst wenn er das Leben hingeben müsste.
5539. (2506.) Derselbe wilde Elephant, der früher Lotuswurzeln und Blätter zur Speise wählte, mit seinem Weibchen spielte, nach Herzenslust in vielen Schluchten umherschweifte und Wasser von Wasserfällen trank, nährt seinen Leib, da er unter Menschen gerathen ist, mit Gräsern: wer vermag das auszuwischen, was das Schicksal ihm auf die Stirnplatte schrieb?
5540. (2507.) Mein Leib, an dem die Zähne von Indra's Elephanten und des Gottes Keulen in der Schlacht zerbrachen (?) und die anprallende Schneide der Streitaxt Çiva's sich verbog, wird jetzt durch die Krallen des Mannlöwen (Vishṇu's) zerrissen: hat das Schicksal seine Macht eingebüsst, dann pflegt selbst ein Grashalm zum Donnerkeil zu werden. (Worte Hiraṇjakañçipu's).
5541. (2508.) Wer sich des Preises werth gemacht hat, den suchen die Leute: ein Elephant wird um tausend Goldstücke gekauft, nimmer ein Löwe.
[181] 5542. (2509.) Boshafte und schlechtgesinnte Menschen, die lebenden Wesen das Leben nehmen, sind wie Schlangen die Schrecken der Geschöpfe.
5543. Wer nie Weiber umschlang, die mit der Pracht blauer Lotusknospen wetteifern; wer nie Bedürftige befriedigte, die nach dem Thor hinschauen und grau von Staub sind; wer nie Verwandte, die in den Schlamm des Meeres der Armuth gerathen waren, herauszog: der hat ja, o Freund, der Mutter die Jugend geraubt, ist für Nichts und wieder Nichts hier geboren worden.
5544. (2510.) In dieselben Lumpen (in denselben Wolkenstreif), in welche in der Nacht der Mond, ist am Tage die Sonne gehüllt: Weh rufe ich über ihre Armuth!
5545. Diejenigen edlen Menschen, die nicht Böses verüben, weder mit dem Herzen, noch in Worten, noch durch Werke, noch im Geiste, kasteien sich, nicht diejenigen, die ihren Leib verdorren lassen.
5546. Diejenigen, die sogar den Weibern Fehler nachsagen, indem sie aus Ueberdruss an ihnen ihre Vorzüge verschweigen, sind, so vermuthet mein Herz, schlechte Menschen und diese ihre Reden entsprechen nicht der Wahrheit.
[182] 5547. (2511.) Selbst solche Männer, die ihren Fuss auf die Stirnbeulen von Elephanten setzten, die des Glückes theilhaftig wurden und in deren Häusern Jungfrauen, wahre Mondleuchten am hellen Tage, wohnten, selbst solche Männer, der Welt Zierden, betrachtet die Welt als nicht da gewesen, auch nicht einmal im Traume. O That eines guten Dichters, du meine Schwester, was soll ich dich mit Hunderten von Lobsprüchen preisen? Blind ist die Welt ohne dich!
5548. (2512.) Diejenigen, die nur darauf bedacht sind ihre Unterthanen zu peinigen, gehen mitsammt ihrem Stamme zu Grunde; denjenigen dagegen, die zu Grunde Gegangenes wieder vereinigen, wird Glück zu Theil, das von Geschlecht zu Geschlecht übergeht.
5549. (2513.) Diejenigen, die uns Liebes sagen und Gutes erweisen, die reich sind und einen untadelhaften Wandel führen, sind Götter in Menschengestalt.
5550. (2514.) Diejenigen, die in der Kindheit nicht der Wissenschaft obliegen und, von der Liebe heimgesucht, in der Jugend die Besonnenheit verlieren, werden im Alter mit Geringschätzung behandelt und gehen zu Grunde, wie Lotusblüthen durch Frost.
5551. (2515.) Was für Atome zur Bildung derer (der Bösen) dienten, die einfältiger als ein Kind sogar und zugleich klüger als selbst der Götter Lehrer sind, wissen wir nicht.
[183] 5552. (2516.) Gegen die ein Fürst eine Geringschätzung an den Tag legt, nachdem er sie zuvor geehrt, die sinnen auf seinen Untergang, selbst wenn sie aus edlem Geschlecht sind.
5553. (2517.) Die Bienen hier, die von dem Augenblick an, da deine Knospen hervortraten, Tag für Tag sich auf dich setzten, schwärmen jetzt stets um die Frucht umher. Du siehst es, ach, und begrüssest sie nicht! Würmer dagegen, die früher nicht in den Bereich deiner Augen kamen, sitzen im Innern deiner Frucht. Pfui rufe ich über dich, o Mangobaum, dass du nicht den Bessern vom Schlechtern zu unterscheiden verstehst.
5554. Das sind wahre Augen, die deine schöne Gestalt schauen; das ist eine wahre Rede, die von deinen vielen unvergleichlichen Vorzügen spricht; das ist ein wahrer Nacken, der sich zu deinen alle Wünsche gewährenden Füssen neigt; das ist ein wahrer Geist, der sich, o Gebieter, in deinen reinen Wandel vertieft.
[184] 5555. (2518.) Alle Menschen, die durch des Schicksals Fügung irgendwann auf einer Wasserrose eine Bachstelze erblicken, werden über die Maassen berühmte Fürsten; wie ist nun das Wunder, o Schöne, zu erklären, dass alle die, die ein Bachstelzenpaar, die Augen, auf dem Lotus deines Antlitzes erblicken, durch die dichten Pfeile des Liebesgottes zu Krüppeln werden?
5556. Wenn (Unterthanen), o Fürst, vom Schicksal geschlagen; um das Ihrige kommen und von Dieben hart heimgesucht werden, weil sie nicht geschützt werden, dann ist alles dieses des Fürsten Schuld.
5557. Hatte aber dieser guten Rath gepflogen, war er klug zu Werke gegangen, hatte er Alles vorgesehen und die ihm als Menschen zukommende Arbeit gethan, dann ist er, o Judhishṭhira, frei von aller Schuld.
5558. (4895.) Solche, die beständig zu Gelde kom men und dennoch wie arme Schlucker dasitzen, bringen, o Bester der Bharatiden, ihren Reichthum den Feinden dar.
5559. (4896.) Alle Angelegenheiten, welche Weibern, Fahrlässigen oder Verstossenen übergeben oder auch Unehrenwerthen anvertraut werden, unterliegen der Gefahr.
[185] 5560. (2519.) In einer Bergeshöhle auf einem Felsenlager sitzend, möchte ich nach abgebrochener Vertiefung unter Lachen, das sich im Innern erhübe, der Tage gedenken, die lang dünken dem, der vor Reichen den Schmerz des Bettelns empfindet, und die kurz erscheinen dem, dessen Denkungsart durch das Aufgeben der Sinnenwelt umgestimmt wurde.
5561. (2520.) Junge Schwäne, die im Blüthenstaube goldfarbiger Wasserrosen, da wo sich die reinen Wasserwogen der Mandâkinî brechen, gross wuchsen, begeben sich nach des Schicksals Willen in ein Wasser, das ein Netz von Çaivâla undurchdringlich macht.
5562. (2521.) Bienen, die der Brunstsaft auf den Wangen der Elephanten nährte und deren Körper der Staub aufgeblühter Wasserrosen wohlriechend machte, verbringen jetzt durch des Schicksals Fügung Tag für Tag ihre Zeit auf Nimba's und Arka-Blumen.
5563. (2522.) Wie Wolken einen Glanz in Farbenmischungen, so entfalten[186] Schranzen eine Lust an Kastenmischungen; beide legen eine ihnen eigenthümliche Unbeständigkeit an den Tag, die an den Wolken – Bergen, an den Schranzen Familien den Untergang bringt; beide donnern in ihrem Uebermuth laut genug in der nächsten Nähe und haben sie sich erhoben, so bewirken sie stracks, jene, dass Löwen, diese, dass diese löwenähnlichen Fürsten nur daran denken, sich auf Abwege zu begeben.
5564. Diejenigen, welche den wahren oder falschen Worten eines Feindes trauen, kommen um's Leben, wie diejenigen, welche dem mit trockenem Grase (überdeckten) Honig trauen.
5565. Nur Heldenmüthigen, Gelehrten und denjenigen, welche sich auf den Dienst verstehen, ist es gestattet, das glänzende Glück eines Fürsten zu geniessen.
5566. (2523.) Ein kluger Fürst darf solche Minister nimmer gering schätzen, die mit ihm Gewinn und Verlust gemein haben.
5567. (4897.) Pfui ruft stets die bei der Feier Krshna's gebrauchte Trommel über diejenigen Männer, die keine Liebe fühlen zu dem Fusslotus des Sohnes der hehren Jaçodâ, pfui über diejenigen, deren Zunge keinen Gefallen daran findet, die Tugenden des Geliebten der Hirtenmädchen zu preisen, und pfui auch über diejenigen, deren Ohren nicht den anmuthigen Erzählungen von den Spielen des hehren Krshna begierig lauschen.
[187] 5568. (2524.) Diejenigen, die ein grosses Vermögen besitzen, fangen mit dem Gelde, käme es auch von Weitem her, neues Geld, wie man mit Elephanten grosse Elephanten fängt.
5569. Glücklich sind sicher diejenigen, denen die Lehre vom Gesetz zur Hausfrau der Ohren ward; glücklicher aber diejenigen, denen sie im Herzen wohnt; hoch über allen Glücklichen aber stehen diejenigen, die, weil ihre guten Werke aufgingen, den über Alles gehenden Vorsatz diese Lehre zu verkünden beständig ausführen.
5570. Diejenigen, welche viele heldenmüthige, der Tugend ergebene Blutsverwandte haben, leben glücklich in der Welt und kennen keine Leiden.
5571. Mächtig, wohlhabend, Freunde und Angehörige erfreuend, leben sie, Einer auf den Andern sich stützend, wie die Bäume im Walde.
5572. Fürsten, die über Späher, Schatz und Staatsweisheit, o Vorzüglichster unter den Sieghaften, nicht frei verfügen können, gleichen gewöhnlichen Menschen.
[188] 5573. (2525.) Denen Gelehrsamkeit, Kasteiungen, Freigebigkeit, gute Gemüthsart, Vorzüge und Gerechtigkeit abgehen, die wandeln in der Welt der Sterblichen als Thiere des Waldes in Menschengestalt, indem sie nur eine Last auf der Erde sind.
5574. (4898.) Solche, die zu essen haben, vermögen, sieh o Vorzüglichster unter den Tugendhaften, nicht zu essen, weil sie an Verdauungsschwäche leiden.
5575. (4899.) Viele andere Menschen dagegen, die sich der Kraft der Arme erfreuen, quälen sich ab und finden, o Bester der Brahmanen, mit Mühe ihr Brod.
5576. Für diejenigen, deren Herzen durch das Gefühl des Mitleids zur Freude gestimmt werden, deren Reden die Fehler Anderer nicht berühren und deren Reichthümer allen Bedürftigen zu Gute kommen, trägt der Fürst der Schildkröten die Erde.
5577. Ein Unternehmen, das im ersten Augenblick sehr grossen Gewinn, in der Folge aber grossen Schaden bringt, wird ein Kluger unterlassen.
[189] 5578. (4900.) Solche, durch die, wenn sie uns böse sind, unsere Wohlfahrt, o Bhârata, Schaden leiden kann, müssen wir wie Götter stets günstig zu stimmen suchen.
5579. (2526.) Deren Geist durch das Glück der Genügsamkeit erhellt worden ist, deren Freuden leiden keine Unterbrechung; deren Erkenntniss dagegen durch Gier nach Besitz getrübt worden ist, deren Durst lässt nicht nach. Bei so bewandten Umständen frage ich, wem zu Liebe der Schöpfer den Meru zu einer solchen Stätte von Reichthümern machte; da die Herrlichkeit des Goldes in ihm selbst zum Abschluss gekommen ist (d.i. nicht Andern zu Gute kommt), so will er mir nicht gefallen.
5580. (4901.) Allen den Glücklichen, welche zu rechter Zeit Alten Ehre erzeigen, darf man sich nicht ungestraft nahen, eben so wenig wie einem von Löwen gehüteten Walde.
5581. Todt sind die guten Menschen, die, wenn es eines Andern Vortheil galt, auf den ihrigen nicht achteten, weil sie sich dem Mitleid hingaben; die, von grossem Mitgefühl ergriffen, Bedürftige nie eine Fehlbitte thun liessen, und die stets über das Leiden Anderer im Herzen betrübt waren. Vor wem soll man jetzt sein Auge, dessen hin und her tanzenden raschen Bewegungen dahin sind, noch aufrichten?
[190] 5582. (2527.) Wer ginge nicht zu Grunde, wenn er die (Brahmanen) erzürnte, die es bewirkt haben, dass das Feuer Alles verzehrt, dass das Meer nicht trinkbar ist und dass der hinschwindende Mond wieder voll wird?
5583. (2528.) Wer in der Welt möchte, o Bhârata, die nicht ehren, von denen alle Götter und auch Menschen geehrt worden sind und die da Kasteiungen und Gelübde treu beobachten?
5584. Dieselben, welche ihren Herrn durch Lobreden in den Abgrund des Unglücks stürzen, sind hinterdrein stumm und nicht im Stande ihn herauszuziehen.
5585. (2529.) Selbst denen, die in Schlachten Berge von (brünstigen) Elephanten durch Hunderte von Säbelhieben gespalten und das dadurch wohlriechend gewordene Land stets erobert haben, versagt, wenn sie in die Nähe eines Fürsten kommen, die durch eine gewaltige Furcht veränderte Stimme.
5586. (2530.) Der ist ein schlechter Minister, der nach des Fürsten[191] Wunsch Unrechtes als Rechtes preist. Es ist besser, dass der Herr einen Seelenschmerz empfindet, als dass er durch Unrechtes zu Grunde geht.
5587. (2531.) Wer einen in's Haus gekommenen Gast nicht nach Kräften ehrt, dem giebt dieser beim Weggehen seine bösen Thaten und nimmt von ihm die guten.
5588. Wer brauchbar ist, den verwendet man bisweilen, hätte er Einem auch ein Leid zugefügt: wenn man eine Speise zuzubereiten gedenkt, nimmt man seine Zuflucht zum Feuer, wenn dieses Einem auch das Haus verbrannt hätte.
5589. Eine Ameise legt tausend Jogana zurück, wenn sie geht; selbst Garuda kommt keinen einzigen Schritt vorwärts, wenn er sich nicht bewegt.
5590. (4902.) Wer von der eingebornen Schar der Fünfe (der Sinne), die den Geist mit sich fortreisst, besiegt wird, dessen Ungemach wächst, wie der Mond in der lichten Hälfte eines Monats.
5591. (4903.) Wer einen armen, elenden und kranken Verwandten freundlich aufnimmt, der erfährt eine Zunahme an Kindern und Heerden und geniesst ewige Seligkeit.
[192] 5592. (2532.) Wenn Einer des Andern Fleisch isst, so achtet auf den Unterschied zwischen Beiden: dem Einen wird eine augenblickliche Freude zu Theil, der Andere dagegen kommt um's Leben.
5593. Wer einem ermüdeten unbekannten Wanderer gern Speise reicht, der erntet grosses Verdienst ein.
5594. (4904.) Wer den Schmerz nicht kennt, der redet von ihm vor der Menge; wer aber, von Schmerz niedergebeugt, trauert, wie vermöchte der zu sprechen?
5595. (2533.) Wer beim Anblick betrübter Geschöpfe betrübt oder beim Anblick froher Geschöpfe froh wird, der kennt das Gesetz bis auf den Grund.
5596. Ein Schwacher, der einem Stärkern nicht einmal Hirse, um die ihn dieser angeht, in Güte hingiebt, bietet ihm (hinterher) nicht etwa das Angegebene an, überlässt ihm aber wohl einen ganzen Scheffel Mehl.
5597. Wer dem Guten, dem Nützlichen und Angenehmen zu rechter Zeit nachgeht, der findet jenseits und hier das Gute, Nützliche und Angenehme mit einander vereinigt.
[193] 5598. Wer gerecht ist, Hochmuth und Zorn nieder drückt, unterrichtet ist, Andern keinen Schmerz bereitet, an seinem Weibe Genüge hat und fremde Weiber meidet, für den giebt es in der Welt gar keine Gefahr.
5599. (2534.) Derselbe Vogel, der hier seine Beute aus einer Entfernung von hundert Joģana und darüber erblickt, sieht, wenn seine Zeit gekommen ist, die Schlinge nicht.
5600. (2535.) Wer das Sichere aufgiebt und dem Unsicheren nachgeht, dem geht das Sichere verloren und das Unsichere ist schon für ihn verloren.
5601. Ein Wäscher, der es nicht versteht aus (weissen) Kleidern einen Flecken herauszubringen oder aus gefärbten ihn (ohne Schaden für die Farbe) zu entfernen, der ist gar kein Wäscher.
5602. (2536.) Wer nicht spendet und nicht geniesst, wenn Reichthum da ist, der besitzt gar nicht diesen Reichthum: er ist wie ein Strohmann, der das Korn für Andere hütet.
[194] 5603. (2537.) Wer nicht sein Haus verlässt und nicht das ganze mit vielen Wundern erfüllte Land in Augenschein nimmt, der Mann gleicht dem Frosche im Brunnen.
5604. (2538.) Wer nicht die frommenden Erfahrungen der Freunde annimmt, der geht bald seiner Stellung verlustig und befindet sich in der Feinde Gewalt.
5605. Wer aus Hochmuth des Fürsten Umgebung, sie stehe hoch, niedrig oder in der Mitte, nicht ehrt, der geht, wäre er auch der Ehre werth, wie Dantila seiner Stellung verlustig.
5606. (2539.) Wenn ein Minister, gefragt, nicht die Wahrheit sagt, die schliesslich Segen bringt, und wenn er Einem nach dem Munde redet, dann ist er geradezu ein Feind.
5607. (2540.) Wer erschrockene, von Feinden beständig geplagte Unterthanen nicht schützt, der ist, darüber herrscht kein Zweifel, der Todesgott in eines Fürsten Gestalt.
[195] 5608. (2541.) Wer eines Andern Vorzüge nicht zu schätzen versteht, dem diene nicht ein Kluger, da keine Frucht von ihm zu erwarten steht, eben so wenig wie von einem wohlgepflügten Salzboden.
5609. (4905.) Wer den Geschöpfen kein Leid anthut, weder im Geiste, noch durch Worte, noch durch Thaten, den bekommen die Menschen, die Leben und Gut zu rauben pflegen, nicht in ihre Gewalt.
5610. (2542.) Was nützt doch in der Welt der Menschen das Leben dessen, der nicht mit dem Sohne, nicht mit dem Lehrer (Vater), nicht mit der Verwandten Schar, nicht mit dem Armen, nicht mit den Dienern Mitgefühl hat? Auch eine Krähe lebt lange und verzehrt die hingeworfene Gabe.
5611. (4906.) Wer, wenn er über die Gebühr getadelt oder gelobt wird, weder ein herbes noch ein freundliches Wort erwiedert, oder wer, wenn er ge schlagen wird, aus Besonnenheit nicht wieder schlägt und dem, der ihn schlug, nichts Böses wünscht: den beneiden hier auf Erden stets die Götter.
[196] 5612. (2543.) »Wenn sie, die als grosse Freundin von buntschimmernden Dingen sogar am nichtigen Regenbogen ihre Freude hat, meinen Schweif erblickt, was wird sie mir dann nicht Alles zu Liebe thun?«. Wenn eine Wolke einem Pfauen, der unter jenen Betrachtungen mit ausgebreitetem Schweife tanzt, nichts Anderes als ein wenig Wasser spendet, so frage ich, welcher Andere noch ausser ihr gedankenlos sei?
5613. (2544.) Wer ungerufen herbeikommt, stets am Thore steht und, gefragt, in kurzen Worten die Wahrheit meldet, der ist ein würdiger Diener der Fürsten.
5614. Wer immer nachsichtig ist, mein Lieber, der zieht sich viele Nachtheile zu: es schätzen ihn die Diener gering, desgleichen die Gleichgiltigen und die Feinde;
5615. auch beugt sich nimmer vor ihm ein Mensch. Darum haben, o Lieber, Weise stete Nachsicht gemissbilligt.
5616. Wer mittels des vergänglichen Körpers nicht dauernden, von Edlen besungenen Ruhm sich sammelt, wenn er es vermag, der ist zu tadeln und zu bedauern.
5617. (4907.) Wer sich niemals hochmüthig kleidet, Andere nicht mit seiner Manneskraft demüthigt und in der Aufregung kein hartes Wort spricht, den gewinnen ja die Leute lieb.
[197] 5618. (4908.) Einen Fürsten, der weder zu nützen noch zu schaden vermag, und dem aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aufzuhelfen ist, braucht man nicht zu beachten.
5619. (2545.) Wer sich nicht so kennt, wie er in Wirklichkeit ist, welches Böse hat ein solcher Dieb, der sich selbst stiehlt, nicht verübt?
5620. (2546.) Wer sich bei Guten für einen Andern ausgiebt, als er ist, der ist der grösste Bösewicht in der Welt, ein Dieb, der sich selbst stiehlt.
5621. (132.) Was aus einem gewöhnlichen Munde als Tadel erklingt, erklingt aus einem lieben Munde als gutmüthiger Scherz: Rauch, der aus gewöhnlichem Brennholz aufsteigt, ist gemeiner Rauch; steigt er aber aus Aloë auf, so ist es ein wohlriechender Rauch.
5622. Ein Mann, der eines Andern Frucht geniesst und damit wieder einem Andern Liebes erweist, nimmt zwei Mal Schaden: sowohl jenseits, als auch hier.
5623. Wer Beleidigern und Mördern nur mit äusserster Strenge zu Leibe geht, vor dem zittern die Leute, wie vor einer Schlange im Hause.
[198] 5624. (2547.) Wer, sei er auch mächtig, hingeht einen an Macht überlegenen Feind zu erlegen, der kehrt wie ein Elephant mit zerbrochenem Zahne, von seinem Wahne geheilt, zurück.
5625. (4909.) Wer, von Guten gebeten, ohne zu zögern nach Kräften ihre Sache betreibt, dem Guten wird bald Ruhm zu Theil, da Gute, wenn sie geneigt sind, Freude zu bringen vermögen.
5626. (2548.) Wer, in's Ministeramt gesetzt, des Herrn Rath verräth, der richtet des Fürsten Sache zu Grunde und fährt selbst zur Hölle.
5627. (2549.) Wenn ein Thor in einer Lebensgefahr Geld und Anderes auf eine hinterlistige Weise zu retten sucht, dann ist sein Leben dahin; ist aber dieses dahin, so ist auch schon jenes dahin.
5628. (2550.) Wer einen ihm an Macht überlegenen Feind sich zum Freunde wählt, der nimmt ja ohne Zweifel Gift aus eigenem Antriebe.
[199] 5629. (2551.) Der einfältige Thor, der einen ihm Ungleichen, dieser sei geringer oder höher, sich zum Freunde wählt, wird zum Gespött der Leute.
5630. (2552.) Wer sich hier Freunde erwirbt und nicht hinterlistig zu Werke geht, der erfährt ja nie und nimmer den Schmerz der Demüthigung.
5631. (2553.) Wer sich an einen dummen und habsüchtigen, oder gar an einen lügnerischen Thürsteher eines Fürsten wendet, dessen Sache gelingt nicht.
5632. (4910.) Sollte der, welcher mir, als ich sogar noch im Mutterleibe war, die Milch zum Lebensunterhalt anwies, über der Sorge für den späteren Lebensunterhalt eingeschlafen oder gestorben sein?
5633. (2554.) Der Thor, der in seiner Verblendung meint, die Geliebte sei ihm zugethan, geräth in ihre Gewalt und muss wie ein abgerichteter Vogel hüpfen.
[200] 5634. (2555.) Fragt man, wer höher stehe, derjenige, der unermüdlich jeden Monat hundert Jahre hindurch opfert, oder derjenige, der Niemanden zürnt, so lautet die Antwort, derjenige, der nimmer zürnt.
5635. Derselbe, der hier auf Erden eine That verübt, geniesst ja den Lohn dafür: nie und nimmer geschieht es ja, dass der Eine Gift geniesst und ein Anderer dafür den Tod erleidet.
5636. (2556.) Zu welchem Geschäft Jemand geschickt ist, an das soll man ihn stellen: wer keine Uebung in Geschäften hat, macht trotz aller Bücherweisheit Missgriffe.
5637. (2557.). Den Ort, den man bewohnt, pflegt man ja zu behüten; du, o Schöne, wohnst im Herzen und steckst es beständig in Brand: du bist ja eine Verbrecherin!
5638. (4911.) Wohin Jemand beständig geht und wo er regelmässig speist, da büsst er sein Ansehen ein, stände er auch so hoch wie Indra.
5639. Wenn du mit Jemanden eben so verfährst, wie er mit dir, dann ladest du keine Sünde auf dich und geräthst auch nicht in Ungemach.
[201] 5640. (2558.) Was Jemand sich wünscht und worum er sich bemüht, das erlangt er jedenfalls, wenn er nicht, ermüdet, davon absteht.
5641. Man würde jeglicher Annehmlichkeit, die man sich irgend wünschte, theilhaftig werden, wenn nicht der Lohn der menschlichen Thätigkeit von etwas Anderem abhinge.
5642. (4912.) Wer seinen Vortheil darin sieht, dass Jemand lebt, und einen Schaden darin, dass er stirbt, der ist so lange dessen Freund, bis das entgegengesetzte Verhältniss eintritt.
5643. (2559.) Wem Jemand schon von der Geburt an als Schlachtopfer zugedacht ist, in dessen Nähe kommt dieser nimmer, selbst nicht im Traume. Was schwatzest du also solches Zeug? (Worte einer Schlange an einen Frosch, der da vorgiebt, er sei gekommen, mit ihr Freundschaft zu schliessen).
5644. (2560.) Wer so mit uns verbunden ist, dass er mit uns steigt und fällt, der ist des Vertrauens werth und kann als Hüter über Leben und Güter bestellt werden.
[202] 5645. (2561.) Wer, frei von Furcht, ein Schlachtfeld seinem Haus und Hof und den Aufenthalt in der Fremde dem in seiner Vaterstadt gleich achtet, der ist des Fürsten Liebling.
5646. (2562.) Wer, wenn er sich mit einem Feinde vertragen hat, ruhig schläft, als wenn er seine Arbeit vollbracht hätte, dem ergeht es wie jenem, der auf einem Baumgipfel einschlief; wenn er erwacht, liegt er auf dem Boden.
5647. (2563.) Wer, wenn er von des Feindes Ankunft hört, erschrockenen Herzens seine Heimath verlässt, der darf da nimmer wieder wohnen.
5648. (4913.) Wer die Worte dessen, der ihm Nutzen bringen will, übel nimmt, weil sie ihm unangenehm sind, und auf das hört, was ihm angenehm ist, der geräth in die Gewalt seiner Feinde.
5649. (2564.) Wer, bevor er die wahre Sachlage erfahren hat, vom Zorn sich hinreissen lässt, der Thor empfindet Reue wie jener Brahmane wegen des Ichneumons.
[203] 5650. (2565.) Wer aus Gier eine That vollbringt und nicht die Folgen edenkt, der setzt sich dem Gespötte aus wie jener König Ḱandra.
5651. (2566.) Wer sich selbst gering schätzt und eine falsche Meinung von sich hat, dem sind die Götter nicht hold, da bei ihm nicht einmal die eigene Person als Triebfeder wirkt.
5652. (2567.) Wer, wenn sich Hindernisse in den Weg stellen, die Verzagtheit überwindet, dessen Bemühen wird nicht zu Schanden, da er mit Thatkraft ausgerüstet ist.
5653. Wer, wenn er fern vom Hause weilt, der Lieben nicht gedenkt und im Schmerze die Freude sucht, der lebe am Hofe eines Fürsten.
5654. Wenn der Liebesgott als Bogenschütze mit seinen Pfeilen, den Augen der Weiber, die einem gar festen Bogen, den Brauenranken, entfliegen, irgend Jemandes Herz, als wäre es eine Gazelle, trifft, dann ist es um dieses geschehen.
5655. Wer sich mit Schlechten abgiebt, verkehrten Sitten huldigt, auf gute Freunde nicht hört, Fremde vorzieht und die Eigenen hasst, den verlässt die Erde (d.i. der geht seines Reichthums verlustig), o Bhârata!
[204] 5656. Man mag einen Brahmanen, oder eine Kuh, die Mutter der Welt, oder einen um Schutz Flehenden tödten, die Sünde ist gleich gross.
5657. (4914.) Wer sich mit eines Freundes Angelegenheiten, für die die Zeit verpasst worden ist, abgiebt, der kommt mit seines Freundes Sache nicht zu Stande, auch wenn er grosse Dinge vollbrächte.
5658. (2568.) Wenn ein Mann, der die Zeit abpasst, ein Mal den richtigen Zeitpunkt verstreichen lässt, dann erhascht er denselben schwerlich wieder, wenn er wirklich handeln will.
5659. (4915.) Einen Krieger, der aus Liebe zum Leben nicht nach Kräften durch muthiges Auftreten sein Feuer offenbart, nennt man einen Dieb (an sich selbst).
5660. (2569.) Wer, nachdem er einen prächtigen Elephanten weggeschenkt hat, mit dem Herzen noch am Leibgurt hängt, was nützt dem noch diese Anhänglichkeit am Strick, wenn er den schönen Elephanten aufgiebt?
5661. (4916.) Der Thörichte, welcher, auf das Schicksal wartend, ohne sich zu regen behaglich schläft, geht ja zu Schanden wie ein ungebrannter Topf im Wasser.
[205] 5662. (4917.) Wer eine Milchkuh pflegt, der erhält ja stets Milch: so erntet auch derjenige Früchte, der sein Reich auf die rechte Weise geniesst.
5663. (2570.) Wer, an das Rechte sich haltend und nicht darauf achtend, was dem Herrn lieb oder unlieb sein könnte, auch Unliebes sagt, wenn es heilsam ist, an dem hat der Fürst einen wahren Gefährten.
5664. (2571.) Wessen Leben auf die Neige geht und wer ohne Freunde dasteht, der greift, wenn er klug ist, nach jeglichem Lebensunterhalt, zu dem er leicht gelangen kann.
5665. (2572.) Den Diener, der, von seinem Herrn an ein schwieriges Geschäft gestellt, dieses zu dessen Zufriedenheit vollbringt, nennt man den vorzüglichsten Menschen.
5666. (2573.) Den Diener, der, angewiesen, ein schwieriges Geschäft nicht nach dem Wunsche des Fürsten ausführt, besässe er auch die dazu erforderliche Befähigung und Macht, nennt man einen mittelmässigen Mann.
5667. Den Diener, der, angewiesen, sich gehen lässt und ein Geschäft[206] des Fürsten gar nicht ausführt, besässe er auch die dazu erforderliche Befähigung und Macht, nennt man den schlechtesten Menschen.
5668. Wer, den richtigen Zeitpunkt kennend, gegen Freunde stets sich gut benimmt, bei dem wachsen Herrschaft, Ruhm und Macht.
5669. Ein Thor, der aus Unverstand Gift trinkt und dieses nicht (sogleich) gewahr wird, erkennt die Folgen dieser That, wenn die Wirkung eintritt.
5670. (2574.) Wer, wenn sich Hindernisse in den Weg stellen, kühn auftritt, durch den leben die Menschen, wie durch den Regen die Geschöpfe.
5671. Ein Thor, der in der Beschränktheit seines Geistes einem Feinde freien Lauf gewährt, ist wie ein Feigling verloren.
[207] 5672. (4918.) Wer bei heiligen und profanen Schriften vor Allem darauf bedacht ist, den Wortlaut im Gedächtniss zu behalten, und nicht den wahren Sinn des Wortlauts kennt, der trägt diesen umsonst mit sich umher.
5673. (4919.) Derjenige, welcher den Sinn des Wortlauts nicht kennt, trägt nur die Last desselben; wer aber den wahren Sinn des Wortlauts kennt, für den ist die Kenntniss des Wortlauts nicht umsonst.
5674. (4920.) Wer sich selbst nicht schützt, indem er einen Feind gering schätzt, der nimmt ja Schaden und wird von seiner Stellung verdrängt.
5675. Wer nicht dem ersten Andrang eines Feindes, der, wenn er mächtig wird, im Stande ist ihn gefangen zu nehmen und zu Grunde zu richten, wiedersteht, der geht gar bald zu Grunde.
5676. (2575.) Wer, nachdem er einen prächtigen Elephanten hingegeben hätte, den Leibgurt des Thieres, o Fürst, behielte, was finge der mit diesem Gurte an, da er den herrlichen Elephanten fortgegeben?
5677. (2576.) Warum ereifert sich doch, als hätte er keine Scham, ein Mann, der nicht im Stande ist es Einem zu entgelten? Springt eine Erbse auch in die Höhe, so vermag sie ja doch nicht die Pfanne zu zerbrechen.
[208] 5678. (4921.) Der Thörichte, welcher sich nimmer mit seinen Feinden verträgt, der wird keines Vortheils und keines Lohnes theilhaftig, o Bhârata!
5679. (4922.) Wer aber, sobald er darin einen Vortheil erblickt, sich mit seinem Feinde verträgt und mit seinem Freunde kämpft, der erlangt grossen Lohn.
5680. (4923.) Weise haben, o Bester der Männer, erklärt, dass Freundschaft zwischen Guten vorzüglicher sei als Verwandtschaften durch Heirath.
5681. Die Jugend verdirbt das Herz auch derer, die ihre Leidenschaft zügeln, wie ja zur Regenzeit auch in einer Hauptstrasse junges Gras hervorschiesst.
5682. Die Jugend ist durch das Alter verzehrt, der Leib von Krankheiten heimgesucht, der Tod lauert auf die Lebensgeister: die Gier allein bleibt unangefochten.
5683. (2577.) Jugend, Reichthum, Herrschaft und Unverstand stiften schon jedes für sich Schaden; wie viel mehr aber alle vier zusammen?
5684. Die Jugend verleiht als die schönste Zeit sogar einem Hässlichen Anmuth: die Zeit der Reife offenbart sogar bei der Nimba-Frucht Süsse.
[209] 5685. Als die Hochmüthige in's jungfräuliche Alter trat, stahl sie den Elephanten den Gang; später brachte sie durch das Geklingel ihrer Fussringe Flamingo's in Verwirrung.
5686. (4924.) Der im Jünglingsalter Stehenden, der Kinder, der Greise, sogar der im Mutterleibe Befindlichen, Aller bemächtigt sich der Tod: so verhält es sich mit dieser Welt.
5687. Nicht lange, o Tochter, ziemt sich der jungfräuliche Stand in der Jugend, da ja böse Menschen, die Vorzüge Anderer missgünstig ansehend, (der Jungfrau) lügenhafter Weise einen Fehler nachsagen.
5688. Das sind die besten Männer in der Welt, die schon in der Jugend Ruhe des Gemüths zeigen, die sich freuen, wenn man sie um Etwas angeht, und die verlegen werden, wenn man sie betrachtet.
5689. Frauen aus guter Familie beneiden junge Weiber, die blanken Schmuck und saubere Kleider tragen und dabei ein freies Leben führen.
5690. (2578.) Die Röthe der Wasserrosen, das Wohlwollen edler Menschen und die Hartherzigkeit Böser: diese drei Eigenschaften sind den Dreien von Natur eigen.
[210] 5691. (2579.) Du bist roth durch die jungen Sprosse, mich haben die preiswürdigen Eigenschaften einer Liebsten roth (verliebt) gemacht; dich treffen die Stacheln der Bienen, mich die der Pfeile, die von des Liebesgottes Bogen abgeschossen werden; wie dir, so gereicht auch mir ein Fusstritt einer Schönen zur Freude: Alles ist bei uns gleich, nur bist du, o Açoka, der Kummerlose, während mich der Schöpfer mit Kummer belud.
5692. (4925.) Wohl wird eine Perle roth durch eine Rose, nicht aber eine Rose weiss durch eine Perle: nur ein Höherer, nicht aber ein Niederer, pflegt die Vorzüge Anderer anzuerkennen und anzunehmen.
5693. (2580.) O rother Açoka! Wohin ging die Schlankleibige, nachdem sie mich, den ihr ergebenen Liebsten, verliess? Was schüttelst du ganz umsonst das vom Winde bewegte Haupt, als hättest du sie nicht gesehen? Wenn die Fusssohle der Liebsten dir nicht einen Schlag versetzt hätte, wie wären dann diese deine Blüthen zum Vorschein gekommen, diese Blüthen, an denen durch das Anreiben der mit Ungeduld sich abmühenden Bienenschar die Blätter wie zerbissen sind?
5694. Ist uns ein Weib zugethan, so raubt es uns das ganze Vermögen; ist es uns abgeneigt, so bringt es uns sogar um's Leben: o Weh, die Weiber sind, wie man sieht, mit ihrer Liebe und ihrer Abneigung das grösste Uebel!
[211] 5695. (2581.) Ein Verliebter ist wie ein rother Rock dazu da, um von den Weibern verbraucht zu werden: hängen sie ein Mal an ihren Hüften, so gehen sie zu Schanden, da sie am Boden schleppen.
5696. (4926.) Wenn ein Fürst die Unterthanen auf gerechte Weise schützt und Strafbare züchtigt, dann bringt er Tag für Tag Opfer mit hunderttausend Opfergaben dar.
5697. (4927.) Die Rede muss stets bewacht werden, da die Rede uns in's Verderben stürzen kann, wie auch jene von zwei Gänsen getragene Schildkröte zur Erde fiel (weil sie zu reden anfing).
5698. (4928.) Der Vater soll sie schützen als Mädchen, der Gatte als Verheirathete, die Söhne aber im Alter; wenn diese fehlen, ihre Verwandten: niemals soll die Frau von sich selbst abhängen.
Stenzler.
5699. (2582.) Gleich ist, wie man lehrt, beim Bettler wie beim Fürsten der Zunge Lust und dieses Wenige ist, wie man wieder lehrt, das Beste: ihretwegen mühen sich die Menschen ab.
[212] 5700. Bettler sind Fürsten und Fürsten gleichen Bettlern: Besitzlose stehen am äussersten Ende des Besitzes, brauchen also nicht mehr Millionen herbeizuschaffen.
5701. Gute kommen zur Ueberzeugung, dass Gute Silber, Gold und schönen Schmuck nicht für sich allein besitzen.
5702. (2583.) Als der Schutzher der Nachtwandler (d.i. der Mond) die Finsterniss in der Nacht zerstreut hatte, da durchbohrte der Liebesgott der Jünglinge Herzen, wo er sie nur erblickte.
5703. Ein Weib wird rein durch die Regeln, Holz durch Bearbeitung, Kupfer durch Anwendung von Säuren, ein Weg durch Wind.
5704. Beim Anblick eines Geliebten, der ein Held im Liebesgenuss ist, benimmt sich das Weib wie beim Anblick von Milch und Butter; ist aber dessen Jugend dahin, so meidet sie alsbald den Alten, als wenn sie Gift erblickte.
5705. (2584.) Was thut das Meer mit seinen Perlen? Was der Vindhja mit seinen Elephanten? Was das Malaja-Gebirge mit seinem vielen Sandelholz? Um Andern zu helfen dient Edlen der Reichthum.
[213] 5706. Es verleihen die Weiber Schmuck den Perlen, nicht schmückt der Glanz der Perlen die Frauen: auch ohne Perlen rauben Frauen ein Herz, nimmer aber Perlen, wenn sie nicht am Körper der Frauen hängen.
5707. (2585.) Mit den kostbaren Perlen gaben sich die Götter nicht zufrieden, ob des furchtbaren Giftes geriethen sie nicht in Furcht; sie ruhten nicht eher, bis sie den Unsterblichkeitstrank hatten: feste Charaktere stehen nicht ab von dem, was sie beschlossen haben.
5708. (2586.) Wenn das Meer, das in Folge der Winde von Perlen strahlende Wogen hierhin und dorthin wälzt, dahin gebracht wird, dass es die Bewegung in der Richtung zum Ufer hin aufgiebt, so fällt die Schuld auf das Missgeschick des Bedürftigen, in keiner Weise aber auf die Freigebigkeit dieses Freigebigen.
5709. Ein eigenes Weib bringt uns zum Lohn Lust und Kinder, ein fremdes Weib Böses und Sünde: fremde Weiber, die sich nur auf den Betrug verstehen, sind die Ursache, dass Nachkommenschaft und Besitz zu Nichte werden.
[214] 5710. (2587.) Des Menschen Leib sieht man als Wagen an, sein Geist ist der Wagenlenker, seine Sinne bezeichnet man als Rosse: giebt ein Verständiger gehörig Acht, so fährt er, wie der Eigenthümer eines Wagens, wohlbehalten und froh einher mit seinen schönen, wohlgezogenen Rossen.
5711. (4929.) Wie die Habsucht alle Vorzüge, so hielt Arģuna allein, obgleich er auf ebener Erde stand, alle zu Wagen kämpfenden Bogenschützen zurück.
5712. Am Wagen nur ein Rad, sieben mit Schlangenleibern gezäumte Rosse, ein in der Luft schwebender Pfad und ein lahmer Wagenlenker; so durchschreitet der Sonnengott Tag für Tag den unermesslichen Himmelsraum: bei Grossen beruht das Gelingen einer Sache auf dem Character, nicht auf den Hilfsmitteln.
5713. (2588.) Wann wird die Zeit kommen, wo diese städtischen Spaziergänger erschrocken, neugierig und mitleidig auf mich sehen werden, wenn ich durch die Strassen einherschreite und in alte Lumpen gekleidet bin, die Zeit, wo in dem Augenblicke, dass ich vor Freude über den Nektarsaft der rein und lauter gewordenen Erkenntniss einschlummere, eine Krähe ohne Furcht die erbettelte Speise aus der gehöhlten Hand mir rauben wird?
[215] 5714. (2589.) Eignet sich ein reizender Palast nicht zur Wohnung? Hört man Gesang und andere Musik nicht gern? Erzeugt das Glück mit derjenigen zusammenzukommen, die man wie sein eigenes Leben liebt, etwa nicht die höchste Freude? Und dennoch sind Weise in den Wald gezogen, da sie Alles für unstät hielten wie den Schein einer Lampenflamme, wenn sie vom Winde bewegt wird, den eine umherfliegende Lichtmotte erzeugt.
5715. (4930.) Dass auch ein glücklicher Mensch, wenn er Schönes sieht oder süsse Töne vernimmt, von einem sehnsüchtigen Verlangen ergriffen wird, rührt gewiss davon her, dass er sich in seinem Geiste, ohne es zu wissen, in seinem Herzen festwurzelnder freundschaftlicher Verhältnisse aus einem früheren Leben erinnert.
5716. (4931.) Haben Männer ein reizendes Weib zur ehrbaren Gattin, Geld zum Spenden und Geniessen, Beredsamkeit im Munde, die Gabe eines ehrlichen Dichters, ein warmes Gefühl für Kṛshṇa, Umgang mit Guten, eine feste Gesundheit und Adel der Geburt, so können sie pfui rufen[216] über den Himmel, da es auf dem Wege zu ihm wegen der grossen Entfernung Nichts zu essen giebt und da er schlechterdings nur Widerwärtigkeiten darbietet.
5717. (2590.) Reizend sind des Mondes Strahlen, reizend ein Grasplatz im Walde, reizend die Freuden, die aus dem Umgange mit Guten hervorgehen, reizend die Erzählungen in den Werken der Dichtkunst, reizend einer Geliebten Antlitz, das von den Thränentropfen, die der Zorn hervorlockte, erzittert. Alles ist reizend; hat aber der Geist die Vergänglichkeit dieser Dinge erkannt, dann ist Nichts mehr reizend.
5718. (2591.) Ein von der Sonne gequälter Elephant steigt gewiss in einen Teich hinab um den Wasserrosen, die der Sonne Angehörige sind, einen Schaden zuzufügen, nicht aber um zu baden, da ein Bad einem Elephanten von keinem Nutzen ist.
5719. Nur der Sonne Aufgang ist des Lobes werth, da nach ihrem Aufgange es weder Finsterniss, noch (anderes) Licht mehr giebt; was nützt es, wenn andere (Gestirne) aufgehen?
[217] 5720. (4932.) Auch solche, die Zaubertränke kennen und diese richtig anwenden, sieht man durch Alter gebrochen, wie Bäume durch stattliche Elephanten.
5721. Das Verrathen eines Geheimnisses, Zuträgerei, das Kundthun fremder Fehler, beleidigende Reden und Hader meide man schon von fern.
5722. (2592.) Das Verrathen eines Geheimnisses, Bettelei, Härte, Wankelmuth, Zorn, Lügenhaftigkeit und Glücksspiel, dieses sind die Fehler eines Freundes.
5723. (2593.) Edle Frauen geben sich nimmer dem Zorn hin, auch wenn sie von ihren Männern verlassen werden: sie führen ihr durch einen guten Wandel wohl gepanzertes Leben weiter fort.
5724. Denjenigen halte ich für Mahâdeva, der die beiden grossen Ringer, die Liebe und den Hass, besiegt hat: alle übrigen aber sind es nur dem Namen nach.
[218] 5725. Wo Liebe und Hass sind, da nützen keine Kasteiungen; aber eben so wenig nützen diese, wo jene fehlen.
5726. (4933.) Die Sonne da und der Liebesgott, beide offenbaren eine durch die Verbindung mit Vârunî (Westen und zugleich Branntwein) gesteigerte Röthe (Leidenschaft), wobei aber jene untergeht, dieser dagegen oben auf zu stehen kommt.
5727. (2594.) Strauchelt ein von Leidenschaft, Hochmuth und Wahn verblendeter (Fürst) in einer Feindesenge, dann wird das Verfahren des ihm befreundeten Ministers zur Stütze seiner Hand.
5728. (2595.) Es giebt ja in dieser Welt nichts Anderes als die Jugend, was das einzige Haus für die Leidenschaft wäre, die Ursache, dass man die schweren Leiden von hundert Höllen auf sich ladet, der Same, aus dem der Unverstand hervorschiesst, ein Wolkenschleier für den Mond der wahren Erkenntniss, des Liebesgottes einziger Freund, was eine ununterbrochene Reihe mannichfacher zu Tage tretender Mängel vor Augen führte, Unheil brächte und das Geschlecht versengte.
5729. (4934.) Ein gewandter Diener, der Gebärden und Mienen zu deuten versteht, erkennt aus den Zeichen der Gebärden und Mienen seines Herrn Zu- oder Abneigung.
[219] 5730. (2596.) Ein Mann, dessen die Neigung sich bemächtigt hat, wird vom Verlangen hin und her geworfen; es entsteht in ihm das Begehren, darauf wächst die Gier.
5731. Ein von Leidenschaft Beherrschter findet ja keinen Schlaf, läge er auch auf Laken und Baumwolle; wer frei von Leidenschaft ist, schläft süss, geriethe er auch zwischen Dornen.
5732. Ein in der Gewalt der Leidenschaft Stehender unterlässt aus Genusssucht das, was er thun sollte, und begeht eine tadelnswerthe Handlung; deshalb wird er hier und jenseits der Leiden theilhaftig.
5733. (2597.) Jene rothen Bimba-Lippen, das vor Jugend stolz sich aufblähende urnenähnliche Brüstepaar, der tiefliegende Nabel, die von Natur krausen Locken und des Leibes schmale Mitte mögen hier immerhin, wenn man lebhaft an sie denkt, leicht eine trübe Stimmung hervorrufen, dass aber ihre klaren Wangen mich immer und immer wieder versengen, sage versengen, das ist nicht in der Ordnung.
5734. (2598.) Vor Fürsten, vor Dieben, vor Feinden, vor Angehörigen, vor vierfüssigen Thieren, vor Vögeln, vor Bettlern, vor der Zeit und vor sich selbst hat jeder Lebende und Reiche sich stets zu fürchten.
[220] 5735. (2599.) Vor Fürsten, vor Wasser, vor Dieben und selbst vor Angehörigen haben Reiche stets sich zu fürchten, wie vor dem Tode Jeder der lebt.
5736. (4936.) Menschen, über die der Fürst dafür, dass sie Böses verübten, den Stock schwang, gehen fleckenlos in den Himmel ein, wie Gute, die Gutes thaten.
5737. (2600.) In Gegenwart eines Fürsten, unter Gelehrten und beim Zusammentreffen mit frechen Buhldirnen ist sogar ein beredter Mann befangen, da Furcht sein Herz einschüchtert.
5738. O Fürst, wenn du überallhin einen Goldregen entsendest, fällt auf mich, der ich mit einem Schirm, meinem Unglück, versehen bin, kein einziger Tropfen.
5739. (2601.) O Fürst, noch Niemand in der Welt ist ja je an's Ende des Meeres der Gier gelangt; oder was nützen uns die vielen Reichthümer, wenn die zum Lieben geeignete Jugend an unserm Leibe dahin geschwunden ist? Wir gehen in's Haus der geliebten Mädchen, die uns mit ihren geöffneten blauen Augen-Wasserrosen anschauen, bevor noch das allmählich anrückende Alter ihnen plötzlich die Schönheit raubt.
[221] 5740. (2602.) O Fürst, wenn du diese Erde wie eine Milchkuh zu melken gedenkst so nähre und pflege jetzt die Unterthanen wie ein Kalb: werden diese ohne Unterlass gehörig gepflegt, so trägt die Erde wie der alle Wünsche gewährende Baum mannichfache Früchte.
5741. (2603.) O Fürst, wenn du deines Sohnes Glück wünschest, dann spende den Brahmanen, da die Brahmanen unter den Kasten die ehrwürdigsten sind.
5742. (2606.) O Fürst, alle sieben Meere, die durch das Feuer deines Machtglanzes ausgetrocknet waren, sind durch den Thränenstrom der Weiber deiner Feinde wieder gefüllt worden.
5743. (4935.) Des Fürsten Gattin, des Lehrers Gattin, des Freundes Gattin, der Gattin Mutter und die eigene Mutter, diese fünf gelten als Mütter.
5744. (4937.) Du Prinz, lebe lange! Lebe gar nicht, Kind des Büssers! Stirb oder lebe, o Guter! Du Jäger, lebe nicht und stirb nicht!
[222] 5745. (2607.) Gegen des Fürsten Mutter, gegen seine Gemahlin, den Thronfolger, den ersten Minister, den Hofpriester und den Kämmerling benehme man sich wie gegen den Fürsten selbst.
5746. (4938.) Weil das Gesetz und der Ruhm, o Bester unter den Siegern, im Fürsten wurzeln, darum sollen Fürsten in jeglicher Lage geschützt werden.
5747. Fünf Jahre soll man den Sohn wie einen Fürsten, zehn Jahre wie einen Sclaven behandeln; hat er aber sein sechszehntes Jahr erreicht, dann soll man ihn wie einen Freund behandeln.
5748. (2609.) Fürsten dienen heisst so viel wie die Schneide eines Schwertes belecken, einen Löwen umfangen, den Mund einer Schlange küssen.
5749. (4939.) Der thörichte Mann, welcher Königsdienern und Mischlingen traut, bleibt kurze Zeit am Leben.
[223] 5750. Ein Fürst, eine edle Frau, Brahmanen, ein Beamter und Minister verlieren ihr Ansehen, wenn sie von ihrem Platze entfernt werden; desgleichen Zähne, Haare und Nägel.
5751. (2610.) Einen weichherzigen Fürsten, einen Alles essenden Brahmanen, ein ungehorsames Weib, einen Gefährten von böser Gemüthsart, einen widerspänstigen Diener, einen fahrlässigen Beamten und einen undankbaren Menschen soll man meiden.
5752. Wenn ein Fürst Gerechtigkeit übt, wird er ein Gott; übt er dagegen Ungerechtigkeit, dann fährt er zur Hölle.
5753. (2611.) Wenn es keinen Fürsten in der Welt gäbe, der die richterliche Gewalt im Lande ausübte, dann würden, wie es die Fische im Wasser thun, die Stärkeren den Schwächeren auffressen.
5754. (2612.) Ein Fürst lässt seinen Dienern, wäre er auch mit ihnen zufrieden, Nichts als Ehre widerfahren; diese aber vergelten die blosse Ehre mit ihrem Leben.
[224] 5755. (2613.) Ein Fürst, der beständig seine Hand mildthätig aufthut, erlangt hier auf Erden Ruhm; in Folge dessen aber vermag er im Himmel mit den Göttern zu wetteifern.
5756. (2614.) Einen Fürsten ohne Rechtsgefühl, einen Brahmanen ohne Ehrlichkeit, Asketen ohne Kenntnisse, eine Geliebte ohne Treue, ein Pferd ohne Lauf, einen Schmuck ohne Glanz, einen Kämpfer ohne Heldenmuth, Kasteiungen ohne Gelübde, Gesang ohne Rhythmus, einen Bruder ohne Liebe und einen Menschen ohne Vishṇu im Herzen lassen Kluge alsbald fahren.
5757. (2615.) Wenn ein Gelehrter sich an einen Fürsten lehnt, gelangt er zu hoher Stellung: an keinem andern Orte als im Gebirge Malaja gedeiht der Sandelbaum.
5758. (2616.) Zuerst suche man sich einen Fürsten, hierauf ein Weib und schliesslich Geld: wenn es in dieser Welt keinen Fürsten gäbe, woher käme dann das Weib und woher das Geld?
5759. Ein Fürst sieht mittels der Ohren (der Späher), Gelehrte sehen mittels des Verstandes, Vieh sieht mittels des Geruchs, Menschen des niedrigsten Schlages sehen das Geschehene.
[225] 5760. (2617.) Ein Fürst ist der Freundlosen Freund, ein Fürst ist der Augenlosen Auge, ein Fürst ist Vater und Mutter allen, die sich nach Gebühr betragen.
5761. (2618.) Ein Fürst, ein Trunkener, ein Kind, ein Weib und ein auf sein Geld Eingebildeter wünschen sogar Unerreichbares, wie viel mehr das, was sich erlangen lässt.
5762. (4941.) Ein Fürst, eine Buhldirne, Jama, Feuer, ein Gast, ein Kind, ein Bettler und zum Achten ein Dorfschulze kennen nicht anderer Leute Schmerz.
5763. Ein Fürst ist die Wahrheit und das Recht, ein Fürst ist der Adelichen Adel, ein Fürst ist auch Mutter und Vater, ein Fürst ist der Menschen Wohlthäter.
5764. (2619.) Ein Fürst wird von erfahrenen Männern hoch geehrt, ist eine Wonne für die Augen wie der Mond, und wie dieser die Ursache zum Steigen des Meeres, so ist jener die Ursache zum Gedeihen dieser Welt.
[226] 5765. Der Fürst ist es, der die Geschöpfe schafft und sie auch vernichtet: ein gerechter Fürst ist ihr Schöpfer, ein ungerechter ihr Vernichter.
5766. (2620.) Selbst auf einen guten Fürsten kann man sich nicht verlassen, wenn unehrliche Minister seine Ohren umsummen, wie Bienen die eines Elephanten.
5767. (4942.) Ein vom Minister angerichteter Schaden fällt auf den Fürsten zurück, das von der Gattin verübte Böse auf ihren Gatten, und so erntet auch sicher der Lehrer das vom Schüler vollbrachte Böse.
5768. (2621.) Die Unterthanen richten sich nach dem Fürsten: ist er tugendhaft, so sind auch sie tugendhaft; ist er böse, so sind auch sie böse; ist er mittelmässig, so sind auch sie mittelmässig: wie der Fürst, so die Unterthanen.
5769. (4940.) Das vom Reich verübte Böse fällt auf den Fürsten zurück,[227] das vom Fürsten verübte auf den Hauspriester, das von der Gattin verübte auf den Gatten und das vom Schüler verübte auf den Lehrer.
5770. (2622.) Des Fürsten Ungemach, Schmerz über die Trennung von Freunden, Landesflucht, Ermüdung vom beschwerlichen Wege, solche herbe Frucht koste ich von diesem meinem nutzlosen langen Leben.
5771. (4943.) Die zum Schütze eingesetzten Diener eines Fürsten pflegen Schufte zu sein und sich fremden Eigenthums zu bemächtigen; vor diesen hat ein Fürst seine Unterthanen zu schützen.
5772. Königthum, Wohlfahrt, Genüsse, vornehme Geburt, Schönheit, Gelehrsamkeit, hohes Alter und Gesundheit sind die Frucht der Gerechtigkeit.
5773. Ein Königthum ohne Minister, ein Heer ohne Waffen, ein Gesicht ohne Augen, eine Regenzeit ohne Wolken, ein geiziger Reicher, Speise ohne Butter, eine schlechtgeartete Hausfrau, ein unehrlicher Freund, ein Fürst ohne Machtglanz, ein Schüler ohne Hingebung und ein Mann ohne Tugend stehen ja nicht in gutem Rufe.
5774. Kein Strenger, o Nachtwandler, kein allzu Schroffer und kein Ungesitteter vermag, o Râkshasa, das Regiment im Staate zu führen.
[228] 5775. (2623.) Wer aus Herrschsucht oder aus Hochmuth nach seines Herrn Stellung trachtet, für den giebt es ja nur eine Sühne, nämlich das Leben aufzugeben, und keine andere als diese.
5776. (2624.) Beim Königthum ist das Reich das Beste, im Reich die Stadt, in der Stadt der Palast, im Palast das Lager, auf dem Lager die ganze Liebe eines schönen Weibes.
5777. (2625.) »Die Nacht wird vorübergehen, ein schönes Morgenroth anbrechen, die Sonne aufgehen und die Wasserrosen werden sich öffnen.« Während eine in einem Blumenkelch eingeschlossene Biene solchen Gedanken sich hingiebt, hat, sieh da, ein Elephant, o Weh, die Lotuspflanze ausgerissen.
5778. (2626.) Die unvernünftigen Menschen wähnen, es sei dieselbe Nacht und derselbe Tag wieder da, und laufen, da sie im Stillen dieses und jenes Geschäft unternommen haben, auf dieselbe Weise sich abmühend, hin[229] und her. Wie kommt es doch, o Weh, dass wir, durch jenes ob der Beschäftigungen, bei denen die Sinnenwelt abermals genossen wird, auf solche Art sich gestaltende Leben geplagt, uns des Unverstandes nicht schämen?
5779. (2627.) Gleichsam darum, weil in der Nacht die Sonne und am Tage der Mond nicht da ist, hat dieser Fürst das brennende Feuer der Majestät und den hellen Glanz des Ruhmes, die nimmer untergehen, auf Erden erschaffen.
5780. (2628.) Ein Wanderer, erschrocken über den Donner einer ob der Wassermassen träge einherziehenden Wolke, liess in der Nacht, mit Thränen im Auge, einen seinen Liebesschmerz verrathenden Gesang so wehmüthig ertönen, dass die Leute, eines das Leben verkürzenden Gesprächs über Reisen zu geschweigen, auch den Groll zu Grabe trugen.
5781. (4944.) Wenn mit jeder dahinschwindenden Nacht die Lebenszeit kürzer wird, wer könnte dann noch Freude empfinden, da er einem Fische in seichtem Wasser gleicht?
5782. (2630.) Der Mann, der Râma's Auswanderung, Bali's Bezwingung? der Pându-Söhne Aufenthalt in der Wildniss, der Vrshni Untergang, des[230] Königs Nala Verlust der Herrschaft, Arģuna's Dienst als Tanzlehrer und des Fürsten von Lañka Sturz sich im Geiste vergegenwärtigt, erträgt hier Alles nach des Schicksals Willen. Wer hilft dem Andern?
5783. (2629.) Der Wind, der im Frühling in der Morgenfrühe weht, ist mit den Schweisstropfen von dem schönen Antlitzmond reizender Mädchen erfüllt, schaukelt ihre flatternden Lockenranken, bewegt ihren Schurz, erfreut das Herz durch den Wohlgeruch von dem vielen Blüthenstaub der nach Herzenslust sich öffnenden Wasserrosenreihen und verscheucht die Erschöpfung nach dem Liebesgenuss.
5784. (2631.) Râma hat nicht die richtige Vorstellung von einer goldenen Gazelle, Nahusha nicht von den Brahmanen, die er an seinen Wagen spannt; in Arģuna tauchte der Gedanke auf, einem Brahmanen eine Kuh mit ihrem Kalbe zu rauben; Judhishṭhira gab im Spiel seine und der vier Brüder Gattin hin: wenn Verderben hereinbricht, pflegt ein kluger Mann um seinen Verstand zu kommen.
[231] 5785. Wem Wahrheit und Gerechtigkeit über Alles gehen, der herrscht ununterbrochen über sein Reich. Hat man des Feindes Heere besiegt, dann hüte man (das Land) nach der Weise eines Gatten.
5786. (2632.) Mit leeren Händen soll man nicht vor den Fürsten treten, nicht vor das Götterbild, nicht vor den Lehrer, am wenigsten vor den Zeichendeuter: mit der Frucht weise man auf die Frucht hin.
5787. (2633.) Mit leeren Händen soll man nicht vor den Fürsten treten, nicht vor den Arzt, nicht vor den Lehrer, nicht vor den Zeichendeuter, nicht vor das Söhnchen und nicht vor den Freund: mit der Frucht weise man auf die Frucht hin.
5788. (2634.) Wenn eines Fürsten Land nicht mit der Feinde Blut und nicht mit ihrer Weiber Thränen besprengt worden ist, wie wäre dann sein Leben zu preisen?
5789. Man soll nicht aus Hochmuth einen Feind gering schätzen und[232] es an Anstrengung fehlen lassen, in der Meinung, dass man gesiegt habe, da ja auch ein schwacher Feind dem Feuer und Gifte gleicht: ein majestätischer Elephant wird, weil er fahrlässig ist, aus eines Gebirges Dickicht von Menschen, die doch nur den zehntausendsten Theil seiner Kraft besitzen, fort geführt und an einen Pfahl gekettet, an dem er die von seinem Brunstsaft gebildeten Streifen reibt.
5790. Wenn Lust und Fleiss da sind, braucht man keinen Verstand, und wenn jene beiden fehlen, ist dieser auch nicht von Nutzen.
5791. (4945.) Krankheiten des Körpers und der Seele verursachen ja, wie Pfeile mit scharfen Spitzen, die von geübten Schützen abgeschossen werden, Schmerz den Leibern.
5792. (2635.) Nur ein jugendlicher Thor wird im unwirschen Mädchen heisse Liebe, im hartherzigen Milde und im gefühllosen Neigung voraussetzen.
5793. Eine schöne Gestalt, Reichthümer wie sie Indra besitzt, reizende Häuser und Herz entzückende, mit Schönheit begabte Weiber werden sicher Männern zu Theil, wenn sie ihr Geld Würdigen spenden.
[233] 5794. (2636.) Das Alter vernichtet die Schönheit, Gier – alle Freuden, Dienst bei Schlechten – des Mannes Stolz, das Betteln – das Ansehen, Eigenlob – die Vorzüge, Sorgen – die Kraft, Hartherzigkeit – das Glück.
5795. (2637.) Diejenigen, die mit Schönheit und Jugend ausgestattet sind und aus hohem Geschlecht stammen, aber des Wissens ermangeln, üben keinen Zauber, eben so wenig wie die geruchlosen Ki çuka.
5796. (2638.) Die beiden Söhne der Kuntî, mit Schönheit und Adel ausgestattet und mit Kraft ausgerüstet, begaben sich in des Virâṭa Knechtschaft, indem sie seine Kühe hüteten.
5797. Die leibhaftige Gaukelei, die Reichen und durch Jugend Verblendeten Vermögen und Leben raubt, schuf hier auf Erden der Schöpfer: ihr Name ist Buhldirne.
5798. (2639.) Auch die, welche durch unvergleichliche Schönheit, durch[234] Vorzüge der Jugend, durch die Geburt im edelsten Geschlecht und durch Liebreiz gleichsam die Göttin der Schönheit hier auf Erden war, gerieth im Verlauf der Zeit in eine schlimme Lage. Ja, hat nicht Draupadî, der die Jungfrauen als einer Magd hochmüthig und verächtlich Befehle ertheilten, im Palast des Fürsten der Matsja Sandel gerieben?
5799. (2640.) He Liebesgott, wozu quälst du die Hand mit dem Gesumme deines Bogens? He he Kokila, wozu lässest du deinen weichen, zarten Gesang unnütz erschallen? O Schöne, lass die freundlichen, schlauen, schönen, süssen, beweglichen Seitenblicke! Mein Sinn ist jezt auf den Nektar der Vertiefung in Çiva's Füsse gerichtet.
5800. (2641.) Was wir Körper nennen, ist eine Umwandlung von Samen und Blut, und dieser Körper ward zum Sitz des Todes, zum Behälter für schweren Kummer, zur Ruhestätte der Krankheiten. Obgleich der Mensch dieses weiss, so taucht er dennoch, weil ihm die Einsicht mangelt, er mag wollen oder nicht, in's Meer geistiger Verblendung und begehrt, o Weh, der Liebe, der Söhne, des Ackers und des Weibes!
[235] 5801. (2642.) He Wolke, diese ganze Erde, die von den überaus stechenden Strahlen der Sonne saftlos geworden war, hast du mit ununterbrochen fliessenden Wassermassen reichlich getränkt. Ein Wunder, dass der Vogel Ḱâtaka, der mit ganzer Seele nur an dich, die entfernte, denkt, guter Dinge bleibt, obgleich er von Durst gequält wird!
5802. (2643.) He he Ḱâtaka, höre, o Freund, einen Augenblick aufmerksamen Geistes zu! Es giebt ja viele Wolken am Himmel, sie sind aber nicht alle derselben Art: einige benetzen die Erde mit Regen, andere donnern vergebens. Sprich nicht vor jeglicher, die du erblickst, ein klägliches Wort!
5803. (2644.) Krankheit, Kummer, Betrübniss, Gefangenschaft und Ungemach: dies sind die Früchte von dem Baume der eigenen Vergehen der Menschen.
5804. (2645.) Von Krankheit Gequälte achten nicht der Früchte und finden nicht die Wahrheit in der Sinnenwelt; Kranke sind stets von Leiden heimgesucht und kennen keine Genüsse des Geldes, kein Wohlbehagen.
[236] 5805. (2646.) Wer krank ist, wer lange in der Fremde lebt, wer fremdes Brod isst und wer in fremdem Hause schläft, dem ist das Leben Tod und der Tod Erholung.
5806. (2647.) Eine Wunde, die Pfeile schlugen, vernarbt; ein Wald, den die Axt niederhieb, schiesst wieder in die Höhe; ein böses Wort, das die Zunge spricht, ist widerlich; eine Wunde, die die Zunge schlug, vernarbt nimmer.
5807. (2648.) Steht der Mond mitten im Wagen der Rohiṇî, so laufen die hilflos gewordenen Menschen, von den Kindern um Nahrung angesprochen und Wasser aus Krügen trinkend, die von der Sonne glühend heiss sind, ich weiss nicht wohin.
5808. (2649.) Wenn Saturn, Mars oder ein Komet durch den Wagen der Rohiṇî geht, dann brauche ich es kaum mehr zu sagen, dass die ganze Welt im Meere des Jammers ihren Untergang findet.
[237] 5809. Selbst fleckenloses Wissen macht keinen Eindruck, wenn es sich nicht zu erkennen giebt; eben so wenig wie eine schöne Jungfrau im Hause eines Armen.
5810. Die Glücksgöttin (der Reichthum) läuft als Gazelle, aus Furcht durch einen Jäger, einen Freigebigen, erlegt (verschwendet) zu werden, in alle zehn Weltgegenden und sucht bei einem Geizhals Schutz.
5811. Die Glücksgöttin, nach Verbindungen mit Männern Verlangen tragend, schaut, wie ein untreues Weib, auch wenn sie an der Seite ihres Herrn steht, aus Neugier listig nach einem Andern hin.
5812. (2650.) Das Glück weicht nicht von dem, der mit festem Willen ausgestattet ist und ehrlich zu Werke geht, eben so wenig wie der Schatten vom Körper; wohl wachsen aber beide.
5813. Reichthum bildet das Band in der Welt, kein stärkeres Band giebt es als den Reichthum: wer einen Schatz und Macht besitzt, dem folgt die Welt.
5814. (4946.) Wohlfahrt, Gerechtigkeit, Nachkommenschaft, Ruhm, Lebensdauer und Macht wachsen stets in Folge von Mitleiden: empfinde also Mitleid, o Fürst, mit den Unterthanen!
[238] 5815. (2651.) Wenn ich nicht gesonnen bin in die Fussstapfen derjenigen edlen Weisen zu treten, deren Geist nicht aus dem Geleise zu kommen pflegt, selbst wenn die Welt zusammenfällt, warum lasse ich dann nicht schon heute die Glücksgöttin wie ein verliebtes junges Weib hinter mir her laufen, indem ich mich in dem gemeinen Wandel geschickt erweise, durch den jene Göttin in Entzücken geräth?
5816. Wenn Reichthum mit Urtheilskraft, Verstand mit Gelehrsamkeit, Fähigkeit mit anhaltendem Fleisse, hohe Stellung mit Klugheit und Glaube mit Tugend sich verbinden, dann tragen sie Früchte dem glücklichen Menschen.
5817. Um einer ganzen Kette ersehnten Glückes theilhaftig zu werden, befleissige man sich des Guten, da durch dieses den Menschen Wohlfahrt im Hause, Beredsamkeit des Mundes, Heldenmuth der Arme, Freigebigkeit der Hand, Gelehrsamkeit des Kopfes, glänzende Schönheit des Körpers, ein nach allen Weltrichtungen sich verbreitender Ruhm und Anhang vorzüglicher Menschen zu Theil werden.
[239] 5818. Vom Glück Bevorzugte pflegen Leiden Anderer nicht zu kennen: während der Schlangendämon Çesha von der Last der Erde niedergedrückt wird, schläft der Gatte der Glücksgöttin (Vishṇu) ganz behaglich.
5819. Reichthum heftet sich, obgleich er aus Gold (suvarṇa) besteht, nur an Hände und Füsse: Beredsamkeit dagegen schmückt, obgleich sie nur aus Worten (varna) besteht, den inneren Menschen.
5820. (2652.) Wenn Jemand meint, er habe, sobald er vollauf mit Reichthum versehen sei, Nichts zu befürchten, so heisst dieses im Irrthum schlafen: dem Monde droht gerade dann, wenn er voll ist, Gefahr von dem Sohne der Si hikâ (von dem Drachen Râhu).
5821. (4947.) Was nützt auch der grosse Reichthum der Reichen in der Welt, wenn ihn nicht Verwandte und Freunde gemüthlich mitgeniessen?
5822. (2653.) Nicht heftete sie ihre Arm-Lianen an seine Schärpe, nicht stemmte sie sie gegen die Thür, nicht fiel sie ihm zu Füssen, noch sprach sie das Wörtchen »bleibe«. Als der Schelm bei wolkentrübem Wetter sich zum Gehen anschickte, da hielt sie ihn einzig durch einen angeschwollenen Fluss zurück, den ihr Thränenstrom gebildet hatte.
[240] 5823. (2654.) Wem Batzen fehlen, dessen Angehörige schämen sich seiner und verheimlichen die Verwandtschaft und dessen Freunde werden zu Feinden.
5824. (2655.) Thatkräftige Männer, die dem Ehrgefühl, vieler Tugenden Mutter, wie einer leiblichen Mutter, deren Herz durchweg lauter ist, folgen, lassen, indem sie sich des Wahrheitsgelübdes befleissigen, gern sogar ihr Leben fahren, nimmer aber ihr Versprechen.
5825. (2656.) Wäre in der Thiere Herzen ein Gefühl der Scham, so würden die Yak's (Bos grunniens) beim Anblick dieses schönen Zopfes der Tochter des Himâlaja (der Gemahlin Çiva's) ohne Zweifel ihren Schweif weniger lieb haben.
5826. Was thut nicht Alles ein Mensch, wenn er in den Fall kommt seinen schwer zu füllenden Bauch füllen zu müssen? Er giebt das Gefühl der Scham auf, dient den niedrigsten Menschen, spricht klägliche Worte, bemüht sich nicht einen Unterschied zu machen zwischen Thunlichem und Unthunlichem, achtet nicht auf den von Guten betretenen Weg, macht den Possenreisser und übt sich in der Tanzkunst.
[241] 5827. (2657.) Schamgefühl, Anhänglichkeit, eine süsse Stimme, Pläne, der Jugend Schönheit, Umgang mit einer Geliebten, der Opfer gleichmässiger Fortgang, Freisein von Leiden, Scherz, Tugenden, Gelehrsamkeit, des Götterlehrers Verstand, Lauterkeit, Berücksichtigung der Sitte, alles dieses erscheint bei den Menschen, wenn der Topf, Magen genannt, gefüllt ist.
5828. (2658.) Stürze dich, mein Ehrgefühl, in den Fluss! Bleibe fern, fern! Mache dich auf den Weg! Begieb dich wieder in eine Schlucht des Schneegebirges! Willkommen rufe ich dir, geschmackvolle Rede! Da meine guten Werke zu Ende gegangen sind, so empfinde ich keine Furcht mehr vor den Leiden der vielen Demüthigungen und will mich jetzt in den Pfuhl des Dienstes bei mitleidlosen Fürsten, die auf ein Lumpengeld hedacht sind, stürzen.
5829. Eine Schlingpflanze klammert sich an den nächsten Baum, Diener an den ersten besten Fürsten und ein Weib, darüber herrscht kein Zweifel, an den ersten besten Mann.
[242] 5830. (4948.) Was ein Mensch erhalten soll, das erhält er auch; selbst ein Gott vermag ihm dieses nicht zu wehren. Darum betrübe ich mich nicht und wundere mich auch nicht: was Einem auf die Stirn geschrieben ward, verwischt sich nicht wieder.
5831. (4949.) Nur das, was man erlangen soll, erlangt man; nur dorthin, wohin man gehen soll, geht man; und nur der Leiden und der Freuden, deren man theilhaftig werden soll, wird man theilhaftig.
5832. (4950.) Man sagt, dass man das Gewonnene nur verschenken, nicht geniessen oder gar anhäufen soll; was hat man vom Anhäufen, wenn ein wichtigeres Geschäft da ist?
5833. (2659.) Man wisse, dass mit Reichthümern, auch wenn sie schon erworben sind, noch zweierlei Missgriffe sich ereignen können: dass man sie nämlich einem Unwürdigen zukommen lässt und einem Würdigen vorenthält.
5834. Çiva ist zum Hause hinausgeworfen worden (hat einen Halbmond auf dem Haupte); Vishṇu ergiebt sich ja aus Furcht vor Ka sa dem Sinnengenuss (muss sich ja vor Ka sa fürchten) und auch Brahman ist nicht von edler Geburt (ist aus Vishṇu's Nabel hervorgegangen): mit wem sollen wir den Fürsten vergleichen?
[243] 5835. (2660.) Wer darauf hin, dass er eine Stellung erlangt hat, vor Streit sich scheuend, Schmähungen eines Andern ruhig erträgt, für den also das Wissen ein blosser Lebensunterhalt ist, den nennt man einen Krämer, der mit seinen Kenntnissen Handel treibt.
5836. Findet ein Weib einen jungen Mann, so ist sie bereit das Land zu verlassen; findet sie aber darauf einen bessern als jenen, so verlässt sie im Augenblick den frühern.
5837. (2661.) Wohl vermöchte man selbst Oel aus Sand zu erhalten, wenn man ihn ordentlich presste; ein von Durst Gequälter könnte das Wasser einer Luftspiegelung trinken; auch könnte man, wenn man umherwanderte, irgendwann auf ein Hasenhorn stossen: nicht aber wird man den Sinn eines verstockten Thoren zu gewinnen vermögen.
5838. (4951.) Leicht ist, wie man weiss, der schlechte Mann hier zu finden, der gar liebe Worte im Munde führt; schwer dagegen anzutreffen ist der, welcher Unangenehmes aber Heilsames spräche oder hörte.
5839. (4952.) Wer aber, nur auf seine Pflicht bedacht und sich nicht darum kümmernd, was dem Herrn lieb oder unlieb sein könnte, Unliebes aber Heilsames spricht, an dem hat der Fürst einen wahren Gefährten.
[244] 5840. (1739.) Der Erde Grenze lässt sich erreichen, auch die des Meeres und des Gebirges, aber auf keine Weise, von Niemanden und niemals das Ende der Gedanken eines Fürsten.
5841. (4953.) Wenn ein Mann eine Myriade von Juga mit dem Kopfe nach unten hinge und ein Anderer nur so lange an der Gañgâ weilte, wie es ihm beliebt, so steht dieser letztere höher als jener.
5842. (4954.) Das Blut, welches aus der Stirn eines Helden strömt und in seinen Mund fliesst, gilt so viel wie das Trinken von Soma-Saft und ist in dem Schlacht genannten Opfer in aller Ordnung vorgeschrieben.
5843. (4955.) Ein Brahmane; der rothe Schminke und ähnliche Stoffe, Sesamöl, Indigo, Saffran, Honig, Schmelzbutter, berauschende Getränke und Fleisch verkauft, gilt für einen Çûdra.
5844. (2662.) Ein Mal von Lack auf beiden Seiten der Stirn, der Abdruck eines Armbandes am Halse, schwarze Augenschminke am Munde, an den Augen deutlich hervortretende Farbe von Betel. Nachdem eine Gazellenäugige am frühen Morgen solchen Zorn erregenden Schmuck des (untreuen) Geliebten lange betrachtet, ersticken ihre Seufzer im Kelche einer zum Spiele dienenden Wasserrose.
[245] 5845. (2663.) Ein Hund wedelt vor seinem Ernährer mit der Ruthe, wirft sich ihm zu Füssen und zeigt, auf dem Boden liegend, ihm sein offenes Maul; ein majestätischer Elephant dagegen sieht ruhigen Auges vor sich hin und frisst erst, nachdem man ihm Hunderte von Schmeichelworten gegeben.
5846. Wer sich nicht der Freude hingiebt, wenn er Etwas erlangt, sich nicht betrübt, wenn er mit Geringschätzung behaudelt wird, und wer stets seine Gedanken beisammen hat, der lebe am Hofe eines Fürsten.
5847. (2664.) Beim Hätscheln sind viele Nachtheile, beim Züchtigen viele Vorzüge; darum soll man einen Sohn und einen Schüler züchtigen, nicht aber hätscheln.
5848. (2665.) Fünf Jahre soll man einen Sohn hätscheln, zehn Jahre[246] ihn züchtigen; hat er aber sein sechszehntes Jahr erreicht, dann behandle man ihn als Freund.
5849. (2666.) Die Trennung von den eigenen Kindern, die von uns gehätschelt wurden und lange auf unserm Schoosse tanzten, ist, wie die Trennung vom Leben, schmerzhafter als das Durchschneiden eines Gelenkes.
5850. (2667.) Einen Reichthum an Anmuth zu verschwenden, erachtete er für Nichts, grosse Mühen bürdete er sich auf, im Herzen ruhig ihrer Wege gehender Menschen erzeugte er das Fieber der Sorgen; und auch diese Unglückliche strafte er, da kein Gatte da ist, der ihren Vorzügen entspräche: welchen Zweck hatte sich doch der Schöpfer im Herzen vorgesetzt, als er diese Schlanke bildete?
5851. (2668.) Welcher Bienenschwarm, der Menschen Augen, saugt nicht an ihrem blühenden Munde voller Anmuthshonig?
5852. (2669.) Der Herzensliebste sitzt draussen geneigten Hauptes und im Sande zeichnend, die Freundinnen nehmen keine Nahrung zu sich und haben vom beständigen Weinen verschwollene Augen, die Papageien im Käfig haben alles Lachen und Sprechen aufgegeben und dabei dieser dein Zustand! Lass, o Hartherzige, den Groll jetzt fahren!
[247] 5853. (2670.) Finsterniss bestreicht gleichsam die Glieder, der Himmel regnet gleichsam Augensalbe: das Auge ist nutzlos geworden wie der Dienst bei schlechten Menschen. (Schilderung einer dichten Finsterniss.)
5854. Man spreche stets durch Anmuth reizende, süsse Worte: weiches, klares, kühles Wasser sprengt allmählich einen Berg.
5855. (2671.) Ein Mann, der von seiner Liebsten mit einer zum Spielen dienenden Wasserrose geschlagen wurde, weil ein anderes Weib ihm ohne Scheu die Lippen zerbissen hatte, steht mit geschlossenen Augen da, als wenn ihm Staubfäden hineingekommen wären. Die Schöne bläst im Wahn, dass dem wirklich so sei, aus ihrem zugespitzten Munde ihm Wind zu und er in seiner Verschmitztheit küsst die Zitternde ohne Unterlass.
5856. (2672.) Spielend richten die Weiber Familien zu Grunde wie prächtige Ströme die Ufer, so sprach der Herr der Geschöpfe, als er alle ihre Fehler alsbald erkannt hatte.
5857. (2673.) Anmuthigen Schönen sind verliebte Gebärden und andere Künste angeboren und diese gerade flammen im Herzen von Thoren auf: die[248] schöne Farbe ist ja den Wasserrosen von Natur eigen und dort schwärmt nutzlos die Biene.
5858. (2674.) Der Habsüchtige unterscheidet nicht zwischen dem, was zu thun, und dem, was zu unterlassen ist, nicht zwischen Ruhm und Hölle, nicht zwischen Recht und Unrecht, nicht zwischen heilsam und schädlich.
5859. (2675.) Ein habsüchtiger, grausamer, träger, falscher, sorgloser, furchtsamer, unbeständiger, thörichter und die Kämpfer gering schätzender Feind gilt für leicht zu vernichten.
5860. (2676.) Einen Habsüchtigen gewinne man durch Geld, einen Erzürnten durch Zusammenlegen der Handflächen, einen Thoren durch Willfahrung und einen Gebildeten durch Wahrheit.
5861. (4956.) Die Dienstleute eines Habsüchtigen wollen nicht kämpfen,[249] weil er nicht mit ihnen die Beute theilt; habsüchtige Dienstleute aber, die sich durch Geschenke bestechen lassen, bringen (ihren Herrn) in's Verderben.
5862. (4957.) Der Habsüchtigen Feind ist der Bettler, der Thoren Feind der Lehrer, der untreuen Frauen Feind der Gatte, der Diebe Feind der Mond.
5863. (2677.) Habsüchtigen sind Ehrliche verhasst, Kleinmüthigen Muthige, Thoren sind Gebildete verhasst und Armen Reiche.
5864. (2678.) Ein habsüchtiger Mann spendet kein Geld aus Furcht vor Verarmung; spendet aber nicht ein Freigebiger Geld aus eben dieser Furcht (vor Armuth im künftigen Leben)?
5865. Ein Abschreiber, ein Lehrer und andere Buchgelehrte sind allzumal für ihre Sache eingenommene Thoren; klug sind diejenigen, die Thaten vollbringen.
5866. Wer stets Heilsames, schmeckte es auch bitter, wie eine Arzenei schlürft und zu dem Endzweck geeignete Personen aufsucht, den geräth nimmer in Noth.
[250] 5867. (4958.) Die Leute pflegen sich nach unserm Wohlergehen zu erkundigen, indem sie nach unserm leiblichen Wohlbefinden fragen: wie sollte es uns wohlergehen, da das Leben mit jedem Tage dahineilt?
5868. Das Gerede der Welt bringt, wäre es auch falsch, hoch Stehenden hier im Leben Schaden: veranlasste nicht das Gerede der Leute sogar Râma (seine Gattin) Sîtâ im Stich zu lassen?
5869. Grausamen Bösewichtern, die ihr Vergnügen daran haben der Welt Schaden zuzufügen, soll man kein Leid anthun, vollbrächten sie auch Böses.
5870. (2680.) Das auf die Unterthanen sich stützende, schwer zu erreichende und schwer zu bewahrende Glück der Fürsten erhält sich lange, wie Wasser, in einem Behälter, wenn ihr Herz die Weihe empfangen hat.
5871. Weil die Leute Achtung haben vor Allem, was verborgen gehalten wird, darum pflegen Frauen auch ihren vollen Busen mit einem seidenen Tuche zu verhüllen.
[251] 5872. (2681.) Fürsten gedeihen, wenn sie der Unterthanen Wohl fördern, und gehen zu Grunde, darüber waltet kein Zweifel ob, wenn die Unterthanen zu Grunde gehen.
5873. (2682.) Fürsten gedeihen, wenn sie der Unterthanen Wohl fördern: von der Unterthanen Gedeihen hängt der Fürsten Gedeihen ab und von dem Untergang jener der Untergang dieser.
5874. Wer in der Welt wird uns nicht zu Willen, wenn wir ihm den Mund füllen? Ein Blasinstrument giebt, wenn man ihm das Mundstück bestreicht, einen lieblichen Ton von sich.
5875. Oder es wird – und es ist kein Grund da darüber lange nachzudenken – den Menschen, die, wenn sie beim Handeln auf ihr Wohl bedacht sind, stets nur den Lohn der eigenen Werke einernten, zur Genüge das in Wirklichkeit eingesammelte Gute oder Schlechte, das ihnen zu Theil werden muss, in der That zu Theil.
5876. (2683.) Für den Mann, der in der Welt das Leben eines Verstossenen führt und dabei wenig Verstand besitzt, ist es besser, dass er eines leichten Todes stirbt, als dass er verhasst fortlebt.
5877. Die Ungerechtigkeit, dass Kenntnisslose in Freuden leben, Kluge[252] und Gescheidte dagegen zu leiden haben, sieht man in der Welt weit verbreitet.
5878. (4959.) Der Mann wie die Frau bringen es ja in der Welt durch ihr eigenes Thun dahin, dass sie Angenehmes oder Schreckliches hören oder erlangen.
5879. (2684.) Tragen, o Fürst, die Leute das Holz nicht auf dem Haupte (ein Zeichen der Hochachtung) um es zu verbrennen? Die Strömung eines Flusses reisst den Bäumen die Wurzeln (Füsse) aus, obgleich sie sie wäscht.
5880. (2685.) Durch Habsucht, Fahrlässigkeit und Vertrauen, durch diese drei geht ein Mensch zu Grunde; darum soll er sich der Habsucht und der Fahrlässigkeit enthalten und auch nimmer vertrauen.
5881. (2686.) Wozu bedarf es noch anderer Untugenden, wenn Habsucht[253] da ist? Wozu noch anderer Verbrechen, wenn Hinterbringerei da ist? Wozu der Selbstpeinigung, wenn Wahrheitsliebe da ist? Wozu der heiligen Badeplätze, wenn ein reines Herz da ist? Wozu noch anderer Tugenden, wenn Leutseligkeit da ist? Wozu des Schmuckes, wenn eigene Würde da ist? Wozu des Geldes, wenn wahres Wissen da ist? Wozu noch des Todes, wenn Schande da ist?
5882. (2687.) Aus der Habsucht entsteht der Zorn, aus der Habsucht geht das Verlangen hervor, so auch die Verblendung und das Verderben: Habsucht ist die Wurzel des Uebels.
5883. (4960.) Aus der Habsucht entsteht der Zorn, aus der Habsucht geht das Verlangen hervor, aus der Habsucht entspringen Verblendung, Betrug, Hochmuth, anspruchvolles Wesen und Untergang.
5884. (2688.) Die Habsucht ist es, die thörichte Menschen, mögen sie auch mit Geld und Wissen ausgestattet sein, dahin bringt, dass sie sich zu Schlechtem gebrauchen und in unwegsame Gegenden schicken lassen.
5885. (2689.) Wer aus Habsucht oder aus Furcht einen um Schutz Flehenden im Stich lässt, dessen Verbrechen kommt, wie die Weisen sagen, einem Brahmanenmorde gleich.
5886. Ein von Habsucht ergriffener Mann sieht wohl das Geld, aber nicht das Unglück (das ihm droht); daher kommt es, dass eine Katze wohl die Milch vor Augen hat, aber nicht den Schlag mit dem Knüttel.
[254] 5887. (2690.) In Folge von Habsucht wankt der Verstand, Habsucht erzeugt Gier und ein von der Gier heimgesuchter Mensch erfährt Leiden jenseits und hier auf Erden.
5888. (2691.) Auch wenn die nach Brunstsaft begierigen Bienen nicht mehr auf ihn eindringen, bewegt ein Elephant seine Ohren; auch wenn keine Elephantenheerde hinter ihm steht, wendet sich ein Löwe um und schaut um sich; auch wenn er keine Wolken mehr erwartet, hört ein Pfau nicht auf seine Laute auszustossen: auch wenn die Veranlassung nicht mehr da ist, hören die Thätigkeiten nicht auf aus Gewohnheit lange fortzubestehen.
5889. (2692.) Andere weinerliche Weiber halten einen zur Reise sich anschickenden Gatten durch zitternde Thränen, Betheuerungen und beliebten Fussfall zurück; ich aber spreche: ich wünsche dir einen guten Tag! Reise! Glück auf! Mögest du, wenn du morgen früh aufbrichst, gutes Wetter haben! Von meinem der Zuneigung entsprechende Vorhaben wirst du, o Lieber, nach deiner Abreise hören!
5890. (2693.) Wo man keinen Unterschied macht zwischen dem Stein Lohita und einem Rubin, wie kann dort ein Verkauf von Juwelen bewerkstelligt werden?
5891. (4961.) Einen Brahmanen, der an weltlichen Beschäftigungen[255] Freude findet, Vieh hütet und Handel und Ackerbau treibt, nennt man einen Vaiçja.
5892. Wie ein eisernes oder ein steinernes Schiff Niemanden überzusetzen vermag, weil es selbst schwer ist; so kann auch ein Mann ohne Vorzüge wegen seiner eigenen Schwere keinen Andern über Gefahren hinwegbringen.
5893. Ein leichtes Schiff aus Holz vermag auch Schwere hinüberzusetzen; so bringen auch mit Vorzügen Ausgestattete wegen ihrer eigenen Leichtigkeit einen Andern über Gefahren hinweg.
5894. (2694.) Bei Fürsten, die ihren Unterthanen Leid zufügen, geht Stamm, Glück, Leben, Gattin und selbst der Name in einem Augenblick zu Grunde.
5895. Wenn ein ererbter schwer zurückzuhaltender Feind sich in Bewegung setzt, dann erhebe man, um ihn zur Ruhe zu bringen, alsbald Jemanden aus seinem Geschlecht.
5896. (2696.) Ein Gesicht, das des Mondes spottet, Augen, die Wasserrosen[256] lächerlich zu machen geeignet sind, eine Farbe der Haut, die die des Goldes übertrifft, starkes Haar, das mit einem Bienenschwarm sich messen kann, Brüste, die den Elephanten die Pracht ihrer Stirnbeulen entziehen, schwere Hüften und der Rede glänzende Zartheit sind der Jungfrauen natürlicher Schmuck.
5897. Dein Gesicht ist der Vollmond, deiner Lippen Saft – der Nektar, deine Zähne – die Juwelenreihe, deine Anmuth – die Çrî, dein Gang – der Elephant, dein Wohlgeruch kommt vom Baume Pârigâta, deine Rede ist die alle Wünsche gewährende Zauberkuh, die Pfeile deiner Seitenblicke sind das Gift Kâlakûta: so haben also die Götter, o Mondantlitzige, deinetwegen das Milchmeer gequirlt?
5898. (2697.) Als eine Freundin bemerkte, dass ein ununterbrochener, vom Gesicht herabträufelnder Strom von Schweisstropfen am Halse einer Schlanken die Saffranfarbe durchbrochen hatte, lachte sie auf und malte, indem sie damit ihrer Freundin männliches Wesen kund that, die Figur eines Schwertes auf ihre Hand.
5899. (2698.) Krummnasig, schiefäugig, grausig, widerlich anzusehen, so ist ihr (der Eule) Angesicht, wenn sie nicht zürnt; wie wird es dann sein, wenn sie zürnt?
5900. (4962.) Wen hintergehen nicht, o Freund, die Bösewichter und[257] der Buhldirnen Seitenblicke, die krummen, heuchlerisch freundlichen, schwarzen und an die Ohren sich heftenden?
5901. (4963.) Die krummen, von Natur süssen, heftige Liebe verkündenden, von den Geliebten entsandten Augen und Botinnen ziehen die Liebhaber an.
5902. (2699.) Mit falschen, rohen und habsüchtigen Menschen soll man kein Freundschaftsbündniss schliessen: Viçvâmitra, von Vasishtha eingeladen, stahl diesem die Kuh.
5903. (2700.) Durch übermüthige Reden schlechter Menschen schwindet ja nimmer eines grossen Mannes Würde: sinkt etwa der Werth eines Edelsteins, wenn er mit Erdenstaub bedeckt wird?
5904. (2701.) Nur bei Gelehrten, deren Mund von Gelehrsamkeit erschallt, ist vom Aufgeben der Liebe die Rede, aber auch bei ihnen nur in Worten: wer vermag den Hüften der lotusäugigen Mädchen zu entsagen, den Hüften, die ein klingender Gürtel mit röthlichen Perlenknöpfen umschliesst?
5905. (2702.) Da ist ein Wort anzubringen, wo es, ausgesprochen, Früchte trägt und auf die Dauer haftet, wie Farbe an weissem Zeuge.
[258] 5906. (2703.) Der Donnerkeil und eines Fürsten Machtglanz, beide sind gar fürchterlich: der eine fällt auf Einen nieder, der andere fällt allerwärts hin.
5907. (2704.) Vagra genannter Mörtel, ein Thor, Weiber, ein Krebs, Fische, Indigo und ein Betrunkener hängen auf gleiche Weise sich an.
5908. Selbst Grosse, deren Leiber hart wie Diamanten sind, bestehen nicht ewig, wie viel weniger die übrigen Menschen, die einem jungen Pisang gleichen.
5909. (2705.) Wer vermag die Herzen ungewöhnlicher Menschen zu ergründen, die noch härter als der Diamant und noch weicher als Blumen sind?
5910. (2706.) Durch den Diamant legt sich eine vom Donnerkeil bewirkte Gefahr, aus dem Rubin geht Glück hervor, durch den Smaragd wird Gift, welcher Art es auch sei, unschädlich gemacht. Die kostbarsten Edelsteine[259] bringen, weil ihre Macht beschränkt ist, immer nur ein vorzügliches Werk zu Stande; was vollbringen dagegen nicht Edelsteine von Menschen, die durch eine unermessliche Grosse hervorragen?
5911. (2707.) Obgleich der Fürst der Gewässer (der Meeresgott, das Meer) tobt, so nennt die Welt ihn dennoch tief und unergründlich: was diejenigen, die es vollauf haben, im Leben auch thun mögen, Nichts bringt ihnen Schande.
5912. Diejenigen, die hier im Leben, von dieser oder jener Furcht beschlichen und des Mitleids baar, auf solche einhauen, die sich in ihren Schutz begaben und kläglich reden, fahren in eine der Höllen, wie Raurava u.s.w.
5913. (2708.) Das Antlitz dieses schönen Weibes ist fürwahr der Mond; wann wäre aber der Mond wohl ohne Flecken?
5914. Einen zahnlosen Mund, beständigen Speichelfluss und nimmer ein Aufblitzen von Verstand gewahrt man beim Kinde, noch mehr aber beim Greise.
[260] 5915. Wer kein frohes Gesicht macht und keine höflichen Worte sagt, den sollen wir nicht besuchen um ihm unsere Sache vorzutragen: was nützt ein Gang zu einem solchen Manne?
5916. Wer aber ein frohes Gesicht macht, uns einen Sitz anbietet und höfliche Worte an uns richtet, den sollen wir besuchen um ihm unsere Sache vorzutragen: ein Gang zu einem solchen Manne bringt Segen.
5917. (2709.) Dieses Antlitz ist keine Lotusblüthe, diese Augen sind keine blauen Wasserrosen: fliege, o Biene, hier in der Nähe der Schönäugigen nicht vergeblich umher!
5918. (2710.) Durch dein Antlitz, o Schöne, besiegt, versteckt sich die Mondscheibe in der Wolke und die Wasserrose im Teich.
5919. (2711.) Es sagen ja die Leute, wie du weisst, dass die Zeit als Koch jeden Augenblick, ohne dass man es merkt, diese und jene Lage schaffe.
5920. (2712.) Eine Verschmitzte, die ihrem Gatten, in der Meinung, es sei die Freundin, ihr Abenteuer mit dem Nebenmanne erzählte, vervollständigte, als sie merkte, dass es der Gatte war, ihre Erzählung mit den Worten: »Freundin, darauf erwachte ich«.
5921. (2713.) Ein Freigebiger theilt, wenn er uns eine Wohlthat erweist, Alles mit uns: ein Baum, der uns mit seinem Schatten erfrischt spendet uns auch seine Früchte.
[261] 5922. (4964.) Durch Schläge und Einsperrung, so wie durch Weiber verursachte Schmerzen, desgleichen angeborene Schmerzen, wie auch Schmerzen, die ein Sohn bereitet, suchen in stetem Kreislaufe die Menschen heim.
5923. (4605.) Selbst Schwache werden ja, wenn sie nicht trauen, durch Feinde nicht bezwungen, und selbst Starke werden durch schwache Feinde bezwungen, wenn sie diesen trauen.
5924. Eine Blume im Walde, der Reichthum eines Geizhalses, der Schatten eines Brunnens, der Blüthenstaub des Surañga und die Wünsche vom Glück Verlassener verschwinden an Ort und Stelle.
5925. (2714.) Wer von einem Baume unreife Früchte pflückt, der erhält keinen Saft von ihnen und auch der Same geht für ihn verloren.
5926. (2715.) Wer dagegen eine reife Frucht abnimmt, die zu ihrer Zeit fertig geworden ist, der bekommt Saft von der Frucht und aus dem Samen wiederum Frucht.
5927. (2716.) Wohl ist der Wind ein Freund des Wälder versengenden[262] Feuers, aber das Feuer einer Lampe bläst er aus: wer schliesst Freundschaft mit einem Schwachen?
5928. Wenn bei Weibern Treue, bei Glücksgütern Beständigkeit und bei Fürsten fürstliches Verfahren anzutreffen wäre, dann wäre hier im Leben schon die Erde der Himmel.
5929. (2717.) Selbst im Walde zeigen sich Mängel bei denen, die der Leidenschaft fröhnen; das Bändigen der fünf Sinne, auch wenn es zu Hause geschieht, ist schon Kasteiung; für den, dessen Leidenschaften schweigen und der einer tadellosen Beschäftigung nachgeht, ist das Haus schon ein Büsserwald.
5930. (2718.) Löwen, die sich von Wildpret nähren, weiden, wenn sie der Hunger plagt, selbst im Walde kein Gras ab: so verlassen Männer aus edlem Geschlecht, wenn sie das Unglück heimsucht, nimmer den Pfad des rechten Benehmens.
5931. Wie ein Löwe, der sich von Elephantenfleisch nährt, sogar im[263] Walde, wenn ihn der Hunger plagt, nimmer Gras frisst; so verrichtet ein Mann aus edlem Geschlecht, wenn ihn das Unglück heimsucht, nimmer niedrige Beschäftigungen.
5932. (2719.) Ein im Walde loderndes Feuer verschont, wenn es den Wald versengt, die Wurzeln; eine Fluth von weichem, kühlem Wasser zerstört den Wald mitsammt den Wurzeln.
5933. (2720.) Im vorangegangen Leben vollbrachte gute Werke schüzzen uns im Walde, in der Schlacht, unter Feinden, im Wasser, im Feuer, auf dem Meere und auf Bergesspitzen, wir mögen schlafen, sorglos sein oder in bedrängter Lage uns befinden.
5934. Zu preisen ist jener unbeschreibliche, einen Nektarstrom entlassende Vorzug eines guten Dichters, durch den der Ruhmesleib dieses und eines Andern Beständigkeit erlangt.
5935. Dass auch der begrüsst wird, der nicht begrüsst, werden dürfte, dass auch der geehrt wird, der der Ehre nicht werth ist, und dass auch der besucht wird, der nicht verdient besucht zu werden, das bewirkt die Macht des Geldes.
[264] 5936. (4965.) Der Körper ist gekrümmt, der Gang bedarf des Stabes als Stütze, die Zahnreihe ist ausgefallen, die Ohren wollen nicht mehr hören, das Haupt ist weiss, die Augen, ach, mit einem Staar bezogen und dennoch fühlt mein schamloses Herz Verlangen nach der Sinnenwelt!
5937. Ein Mann, dem Schönheit, die Gabe der Rede, (schmucke) Kleider, Wissen und Reichthum, diese fünf (im Sanskrit) mit v beginnenden Dinge abgehen, gelangt nimmer zu Ansehen.
5938. Wer Schönheit, eine gute Gemüthsart, Adel des Geschlechts, Reichthum, Jugend, Wissen und Gönnerschaft besitzt, dem soll man seine Tochter zur Ehe geben.
5939. (2721.) Die uns erzeugten, sind ja schon lange dahingegangen; mit denen wir zusammen aufwuchsen, die sind gleichfalls der Erinnerung anheimgefallen; wir hier befinden uns jetzt, da uns jeden Tag der Sturz bevorsteht, in gleicher Lage mit Bäumen, die an sandigem Flussufer stehen.
[265] 5940. Wir sind Krähen, Krähen, so schreien die Krähen, wenn sie beim Geheul einer Eule in Furcht und Besorgniss gerathen.
5941. (2722.) Wir sind zufrieden mit Kleidern aus Bast, du mit Gewändern aus Musselin: gleich ist also unsere Zufriedenheit und es besteht nicht der geringste Unterschied. Der aber muss arm heissen, dessen Verlangen gross ist; ist dagegen das Herz zufrieden, wer kann dann reich, wer arm genannt werden?
5942. (2723.) Da die Jugend wie ein nimmer zurückkehrender Strom dahin eilt, so soll man sich den Freuden hingeben: auf Freuden sind die Geschöpfe angewiesen, wie man lehrt.
5943. (4966.) Wer böse ist, bleibt auch im Alter böse: eine noch so reife Koloquinthengurke wird nimmer süss.
[266] 5944. (2724.) Sucht man beim künftigen Gatten Jugend, Schönheit, Adel des Geschlechts, eine gute Gemüthsart und Reichthum, so steht, o Freundin, doch die Jugend oben an und darauf folgt erst Adel des Geschlechts und das Uebrige.
5945. (2725.) Besser ein Leben von einem einzigen Augenblicke in den Banden des Gesetzes als ein Leben von vielen Millionen von Kalpa ausserhalb des Gesetzes.
5946. Lieber ertrage ich Râma's Pfeil als Vibhîshaṇa's Rede: ein böses Wort aus dem Munde eines Blutsverwandten ist unerträglich wie das in einer Wolke steckende Ungewitter. (Worte Râvana's.)
5947. (2726.) Besser der Wald, besser Almosen, besser ein Lebensunterhalt durch Lasttragen als Gewinnung von Reichthümern durch Dienst bei dummen Menschen.
5948. (2726.) Besser ist für die Menschen der Wald, besser Almosen, besser ein Lebensunterhalt durch Lasttragen, besser Krankheit als Reichthum durch ein Amt.
[267] 5949. (2727.) Besser in einem von Tigern und mächtigen Elephanten bewohnten Walde ein Baum zum Obdach, Blätter, Früchte und Wasser zur Nahrung, Gräser zum Lager und Bast zum Gewände als ein Leben ohne Geld unter Verwandten.
5950. (2728.) Besser dass ein Armer mit seinem Leben das Feuer sättigt (d.i. sich in's Feuer wirft), als dass er einen groben Geizhals mit einer Bitte angeht.
5951. (2729.) Besser mit Schlangen zu spielen oder mit heimtückischen Feinden zu wohnen, als mit schlechten Freunden zu verkehren, die der Tugend baar, leichtfertig und ungebildet sind, was ja unerträglich wäre.
5952. (4967.) Besser mit einer Schüssel in der Hand in den von Kâṇḍâla bewohnten Gassen betteln zu gehen, als ein durch Thorheit verpfuschtes Leben zu führen.
[268] 5953. (2730.) Besser ein leerer Stall als ein bösartiger Stier; besser eine liederliche Frau als eine keusche ungezogene, besser in einem Walde zu wohnen als in eines dummen Fürsten Stadt, besser das Leben aufzugeben als mit Niedrigen zu verkehren.
5954. (2731.) Besser dass dieser Leib vom hohen Gipfel eines ehrwürdigen Berges in irgend einen Abgrund stürzt und zwischen harten Felsen zerschmettert wird, besser die Hand in den scharfzähnigen Rachen einer riesigen Schlange zu stecken, besser in's Feuer sich zu werfen, als dass die Ehrenhaftigkeit zu Grunde geht.
5955. (4968.) Besser den eigenen Pflichten mangelhaft nachzukommen, als fremde Pflichten gut zu erfüllen; denn wer von der Erfüllung fremder Pflichten lebt, geht alsbald seiner Kaste verlustig.
5956. Besser wie eine Gazelle im Walde Gras zu fressen, als das klägliche, erbärmliche Wort »gieb« auszusprechen.
[269] 5957. Besser das Gift Hâlâhala zu schlucken, besser eine Schlange sich um den Hals zu binden, als Weibern zu vertrauen, da dabei weder Juwelen, noch Zaubersprüche und Anderes zu helfen vermögen.
5958. (2732.) Besser ist ja ein Ort ohne Führer, wo Alle eins sind und wo Alles vom Schicksal abhängt, als ein Ort mit vielen Führern, wo man uneins ist und wo Alles zu Grunde geht.
5959. (2733.) Ein Teich (d.i. einen Teich zu graben) ist besser denn hundert Brunnen, ein Opfer besser denn hundert Teiche, ein Sohn besser denn hundert Opfer, die Wahrheit besser denn hundert Söhne.
5960. (2734.) Besser eine Fehlgeburt, besser auch gar kein Beischlaf, besser dass ein Sohn gleich nach der Geburt stirbt, besser auch dass eine Tochter geboren wird, besser eine unfruchtbare Gattin, besser auch das Verbleiben im Mutterleibe, als ein unwissender Sohn, wäre er auch mit Schönheit, Reichthum und Vorzügen ausgestattet.
[270] 5961. Besser ein alter vertrockneter Baum oder auch ein Stein zu sein, als arm im Leben geboren zu werden und dabei Freigebigkeit als einzige Leidenschaft zu besitzen.
5962. (2735.) Besser Armuth denn Reichthum, der auf unrechtmässige Weise entspringt: Magerkeit vor Kummer sieht man gern am Körper, nicht aber Feistigkeit.
5963. (4969.) Besser gar keine Regierung, als die Regierung eines schlechten Fürsten; besser gar kein Freund, als ein schlechter Freund; besser gar kein Schüler, als ein schlechter Schüler; besser gar keine Gattin, als eine schlechte Gattin.
5964. (2736.) Die Gewährung eines Wunsches, Königthum und die Geburt eines Sohnes, diese drei zusammen gelten, o Bhârata, so viel als dieses Eine: die Errettung eines Feindes aus der Noth.
5965. (2737.) Tugendhafte stürzen sich lieber in loderndes Feuer, als dass sie auch nur einen Augenblick mit Feinden verkehren.
5966. (2738.) Ein kleines ausgesuchtes Heer ist besser als ein grosser Trupp von Kahlköpfen, da eine Niederlage der Untauglichen offenbar eine Niederlage der Ausgesuchten nach sich zieht.
[271] 5967. (2739.) Besser die Schneide eines Schwertes, besser der Aufenthalt unter einem Baume, besser Almosen, besser Fasten, sogar besser in eine furchtbare Hölle zu fahren, als bei einem auf seinen Reichthum stolzen Verwandten Zuflucht zu suchen.
5968. (2740.) Der Tag ist besser als die Nacht; nein, die Nacht ist ja besser als der Tag; doch noch besser, dass beide nicht da wären, wenn man nicht mit dem (der) Liebsten vereint ist.
5969. (2741.) Besser die Hand in einen vor Wuth aufgeblasenen Schlangenrachen zu stecken, auch besser Gift zu trinken und in des Todesgottes Behausung zu schlafen, besser sich von einem hohen Berge hinabzustürzen und in hundert Stücke zerschmettert zu werden, als sich gütlich zu thun mit Geld, das man von bösen Menschen erhalten.
5970. (2742.) Besser dass im Leben ein Sohn sogar stirbt, als dass einem in guter Familie Geborenen Dummheit zu Theil wird, dessen sich in Gesellschaft gebildeter Leute der Mensch wie eines Bastardes schämt.
[272] 5971. (2743.) Besser ein Sohn mit Vorzügen als Hunderte von Thoren: der eine Mond verscheucht die Finsterniss, nicht die Scharen von Sternen.
5972. (2744.) Es wäre, ach, besser gewesen, wenn Mainâka, des Himâlajâ Sohn, als sein Vater sich vor Schmerzen nicht zu helfen wusste, sich die Flügel hätte abschneiden lassen durch die vom aufgeregten Indra geschleuderten Donnerkeile, die ob des vielen hervorsprühenden Feuers nur um desto gewichtiger waren, als dass er sich in's Wasser stürzte, was sich für den Herrn der Gewässer schickte.
5973. (4970.) Besser Feindschaft mit einem Klugen als Freundschaft mit einem Thoren: ein (dummer) Affe tödtete (als Freund) einen Fürsten, ein (kluger) Dieb rettete einen Brahmanen.
5974. (2745.) Besser, dass eine sittsame Frau, wenn der Gatte in der Fremde ist, stirbt, als dass sie sich den zudringlichen Blicken der an ihrer Schönheit sich ergötzenden Leute aussetzt.
[273] 5975. (2746.) Besser mit Thieren des Waldes in undurchdringlichen Gebirgen umherzuirren, als mit Thoren selbst in des Götterfürsten Palästen zu verkehren.
5976. Besser in ein loderndes Feuer sich zu stürzen, als ein lange geübtes Gelübde zu brechen, da der Tod eines Mannes von reiner Handlungsweise besser ist, als das Leben eines Mannes von beflecktem Charakter.
5977. (2747.) Besser das Leben aufzugeben oder auch geköpft zu werden, als ruhig anzusehen, wie ein Mann nach dem Verbrechen, seines Herrn Stellung zu gewinnen, trachtet.
5978. (4971.) Besser das Leben aufzugeben, als die Ehre zu verlieren: der Tod ist ein augenblicklicher Schmerz, den Verlust der Ehre fühlt man jeden Tag.
5979. (2748.) Besser das Leben aufzugeben, als sich von Männern eures Gleichen zu trennen: das Leben kehrt in einer folgenden Geburt wieder zurück, aber Männer eures Gleichen giebt es nicht mehr.
[274] 5980. (2749.) Besser Verstand als Wissen, höher als Wissen steht der Verstand: die des Verstandes ermangeln, gehen zu Grunde wie jene, die einen Löwen wieder belebten.
5981. (2750.) Besser zu schweigen, als ein unwahres Wort zu sprechen; besser dass Männer der Mannheit entbehren, als dass sie dem Weibe eines Andern beiwohnen; besser das Leben aufzugeben, als an Reden von Verleumdern Gefallen zu finden; besser erbettelte Speise zu essen, als sich an dem Genuss fremden Geldes zu erfreuen.
5982. (4972.) Ein kluger Mann wählt ein Mädchen aus edlem Geschlecht, wäre sie auch hässlich, nimmer aber eine schöne Tochter eines gemeinen Mannes: man heirathet in eine gleiche Familie.
5983. (2751.) Wie man sieht, dass Varuna Jemanden in seinen Schlingen[275] gefangen hält, so soll ein Fürst nach Varuna's Weise Räuber im Zaume halten.
5984. (2572.) Wie man sieht, dass Varuna Jemanden in seinen Schlingen gefangen hält, so soll (ein Fürst) Böse im Zaume halten: dies ist Varuna's Weise.
5985. (2753.) Ein kluger Mann meidet einen Freund, der wie ein Weber in seiner Gier stets Alles an sich zieht.
5986. (2754.) Aus der Gesichtsfarbe, dem Aussehen, dem Wiederhall der Worte, aus dem Spiel der Augen und des Mundes erschliessen Kluge eines Andern Gesinnung; darum soll man im Geheimen sich berathen.
5987. Wie unter den Kasten der Brahmane, unter den Badeplätzen die Gañgâ und unter den Göttern Vishnu, so steht unter den Blumen der Jasmin oben an.
5988. (4973.) Wie alle Kasten und die verschiedenen Lebensstadien eines Brahmanen ohne Tugend und ohne Kenntnisse, wie Opfer ohne Soma-Saft, so wäre die Welt ohne Gañgâ.
[276] 5989. (4974.) Wie durch Verbindung von Docht, Gefäss und Oel eine Lampe ihr Bestehen hat und doch verlöschen kann, so ist das Schwinden des Lebens zur Unzeit.
Stenzler.
5990. (4975.) Zugleich mit der Entkräftung der Wanderer wächst der Blumenstrauss des Mangobaumes und zugleich mit den Lebensgeistern der Wanderer entstürzen die Malaja-Winde.
5991. (2755.) Wie sollte ein Erheben und Ehren Böser uns Freude bringen? Giftbäume tragen, begösse man sie auch mit Nektar, nimmer heilsame Früchte.
5992. (4976.) Eine Schuld wächst beständig und gering geachtete Feinde erzeugen grosse Gefahren, wie auch unbeachtete Krankheiten.
5993. (1948.) Das Gesicht ist mit Runzeln bedeckt, das Haupt mit weissen Haaren gezeichnet, die Glieder schlottern, nur die Begierde ist jung geblieben.
[277] 5994. (2756.) Geräth ein Vater, ein Sohn oder ein Freund in die Gewalt des Todesgottes, so härmen sich Einfältige vor Kummer darüber arg ab, indem sie heftig an ihre Brust schlagen; bei Weisen dagegen befestigt eine solche Trennung im nichtigen Leben mit seinem übel schmeckenden Ausgange die Leidenschaftlosigkeit, indem sie das Wohlgefühl innerer Ruhe erzeugt.
5995. Mächtige haben das Gesetz in ihrer Gewalt, wie Wohlhabende den Genuss; Mächtige können Alles vollbringen und bei ihnen ist Alles rein.
5996. (2757.) Man bringe die Glücksgöttin wie ein widerspänstiges Weib in seine Gewalt, indem man stets festen Willen an den Tag legt, die Weise des Löwen befolgt und sie bei den Haaren packt.
5997. (2758.) Wer seine Sinne in der Gewalt hat, seinen Geist besiegt hat, den Stab über Abtrünnige schwingt, nur nach reiflicher Erwägung handelt und klug ist, zu dem kommt das Glück in reichlichem Maasse.
5998. Der Bäume Jugend ist der Frühling, der Männer Jugend – der Reichthum, der Frauen Jugend – die Schönheit, der Jünglinge Jugend – der Verstand.
5999. (2759.) Als im Frühling der vor Kälte sich fürchtende Kokila im Walde seinen Gesang ertönen liess, da tauchten die unter dem Wasser liegenden Wasserrosen hervor, als wollten sie diesen hören.
[278] 6000. Gazellen leben im Walde, fressen Dûrvâ-Gras und trinken Wasser, das Niemanden gehört, und dennoch werden sie von den Menschen getödtet: wer vermag die Welt zufrieden zu stellen?
6001. Wer schlecht ist, ist schlecht, stammte er auch aus Vasishṭha's Geschlecht: Feuer brennt, käme es auch vom Sandelholz.
6002. Der Erde Schmuck ist der Mann, des Mannes Schmuck – grosser Reichthum, des Reichthums Schmuck – die Spende, der Spende Schmuck – eine würdige Person.
6003. Man wohne an dem Orte, wo es reichliche Ehren giebt, und meide denjenigen, der keine Ehre bietet; man verzichte sogar mit den Göttern zusammen in ihren Wagen zu sitzen, wenn dieses keine Ehre bringt.
6004. Ein Weiser der Vorzeit (Parâçara) pflegte der Liebe mit der Tochter eines Fisches, die aus Vasu's Samen entsprungen war; so ward Vjâsa, der Behälter von hundert Tugenden, geboren. Doch dieses ist noch nicht Alles: er selbst sonderte die heiligen Schriften, ward der Stammvater des ausgestorbenen Geschlechts der Kaurava und lebte glücklich. Schwer verständlich sind, ach, die Wege des Schicksals!
[279] 6005. (2760.) Gäbe es keine Schranzen und keine Sophisten, die im Stande sind Einfältige zu bethören, indem sie in einem Augenblick etwas Unbegründetes als Begründetes hinstellen, so würden in den von Haus aus unbewohnten Höllen Gazellen weiden (so v.a. so würde Niemand zur Hölle fahren).
6006. Eine Lampe erhellt mit ihrem Glanze nur einen vor Augen liegenden Gegenstand, ein fleckenloser Sohn dagegen sogar abgeschiedene Vorfahren.
6007. Man sagt, dass eine Angelegenheit auf dreierlei Weise misslinge: wenn man an unmögliche Sachen geht, wenn man aus Unverstand an mögliche nicht geht, oder an mögliche zu spät geht.
6008. (2761.) Ein Kleid, eine milchreiche Kuh, ein Wassergefäss, Schuhe, Arzenei, Samen und Speise kaufe man, wo man sie gerade bekommen kann.
6009. Beim Schmuck ist die Hauptsache das Kleid, beim Essen – die Butter, bei den Weibern – die Brust, beim Brahmanen – die Gelehrsamkeit.
6010. (2762.) Schmuck ohne Kleider, Speise ohne Butter, ein Weib ohne Brüste und ein Leben ohne Wissenschaft!
[280] 6011. Schmuck ohne Kleider, Speise ohne Butter, Gesang ohne Stimme, Beischlaf ohne Liebe!
6012. (2763.) Der Schlangendämon Çesha trägt die Reihe der Welten auf der Platte seiner angeschwollenen Haube, ihn hält beständig der Schildkrötenfürst mitten auf seinem Rücken und diesen nimmt wieder der Meeresgott ohne Weiteres auf seinen Schooss: o wie unbegrenzt ist bei Grossen die Macht ihres Treibens!
6013. (2764.) Man trage einen Feind auf der Schulter, bis die Zeiten sich ändern; hat man aber erkannt, dass die Zeit gekommen ist, dann zerschmettere man ihn wie einen Topf am Steine.
[281] 6014. (2765.) In wessen Person ein bei aller Welt überaus beliebter Charakter sich offenbart, für den wird Feuer zu Wasser, das Meer in einem Augenblick zu einem Brunnen, der Berg Meru zu einem winzig kleinen Hügel, ein Löwe im Nu zu einer Gazelle, eine Schlange zur Schnur eines Kranzes, Gifttrank zu einem Nektarregen.
6015. Angenehme, sanfte, gute, heilsame und höfliche Worte soll man zum Fürsten sprechen.
6016. Sagt man ihm dagegen, was ihn unangenehm berührt und seine Ehre verletzt, wäre dieses auch heilsam, so findet der Fürst, dem es um Ehre zu thun ist, keinen Gefallen daran.
6017. (2766.) Der Zunge Bändigung wird ja, o Fürst, für überaus schwierig gehalten; auch kann man nicht viel und dabei gehaltvoll und reizend reden.
[282] 6018. (2767.) Die Pfeile der Rede fliegen zum Munde hinaus und wer von ihnen getroffen wird, der trauert Tage und Nächte. Da sie stets auf des Andern empfindlichste Stellen niederfallen, so schleudert sie der Weise nimmer gegen Andere.
6019. (2768.) Ein freundliches und wahres Wort, Mitleid, Spenden, Schutz in Noth Befindlicher und um Schutz Bittender, dies ist, woran Edle hängen, dies ist ja die schöne Weise guter Menschen.
6020. (4977.) Sogar ein Mann, den hier im Leben Sünden, die durch Worte, Gedanken oder Thaten verübt wurden, verzehren, wird, darüber herrscht bei mir kein Zweifel, rein, sobald er die Gañgâ erblickt.
6021. (2769.) Nur in Worten sei butterweich, im Herzen aber wie ein Scheermesser: wer sich zu einer furchtbaren That anschickt, begleite seine Rede mit Lächeln.
6022. (4978.) Kein Gefallen geht über einen süssen Ton, während[283] durch einen rauhen Ton sogar ein geleisteter Dienst zu Schanden wird: welche Kostbarkeit hat uns der Kokila gebracht (dass wir ihn mögen) und welches Leid hat uns in der Welt der Esel zugefügt (dass wir ihn nicht mögen)?
6023. (4979.) Nicht durch Worte, nicht durch Schläge und Einsperrung, auch nicht durch diesen oder jenen Schmerz kann man die Weiber hüten, da sie stets unbändig sind.
6024. (4980.) Reinheit der Rede, Reinheit des Herzens, das Bändigen der Sinne, die im Mitleiden mit allen Geschöpfen bestehende Reinheit, das ist die Reinheit der nach dem Höchsten Strebenden.
6025. Wessen Rede die Göttin der Beredsamkeit ist, wessen Gattin schön und treu ist und wessen Reichthum mit Freigebigkeit gepaart ist, dessen Leben hat Früchte getragen.
6026. (2770.) Man soll zu dem reden, der Glauben hat, zumahl wenn dieser fragt; spricht man dagegen zu dem, der keinen Glauben hat, so ist dieses, als wenn man in den Wald hinein klagte.
6027. (4981.) An das Wort sind alle Dinge gebunden, im Worte wurzeln sie, aus dem Worte gehen sie hervor; demnach verübt der Mann, der am Worte einen Diebstahl begeht (d.i. es fälschlich gebraucht), jeglichen Diebstahl.
[284] 6028. Der Zornige erkennt nimmer, was er sagen darf und was nicht; für den Erzürnten giebt es Nichts, was er nicht thun, Nichts, was er nicht sagen dürfte.
6029. (2771.) Pferde, Elephanten, Metalle, Hölzer, Steine, Kleider, Frauen, Männer und Wasser sind ja unter sich überaus verschieden.
6030. (2772.) Ein vollständiges Beseitigen der Wünsche nennen zur Ruhe gelangte grosse Weise Wohlbefinden. Durch Geld hört das Wünschen nicht auf, eben so wenig wie der Durst dadurch, dass man sich zum Feuer begiebt.
6031. (2773.) Verlangen nach Umgang mit Guten, Freude an den Vorzügen Anderer, demüthiges Benehmen dem Lehrer gegenüber, eifriges Betreiben[285] der Wissenschaften, Gefallen am eigenen Weibe, Scheu vor dem Tadel der Welt, Liebe zu Çiva, Kraft den Geist zu bändigen, das Aufgeben des Verkehrs mit Bösen: vor den Männern, bei denen diese fleckenlosen Tugenden sich vorfinden, verbeugen wir uns in Ehrfurcht.
6032. Schon der blosse Wunsch verräth im Voraus als künftig erfolgend das Böse oder das Gute, das Menschen in einem vorangehenden Leben vollbrachten: schon im jungen Pfau, bei dem noch kein Zeichen des Schweifes zum Vorschein gekommen ist, erkennt man dadurch, dass er beim Weggehen rückwärts schreitet, den reizenden Schweifträger.
6033. (1960.) Mein Gatte ist in Handelsgeschäften verreist und ich habe nicht ein Mal Nachrichten von ihm; seine Mutter ist heute früh, da ihre Tochter niedergekommen ist, in's Haus des Schwiegersohnes gezogen; ich bin ein junges Weib, wie kannst du, o Wanderer, die Nacht in unserm Hause verweilen? Es ist jetzt Abend, gehe an einen andern Ort!
6034. Im Handel steckt der ganze Reichthum, im Ackerbau der halbe, im Fürstendienst ein Viertel davon, im Betteln ist keine Spur von ihm.
[286] 6035. (2774.) Dieser arme Flamingo hier, der ehemals strahlte von Schminke, dem vielen Blüthen staube, der den vom Winde geschaukelten Wasserrosen entfiel, der ehemals, wenn er der Bienen leises Gesumme vernahm, froh ward, und der es nicht ein Mal vermochte einen Bissen Wurzelschosse, die aus dem Schnabel seiner Liebsten herabhingen, zu ergreifen, bittet jetzt in der Wüste, o Weh, um Gras!
6036. (2775.) Die Herrschaft über die Erde ist unbeständig wie eine vom Winde getriebene Wolke, der Genuss der Sinnenwelt ist nur im ersten Augenblick süss, das Leben der Menschen gleicht einem Wassertropfen auf der Spitze eines Grashalmes: die Tugend allein ist, o Weh, unser Gefährte auf dem Gange zu jener Welt!
6037. (4982.) Der Duft von Blumen verbreitet sich nur wenig gegen den Wind, der aus den Tugenden der Menschen sich erhebende Duft dagegen verbreitet sich überall hin.
6038. (2776.) Durchschüttele ihn mit deinen Winden, erschrecke ihn[287] durch furchtbares Donnern oder zerschmettere seinen Leib durch Hagelschlag: der Vogel Ḱâtaka, dessen Leben durch deine Wassertropfen, o Wolke, erhalten wird, kann nicht anders handeln.
6039. (2777.) Am Himmel erglänzt ein Weiher (der Nabel), darüber ein schmaler Pfad von Sapphir (die vielbesprochene Härchenreihe), der zu einer goldenen Treppe (den drei Falten) führt; höher hinauf zwei für Tugendhafte leicht zu erklimmende Hügel (die Brüste), deren Grund mit Sandel bedeckt ist; für die, die hier wohnen, ist der Göttertrank (auf den Lippen) leicht zu gewinnen ob der Nähe des Mondes (Antlitzes).
6040. (2778.) Streitigkeiten in Betreff von Weihern, Brunnen, Teichen, Häusern und Gärten werden auf Grund der Aussage von Nachbarn geschlichtet: so hat Manu erklärt.
6041. Auf den Besitz von Weihern, Brunnen, Teichen, Tempeln und Sclaven kann man keine Ansprüche mehr machen, sobald man sie ein Mal verlassen hat.
6042. (4983.) Einen Brahmanen, der sich nicht scheut Weiher, Brunnen, Teiche, Gärten und Tempel zu zerstören, nennt man einen Mleḱḱha (Barbaren).
[288] 6043. (2779.) Ein Weiher ist ein gar zu kleiner Wasserbehälter, ein See ist gifthaltig, da Niedrige darin baden; das grosse Wasserbecken (der Ocean) ist winziger als winzig, da es für einen Weisen (Agastja) nur ein Mundvoll war. Darum lässt der Vogel Ḱâtaka, der ja auf Ehre hält, jene bei Seite liegen und verlangt nach dem Wasser der Wolken dort oben.
6044. (2780.) Weit schöner noch als ihr Tanzen ist ihr Stehen, wenn sie die linke Hand, an deren Gelenk das Armband unbeweglich sitzt, auf die Hüfte stützt, wenn sie die rechte, einem Çjâmâ-Zweige gleichend, schlaff herabhängen lässt, wenn sie die Augen auf das Estrich richtet, auf dem sie Blumen mit ihrer grossen Zehe leise bewegt, wenn die eine Seite ihres Körpers wagerecht steht, die andere lang ausgestreckt ist.
6045. (4984.) Wir staunen, o Liebesgott, über deinen Heldenmuth, da du uns zum Tode führst, obgleich dir weder ein kampfbegieriger Elephant, noch ein unaufhaltsames Ross zu Gebote steht.
6046. Der Bösgesinnte trachtet nach dem Bösen, würde er auch vom Bösen abgehalten; der Gutgesinnte trachtet nach dem Guten, würde er auch vom Bösen angetrieben.
6047. (2781.) Wie Indra in der Regenzeit vier Monate hindurch regnet, so lasse ein Fürst, Indra's Weise befolgend, auf sein Reich Erwünschtes regnen.
[289] 6048. (2782.) Mein kluger Papagei wohnt in einem goldenen Käfig, fürstliche Lotushände reinigen ihn, süsse Mango- und Granatfrüchte sind sein Futter und nektargleiches Wasser sein Trank, in der Gesellschaft ruft er Râma's Namen, und dennoch, o Weh, sehnt sich, sieh, sein Herz nach der Höhlung des Baumes, auf dem er geboren ward.
6049. (2783.) »Reich mir den Lappen da oder nimm den Knaben auf deinen Schooss!« »Auf dem Boden hier liegt Nichts, o Gatte, aber hinter dir ist ein Haufen Stroh.« So redeten Mann und Frau zu einander in der Nacht, als ein Dieb hereintrat; da warf dieser Lumpen, die er anderswoher bekommen hatte, über den Knaben und ging weinend hinaus.
6050. Ein Uebel ist, o Vâsudeva, das Greisenalter, ein Uebel der Verlust des Vermögens, Wittwenthum und Trauer um einen Sohn; das grösste Uebel aber ist der Hunger.
6051. Mit wem soll man nicht wohnen und nicht verkehren? Mit Thoren,[290] Bösen, Schlechten und Niedrigen. Was soll ein nach der Erlösung Strebender alsbald thun? Mit Guten verkehren und der Füsse Râma's gedenken.
6052. (2784.) Bast als Gewand, junge Zweige als Lager, der Fuss eines Baumes als Haus, Wurzeln zum Stillen des Hungers, Wasser aus Gebirgsbächen zum Löschen des Durstes, Spiel mit reizenden Gazellen, Vögel als Freunde, in der Nacht der Mond als Leuchte: dass Elende dennoch betteln, obgleich sie über solche Reichthümer frei verfügen können, ist gar seltsam!
6053. Ein Stück Eisen, das man trägt, haut Einem nicht die Schulter ab; aber sogar weniges Eisen führt zum erwünschten Ziele, wenn es eine Schneide hat.
6054. (4987.) Wenn das Herz eines Freundes aus edelstem Geschlecht durch Reichthümer nimmer einen Wandel erleidet, dann wähle man diesen vorzüglichen Menschen sich zum Freunde.
6055. (4988.) Durch solche Zeichen kann man hier auf Erden, wie Kenner sagen, Freunde, wie ein Opferfeuer, auf ganz sichere Weise prüfen.
[291] 6056. (2785.) Der Einfältige putzt sich mit Kleidern auf, nachdem er sich selbst zuvor verkauft hat (so v.a. in die Dienste eines Andern getreten ist): wer schmückt aber auch nicht für Andere den eigenen Körper?
6057. (2786.) Der Kleinmüthige und Kraftlose folgt dem Zuge des Geschicks, hochgeachtete Helden dagegen kümmern sich nicht um das Schicksal.
6058. (2787.) Der Kleinmüthige und Kraftlose folgt dem Zuge des Geschicks, der Muthige und Kräftige dagegen kümmert sich nicht um das Geschick.
6059. Soldaten verlangen nach Krieg, Aerzte nach kranken Leuten, Lehm nach vielem Wasser, Brahmanen nach Nachsicht (Land), Bettelmönche nach guter Nahrung.
6060. (4989.) Nach einer zweifelhaften Sache muss man zu einer wohlerwogenen Zeit fragen; so und nicht anders soll man verfahren. Ein Beispiel dazu bildet jene Schar frommer Schüler, die am Schwanze der himmlischen Kuh hing. (Beim Hinaufsteigen zum Himmel fragt Einer der unten Hängenden, wie gross die Kuchen im Himmel seien; worauf der unmittelbar am Schwanze der himmlischen Kuh sich Haltende den Schwanz fahren lässt und mit den Händen das Maass angiebt. Begreiflicher Weise stürzen nun alle zur Erde herab.)
[292] 6061. (4990.) An mannichfache gute und böse Thaten gebunden, gehen ja die Geschöpfe in dieser Dreiwelt aus einem Leben in's andere, um guten oder schlimmen Lohn einzuernten.
6062. (4991.) Unternehmungen scheitern und gelingen auch in Folge des Schicksals; hat ein Fürst aber die ihm als Menschen obliegende Arbeit gethan, dann trifft ihn keine Sündenschuld.
6063. (2788.) Man thue, auch wenn man es verstände, keine Aeusserung, auf die der Herr die Antwort schuldig bleiben müsste: der Kluge soll ja, sei er auch geschickt, das Selbstgefühl meiden.
6064. Wenn ein Fürst nach erfochtenem Siege Nachsicht übt, so wächst sein Ruhm; dann fassen ja sogar die Feinde zu ihm Vertrauen, hätte er ihnen auch eine grosse Beleidigung angethan.
6065. Nie und nimmer versuche man einen Feind durch einen Kampf zu besiegen, weil in der Schlacht Sieg und Niederlage der beiden kämpfenden Parteien für ungewiss angesehen werden.
[293] 6066. Ein Lehrer theilt eine Wissenschaft einem Klugen und einem Dummen auf dieselbe Weise mit; nimmer aber geschieht es, dass er ihnen die Fähigkeit zur Erlernung derselben verleiht oder benimmt. Nichtsdestoweniger findet in Bezug auf den Erfolg ein grosser Unterschied Statt, wie ja auch ein klarer Edelstein wohl im Stande ist ein Bild aufzunehmen, nimmer aber ein Lehmstück.
6067. Spende, o Wolke, dein Wasser rasch dem von Durst gequälten, darauf wartenden Bettler, dem Vogel Ḱâtaka: erhebt sich in einem Augenblick ein Wind in der Luft, dann ist es um dich, um das Wasser und um den Ḱâtaka geschehen.
6068. (2789.) Wann werden wir, nachdem alle Habe vergeben ist, das Herz von zartem Mitgefühl erfüllt, des bis zum reizlosen Ende angelangten Lebens gedenkend, die mondhellen Nächte des Herbstes in einem heiligen Walde verbringen, die Gedanken an Çiva's Füsse als einzige Zuflucht habend?
[294] 6069. (2790.) Wer, wenn er Geld hat, es auf gleiche Weise vertheilt, wer einen geheimen Späher hat, wer seine Berathung nicht verräth und den Leuten nichts Unliebes sagt, der gelangt zur Herrschaft über die meerumgrenzte Erde.
6070. Reichthümer von Spenden begleitet, Wissen ohne Hochmuth, Heldenmuth mit Milde gepaart und Genuss ohne einen Hang dazu, diese vier schönen Erscheinungen sind selten.
6071. (4992.) Spende, wenn du klug bist, Geld an Männer mit Vorzügen, an Andere aber spende es nimmer: das Wasser, welches aus dem Meere in der Wolke Mund geräth, ist stets süss; hat dasselbe alles Lebende, Pflanzen und Thiere, so wie den Erdkreis belebt, so kommt es, um Millionen Male vermehrt, zu demselben Meere wieder zurück.
6072. (4993.) Geld, Verwandte, Alter, Thaten und fünftens Wissen, dies sind die achtungswerthen Gegenstände; der je später erwähnte ist der gewichtigere.
[295] 6073. (2791.) Wozu das Geld, wenn es nicht an Arme verabreicht wird? Wozu der Dienst, wenn man sich nicht bemüht, Andern Gefälligkeiten zu leisten? Wozu der Beischlaf, wenn man keinen Sohn zu sehen bekommt? Wozu die Jugend, wenn die Geliebte fehlt?
6074. (4994.) Durch Reichthümer wird das Gesetz bewahrt, durch Fleiss Wissen, durch Milde ein Fürst, durch ein gutes Weib ein Haus.
6075.
Δάγνοις μὲν, οῖμαι, πᾶσι καὶ πεοίδεσν
ἡ τῶν ὀχείων μίξως γνωτή σϑ᾽ ὁδὸς,
μύσται δ᾽ ἔρωτος εἷς τις ἢ παῦροί τινες.
Moritz Schmidt.
6076. Wer nicht Gelehrten, Feinden oder Weibern am Herzen liegt, der ist zwar geboren, aber nur um der Mutter die Jugend zu rauben.
6077. (2792.) Entferne die beiden Armbänder! Fort mit den mit Perlen geschmückten Reifen an den beiden Handgelenken! Der um den Hals sich windende Schmuck ist schwer und dient zu Nichts! Lege mir nur eine einzige neue einfache Perlenschnur um! Allzuvieler Putz ist nicht am Platz, wenn man das Fest des Körperlosen (des Liebesgottes) begeht.
[296] 6078. (4995.) Bei Weibern findet man unstetes Wesen, beim Brahmanen Kasteiungen, beim Gemeinen Rohheit, bei Guten Mitleid.
6079. (4996.) Wer niemals satt wird, der ist im Besitz aller Dinge, da er ja das Sattwerden an Reichthümern für Armuth hält.
6080. (2793.) Denen es möglich ist auch anderswohin zu gehen und dort ihr Glück zu finden, die sehen, wenn sie verständig sind, nicht des Landes Verfall, nicht der Familie Untergang.
6081. Man soll mit seinem Wissen sterben, nimmer es aber einem schlechten Schüler mittheilen: ein Thor, den man mit Wissen hätschelt, wird hinterher zum Feinde.
6082. (2794.) Zu Wissen, Reichthum und Kunst gelangt der Mensch in gründlicher Weise nicht eher, bis er wohlgemuth von Land zu Land auf der Erde gewandert ist.
6083. Diejenigen, die nach Erlernung einer Wissenschaft nicht in der[297] Nähe des Lehrers bleiben und ihn nicht in Gedanken oder durch Thaten ehren, laden eine Sünde auf sich, die grösser als die Tödtung einer Leibesfrucht ist, und ihnen kommt kein anderer Bösewicht in der Welt gleich.
6084. (4997.) Die Menschen sind wegen Wissenschaft, Thaten, Alters, Verwandten und Reichthums der Reihe nach zu ehren. Wenn er diese in grossem Maasse besitzt, verdient auch ein Çûdra im Greisenalter Achtung.
Stenzler.
6085. Ist man im Besitz von Wissen, so braucht man nicht an die Füllung des schwer zu füllenden Bauches zu denken: sogar ein Papagei geniesst im Hofe Reis, wenn er »Râma« sagt.
6086. (4998.) Im Wasser des Wissens waschen Männer von fleckenloser Gesinnung ihre Sünden ab, im Wasser der Wahrheit Gute, im Wasser der Gañgâ Männer schmutzigen Herzens, im Wasser der Spenden Reiche, im Wasser des Schamgefühls sittliche Jungfrauen, im Wasser der Erkenntniss beschauliche Asketen, im Wasser der Schwertschneide Fürsten.
6087. (2795.) Wissen bringt gesittetes Benehmen, durch gesittetes Benehmen kommt man zur Würdigkeit (wird man würdig Gaben zu empfangen), durch Würdigkeit erlangt man Schätze, durch Schätze moralisches Verdienst, durch moralisches Verdienst Freuden.
[298] 6088. (2796.) Wir haben keine fleckenlose Wissenschaft erlernt, keine Reichthümer erworben, unsern Eltern keinen Gehorsam aufmerksamen Sinnes erwiesen, nicht ein Mal im Traume Jungfrauen mit beweglichen langen Augen umfangen: wir haben wie Krähen diese Zeit in Gier nach einem fremden Bissen verbracht!
6089. (2797.) Wissen ist ja des Mannes grösste Schönheit, ein geheim verwahrter Schatz, Wissen schafft Genuss, Ruhm und Glück, ist aller Lehrer Lehrer, Wissen ist ein Freund auf Reisen, Wissen ist die höchste Gottheit, Wissen steht bei Fürsten in Ehren, nicht aber Geld: ein Mensch ohne Wissen ist ein Vieh.
6090. Nicht lange bleiben im Herzen: Wissen bei einem Fahrlässigen, ein Geheimniss bei einem Dummen, eine Milchspeise bei einem Hunde und ein Geliebter bei einem untreuen Weibe.
6091. (2798.) Gelehrsamkeit, Reichthum und Adel der Geburt bewirken bei Hochmüthigen Selbstüberhebung, bei Weisen Selbstbeherrschung.
[299] 6092. (4999.) Wissen ist der Freund auf Reisen, eine Gattin der Freund im Hause, Arzenei der Freund der Kranken, moralisches Verdienst der Freund der Gestorbenen.
6093. Bei denjenigen vom Schicksal Verfluchten, welche bei Gelehrsamkeit falschen Stolz und bei Reichthum Geiz entwickeln, ist Feuer aus Wasser hervorgegangen.
6094. Einer wird zum Behälter des Wissens, ein Anderer zum Behälter des Reichthums, ein Dritter zum Behälter von beiden, ein Vierter zum Behälter von keines von beiden.
6095. (5000.) Die Perle der Wissenschaften ist die geschmackvolle Dichtkunst, die Perle der Fuhrwerke das Ross, die Perle der Wünsche der Pfad der Vorzüglichsten, die Perle der Genüsse eine Gazellenäugige, die Perle der Ströme der Götterfluss (die Gañgâ), die Perle der Monate der Frühling, die Perle der Berge der Goldbejg (Meru), die Perle der Fürsten Nrsimha.
[300] 6096. (5001.) Einen Lernbegierigen, einen Diener, einen Wanderer, einen von Hunger Gequälten, einen von Furcht Ergriffenen, einen Schatzmeister und eine Thürsteherin, diese sieben soll man wecken, wenn sie schlafen.
6097. (2799.) Gelehrte, Ehrgeizige, mit den Künsten Vertraute, Heldenmüthige und des Dienstes Kundige können sich nur Fürsten anschliessen.
6098. Wem Gelehrsamkeit zum Streit, Geld zum Hochmuth, ein ausgezeichneter Verstand zum Betrügen Anderer und eine hohe Stellung zur Demüthigung der Leute dient, dem ist Licht zur Finsterniss geworden.
6099. (2800.) Dem Bösewicht dient Gelehrsamkeit zum Streit, Geld zum Hochmuth, Macht zur Bedrückung Anderer; dem Edlen zu entgegengesetzten Zwecken: zur Vermehrung der Kenntnisse, zum Spenden und zur Beschützung.
6100. (2801.) Die Kenntniss der Waffen und die der Bücher sind zwei Arten von Kenntnissen, die man sich aneignen kann: die erste dient im Alter zum Gelächter, die zweite wird stets geachtet.
[301] 6101. (2802.) Diejenigen, die durch Wissen, Charakter, Alter, Verstand, Schätze und Adel der Geburt hervorragen, schätzt ein Thor stets gering, o Bhârata!
6102. (5002.) Wissen, Heldenmuth, Fleiss, Kraft und fünftens Verständigkeit nennt man die angeborenen Freunde, durch welche Kluge hier im Leben bestehen.
6103. Vier angeborene Fähigkeiten muss man zu vervollkommnen suchen: die Tonkunst, die Dichtkunst, den Heldenmuth und die Freigebigkeit.
6104. Ein in den Wissenschaften unterrichteter und die Regeln der Staatsklugheit befolgender Fürst führt lange das Regiment und bringt die Feinde in seine Gewalt.
6105. Wie des Blitzes Glanz, wie ein Strich im Wasser, und wie die Reinheit am Kleide, so unbeständig ist die Liebe eines untreuen Weibes, und dieses Wort ist wahr.
6106. Was ist unstet wie das Zucken des Blitzes? Umgang mit schlechten Menschen und die Jungfrauen. Wer ist sogar im Kali-Zeitalter unerschütterlich wie ein Hauptgebirge? Die guten Menschen.
[302] 6107. (2803.) Tochter und Wissenschaft, die man in seiner Verblendung einem Unwürdigen anvertraut, bringen nicht Ruhm, nicht Verdienst, wohl aber Reue.
6108. Wer erleidet nicht eine Demüthigung in einer Gesellschaft von Gelehrten, beim ersten Zusammentreffen mit einem Frauenzimmer, in der Schlacht, am Hofe eines Fürsten, beim Glücksspiel?
6109. (2804.) Der Stand des Gelehrten und der des Fürsten sind nimmer gleich: nur im eigenen Lande wird ein Fürst geehrt, ein Gelehrter aber überall.
6110. Wie viele Gelehrte giebt es? Wie viele beschauliche Asketen ferner? Wie viele besitzen Erfahrenheit? Wie viele Verwegene kennt man, die es verstehen brünstigen Elephanten die Stirnbeulen zu spalten? Wie viele haben wohl gute Sitten? Wie viele nehmen eine hohe Stellung ein? Aber noch seltener findet sich Einer, der stets die Macht hat Andern zu helfen.
6111. Der Kluge und der Mächtige zürnen nicht, wenn sie zu leiden haben, und geniessen der Freuden im künftigen Leben dafür, dass sie den Beleidiger nicht zu Grunde richteten.
[303] 6112. (2805.) Der Reiche ist auch gelehrt und freigebig, der Reiche ist edel, weiss Vorzüge anzuerkennen und ist aller Welt Freund, der Reiche ist ehrenwerth; wer aber kein Geld hat, ist alles Glanzes baar.
6113. (5003.) Wer klug und ehrlich ist, den soll man aufsuchen; wer klug und falsch ist, vor dem soll man auf seiner Hut sein; wer dumm und ehrlich ist, den soll man bemitleiden; wer dumm und falsch ist, den soll man auf jegliche Art meiden.
6114. (2806.) Nur ein Gelehrter kennt die ermüdende Arbeit des Gelehrten: eine Unfruchtbare kennt ja nicht die heftigen Schmerzen bei der Geburt.
6115. (2807.) Einem Klugen, nimmer aber einem Dummen soll man einen Rath ertheilen: jene Vögel, die thörichten Affen einen Rath ertheilten, büssten ihre Wohnstätte ein.
6116. (5004.) Ein Gelehrter wird in der Welt gepriesen, ein Gelehrter gelangt zu Ansehen; durch Wissen erlangt man Alles, Wissen wird überall geehrt.
[304] 6117. (2808.) Ein Gelehrter und in der Gesellschaft parteiisch, ein Mann in reiferen Jahren und stolz, arm und einem eigenen Hauswesen vorstehend, reich und geizig, von Andern abhängig und glücklich, bejahrt und keine Wallfahrtsorte besuchend, ein Fürst und an schlechten Räthen seine Freude habend, vornehm und dumm, ein Ehemann und unter dem Pantoffel der Frau stehend, ein Gottesgelehrter und nicht Gutes übend: giebt es noch etwas Anderes auf Erden, was Gegenstand des Gespöttes wäre?
6118. (5005.) Ein Weiser benimmt sich gegen alle Geschöpfe wie gegen sich selbst und giebt, zufriedengestellt und reines Herzens, Alles auf.
6119. Eine Wittwe gleicht, einem unebenen Wege, ein fremdes Weib einem Hohlweg, eine Buhldirne einer grossen Landstrasse, das eigene Weib einem ebenen Wege.
6120. (2809.) Aus der vom Schöpfer (Schicksal) vorgeschriebenen Bahn kann Niemand treten. Alles in der Welt wurzelt in der allmächtigen Zeit: Geburt und Tod, Freuden und Leiden.
6121. (2810.) Die vom Schöpfer (Schicksal) auf die Stirn geschriebenen Silben vermag auch der Klügste nimmer abzuwaschen mit seinem Verstande.
[305] 6122. (2811.) Menschen, die ruhig dasitzen, nachdem sie einem aufgebrachten Feinde den Krieg erklärt, schlafen gegen den Wind, nachdem sie zuvor Feuer in dürres Gesträuch geworfen.
6123. (2812.) Die Erde und ein Reibholz, mögen sie auch rauh sein und hart behandelt werden, geben, jene Früchte, dieses Feuer, wenn man auf die vorgeschriebene Weise und unter Gebeten zu Werke geht.
6124. (2813.) Du Krähe magst immerhin krächzen, was hast du verbrochen? Das Schicksal verdient vor Allem getadelt zu werden, da es dir und dem redlichen Kokila einen gemeinschaftlichen Wohnplatz auf dem Mangobaume anwies.
6125. (2814.) Das Schicksal verfährt mit Guten wie brave Diener mit ihren Herren: es wacht darüber, dass eine Sache gelingt, ohne dass die dabei Betheiligten es gewahr werden.
[306] 6126. (2815.) Wenn Bösewichter die Vorzüge Anderer verkleinern, so tritt ihre Schwärze (Bosheit) in hohem Grade hervor: auch der Wolken Schwärze ist dunkler, wenn sie den Glanz des Mondes verhüllen.
6127. (5006.) Anständiges Benehmen lerne man von Fürstensöhnen, Beredsamkeit von Gelehrten, Unredlichkeit von Spielern, Spitzbüberei von Weibern.
6128. (2816.) Als ein Liebhaber mit seines Mundes Hauche den Blüthenstaub aus den Augen einer Schönäugigen entfernte, da füllten sich sofort beide Augen der ihm nicht gewogenen Jungfrau mit des Zornes Staube (Leidenschaft).
6129. (5007.) Die niedrigsten Menschen, welche alles anständigen Benehmens und aller guten Sitte ermangeln und Unheil bringen, bringen Heil, o Brahmane, wenn sie sich zur Gañgâ begeben.
6130. (2817.) Was ist eine hohe Stellung ohne gutes Benehmen? Was eine Nacht ohne Mond? Was Redefertigkeit ohne wahre Dichtergabe?
6131. Wer vor den Augen dessen, der schützen kann und in dessen Schutz er sich begab, umkommt, der geht mit allen dessen guten Werken von dannen, weil er nicht geschützt wurde.
[307] 6132. Der Thor, der, ohne ein Geschäft zu haben, in ein fremdes Haus geht, kommt nothwendig um sein Ansehen, wie der Mond, wenn er das Haus der Sonne betritt.
6133. Der Vorstand einer Versammlung, wäre er auch klug, lernt ohne Lehrer das Gesetz nicht kennen: wie sollte man, hätte man auch gute Augen, ohne Leuchte all die Gegenstände gewahr werden?
6134. (2818.) Wer ohne Anweisung eines Lehrers so verfährt, wie er es bei Andern gesehen, der setzt sich dem Gelächter aus wie jener einfältige Schüler des frommen Bettlers.
6135. (2819.) Ohne Zauber, ohne Spruch, ohne Formel und ohne Unterweisung betrügen Frauen einen Mann, selbst einen überaus klugen, in einem Augenblick.
6136. (2820.) Ohne diese (die Weiber) giebt es keine Schönheit, ohne diese auch keine Freuden, ohne diese glauben die Männer ihr Ziel nicht erreicht zu haben.
[308] 6137. Ohne Geld ist ein Mann blind, ohne Geld ein Leichnam und ein Eunuch; darum soll man Geld erwerben.
6138. (2821.) Das wahre Wesen des Guten wird nicht ohne Prüfung offenbar: die Aechtheit goldener Pfänder erkennt man nicht ohne Reiben auf dem Prüfstein.
6139. (2822.) Der Muthige wird auch ohne Geld Gegenstand der höchsten Achtung, der Elende, sei er auch mit Geld ausgestattet, wird zum Gegenstand der Verachtung: erlangt wohl ein Hund, trüge er auch ein goldenes Halsband, den majestätischen Glanz eines Löwen, der aus seiner Natur entspringt und sich in der Erlangung vieler trefflicher Eigenschaften erweist?
6140. Ohne Tohn vermag ein Töpfer keinen Topf zu machen und ohne Gold kann ein Goldarbeiter keinen Ohrring verfertigen.
6141. Wie ein Haus ohne Pfeiler, ein Leib ohne Seele und ein Baum ohne Wurzel, so stürzt ein Geschlecht ohne Sohn zusammen.
6142. (2823.) Für Flüsse, die aus ihrem Lande gehen, bildet das Meer eine Grenze; für diejenigen aber, die nicht bluss zum Schein auf Eroberungen ausgehen, giebt es nirgends eine Grenze.
[309] 6143. (2824.) So lange man einen Feind nicht aufgerieben, ist ein behaglicher Zustand ja schwer zu erreichen: so lange Wasser Staub nicht in Koth verwandelt, kommt es nicht zum Stehen.
6144. Mit einer an Macht überlegenen Feindesschar soll ein Kluger keinen Streit beginnen. Sollte man auch zu Fall gekommen sein, so erhalte man sein Leben, da ein Mann, wenn er am Leben bleibt, noch hundertfaches Glück erfahren kann.
6145. Çiva ist sein Gegner, der Mond mit seinem kalten, starren Leibe sein Minister, der Frühling sein Grenznachbar, Blumen seine Pfeile, ein Weib seine Heeresmacht, und dennoch erobert der körperlose Liebesgott alle drei Welten: bei Grossen beruht das Gelingen einer Sache auf dem Charakter, nicht auf den Hilfsmitteln.
6146. (5008.) Der Mann, welcher bei Ungemach nicht verzagt, geschickt, stets zur Arbeit bereit, auf seiner Hut und bescheidenen Gemüthes ist, erlebt stets Glück.
6147. (2825.) Standhaftigkeit im Unglück, Nachsicht im Glück, Beredsamkeit[310] in der Versammlung, Muth in der Schlacht, Gefallen an Ruhm, fleissige Beschäftigung mit den heiligen Schriften: dies ist ja Edlen schon von Natur eigen.
6148. Gedenkst du bei grossen Charakteren im Unglück ein Schwinden ihrer Standhaftigkeit zu gewahren, so stehe ja von diesem Bemühen ab, da es ein thörichtes Unternehmen ist: am Ende eines Kalpa giebt sogar das Meer sein gewohntes Verfahren auf; jene Grossen sind aber weder winzige Gebirge, noch Meere.
6149. Ungemach sucht den heim, der keinen Muth an den Tag legt; den in Ungemach Gerathenen verlässt die Zukunft; wer keine Zukunft hat, dem droht sicher Geringschätzung; der Mann ohne Ansehen ist keine Stätte für die Herrlichkeit eines Fürsten.
6150. Gute vollbringen keine böse That, befänden sie sich auch im Unglück: frisst etwa ein Flamingo Würmer wie ein Hahn, würde er auch noch so sehr vom Hunger geplagt?
[311] 6151. Unsere Erde ist schwer beladen mit Thoren, die verkehrt denken und handeln: ihre Leiber (Knochen) sind die Felsstücke, ihr Fleisch die Bäume.
6152. (5009.) Das Reifen der Handlungen entsteht für Einige nach dem Tode, für Einige in diesem Leben, für Einige hier und jenseits: ihr Zustand ist es, der diese bestimmt.
Stenzler.
6153. (2827.) Selbst ein kleiner Feind wird mit der Zeit fürchterlich und verursacht Fürsten Pein: selbst eine winzige Dornspitze peinigt den Fuss.
6154. (2828.) Wenn Flüsse mit mächtigen Sandbänken da sind, wenn es Berge giebt, deren Felsen von heftig herabstürzenden Wassermassen schlüpfrig werden, wenn Wälder mit dichten Bäumen da sind, wenn Vjâsa's zu innerer Ruhe mahnende Worte und Umgang mit Klugen uns nicht fehlen, was vermögen dann aus Fleisch und Fett bestehende Weiber und auch der Liebesgott uns anzuthun?
6155. (2829.) Einige Hochweise haben diese Welt ehemals geschaffen,[312] Andere haben sie besessen, Andere haben sie erobert und wie werthloses Gras wieder weggegeben, wieder andere Beherzte beherrschen hier auf Erden ja vierzehn Reiche: wie erklärt sich hiernach der Menschen Hochmuthsfieber beim Besitz einiger weniger Städte?
6156. (2830.) Selbst eines hochweisen, aber armen Mannes Verstand schwindet dahin ob der beständigen Sorgen für Butter, Salz, Oel, Reis, Kleidung und Feuerung.
6157. (5010.) Gelangt ein Mann hier im Leben sogar zu einem grossen Vermögen, zu Genüssen und zu Weibern, so vermag er sie ohne Arbeit doch nicht zu geniessen; giebt sich dagegen ein Mann hohen Sinnes hier im Leben beständige Mühe, so gelangt er sogar zu einem wohl geborgenen, von den Göttern gehüteten Gute.
6158. (5011.) Man hat aber noch nicht entsagt, wenn Einem Etwas nicht zu Theil wird; wer in der Vereinigung ein Uebel sieht, der ist gegen Alles gleichgiltig geworden, lebt in Frieden und ist ungehemmt.
6159. (5012.) Darum sollst du nicht wünschen an Freunden und Gütern zu hängen, und solchen Hang, wenn er sich in dir erhebt, durch Erkenntniss unterdrücken.
[313] 6160. (5013.) Zwischen Brahmanen, zwischen einem Brahmanen und Feuer, zwischen Eheleuten, zwischen Herrn und Diener, so wie zwischen Çiva und seinem Stier soll man keinen Unterschied erkennen.
6161. Von einem und demselben Schlage sind Brahmane, Mond und Sandelbaum; von einem und demselben Schlage ein Weib, eine Laute und ein Kokila; von einem und demselben Schlage ein Ross, ein Schwert und ein Krieger; von einem und demselben Schlage Holz, ein Dummkopf und ein Esel.
6162. In die Hand eines Brahmanen soll man Geld opfern, für seine Gattinnen die Jugendkraft, für die Angelegenheiten seines Herrn das Leben: dies ist, o Mâdhava, meine feste Meinung.
6163. (5014.) Bei Brahmanen richtet sich der Vorrang nach den Kenntnissen, bei Kriegern nach der Tapferkeit, bei Vaiçja nach dem Getraide und nach anderm Besitz, nur bei den Çûdra nach der Geburt (d.i. nach dem Lebensalter).
[314] 6164. (5015.) »Sage mir, o Brahmane, wer steht in dieser Stadt hoch?« »Eine Gruppe von Weinpalmen«. »Wer giebt hier Etwas?« »Der Wäscher giebt Einem am Abend das Gewand wieder, das er am Morgen nahm.« »Wer ist geschickt?« »Fremde Frauen und fremdes Geld sich anzueignen ist Jedermann geschickt.« »Wozu lebst du, o Freund?« »Ich lebe nach Art des Mistkäfers (d.i. ich suche das Beste heraus).«
6165. (5016.) Der Brahmane ist ein Baum: die Andachten stellen die Wurzel dar, der Veda einen Ast, Tugend, Handlungen u.s.w. die Blätter. Darum soll man die Wurzel sorgfältig hüten, da ohne Wurzel es keine Aeste und keine Blätter giebt.
6166. (1932.) Früher vollbrachte gute Werke tragen hier keine Früchte: selbst Gelehrte und edlem Geschlecht Entsprossene werden zu Sclaven dessen, der Reichthümer besitzt.
6167. Nur die Reichthümer der Menschen werden geehrt, nicht ihre Person; sogar ein Kâṇḍâla ist der beste Mann, wenn er ein grosses Vermögen besitzt.
6168. (5017.) Wenn Reichthümer da sind, wenn es zu essen giebt und wenn gespendet wird, dann sind die Schmeichler da; im Unglück aber, wenn die Andern davongegangen sind, gewahrt man bekanntlich die Guten.
[315] 6169. Hat man grosse Reichthümer erworben, so sorge man dafür, dass sie von Guten genossen werden: vollkommen unnütz sind solche Reichthümer, an denen Gute keinen Theil haben.
6170. Wenn ein Entehrter, Geschlagener oder Geschmähter keinen Beschützer findet, dann trifft den Fürsten eine nicht von Menschen verhängte Strafe.
6171. (2832.) Ein mit Wolken bezogener Himmel, ein mit weissen Blüthen bedeckter Erdboden, mit dem Wohlgeruch junger Kutaga und Kadamba geschwängerte Winde und die ob des zarten Rufes der Pfauen reizenden Wälder erzeugen bei Jedermann, beim Frohen wie beim Traurigen, das Gefühl der Sehnsucht.
6172. (5018.) Wer gleichgiltig gegen eines Andern Weib ist, kein Verlangen nach eines Andern Sache hat und frei von Heuchelei und Neid ist, der hat die drei Welten erobert.
[316] 6173. (2833.) Stehet ab, ihr Verständigen, von dem Umgange mit Weibern, einem Genuss von kurzer Dauer! Verkehret mit den Frauen Mitgefühl, Freundschaft und Einsicht! In der Hölle hilft euch ja weder ein draller Busen mit schwer lastenden Perlenschnüren, noch runde Hüften mit klingenden Perlengürteln.
6174. Die Zahl der (sichtbaren) Sterne hat stark abgenommen wie die der guten Menschen im Zeitalter Kali; die Finsterniss weicht wie der Böse aus dem Herzen der Guten; klar nach allen Seiten hin ist der Himmel geworden wie das Herz des Weisen; flugs schwindet die Nacht wie der Faulenzer Glück.
6175. Wenige verstehen Vorzüge zu schätzen, Wenige dienen hier im Leben einem Armen, Wenige betreiben die Sache eines Andern, Wenige sind beim Leid eines Andern betrübt.
[317] 6176. (2834.) Der grausame Liebesgott, der uns durch Trennung seine Bosheit an den Tag legt, verzehrt den Leib; der mitleidlose Todesgott ist im Zählen der Tage gar geschickt; und nun noch du in der Gewalt des Grolles, dieser Krankheit! Wie soll, bedenk' es doch, mein Schutzherr, ein Weib, zart wie ein junger Schoss, dabei am Leben bleiben?
6177. (5019.) Sogar Trennung ist Vereinigung, wenn die Herzen gegenseitig verbunden sind; sind aber die Herzen getrennt, so lässt sogar Vereinigung Trennung als vorzüglicher erscheinen.
6178. (2835.) Allen Wünschen zu entsagen habe ich von der Biene gelernt: Reichthum wie Honig, die man mit Mühe erwarb, trägt ein Anderer davon, indem er zuvor den Besitzer sogar tödtet.
6179. (2836.) Verständige streiten nimmer mit Stärkeren, aber auch nicht mit Schwächeren, wenn dieser viele sind.
6180. (2837.) So lange ein Hässlicher sein eigenes Gesicht nicht im Spiegel gesehen, hält er sich für schöner als Andere.
6181. (2838.) Erblickt er aber sein hässliches Gesicht im Spiegel, dann erkennt er den Unterschied, der zwischen ihm und den andern Leuten besteht.
[318] 6182. Scherz, Lachen, Essen, Trinken, Spenden, Gehen, Sitzen und Anderes, kurz alle Handlungen, sie seien böse oder gut, thun Fürsten wie der Schatten Andern nach.
6183. (2839.) Daran, dass die Vögel sich verstecken, die Tagwasserrosen sich schliessen und der Jasmin sich öffnet, erkennt man, dass die Sonne untergegangen ist.
6184. (2840.) Wenn der Mond schmölze und vor meinen Augen zu einem Nektarteiche würde, und wenn sein Fleck sich in einen blühenden Lotushain verwandelte, dann könnte ich vielleicht, wenn die Glieder durch's Spiel beim Bade sich abgekühlt hätten, mich befreien von dem Schmerze und der Demüthigung, die mir das Feuer des Liebesgottes angethan.
6185. (2841.) Selbst im Herzen geheim gehaltener Zorn verräth sich durch ein bleiches Gesicht: dass Feuer im Holz ist, erkennt man aus den (hervorquellenden) Wassertropfen.
[319] 6186. Wenn man Freunde fördert, Feinde hart mitnimmt und Gute ehrt, so heisst dieses Fürstenpflicht.
6187. (2842.) Es ist als wenn der Sonnengott zugleich mit seinen tausend Kühen (Strahlen) auch die mit ihnen vermischten Kühe der Menschen, Augen genannt, fortgetrieben hätte: daher kommt diese Blindheit, nicht von der Finsterniss.
6188. (2843.) Bei einem Rechtshandel fordert man ein Schriftstück; ist dieses nicht da, – Zeugen; fehlen auch diese, so lassen die Weisen ein Gottesurtheil gelten.
6189. (2844.) Nur der Verstand vermag eine böse Neigung der Menschen zu beseitigen: nur die Sonne dort oben ist im Stande die Finsterniss der Nacht zu verscheuchen.
6190. (2845.) Ist auch das Verstand, wo nicht Mitleid aus Gefühl für die Seinigen entspringt? Ist das der rechte Pfad, wo die Lust Andern zu helfen fehlt? Ist das Tugend, wo sich nicht der Drang regt, vom Unrecht gegen Andere abzulassen? Oder ist das Gelehrsamkeit, was nicht zur Ruhe des Gemüths führt?
[320] 6191. (5020.) Vorzüge an einem Klugen erfahren eine Steigerung: schöner spielt ein in Gold gefasster Edelstein.
6192. (2846.) Thoren, die stracks, ohne sich lange zu besinnen, in das feindliche Heer sich stürzen, fallen sicher in die Umarmung von Schwertklingen.
6193. (2847.) Ich vermag Nichts mehr zu unternehmen, auch der Körper ist durch Alter und Krankheit hart mitgenommen, an ein Ernähren von Brahmanen und Angehörigen ist, ob ich es auch wünschte, nicht mehr zu denken: ob der Verblendung taucht, o Weh, da das verwünschte Schicksal entgegen ist, in meinem Herzen auch heute nicht das Wahre, das zu thun wäre, auf.
6194. (5021.) Wäre ein Gatte auch unsittlich, fröhnte er auch allen Gelüsten, oder ermangelte er auch der Vorzüge, so muss eine tugendhafte Gattin ihn dennoch stets wie einen Gott verehren.
6195. (2848.) Diejenigen, die sich Nichts gefallen lassen, gehen, wie Râhu es noch heut zu Tage mit dem Monde thut, gerade dann auf den Feind los, wenn er bei voller Kraft ist.
[321] 6196. (2849.) Durch gewonnenes Vertrauen wird man den Leuten lieb, durch gewonnenes Vertrauen gelangt man zum Ziel, durch gewonnenes Vertrauen tödtete ja Indra der Diti Leibesfrucht.
6197. (2850.) Im Vertrauen zu wem Jemand auf irgend eine Weise den Tod findet, der pflegt durch diesen umzukommen: einen solchen Ausspruch hat Manu gethan.
6198. (2851.) Wer Vertrauen geniesst, sei stets gerüstet, halte seine Mienen und Gebärden zurück und rede nur Freundliches: was zu thun ist, muss auch gethan werden.
6199. (2852.) Unter häufigem Ausruhen erging sich eine Schlanke im Walde im Schatten der Bäume und wehrte den Strahlen des Mondes mit dem Busentuche, das die Hand emporhielt.
6200. (5022.) Der reiche Mann lebt rühmenswerth, unter dessen Schutze Männer hohen Geistes wie unter einem Zauberbaum sich behaglich fühlen: des Reichthums Nutzen ist der, dass Gute ihn mitgeniessen.
6201. (5023.) In allen Welten ist der Ruhm der Gañgâ ob ihrer Heiligkeit verbreitet, weil sie des Sagara Söhne, die Nichts als Asche waren, von hier zum Himmel befördert hat.
[322] 6202. (1462.) Man traue einer schwarzen Schlange, einem Feinde, der ein Schwert in der Hand hält, und auch der Handlungsweise eines Wankelmüthigen; nimmer aber traue man dem Benehmen eines Weibes.
6203. Ein Mann, der Vertrauen hat, nähert sich und lässt sich nach Wunsch benutzen; darum soll ein Fürst allen Unterthanen ohne Falsch Vertrauen einflössen.
6204. (2853.) Sogar Viçvâmitra, Parâçara und andere Heilige, die nur von Wind, Wasser und Blättern sich nährten, verloren den Verstand, sobald sie den schönen Antlitz-Lotus eines Mädchens erblickten. Wenn gewöhnliche Menschen, die Reis mit Butter und süsse und saure Milch gemessen, die Sinne bändigten, dann schwömme auch der Vindhja über's Meer.
6205. (2854.) Wer das Vertrauen missbraucht und wer einen Flüchtling, der sich unter seinen Schutz gestellt, umbringt, die Beiden kommen in eine fürchterliche Hölle zu wohnen bis zum Untergang der Welt.
[323] 6206. (2855.) Was ist das für Klugheit, wenn man Menschen hintergeht, die voller Vertrauen sind? Was ist das wohl für Muth, wenn wir einen auf unserm Schoosse Schlafenden umbringen?
6207. (2856.) Nachdem man des Gegners Vertrauen durch etwas Wahres gewonnen, schlage man bei geeigneter Zeit auf ihn los, wenn sein Fuss eine kleine Bewegung macht.
6208. (5024.) Man gewinne das Vertrauen Anderer, traue aber selbst Niemanden, da man, o grosser Fürst, sogar das Vertrauen zu Söhnen nicht gutheisst.
6209. (5025.) Er (der Fürst) gewinne das Vertrauen derer, die ihm nicht trauen, und traue denen nicht zu sehr, die ihm trauen: wem er sein Vertrauen schenkt, der ist ein Gefäss der Wohlfahrt (der wird der Wohlfahrt theilhaftig).
6210. (2857.) Vertrauen ist der Wohlfahrt Wurzel; darum wird ein Elephant Führer der Heerde, darum sieht man in des Löwen Umgebung keine Thiere des Waldes, obgleich er ihr König ist.
6211. (2858.) Die sonst misstrauische Krähe sieht fremde Jungen für[324] ihre eigenen an; der Flamingo, geschickt im Scheiden von Milch und Wasser, fürchtet sich vor einer nichtigen Wolke; ein Fürst, der bei der Vorsorge für die Unterthanen seinen scharfen Verstand bethätigt, hält Reden von Bösewichtern für wahr: pfui rufe ich über die mit einem Gemisch von Klugheit und Dummheit behaftete Schöpfung des Schöpfers!
6212. Gift wird durch Gift wirkungslos, ein Diamant wird durch einen Diamanten gespalten, ein mächtiger Elephant wird nur durch einen in seiner Kraft erprobten mächtigen Elephanten getödtet.
6213. (2859.) Gift ist das Umherstreichen in der Nacht, Gift eines Fürsten Gunst, Gift auch Weiber, die ihr Herz einem Andern zugewandt haben, Gift eine Krankheit, die man nicht erkannt hat.
6214. (2860.) Wenn die Weisen sagen, der Bösewicht sei viel gefährlicher als eine Schlange, so reden sie nicht unwahr, da diese nimmer ein ganzes Geschlecht feindlich verfolgt (oder: da diese das Ichneumon zum Feinde hat), der Verräther dagegen den Gegner mitsammt seinem Geschlecht (oder: sein Geschlecht) feindlich verfolgt.
6215. Findet ein Weib einen Jüngling selbst aus verachtetem Stamme, so ist es, weil es Verlangen trägt diesem alle seine Habe zu schenken, im Stande seinen Herrn, wenn er auch der Tugendhaften Bester wäre, Gift zu reichen.
[325] 6216. (2861.) Deren Leben halte ich des Preisens werth, die Kamelen gleich fest entschlossen sind zu dem Unternehmen, an unwegsamem Orte wachsende süsse Früchte zu pflücken.
6217. (2863.) Fürsten wie Berge sind uneben, hart, Zufluchtsstätten für ganz Niedrige und Dumme (Behälter für stets herabfliessendes Wasser) und von raubgierigen Geschöpfen umlagert.
6218. (2862.) Wenn ein Mensch in eine schlimme Lage geräth, tadelt er heftig die Götter und erkennt als Thor nicht die Sündhaftigkeit seiner Handlungen.
6219. (2864.) Wem jagen Bösewichter nicht Furcht ein, da sie gefährlich, von schmutziger Gesinnung, zweizüngig wie die Schlangen sind und stets der Menschen Leben bedrohen?
6220. (2865.) Wie ja das gefährliche Krokodil, wenn es das Wasser verlässt, machtlos ist, so ist gewiss auch ein Löwe, wenn er aus dem Walde herausgeht, nicht schlimmer als ein Schakal.
[326] 6221. (2866.) Stehe ab, stehe ab, o Herz, von der Berührung mit dieser Sinnenwelt, einer wahren Schlange: sie strotzt von Uebeln, wie diese von Zähnen, und ihr beiderseitiges böses Treiben thut sich kund durch die Entlassung eines gefährlichen Giftes. Wegen der geringen Sinnenlust, des Edelsteins (im Kopfe der Schlange), begehe keine Unbesonnenheit!
6222. (2867.) Aus Verlangen nach einer leckeren Speise, der Sinnenwelt, treibt das Herz die Sinne an. Dieses halte man alles Ernstes zurück: ist dieses besiegt, so hat man auch die Sinne besiegt.
6223. Wer der Sinnenwelt fröhnt, schwankt ob des Dunkels vor seinen Augen und sieht den edlen Mann nicht; der Reine dagegen sieht immer und immer wieder den Unglücklichen und den Würdigen.
6224. (5026.) Eine Freude, die aus der Berührung der Sinne mit der Sinnenwelt hervorgeht und am Anfange wie Nektar, am Schluss wie Gift erscheint, nennt man eine leidenschaftliche.
6225. Zwischen Gift und der Sinnenwelt besteht ein gar grosser Unterschied: Gift tödtet, wenn es genossen wird, die Sinnenwelt aber sogar dann, wenn man ihrer gedenkt.
[327] 6226. (2868.) Wie eine Schlange ohne Gift und wie ein Elephant ohne Brunstsaft, so wird ein Fürst ohne Burg Jedermann zu Willen.
6227. (2869.) Selbst aus Gift darf man Nektar gewinnen, selbst von einem Unreinen Gold, selbst von einem niedrigen Manne die höchste Wissenschaft und selbst aus einem niedrigen Geschlecht eine Perle von Weib entgegennehmen.
6228. (2870.) Selbst aus Gift darf man Nektar gewinnen, selbst von einem Knaben einen schönen Ausspruch, selbst von einem Feinde gutes Betragen, und selbst von einem Unreinen Gold annehmen.
6229. Was ist schlimmer als Gift? Die gesammte Sinnenwelt. Wer ist stets betrübt? Der an der Sinnenwelt hängt. Wer ist glücklich? Der Andern Hilfe leistet. Wer verdient geehrt zu werden? Der in Gott eine Wahrheit sieht.
6230. (2871.) Parîkshiti hörte zu, wenn von Vishnu geredet wurde,[328] Vjâsa's Sohn Çuka erzählte von ihm, Prahlâda gedachte seiner, Lakshmî verehrte seine Füsse, Pṛthu ehrte ihn, Akrûra begrüsste ihn, der Affen Fürst Hanumant war sein Knecht, Arģuna sein Freund, Bali bot ihm alle seine Habe und sein Leben an: ewige Glückseligkeit ist ihr Los dafür.
6231. (2872.) Dieses Grames Fieber verbreitet sich wie des Giftes Feuer, versengt die Gelenke wie Feuer im Walde, verursacht heftige Schmerzen, reibt den Körper vollständig auf, raubt die Urtheilskraft, ruft im Herzen die Verirrung wach und verzehrt, o Weh, gewaltsam das Leben.
6232. (2873.) Wie ein mit wild gewordenen Rossen ohne Lenker dahin eilender Wagen zu Grunde geht, so ein Reich ohne einen Fürsten.
6233. (2874.) Vorzügliche Menschen entledigen sich ohne zu prahlen ihres Zornes, wie Schlangen ihres Giftes; gemeine Menschen gleichen den Trommeln: sie sind leer im Innern, machen aber viel Lärm.
6234. (2875.) Gieb auf, o Schöne, die Furcht vor der Vereinigung mit dem, der ja seit lange darauf harrt, dir seine Neigung zu bezeigen. Während ich den Mangobaum vorstelle, übernimm du die Rolle der Winde Atimuktâ.
[329] 6235. (2876.) Gute Menschen werfen wie eine Wanne das Schlechte bei Seite und behalten das Gute; böse Menschen dagegen behalten ja wie ein Sieb das Schlechte und lassen das Gute fahren.
6236. (5027.) Wie mondlose Nächte und blüthenlose Bäume, so sind die Länder und Gegenden, die des Heil bringenden Gañgâ-Wassers ermangeln.
6237. (2877.) Der Fischer Liebesgott hat hier im Meere, der Welt, eine Angel, Weib genannt, ausgeworfen, an der er die Fische, die Männer, die nach dem Köder, den Lippen des Weibes, begierig sind, alsbald aus dem Wasser zieht und am Feuer der Liebe brät.
6238. (2878.) Der Busen da hat bereits einen grossen Umfang, ist aber noch nicht zu der ihm angemessenen Höhe gelangt; die drei Falten (oberhalb des Nabels) sind schon durch Linien bezeichnet, aber die Vertiefungen und Erhöhungen treten noch nicht deutlich hervor; auf der Mitte ihres Leibes ist eine gerade, lange, in's Braune fallende Härchenreihe schon da: wir sehen das reizende Alter, ein Gemisch von Kindheit und Jungfräulichkeit, vor uns.
[330] 6239. (5028.) Geräumigkeit, grosse Ungleichheit des Bodens, Vorrath an Wasser, Korn und Brennholz, ein Eingang und ein Ausgang, dieses sind die sieben Vorzüge einer Burg.
6240. (2879.) Bevor Männer, die mit Leidenschaft nach Ehre, Hochmuth und Gewalt streben, ihre Pläne ausgeführt haben, die nur durch grossen Unternehmungsgeist zu Stande gebracht werden können und daher grossartig sind, die geliebte Personen mit ihren Segenswünschen begleiten, die einen hohen Grad von Klugheit und rascher Entschlossenheit erfordern und zu einer den Wünschen entsprechenden angesehenen Stellung führen, – wie kann, so frage ich, bevor solche Pläne ausgeführt sind, ein ungestümes Herz Wohlbehagen empfinden, da dieses als Musse sich äussert?
6241. (2880.) Verblüfftheit soll man stets zu meiden suchen, da sie ein Hinderniss für jegliches Werk ist; darum gebe man die Verblüfftheit auf und vollbringe, was zu vollbringen ist.
6242. (5029.) Durch Nichtbefolgung vorgeschriebener Handlungen und durch Vollziehung verbotener, und durch Nichtbezähmung der Sinne gelangt der Mensch zum Falle.
Stenzler.
[331] 6243. Meine Schwieger kann nicht sehen (ist blind), mein Gatte ist in weite Ferne gezogen, ich bin eine junge Frau und allein: wie kannst du (o Wanderer) hier die Nacht verbleiben?
6244. (2881.) Diese Arzenei, die ein göttliches Auge schaute, ist Leidenschaftlichen zu empfehlen: zuvörderst besiege man den Neid, darauf die Leidenschaft; die Erwartung flieht dann von selbst.
6245. (2882.) Zu dem, der keinen bösen Neigungen fröhnt, zu dem Unermüdlichen, zum Standhaften und zum Klugen kommen die Glücksgüter wie zum Meere die Flüsse.
6246. (2883.) Vögel verlassen einen Baum, wenn er keine Früchte mehr hat, Kraniche verlassen einen ausgetrockneten See, Bienen eine verwelkte Blume, Gazellen einen verbrannten Wald, Buhldirnen einen Mann ohne Geld, Minister einen gefallenen König: Jedermann fühlt sich für Etwas zu Etwas hingezogen; wer ist dem Andern (an und für sich) lieb?
6247. Wo die Geliebte ist, sei es auch an der Wurzel eines Baumes, da ist das Haus; sogar ein Palast gilt für eine Wildniss, wenn sie dort fehlt.
[332] 6248. (2884.) Wenn man dadurch in den Himmel gelangt, dass man (wie es beim Opfer geschieht) Bäume fällt, Thiere tödtet und Blutlachen entstehen lässt, wer fährt dann zur Hölle?
6249. (2885.) Wer auf Eroberung ausgeht, der muss den Feind tödten, hätte er sich auch nur hinter einem Zaun verkrochen, wie viel mehr, wenn er sich in einer mit allem Erforderlichen wohl ausgestatteten Burg verschanzt hat.
6250. (5030.) Den Lebenswandel soll man sorgfältig hüten, Reichthümer kommen und gehen: wer seine Reichthümer verliert, ist noch nicht verloren; wer aber um seinen guten Wandel gekommen ist, der ist um Alles gekommen.
6251. Der Lebenswandel muss sorgfältig gehütet werden, zumahl von einem Brahmanen: wer seinen guten Wandel bewahrt hat, der ist noch nicht verloren; wer aber um seinen guten Wandel gekommen ist, der ist um Alles gekommen.
6252. (2886.) Ein Fürst, dem es um Nachrichten von etwas Geschehenem zu thun ist, soll zwei Kundschafter ausschicken: geht der Eine verloren, so bringt der Andere die Kundschaft.
[333] 6253. (2887.) Der Beschränkte hält grosse Stücke auf seine Art und Weise zu sein, bewirkt durch Beileidsbezeugungen Trauer im Herzen (des Leidenden), spottet offen der Tüchtigkeit (des Andern) und singt sein eigenes Lob, spricht, indem er den Unfall (des Andern) für dauernd erklärt, von Anwendung schlechter Mittel: kurz, der gemeine Mann hört den Andern nur über ein Leid klagen und verursacht ihm statt dessen die quälendste Pein.
6254. (2888.) Daher kommt es, dass Verständige, so lange sie leben, Freuden und Leiden im Herzen zurückhalten und dass erst nach ihrem Tode der Scheiterhaufen diese verbrennt.
6255. (2889.) Wegen des Lebensunterhalts soll man sich nicht gar zu sehr abmühen, da schon der Schöpfer für ihn gesorgt hat: kaum ist das Kind aus dem Mutterleibe getreten, so fliessen schon die Brüste der Mutter.
6256. Unnütz ist der Regen dem Meere, unnütz die Speise dem Satten, unnütz die Gabe dem Reichen, unnütz die Wohlthat dem Gemeinen.
6257. Unnütz ist der Regen dem Meere, unnütz die Speise dem Satten, unnütz die Spende dem Reichen, unnütz die Jugend dem Armen.
[334] 6258. (2890.) Unnütz ist der Regen den Meeren, unnütz die Speise dem Satten, unnütz die Gabe dem Reichen, unnütz der Schmuck dem Helden.
6259. (5031.) Unnütz ist der Regen den Meeren, unnütz die Speise den Satten, unnütz die Gabe den Reichen, unnütz auch die Lampe am Tage.
6260. (5032.) Im Alter ein Weib nehmen, sein Geld in die Hände von Verwandten geben und von fremdem Tische essen, durch diese drei Sachen setzen Männer sich dem Gespötte aus.
6261. Den Rath eines Bejahrten soll man stets befolgen, zumahl wenn man mit Vorzügen reich ausgestattet ist: sieh, Flamingos, die in einem Walde gefangen waren, wurden durch den Rath eines Bejahrten befreit.
6262. (2891.) Eines Bejahrten Rath soll man annehmen, wenn die Zeit der Noth gekommen ist; sonst überall mit Bedacht, beim Essen und beim Liebesgenuss aber nie und nimmer.
[335] 6263. Wenn man dem Bösewicht nicht wehrt, ist das Herz der Menschen wie das alter Thiere, o grosser Fürst, in Unruhe und Sorgen.
6264. Eine lange am Himmel stehende Sonne, Rauch von Opfern, ein junges Weib, reines Wasser und der Genuss von Reis mit Milch zur Nacht verlängern das Leben von Tag zu Tag.
6265. Ein Fürst, der bejahrten und erfahrenen Leuten huldigt, steht bei Guten in Ehren und giebt sich nicht Uebelthaten hin, würde er auch von Bösewichtern dazu angetrieben.
6266. (2892.) Bejahrte Eltern, ein treues Weib und ein unerwachsener Sohn müssen ernährt werden, hätten sie auch hundert Uebelthaten vollbracht: so hat Manu erklärt.
6267. Ein Ross nimmt einen Ansatz zu raschem Laufe, aber die Beine laufen nicht in entsprechender Weise, weil dem Thiere der Athem ausgeht: die unsteten Triebe eines Mannes laufen in allen Richtungen aus, kehren aber darauf, ermüdet, wieder in's Herz zurück.
[336] 6268. Die heilige Weisheit wurzelt im Veda, das Haus in der Gattin, das Korn im Ackerbau, diese Welt im Gelde.
6269. (2893.) Wer den Veda und die dazu gehörigen Schriften gründlich kennt, dem Gebet und den Opfern fleissig obliegt und beständig Segenssprüehe im Munde führt, der eignet sich zu eines Fürsten Hauspriester.
6270. (5033.) Ein Brahmane, der den Veda und die dazu gehörigen Schriften gründlich kennt, wird überall geehrt; ein Brahmane aber, der nicht studirt, ist eine traurige Erscheinung in der Gesellschaft.
6271. Wenn der Veda, die kanonischen Werke und die Purâna, o Schöne, Wahrheit lehren, dann erfolgt, o Weib, unsere Vereinigung erst in der Hölle Kumbhîpâka.
6272. (5034.) Eine Autorität sind die Veda, eine Autorität die Gesetzbücher, eine Autorität ein Ausspruch, der Gutes und Nützliches enthält; für den keine Autorität eine Autorität ist, wer möchte dessen Ausspruch für eine Autorität halten?
[337] 6273. (5035.) In einem Lande ohne Fürsten lesen Brahmanen nicht den Veda, fühlen auch kein Wohlbehagen und erfreuen sich auch nicht, an Erzählungen gewöhnt, an Erzählungen.
6274. Man soll die Freunde kennen lernen und auch die Feinde erkennen; diese Meinung der Klugen erweist sich hier in der Welt als gar fein.
6275. (2894.) Man lese beständig den Veda, vollbringe, wie es sich gebührt, die darin gelehrten Werke, bezeige dadurch seine Verehrung dem Herrn (Çiva), gebe die Gedanken an Liebe auf, schüttele die vielen Sünden von sich ab, richte seine Aufmerksamkeit auf die Uebel in den Freuden der Welt, beharre in dem Verlangen nach der Allseele und verlasse eiligst sein Haus.
6276. (2895.) Zweimal beging der Schöpfer einen Irrthum: indem er das Weib und indem er das Gold schuf. Wer weder an jenem, noch an diesem hängt, ist der leibhaftige Çiva in Menschengestalt.
6277. (2896.) Brahman ist von Schmerzen heimgesucht (ist von Wissen[338] durchdrungen), auch Vishṇu hat eine Krankheit an der Lippe (trägt eine Keule), Çiva hat Leibschneiden (trägt einen Speer) und giebt sich der Verzweiflung hin (isst Gitt, hat Gift verschluckt): mit wem soll man den Fürsten vergleichen?
6278. Niedrige Männer, die mit fremden Frauen, wie Buhldirnen und andere, Umgang pflegen, werden in der Hölle von Frauen aus glühendem Eisen umfangen.
6279. (5036.) Der Reiz der Zuneigung einer Buhldirne, des Lichtes eines Regenbogens, der Farbe von Gelbwurz und eines noch so hinreissenden Gesanges eines einfallenden Chors wird durch die schnelle Vergänglichkeit geschmälert.
6280. (2897.) Die Buhldirne da ist des Liebesgottes Flamme, mit dem Brennstoff der Schönheit genährt, in der Verliebte Jugend und Schätze opfern.
6281. Der Fürsten Glück gleicht einer Buhldirne: es ist überaus unstät und muss mit Gewalt genossen werden. Der Kaufleute Glück dagegen gleicht einem treuen Weibe: es ist beständig und geht zu keinem Andern.
6282. (5037.) Man ahme den Anzug und die Sprache des Fürsten nicht nach; denn der Kluge soll mit dem Fürsten nicht wetteifern, besässe er auch seine Vorzüge.
[339] 6283. (2898.) Schwäche der Glieder, Fallen zur Erde, ungebührliches Schwatzen: alle Zeichen eines fieberhaften Zustandes bringt der Wein hervor.
6284. (2899.) Einen dem Trunk ergebenen Arzt, einen Schauspieler, der seine Rolle schlecht gelernt hat, einen Brahmanen, der nicht betet, einen Feigling in der Schlacht, ein Pferd, das nicht mehr rasch laufen kann, einen Thoren, der als Bettler wandert, einen von schlechten Ministern umgebenen Fürsten, ein von Uebeln heimgesuchtes Land und eine auf ihre Jugend stolze Gattin, die mit einem Andern buhlt, lassen Verständige alsbald fahren.
6285. (2900.) Aerzte, Sterndeuter und Lehrer, als Späher angestellt, kennen Alles auf der eigenen Seite, wie Schlangenzähmer und Verrückte Alles auf der Feinde Seite.
6286. Ein Arzt ohne Urtheil, eine Frau aus guter Familie ohne Schamgefühl, ein fetter Asket und ein boshafter Gast: diese vier machen Kopfschmerz.
[340] 6287. (2901.) Aerzte leben von einem reichen Kranken, Beamte von einem im Unglück befindlichen Fürsten, Gelehrte von Thoren, ein Fürst von Rechtenden.
6288. Aerzte erklären ein körperliches Leiden als veränderten Zustand des Schleimes, der Galle oder des Windes im Körper, Sterndeuter sagen, dass die Planeten es bewirkt hätten, Beschwörer erklären es für eine Besessenheit von bösen Geistern, ehrliche Asketen deuten es einfach als Schicksal (als Folge vorangegangener böser Handlungen).
6289. Sogar Aerzte pflegen krank zu sein, so auch Kräftige und Schwache, Reiche und Arme, und auch Eunuchen: gar seltsam ist der Wechsel der Zeiten.
6290. (2902.) Ein Fürst, dem Arzt, Lehrer und Minister stets nach dem Munde reden, kommt bald um Gesundheit, Tugend und Schatz.
6291. (5038.) Feindschaft entspringt, und dieses wissen die Weisen, aus fünferlei Ursachen: Weiber, Haus und Hof, Worte, angeborener Hass und Beleidigungen veranlassen sie.
[341] 6292. (2903.) Einer wandert in der Entsagung, ein Anderer irrt in der Lebensklugheit, ein Dritter ergötzt sich an der Liebe: auf Erden scheidet sich Einer vom Andern.
6293. Wer einem Feinde sein Vertrauen zu schenken gedenkt, der schläft auf einem Baumgipfel ein und erwacht, wenn er auf dem Boden liegt.
6294. Sogar Feinde erhalten ja die Freiheit, wenn sie am Ende des Lebens Gras essen: wie kommt es, dass das Vieh, das beständig Gras frisst, getödtet wird?
6295. Verstümmelung, Geisselung, Abscheeren der Haupthaare und Brandmarkung, diese Strafen verdient ja derjenige, der rauhe Reden führt; doch steht in keinem Buche geschrieben, dass ein Gesandter gestraft würde.
6296. (2904.) Edle und tugendhafte Frauen behüten sich selbt, geriethen sie auch in eine schwierige Lage, und gewinnen den Himmel, daran ist nicht zu zweifeln.
[342] 6297. (2905.) Wer beständig in der Armuth Finsterniss gehüllt ist, den sieht sogar am hellen Tage, stände er auch vor Einem, Niemand trotz aller Mühe.
6298. (2906.) Die Pubes einer Jungfrau vernichtet einen Ahnen, die Brüste vernichten einen Nachkommen, der Liebesgenuss erwünschte Welten, die Menses den Vater. (Ein Mädchen soll vor der Pubertät verheirathet werden.)
6299. (2907.) Mit dem Erscheinen der Pubes geniesst ja Soma das Mädchen, mit dem Erscheinen der Brüste geniessen es die Gandharva, in den Menses ruht der Feuergott.
6300. (2908.) Darum verheirathe man eine Tochter, sobald sie die Menses hat: man empfiehlt aber auch die Heirath eines achtjährigen Mädchens.
6301. (5039.) Dieser beständige Wechsel der lichten und dunklen Hälfte des Monats, der für keinen Augenblick unterbrochen wird, macht ja die Menschen altern von dem Augenblick an, dass sie geboren werden.
6302. (2909.) Arme Leute regen nur, wie Wittwen aus edlem Geschlecht, das Herz mit Hunderten von Wünschen auf, indem sie nie zur Befriedigung derselben gelangen.
[343] 6303. (5040.) Ohne Rücksicht darauf, dass man durch mannichfache Wünsche aufgeregt wird, ausser sich ist, am Leben hängt und widerstrebt, wird man zum Untergang fortgerissen.
6304. (2910.) Beruft man sich auf Grosse, so gelingt eine Sache auf's Beste: die Häschen leben froh und zufrieden, weil sie sich auf den Mond beriefen.
6305. Man wendet sich an den Guten, hätte er auch Alles verausgabt, seiner Werke wegen: die Welt der Götter ist doch schöner als die der Menschen, obgleich die Häuser der Menschen von Reichthum strotzen, die der Götter dagegen den Wohnungen auf einer Leichenstätte ähnlich sehen.
6306. (2911.) Ein Verschwender geräth, wäre er auch der Gott des Reichthums, leicht in Armuth: selbst das Leben, nimmer aber Geld sollen Reiche Bettlern hingeben.
[344] 6307. Wird ein Schatz verausgabt, verschleudert, verzehrt, nicht gehäuft, gestohlen oder befindet er sich in weiter Entfernung, so nennt man dieses sein Verderben.
6308. Wer anders als ein Sohn wird des Vaters Unglück, es sei klein oder gross, vertreiben, wie Dhanvantari eine Wunde.
6309. Derjenige Sohn aber, der nicht unverdrossen des Sohnes Pflicht am Vater thut, der reinigt sich nicht, eben so wenig wie ein Reicher, der keine frommen Handlungen vollbringt.
6310. (2912.) Wenn ein Fürst in seiner Bethörung sich bösen Neigungen hingiebt, dann sollen ihn die Diener nach der in den Lehrbüchern vorgeschriebenen Weise alles Ernstes davon zurückhalten.
6311. (2913.) Wer, wenn er in's Unglück geräth, in seiner Bethörung nur wehklagt, der vermehrt nur das Uebel, gelangt aber nimmer an's Ende desselben.
6312. In hunderterlei Unglück gerathene, von Leiden und Liebe heimgesuchte,[345] von Todesfurcht geschlagene, von Schmerz und Trauer gequälte allerlei von diesen oder jenen Gefühlen beherrschte, zufluchtslose Menschen haben ja in der Welt keine andere Zuflucht als die Tugend.
6313. (5041.) Ein lasterhaftes Leben ist schlimmer, als der Tod: der Lasterhafte sinkt stets tiefer und tiefer zur Hölle; wer sich aber dem Laster nicht hingiebt, der geht nach dem Tode zum Himmel ein.
6314. (2914.) Unmittelbar nach einem Unglück erscheint uns auch eine ganz kleine Freude bedeutend: wer vorher etwas Zusammenziehendes genossen hat, findet Wasser überaus süss.
6315. Wer einem im Unglück leidenden Freunde nicht beispringt, indem er ihn nach Kräften tröstet, den halten Weise für niederträchtig.
6316. Im Unglück, in einer verwickelten Angelegenheit oder in einer das Leben bedrohenden Gefahr denkt der Standhafte mit seinem Verstande nach und lässt den Muth nicht sinken.
6317. Wer bei Unglücksfällen ruhig bleibt, selbst im Wohlstande sich nicht überhebt und in Gefahren nicht feig ist, der ist weise und hat die Welt erobert.
[346] 6318. (2915.) Wer bei allen Unglücksfällen seine Geistesgegenwart bewahrt, des kommt mittels dieser glücklich über jene hinweg.
6319. Ist das Unglück da, dann schliesse man mit dem ersten Besten ein Bündniss, wie es ehemals Râma, der Sohn Daçaratha's, mit den Bären und den verschiedenen Affen that.
6320. (5042.) Welche eigene Angelegenheiten gelingen nicht, ohne dass man sich abzumühen brauchte, denen, welche Andere in's Unglück gehen lassen und dabei auf ihrer Hut sind?
6321. (5043.) Die Freude, die ein von seinen bösen Neigungen gequälter, am Rande des Verderbens stehender Mann beim Anblick der Gañgâ empfindet, entfernt von ihm diese bösen Neigungen.
6322. (2916.) Löwen mit zottigen Mähnen und offenem Rachen, Elephanten, die mit Streifen reichlich fliessenden Brunstsaftes prangen, kluge Männer und Helden in der Schlacht werden in Gegenwart von Frauen zu erbärmlichen Feiglingen.
[347] 6323. (2917.) Das Greisenalter steht drohend da wie eine Tigerin Krankheiten stürmen wie Feinde auf den Körper ein, das Leben verrinnt wie Wasser aus einem zerbrochenen Kruge; dass die Welt dennoch Böses thut, ist ein Wunder.
6324. Man sagt, dass ein Vermögen durch Betrug sich verdoppele, durch Entschlossenheit sich vervierfache, durch Ackerbau sich verhundertfache; wird es Würdigen verschenkt, so vervielfacht es sich, wie man meint, in's Unendliche.
6325. (2918.) Ein Traum, den ein kranker, betrübter, von Schmerzen verzehrter, von Liebe geplagter und ein trunkener Mensch hat, geht nimmer in Erfüllung.
6326. (5044.) Den Schmerz derer, die durch Krankheiten gemartert werden, entfernen Aerzte trotz aller Mühe doch nicht, opferten jene auch vieles Geld.
6327. Es drohen einem Menschen: Krankheit, Feuer, Wasser, Schwert, Hunger, Unglücksfälle, Gift, Fieber, Tod und ein Fall von einer Höhe.
6328. (5045.) Durch Krankheit, durch Berührung von etwas Unangenehmem, durch Ermüdung und durch Nichtgenuss von etwas Angenehmem, durch vier Ursachen entsteht ein körperlicher Schmerz.
[348] 6329. (2919.) Wie ein Schlangenfänger mit Gewalt eine Schlange aus einer Höhle zieht, so zieht ein Weib ihren Gatten hinauf (in den Himmel) und geniesst mit ihm der Freuden.
6330. (2920.) Wer Böse durch Nektar träufelnde Reden auf den Pfad der Guten zu führen im Sinne hat, der schickt sich an, einen störrigen Elephanten mit Bindfäden von jungen Lotuswurzeln zurückzuhalten, der rüstet sich einen Demant mit dem Rande einer Çi rîsha-Blüthe zu durchschneiden, der gedenkt mit einem Tropfen Honig dem salzigen Meere Süsse zu verleihen.
6331. (5046.) Obgleich du, o Ketakî (Pandanus odoratissimus), Schlangen als Behausung dienst, keine Früchte trägst, mit Dornen versehen und krumm bist, auf sumpfigem Erdreich wächst und schwer zugänglich bist, so bist du doch Jedermann durch deinen Duft ein lieber Angehöriger: ein einziger Vorzug macht ja sämmtliche Fehler zu Nichte.
[349] 6332. (2921.) Glücklich bist du, o Ball, dass diese Schöne aus Liebe zu dir so angelegentlich sich mit dir beschäftigt: ihr schwerer Busen hüpft, ihr Haar ist in Unordnung gerathen, ihre Perlenschnur tanzt, ihre Wangen prangen mit den zitternden Ohrringen, der Lotus ihres Antlitzes ist mit Schweisstropfen bezogen, mit der Hand giebt sie dir beständig Schläge und ihr Athem ist beschleunigt.
6333. (5047.) In einem Reiche ohne Fürsten übertreten die Menschen die Schranken des Gesetzes, sind ungläubig und schamlos und führen Schreckliches im Sinne.
6334. Des Gesetzes Kundige wissen es, o Brahmane, dass es für Frauen, die Söhne haben, der grösste Lohn ist, vor dem Gatten den letzten Gang zu gehen (zu sterben).
6335. Wer einem Bösewicht eine Wohlthat er weist, pflügt in der Luft, bemüht sich ein Bild im Wasser zu mahlen und den Wind mit Wasser zu waschen.
6336. (2922.) Vögel, die nur in der Luft sich bewegen, gerathen in's Unglück; Fische werden sogar aus dem tiefen Meere heraus von geschickten[350] Leuten gefangen. Was heisst hier auf Erden dummes und was kluges Benehmen? Welchen Vortheil hat man bei Erreichung einer Stellung? Die allmächtige Zeit streckt ihre Hand nach Laune aus und erfasst sogar aus der Ferne.
6337. (2923.) Es fällt und steigt ein Mensch durch seine eigenen Handlungen, wie ja der, der einen Brunnen gräbt, und der, der einen Palast baut.
6338. (2924.) Wie die Wasser der Flüsse hinabfliessen und nicht wiederkehren, so thun es auch stets die Nächte und Tage, indem sie der Menschen Leben mit sich ziehen.
6339. Wem es um Geld zu thun ist, ergebe sich dem Handel; wem es um Wissen zu thun ist, begebe sich zu einem grossen Gelehrten; wem es um Nachkommenschaft zu thun ist, nehme die zum Beischlaf geeignete Zeit wahr; wem es um Ehre zu thun ist, begebe sich in den Dienst eines Fürsten.
6340. (2925.) Ein Weib wird, fände sie auch Gefallen an Gelübden und Fasten und wäre sie sonst noch so vorzüglich, (im Jenseits) eines schlimmen Loses theilhaftig, wenn sie dem Gatten nicht gehorcht.
6341. (5048.) Einen Karren meide man auf fünf Ellen, ein Pferd auf zehn, einen Elephanten auf tausend und einen Bösewicht schon von fern.
[351] 6342. (2926.) Wie man nicht der Vögel Spur in der Luft und nicht der Fische Spur im Wasser sieht, so ist auch der Tugendhaften Gang.
6343. Wenn man zu spenden im Stande ist und Fremden spendet, während die eigenen Angehörigen darben, so ist dieses der blosse Schein eines guten Werkes: ein Greifen nach Honig und ein Kosten von Gift.
6344. (2927.) Ein Mensch ohne Ehre und ein Grashalm haben ein gleiches Los: sie beugen sich aus Mangel an Kraft und haben ob ihrer Nichtigkeit überaus wenig Gewicht.
6345. (2928.) Ein Kluger, sei er auch mächtig, muss ja, o Fürst, stets auf einen günstigen Augenblick wartend, selbst unter winzigen, schlechten und ob ihrer verletzenden Reden schlimmen Leuten wohnen; hat nicht der übermächtige Bhîma, mit dem Löffel eifrig hantirend, von Rauch geschwärzt und mit schwerer Arbeit beschäftigt, im Palast des Fürsten der Matsja als Koch gewohnt?
[352] 6346. (5049.) Nach Kräften soll man Hilfe leisten, nimmer aber Jemanden Schaden zufügen: es giebt kein grösseres Verdienst als Hilfeleistung und keine grössere Sünde als Schadenzufügung.
6347. Der Fleissige vermag zu leben, dem Trägen aber ergeht es nicht gut; auch wird man in dieser Welt der Lebenden gewahr, dass Fleissige in der Regel auf das Wohl Anderer bedacht sind.
6348. (2929.) Dem Feuer kann man durch Wasser wehren, der Gluth der Sonne durch einen Schirm, einem brünstigen Elephanten durch einen scharfen Leithaken, einer Kuh und einem Esel durch einen Stock, einer Krankheit durch Einnehmen von Arzeneien, einem Gift durch Anwendung verschiedener Zaubersprüche: für Alles wissen die Lehrbücher Heilmittel anzugeben, für den Thoren aber giebt es keine Arzenei.
6349. Man kann zwar auf die mannichfachste Weise leben, wenn aber der Fall eintritt, dass man die angestammte Art und Weise aufgeben muss, so ist dieses schwer zu ertragen.
[353] 6350. (2930.) Einen von Feindeshand auf uns niederfallenden Hieb vermögen wir zu ertragen, nicht vermögen wir aber selbst einen kleinen Kummer, der über uns kommt, zu ertragen.
6351. Mit klarem Verstande bestimme man (bevor man zur That schreitet) das Mögliche und das Unmögliche: wenn ein Elephant gegen einen Felsen stösst, so bewirkt dieses nur einen Bruch seiner Zähne.
6352. (5050.) Wer, ohne zu wissen was möglich und was unmöglich ist, sich an etwas Unthunliches macht, der erntet Nichts als den Verlust des eigenen Lebens dabei ein.
6353. (2931.) »Ich werde dieses vollbringen können, da es unbedeutend und ohne Mühe abzumachen ist; warum soll ich darauf besondere Sorgfalt wenden?« Vernachlässigen einige Menschen fahrlässigen Sinnes unter solchen Gedanken eine Obliegenheit, so verfallen sie später in den Schmerz der Reue, der ihnen leicht zu Theil werden kann, wenn ein Ungemach sich einstellt.
6354. (2932.) Die Anmuth, aller Würde baar, erregt ja überall Verdacht:[354] einem Armen, wäre er auch zu helfen gekommen, geht man aus dem Wege.
6355. (2933.) Bei Allem auf Erden, auch bei Speise und Trank, ist Besorgniss im Spiel: worauf soll also die Thätigkeit gerichtet werden oder wie kann man überhaupt leben?
6356. (5051.) Der Falsche aber erinnert sich ja, auch wenn er die Gelegenheit dazu hat, nicht der ihm erwiesenen Wohlthat, sucht vielmehr dem Wohlthäter irgend eine Schuld anzuhängen.
6357. (2934.) Dass du, o Falscher, als du mich gerade umfangen hieltest, plötzlich, da du das Geklingel der Juwelen am Gürtel einer Anderen vernahmst, den Knoten deiner Arme löstest, wem soll ich dieses berichten, da meine Freundin, trunken von dem Gifte deiner vielen butterweichen und honigsüssen Reden, auf Nichts achtet?
6358. Hanfgemüse, gekochtes Fleisch und mit der Hand zu Butter geriebenen sauren Rahm zu gemessen, so wie mit dem Zeigefinger die Zähne zu reiben ist eben so schlimm wie der Genuss von Kuhfleisch.
[355] 6359. Hundertmal habe ich ihm, o liebe Freundin, barsche Worte gesagt, tausendmal ihn, wenn er mir zu Füssen lag, mit Fersenschlägen fortgestossen, wie oft ich aber die Brauen furchte, weiss ich im Augenblick nicht mehr; trotzdem lässt der Freche keinen Augenblick nach mich zu plagen!
6360. (2935.) Hundert Goldstücke hingeben um nicht zu streiten ist des Klugen Merkmal; sogar ohne Veranlassung Streit anfangen ist des Thoren Merkmal.
6361. (2936.) Der (Fisch) von hundertfachem Verstande ist da auf dem Kopfe (des Fischers) und der von tausendfacher Einsicht hängt (am Stricke): ich (Frosch) von einfachem Verstande spiele, o Schöne, im klaren Wasser.
6362. (5052.) Der Mann, welcher unwahr redet in Betreff eines Pferdes, richtet hundert (Verwandte) zu Grunde, tausend, wer solches in Betreff einer Kuh, sich selbst und seine Angehörigen, wer solches in Betreff eines Menschen thut.
6363. (2937.) Ein einziger Bogenschütze hält gegen hundert Stand, wenn er auf einer Mauer steht; darum empfehlen mit der Staatsweisheit vertraute Männer eine Burg.
[356] 6364. (5054.) Der Blitze Unbeständigkeit, der Schwerter Schärfe, so wie Garuda's und des Windes Geschwindigkeit ahmen die Weiber nach.
6365. Unter Hunderten wird ein Held geboren, unter Tausenden ein Kluger, unter Hunderttausenden ein beredter Mann, ein freigebiger Mann kommt vielleicht gar nicht zur Erscheinung.
6366. (5055.) Feinde und Blutsverwandte sehen die Einnahme, nicht die Ausgabe; Gleichgiltige die Einnahme und die Ausgabe; Freunde nur die Ausgabe.
6367. (2938.) Selbst Feinde bringen Segen, wenn sie mit einander streiten: ein Dieb rettete Jemanden das Leben, ein Râkshasa wiederum ein Paar Kühe.
6368. Wie der Ocean das (höllische) Feuer, so beschwichtigt ein kluger Fürst einen Feind mit Milde, auf dass dieser seinem Verlangen entsagt.
6369. (5056.) Wenn Schwache einen stärkern Feind richtig beurtheilen, dann geräth ihr nach dem Sinne der Lehrbücher entscheidender Geist nicht in's Schwanken.
[357] 6370. (2939.) Einen Feind soll man in Freundes Gestalt mit friedlichen Mitteln besänftigen und stets vor ihm sich scheuen wie vor einem Hause mit Schlangen.
6371. (2940.) Mit einem Feinde soll man kein Bündniss schliessen, sei dieses auch noch so fest geknüpft: Wasser, sei es auch noch so heiss, löscht dennoch ein Feuer aus.
6372. (2941.) Mit einem starken Feinde bringe man einen noch stärkeren Feind zusammen, da der eigenen Sache dabei nicht der geringste Nachtheil erwächst, wenn dieser zu Grunde geht.
6373. (2942.) Wer in seiner Verblendung es nicht beachtet, dass eine feindliche Partei sich verstärkt, dem schneidet diese die Wurzeln ab, wie eine Krankheit, die man hat überhand nehmen lassen.
6374. (2943.) Einen scharfen Feind vernichtet der Weise durch einen andern scharfen Feind, wie man zur Erleichterung einen Schmerzen bereitenden Dorn mit einem andern Dorn auszieht.
[358] 6375. (2944.) Nur einige wenige Kluge in der Welt treten zum Gelingen ihrer Sache als Freunde in Feindesgestalt und als Feinde in Freundesgestalt auf.
6376. Da Freunde in der Gestalt von Feinden und Feinde in der Gestalt von Freunden erscheinen, so wird man es nicht gewahr, wenn sie sich verbünden oder wenn sie in die Gewalt der Liebe oder des Zornes gerathen.
6377. Wer da versinkt oder nahe daran ist, in einen Abgrund zu stürzen, der klammere sich an das Bein des Feindes; nimmer soll man verzagen, würde Einem auch die Wurzel abgehauen.
6378. (5057.) Ein Kluger, dem es um sein Wohl zu thun ist, darf eines Feindes Worte nicht für wahr halten und nicht darauf hin mit ihm Freundschaft schliessen und sich gegen ihn gerade benehmen.
6379. (2945.) Ein Feindesrest, ein Schuldenrest und ein Feuerrest, o Fürst, sammelt sich und wächst wieder, darum soll man keinen Rest lassen.
6380. (2946.) Ein Schriftstück ist noch kein Feind und eine Mutter noch kein Freund: wer einem Andern Schmerz bereitet, den nennt man, o Fürst, Feind.
6381. (5058.) Bei einer zugleich den Feind betreffenden Angelegenheit verbinde man sich mit ihm, wenn er stärker ist, sei auf seiner Hut, verfahre in angemessener Weise und traue ihm nicht nach Erreichung des Zieles.
[359] 6382. (2947.) Wenn ein Feind flieht, giebt er sich eine Blösse; wenn er sich in den Schutz eines Andern begiebt, eine zweite; verliert er den Kopf, so geräth er in die Gewalt der Königsdiener.
6383. (5059.) Welcher Verständige möchte sich in den Bereich eines unedlen Feindes begeben, der, von Noth und Hunger geplagt, eine Speise sucht?
6384. (5060.) Vorzüge soll man sogar am Feinde anerkennen und Mängel sogar am Lehrer rügen; einem Sohne und einem Schüler aber soll man unter allen Umständen und nach Kräften sagen, was ihnen frommt.
6385. Um einen Feind zu vernichten, giebt es kein anderes Mittel als die Milde: versengt nicht ein Schneefall im Winter eine Lotuspflanze?
6386. (2948.) Wer, bevor er des Feindes Macht erkannt hat, Feindschaft mit ihm beginnt, der erfährt eine Demüthigung wie das Meer durch den Strandläufer.
[360] 6387. Wer ist unser grösster Feind? Die Liebe, der Zorn, die Unwahrheit, die Gier und die Verblendung. Was wird nimmer gesättigt? Das Herz durch Sinnengenüsse. Was ist des Schmerzes Wurzel? Die falsche Vorstellung, dass es ein Mein gebe.
6388. (5061.) Kümmere dich nicht um Feind oder Freund, um Sohn oder Verwandten, um Krieg oder Frieden: sei gegen Alles gleich gestimmt, wenn du bald in Vishnu einzugehen wünschest.
6389. (2949.) Saturn und Donnerkeil (zugleich Nicht-Saturn) vernichten den bis auf den Grund, dem du, o Fürst, zürnst; wem du aber gewogen bist, der glänzt, er sei edel oder nicht (oder: stehe in der Gewalt seines Weibes).
6390. Langsam auf der Reise, langsam bei einem geflickten Kleide, langsam beim Uebersteigen eines Gebirges, langsam in Geschäften und beim Einsammeln guter Werke: bei diesen Fünfen heisst es langsam, langsam.
6391. Langsam beim Sammeln von Reichthümern, langsam beim Erlernen einer Wissenschaft, langsam ersteige man einen Berg, langsam beim Einsammeln guter Werke und beim Genuss, langsam, langsam bei Anstrengungen.
[361] 6392. Langsam beim Erlernen einer Wissenschaft, langsam bei einem geflickten Kleide, langsam ersteige man einen Berg, langsam beim Genuss und beim Einsammeln guter Werke: bei diesen Fünfen heisst es langsam, langsam.
6393. Schau, o Laskhmaṇa, wie der überaus tugendhafte Reiher an der Pampâ, aus Besorgniss ein lebendes Wesen zu tödten, die Beine langsam und bedächtig bewegt!
6394. Aus Mitleid mit andern Geschöpfen schreitet dieser langsam und bedächtig einher: o Wunder rufe ich über das am Wasser lebende Thier, den Reiher, der so über alle Maassen tugendhaft ist!
6395. (2950.) Ganz allmählich soll man seine erworbenen Reichthümer geniessen, wie Verständige es mit dem Lebenselixir thun, nimmer aber mit einem Male.
6396. (2951.) Wer sein Reich je nach dem Ertrage ganz allmählich geniesst, wie Verständige das Lebenselixir, der gedeiht vorzüglich.
6397. (2952.) Selbst durch (falsche) Eidschwüre oder auch durch Geldspenden, durch Gift oder durch Zauberkünste soll man einen Feind aus dem Wege räumen: nimmer darf man ihn übersehen.
[362] 6398. (2953.) Man traue nicht einem Feinde, hätte er auch unter Eidschwüren Frieden geschlossen: wie überliefert wird, hat ja Indra trotz des Eides, den er geschworen hatte, Vrtra umgebracht.
6399. (2954.) Man traue nicht einem Feinde, hätte er auch unter Eidschwüren Frieden geschlossen, da Indra aus Verlangen nach der Herrschaft den Vṛtra durch (falsche) Eidschwüre in's Verderben brachte.
6400. (2955.) Vor einem blossen Tone soll man sich nicht fürchten, so lange man nicht die Ursache desselben erkannt hat: eine Kupplerin gelangte dadurch, dass sie die Ursache eines Tones in Erfahrung brachte, zu grossem Ansehen.
6401. Wer ohne die Grammatik studirt zu haben in einer Gesellschaft zu reden gedenkt, der hat ja im Sinn einen brünstigen Elephanten im Walde mit einem Lotusstengel zu fesseln.
6402. Wenn es zu hören, zu fühlen, zu sehen, zu riechen oder zu schmecken gilt, dann hat weder der Reiche noch der Arme mehr als den Genuss davon.
6403. (5062.) In den Büssern, denen innere Ruhe über Alles geht, ist[363] ja ein leicht aufloderndes Feuer verborgen; dieses geben sie, die es sonst leiden, dass man sie berührt, wie die Sûrjakânta-Steine, von sich, sobald ein anderes Feuer sich entgegensetzt.
6404. (5063.) Ein Duftelephant bezwingt schon als Kalb die übrigen Elephanten; das heftige Gift einer jungen Schlange wirkt mächtiger; ein Fürst vermag auch im Kindesalter das Land zu schützen: nicht vermöge des Alters, sondern vermöge der Geburt sind die genannten Drei ihrer Obliegenheit gewachsen.
6405. (2956.) Der Wolken Wasserstrom stillt jungen Ḱâtaka den lang anhaltenden Durst und der Weiberaugen Wasserstrom benimmt Geliebten die Reiselust.
6406. Habe Acht, dass deine Gesinnung der Art sei, dass sie mit innerer Ruhe, mit Rechtssinn und Klugheit verbunden ist. Vergänglich ist die mit Rohheit verbundene hohe Stellung, die mit Milde reichlich gesegnete aber geht auf Kinder und Kindeskinder über.
6407. (5064.) Çambara's Zauberkunst, die des Namuḱi, des Bali und auch die des Kumbhînasi, alle diese kennen die Weiber.
[364] 6408. (2957.) Ich verbeuge mich vor dem hehren Liebesgotte, der geschmückt wird durch Thaten, die Worte nicht zu schildern vermögen, und der Çiva, Brahman und Vishnu stets zu Sclaven im Hause gazellenäugiger Mädchen machte.
6409. (5065.) Die früher vollbrachte That folgt ja dem Manne nach, er mag liegen, stehen oder laufen.
6410. (2958.) Ein Rasenplatz als Lager, ein reiner Steinblock als Sitz, der Fuss eines Baumes als Wohnung, kaltes Wasser von Wasserfällen als Trank, Wurzeln als Speise, Gazellen als Gefährten. Am Walde, der allen diesen Reichthum darbietet, ohne dass man darum zu bitten braucht, ist nur der eine Fehler, dass man da, weil Bedürftige in ihm schwer anzutreffen sind, lebt ohne die Mühe der Arbeit für Andere.
6411. (2959.) Die einen Felsblock zum Lager, eine Höhle im Berge zum Hause, Baumrinde zu Kleidern, Gazellen zu Freunden, zarte Früchte von Bäumen zur Nahrung, Wasser aus Giessbächen zum behaglichen Trank[365] und für den Liebesgenuss die Wissenschaft zum Weibe haben, die sind, wie ich meine, vornehme Herren, da sie nicht im Dienst ehrerbietig die Hände über dem Kopfe zusammenzulegen brauchen.
6412. Den Weibern hat Manu das Liegen und Sitzen, den Putz, die Liebe, den Zorn, die Unredlichkeit, den Hass und den schlechten Wandel auf ihren Theil beschieden.
6413. (2960.) Glücklich sind diejenigen, denen in Gegenwart des Liebsten, wenn herbstlicher Mondschein die Finsterniss weithin verscheucht hat, eines leise tönenden Gesanges Nektar in die Ohren dringt.
6414. (2961.) Haben sich die Reichthümer als Flüchtlinge unter den Schutz des Geizhalses gestellt, dass er sie nicht fahren lässt? Oder bringen sie wie Gift den Tod, dass er sie nicht geniesst?
6415. (2962.) Ein Schutzsuchender, ein von Hunger Gequälter, ein von Feinden Verfolgter und wer lange im Hause gewohnt hat, muss von Jedermann geschützt werden.
6416. (2963.) Der Mann, der den Schutz versagt, fährt ohne Zweifel zur Hölle Kumbhîpâka: wie sollten die Götter sein Opfer und die Manen seinen Todtenkuchen entgegennehmen?
[366] 6417. (2964.) Dein Antlitz, o Schlanke, bewirkt, dass der Geliebte der zur Herbstzeit strahlenden Vollmondsnacht (d.i. der Vollmond im Herbst) eine Ohrfeige davonträgt (d.i. besiegt dasteht).
6418. (5066.) Der Frauen Gesicht ist wie ein aufgeblühter Herbstlotus, ihre Rede ist Nektar für die Ohren, ihr Herz gleicht der Schneide eines Scheermessers; wer kennt ihr Treiben?
6419. Der Jugend Schmuck ist vergänglich wie der Schatten einer Herbstwolke; die Sinnengenüsse sind am Anfange reizend, am Ende aber bereiten sie Schmerz.
6420. Es erschlafft der Leib, nicht aber das Verlangen; es vergeht die Schönheit, nicht aber die böse Gesinnung; es erscheint das Greisenalter, nicht aber die Erkenntniss: pfui rufe ich über die Natur der Menschen.
6421. (5067.) Wie durch das Peinigen des Leibes die Lebensgeister der Menschen zu Grunde gehen, so gehen durch das Peinigen des Reiches auch die Lebensgeister der Fürsten zu Grunde.
6422. (5068.) Der Erzeuger, der Lebensretter und der, dessen Brod man isst, alle diese drei werden der Reihe nach im Gesetzbuch Väter genannt.
[367] 6423. (2965.) Der Körper mag abmagern, wenn ihm die Freude die Geliebte zu umarmen versagt wird; das Auge mag sich mit Thränen füllen, weil es sie nicht ein Mal auf einen Augenblick zu sehen bekommt; du aber, o Herz, bist von der Gazellenäugigen niemals getrennt: was giebst du dich, da die Seligkeit sich dir darbietet, dem Schmerze hin?
6424. Am Leibe haftet das moralische Verdienst und darum muss er sorgfältig gehütet werden: dem Leibe entströmt das moralische Verdienst, wie einem Berge das Wasser.
6425. (5069.) Den Leib erzeugen, o Bhârata, Vater und Mutter; rein aber und nicht dem Alter und dem Tode unterworfen ist die Neugeburt, die der Unterricht des Lehrers bewirkt.
6426. (2966.) Die eigene Person ist der Sitz der Freuden und auch der Sitz der Leiden: welche That immer der Mensch in eigener Person vollbringt, deren wird er in dieser seiner Person theilhaftig (d.h. deren Folgen hat er zu tragen).
6427. (2967.) Zwischen dem Körper und den Tugenden besteht ein gewaltig grosser Unterschied: der Körper fällt nach einer kurzen Weile aus einander, die Tugenden dauern bis zum Ende der Welt.
[368] 6428. (2968.) Der Mond ist die Leuchte der Nacht, die Sonne die Leuchte bei Tagesanbruch, die Tugend die Leuchte der drei Welten, ein guter Sohn die Leuchte des Geschlechts.
6429. (2969.) Einen Splitter, der uns in's Auge gekommen ist, sehen wir nicht wegen der allzugrossen Nähe; befindet er sich aber in der Ferne, so ist er uns sichtbar, wenn er nicht gerade verdeckt wird.
6430. Der Mond schmückt die Nacht, die Nacht den Mond, Mond und Nacht den Himmel; das Wasser schmückt den Lotus, der Lotus das Wasser, Lotus und Wasser den Teich.
6431. (2970.) Dass mit dem Monde der Mondschein fortgeht, dass mit der Wolke der Blitz verschwindet und dass Weiber auf des Gatten Wege wandeln, räumen ja sogar Unvernünftige ein.
[369] 6432. (2971.) Im Monde bekanntlich ein Fleck, am Lotusstengel ein Dorn, bei Jungfrauen ein Sinken des Busens, Grauwerden der Haare, das Meerwasser ungeniessbar, beim Gelehrten Armuth, im Alter erst tüchtiger Verstand: ohne Verstand ist der Schöpfer!
6433. (2972.) Wie sich das Herz von Kälte Gequälter nicht am Monde, das von Hitze Gequälter nicht an der Sonne, so erfreut sich das Herz der Weiber nicht am Gatten, dem die Sinne durch's Alter abgestumpft sind.
6434. (2973.) Der graue Mond am Tage, eine Geliebte mit geschwundener Jugend, ein Teich ohne Wasserrosen, eines schönen Mannes Gesicht ohne Beredsamkeit, ein vor Allem auf Geld bedachter Gebieter, ein beständig in Armuth lebender Edler und ein Bösewicht am Hofe eines Fürsten sind sieben Pfeilspitzen in meinem Herzen.
6435. Ein untreues Weib denkt stets nur an Liebe und hat nimmer genug am Spiele: sie wird dadurch nur noch mehr entflammt, wie Feuer durch Opferbutter.
6436. (5070.) Dein Arm gab den Fürsten einen Schwertstreich und[370] nahm ihnen den Ruhm, an dem sie lange gesammelt hatten und der blendend weiss war wie eine Wasserlilie.
6437. (2974.) Feinde, die durch Mordwaffen erschlagen wurden, sind ja nicht erschlagen; Feinde dagegen, die durch den Verstand erschlagen wurden, sind wirklich erschlagen: eine Mordwaffe tödtet nur des Menschen Leib, der Verstand vernichtet Geschlecht, Macht und Ruhm.
6438. (2975.) Was wird ein Bösewicht dem anhaben können, der das Schwert der Gemüthsruhe in der Hand hält? Wenn Feuer nicht auf Gras fällt, erlischt es von selbst.
6439. (5071.) Keine Kasteiung kommt der Gemüthsruhe gleich, keine Freude geht über die Zufriedenheit, keine Krankheit ist schlimmer als die Gier und keine Tugend steht höher als das Mitleid.
6440. (2976.) In das ruhige, unendliche, reine geistige Wonne gewährende, wellenlose Wasser des Nektarmeeres mag der Thor, wenn er ermüdet ist, gar nicht hineingehen um davon zu schlürfen; vom nichtigen Wasser des Meeres der Täuschungen aber trinkt er, das schlürft er, in dem badet er, an dem erfreut er sich, in das taucht er unter und aus dem taucht er wieder empor.
[371] 6441. Alle von Weisen verfassten Lehrbücher sollen zu innerer Ruhe führen: daher ist derjenige, dessen Herz stets ruhig ist, ein Kenner aller Lehrbücher.
6442. Entweder dadurch dass man ihn bestraft oder dass man ihn laufen lässt, befreit sich ein Dieb von der Schuld des Diebstahls; wenn aber ein Fürst den Dieb nicht bestraft, dann ladet er dessen Sünde auf sich.
6443. (2977.) Eine Wissenschaft muss, wäre sie auch gut durchdacht, von Neuem durchdacht werden; gegen einen Fürsten muss man misstrauisch verfahren, hätte man ihn auch sich wohlgewogen gemacht; eine Jungfrau muss gehütet werden, sässe sie uns auch auf dem Schoosse: wie sollte man über eine Wissenschaft, einen Fürsten oder eine Jungfrau eine Herrschaft ausüben?
[372] 6444. Warum hast du, o unverständiger Schöpfer, nicht dafür gesorgt, dass gelehrte, überaus fromme, vielen Leuten zur Stütze gewordene, einen tugendhaften Wandel führende, Andern zu helfen sich freuende, wahre Fundgruben für das Juwel »rücksichtsvolles Benehmen«, von Jedermann wegen ihrer Vorzüge geliebte, edle Menschen, deren es auf dem Erdkreise so wenige giebt, bis an's Ende der Welt leben?
6445. (2978.) Auch der Gelehrte, auch der, dessen gesittetes Betragen weit bekannt ist, auch der, der eine Kenntniss von der Allseele besitzt, wird in dieser Welt gewiss selten eines glücklichen Loses theilhaftig, weil es hier bei Schönäugigen gebogene Brauenlianen giebt, die wie Schlüssel das Thor zur Stadt der Hölle aufschliessen.
6446. (5072.) Eine Belehrung belehrt einen dummen Menschen weder über das Bessere, noch über das Schlechtere: ein Mann von kindischem Verstande reift, o Fürst, nimmer zu einem Alten.
6447. Weisen dient ihre Gelehrsamkeit zur Erkenntniss, ihr Geld zum Spenden, ihr Leben zum Einsammeln guter Werke, ihr Körper zur Hilfeleistung.
[373] 6448. Wenn Jemand in grosser Noth eine Sache mit Hintansetzung der Aussprüche der Lehrbücher mit einem glücklichen Schlage zur Entscheidung zu bringen sucht, so ist dieses offenbar ein Zeichen von Lebensklugheit.
6449. (2979.) Es giebt Menschen, die trotz aller Bücherweisheit Thoren sind; der Mann aber, der da handelt, ist ein Weiser: auch eine wohl ausgedachte Arzenei bringt durch ihren blossen Namen Kranken noch nicht die Gesundheit wieder.
6450. Ein Gelehrter schaut mit dem Auge der Gelehrsamkeit, Fürsten schauen mit dem Auge der Politik, Brahmanen mit dem Auge der heiligen Schrift, gewöhnliche Menschen mit dem Auge des Nutzens.
6451. Vollständige Vertrautheit mit den Lehrbüchern, angeborener Verstand, Selbstvertrauen, Meisterschaft in der Rede, Berücksichtigung der Zeitumstände und Geistesgegenwart sind die alle Wünsche erfüllenden Vorzüge, wenn es zu handeln gilt.
6452. (2980.) Wenn berühmte Dichter, die eine schöne Sprache mit[374] Ausdrücken im Schmucke der Gelehrsamkeit führen und im Besitze von Lehren sind, die Schülern überliefert zu werden verdienen, im Lande eines Fürsten in Armuth leben, so zeugt dieses von der Stumpfheit des Herrschers, da gelehrte Männer auch ohne Geld grosse Herren sind: zu tadeln sind ja die Abschätzer, durch deren Schuld Edelsteine im Preise sanken.
6453. Nur die Eifersucht (des Mannes) lehrt ja die Frauen sich einem andern Manne anzuschliessen; darum soll ein Kluger sein Weib hüten ohne seine Eifersucht zu verrathen.
6454. Wenn Unterricht und Fleiss da sind, dann braucht man keinen Verstand, und wenn Unterricht und Fleiss fehlen, dann ist jener auch nicht von Nutzen.
6455. (2981.) Wie heisst die Busse, auf welchem Berge und wie lange vollzog sie der junge Papagei, dass ihm vergönnt ist in eine Bimba-Frucht, roth wie deine Lippen, o Schönantlitzige, zu beissen?
6456. (2982.) Vom Himmel auf Çiva's Haupt, von Çiva's Haupte auf[375] einen Berg (den Himâlaja), vom hohen Berge auf die Erde und von der Erde in's Meer, ganz allmählich gelangte die Gañgâ hier zu einer immer tieferen Stelle. Aber so geht es: für den, der um die richtige Einsicht gekommen ist, giebt es hundert Gelegenheiten zu Fall zu kommen.
6457. Obgleich der milde Çiva den Mond auf seinem Kopfe trägt (hoch ehrt), so schwindet dieser doch dahin: es ist, wie man sieht, eine schlimme Sache unter eines Andern Schutz zu stehen.
6458. (2983.) Selbst Haare, die man doch stets auf dem Haupte trägt (hoch in Ehren hält) und mit Liebe (Oel) pflegt, entfärben sich (werden gleichgiltig); wie sollten dieses Diener nicht thun, wenn sie nicht mit Liebe behandelt werden?
6459. Im Leben, das Weise, wie eine Çirîsha-Blüthe, ohne Mühe abzuthun vermögen, bleibt, o sieh, doch Eines übrig, wie bei jener Blüthe der Stengel, nämlich die Barmherzigkeit.
6460. Auf einen Stein Wohlgerüche aufzutragen, zu geniessen was eine Katze übrig gelassen hat und sein Abbild im Wasser zu betrachten, könnte selbst Indra die Herrlichkeit rauben.
[376] 6461. Ein Handwerk, eine gute Gemüthsart, Fleiss, Klugheit und Gewinnung eines Freundes, diese fünf Dinge, die kein Dieb zu stehlen vermag, bilden einen unvergänglichen Schatz.
6462. (2984.) Ein blosses Gedenken Çiva's hebt das Leben und den Tod auf: eine Wolkenmasse ist gar wohl geeignet einen fürchterlichen Waldbrand auszulöschen.
6463. (2985.) Ein Mann ohne Urtheilskraft, ein Gewaltthätiger und ein Undankbarer wird sogar von Wohlgesitteten im Stich gelassen, wie viel mehr von solchen, die gehätschelt sein wollen. So verlässt auch ein Weib einen Mann, der nur an sich denkt.
6464. Der Schüler Gottheit ist der Lehrer, des Lehrers Gottheit das Wissen, der Weiber Gottheit der Gatte, der Menschen Gottheit der Brahmane.
6465. (2986.) Wenn ein Mann da, wo es rasch zu handeln gilt, lange zögert, dann legt seine Gottheit aus Aerger seiner Sache ein Hinderniss in den Weg.
[377] 6466. (5073.) Brahmanen, die sich vor Kälte, Krieger, die sich vor Kampf, und eine Frau, die sich vor Feuer (d.i. vor dem Scheiterhaufen) fürchtet, diese drei kommen ja nicht in den Himmel.
6467. (2987.) Wenn ein Weiser auch nur die Hälfte der Leiden wie Kälte, Wind und Hitze, die Diener geduldig ertragen, als fromme Kasteiung überwunden hat, dann ist er froh.
6468. Dein Antlitz ist der Mond, deine Augen blaue Wasserlilien, deine Hände gleichen Lotusen, deine Schenkel zwei jungen Pisang-Bäumen, deine Arme Lotuswurzeln: o du, deren sämmtliche Theile des Körpers auf diese Weise Wonne bereiten, umschlinge mich schnell ohne Zagen, komme, o komme und kühle meine von Liebesgluth gequälten Glieder!
6469. (2988.) Leiden wie Kälte, Hitze und dergleichen mehr, die ein Diener erträgt, genügen, wenn er nicht von der Tugend lässt, noch nicht zum Reichwerden.
6470. Frei ist Çiva von den sechs im Menschen wüthenden Wogen: Von Kälte und Hitze, den Wogen des Leibes, von Gier und Irrthum, den Wogen des Geistes, und von Hunger und Durst, den Wogen des Lebens.
[378] 6471. (2989.) Sich warm zu kleiden, wenn die Kälte vorüber ist, zu essen am Ende des Tages, mit einer Lotusäugigen am Ende der Nacht ein Spiel zu beginnen, zu heirathen am Ende der Jugend, einen Damm zu bauen, wenn sich das Wasser verlaufen hat, an den Stand der Gestirne erst nach der Abreise zu denken: alles dieses ist fruchtlos, da die Zeit, die jedes dieser Dinge erfordert, vorüber ist.
6472. (2990.) »Da ist Jemand, der das laute Beben der Lippen lehrt, der sie verwundet und die Haut schauern macht«. »Hat sich ein artiger Städter zu uns gesellt?« »Nicht doch, nicht doch, o Freundin, es ist der winterliche Wind.«
6473. (2991.) Wer die Buchstaben mit Köpfchen, voll, in gerader Linie und gleichmässig zu schreiben versteht, der gilt für einen ausgezeichneten Schreiber.
6474. (2992.) Eine edle Gemüthsart, Ehrlichkeit, Nachsicht, ein rücksichtsvolles Benehmen, Liebenswürdigkeit, Adel der Geburt: alles dieses tritt ja bei einem Manne ohne Geld nicht hervor.
6475. Eine edle Gemüthsart ist das Vornehmste, nimmer aber Adel der Geburt; was nützt Einem der Adel der Geburt, wenn er nicht mit edler Gemüthsart[379] verbunden ist? Charakterfeste Menschen, aus niedrigem Geschlecht entsprossen, sind ohne Vermögen in den Himmel gekommen, wenn sie im Besitz einer edlen Gemüthsart waren.
6476. (2993.) Eine edle Gemüthsart ist das Vornehmste beim Menschen: wem diese hier im Leben verloren geht, was nützen dem Leben, Reichthümer und Angehörige?
6477. Wer eine edle Gemüthsart und ein gutes Benehmen zeigt, klug ist, alle Juwele zu schätzen versteht, ehrlich und treu ist, den nennt man einen (wahren) Schatzmeister.
6478. (5074.) Die lichte Hälfte eines Monats bewirkt ein Wachsen des Mondes, der Mond ein Wachsen der Liebe, die Liebe ein Wachsen der Leidenschaft, die Leidenschaft ein Wachsen der Pracht des Liebesfestes junger Leute.
6479. (2994.) Erwäge doch, in wie vielerlei Lagen dieser Leib nicht geräth, dieser Leib, der ein Gefäss für die Trauer, eine blosse Umwandlung von Erde, ein Gehäufe unreiner Stoffe ist! Schickt es sich demnach für Kluge, dass sie auch nur einen Augenblick auf ihn Rücksicht nehmen? Heisst das nicht sich selbst beschimpfen, wenn man um das Ich so ängstlich besorgt ist?
[380] 6480. (2995.) Ehrlichkeit, Freigebigkeit, Muth, Theilnahme an Freuden und Leiden, Anhänglichkeit Rührigkeit nnd Wahrhaftigkeit sind die Tugenden eines Freundes.
6481. (2996.) Rein ist Wasser, das auf dem Erdboden steht, rein eine treue Gattin, rein ein Schutz verleihender Fürst, rein ein genügsamer Brahmane,
6482. (2997.) stets rein ist der Weiber Mund, ein Vogel, wenn er eine Frucht herabwirft, ein Kalb, wenn es an den Zitzen saugt und auch ein Hund ist rein, wenn er Wild packt (d.i. ein Vogel verunreinigt nicht die Frucht, die er herabwirft, u.s.w.).
6483. Η γῆ καϑασά ἐστιν ᾀεὶ, εἰ μή τις προσείη ἀκαϑαρσία ἐκτὸς οὖν τῆς ἐνούσης ἐϖούσης ἀκαϑαρσίας, πᾶς τις τόπος τῆς γῆς καϑαρός ἐστιν ᾀεί.
Galanos.
6484. (5075.) Ein reines Wissen schmückt den Körper, Ruhe des Gemüths ist eine Zierde des Wissens, Heldenmuth ist ein Schmuck der Ruhe und der Heldenmuth hat das durch Klugheit zu Wege gebrachte Gelingen zu seinem Schmuck.
[381] 6485. (2998.) Eine Gazelle, die sich von reinen Grasspitzen nährt und in weite Fernen zu laufen im Stande ist, sucht durch eines Jägers Hand den Tod, weil sie nach Gesang Verlangen trägt.
6486. (2999.) Als ich nach reiflicher Ueberlegung den Gebrauch einer Latwerge aus Ingwer und Kuhauge verordnete, da verdrehte er dieses und reichte mir, o höret, nur das Auge einer Kuh. Nicht Vortheil, nicht Freude, nicht Ruhm erntet man im Hause eines Thoren: für den ausgezeichneten Arzt (Dhanvantari), der zugleich Dichter und Fürst, Vishnu und Çiva war, wäre der einzige Gewinn ein an einer Kuh verübter Mord!
6487. (5076.) Ein Leben ohne Wissen ist nutzlos wie des Hundes Ruthe, die weder die Schamtheile zu verdecken, noch Bremsen abzuwehren vermag.
6488. Erblickt man einen Hund, so ist kein Stein da; erblickt man einen Stein, so wird man keines Hundes gewahr; wo man Hund und Stein zugleich erblickt, da soll des Fürsten Hund sein. Was fangen wir nun an?
[382] 6489. (3000.) Ein gutes wie ein böses Werk wartet auf die Zeit der Früchte: nur im Herbst reift schnell der Reis, nimmer im Frühling.
6490. (3002.) Gutes wie Böses, das in der Menschen Herzen ruht, kann man, sei es auch gut geborgen, aus den Reden im Traume und im Rausche erfahren.
6491. Wer ein ausgesprochenes Wort, es sei gut oder böse, zur Wahrheit macht, der ist ein wahrer Mann, der beste Mensch.
6492. (3001.) Gutes wie Böses, Unangenehmes wie Liebes sage man ungefragt dem, dem man eine Demüthigung ersparen will.
6493. Hat ein Mann eine gute oder eine böse That vollbracht, so hat er als Vollbringer derselben den Lohn dafür zu erwarten. Dieses Lohnes wird er auch wider seinen Willen theilhaftig; denn wie sollte ein Mensch sich von ihm befreien können?
6494. (5077.) Eine gute That erzeugt Wohlbehagen, eine schlechte Unbehagen: was man gethan hat, trägt immer Früchte; nimmer geniesst man die Früchte dessen, was man nicht gethan hat.
[383] 6495. (3003.) Ein blendend weisser Palast, gefallsüchtige Jungfrauen und ein durch einen weissen Sonnenschirm strahlendes Glück (d.i. Herrschaft, Königthum) werden, als wären sie von Bestand, genossen, so lange gute Werke im Ueberfluss da sind; ist der Vorrath an diesen zu Ende, sieh, so fliegt alles dies nach allen Weltgegenden, plötzlich auseinanderfallend, davon wie ein Perlenschmuck, an dem beim scherzhaften Liebesstreit die Schnur zerreisst.
6496. (3004.) Ein Weib habe seine Freude an dem, was dem Gatten lieb und förderlich ist, und leiste ihm unbedingten Gehorsam: dies ist des Weibes ewiges Gesetz, wie es die heiligen Schriften offenbaren und menschliche Satzungen lehren.
6497. (3008.) Dürres Holz, Erdklösse und auch Staub kann man noch gebrauchen, Fürsten aber, die um ihre Stellung kamen, kann man zu Nichts mehr gebrauchen.
6498. (3005.) Gedörrtes Fleisch, alte Frauen, die junge Sonne, eben sauer gewordene Milch, Beischlaf und Schlaf am frühen Morgen, diese sechs Dinge entführen alsbald die Lebensgeister.
[384] 6499. (3006.) Beneidenswerther ist das Los eines verdorrten, von Würmern durchgrabenen, vom Feuer überall angebrannten und sogar eines auf salzigem Boden wachsenden Baumes, als das eines Bedürftigen.
6500. (3007.) Bei trockenem Holze gedeiht das Feuer, bei Thoren der Kummer, bei Unbeständigen der Zorn, bei geliebten Mädchen die Liebe, bei Erfahrenen die Vernunft, bei Mitleidigen das moralische Verdienst, bei grossen Charakteren die Standhaftigkeit.
6501. Wer einen ganzen Monat hindurch seine Speise aus der Hand einer Çûdrî empfängt, wird im Leben zu einem Çûdra und nach dem Tode als Hund wiedergeboren.
6502. Wenn ein Çûdra ein gutes Merkmal voraus hat und wenn ein solches Merkmal einem Brahmanen abgeht, dann ist der Çûdra nicht mehr Çûdra und der Brahmane nicht mehr Brahmane.
6503. Ein Çûdra sogar, der mit einer edlen Gemüthsart und mit Vorzügen[385] ausgestattet ist, wird zu einem Brahmanen, und sogar ein Brahmane, der die heiligen Handlungen unterlässt, wird dem Sohne eines Çûdra gleich.
6504. (3009.) Ein Çûdra, ein Mann aus noch niedrigerer Kaste, oder auch ein Kâṇdâla wird zu einem Brahmanen, sobald er sein Haar in Flechten trägt, mit Çiva's Spruch sich weiht und seinen Leib mit Asche bestreut.
6505. (3010.) Ein junges Weib sieht, dass Niemand im Schlafgemach ist; da erhebt sie sich leise ein wenig vom Lager, betrachtet gar lange das Gesicht des Gatten, der sich stellt, als ob er schlafe, und küsst es wiederholt und ohne Scheu. Als sie aber gewahr wird, dass die Härchen auf seinen Wangen sich erheben, da neigt sie vor Scham das Antlitz und wird nun von dem auflachenden Liebsten lange geküsst.
6506. (3011.) Leer erscheint das Haus dem Kinderlosen, ewig leer dem, der keinen guten Freund hat; leer erscheinen die Weltgegenden dem Thoren, leer Alles dem Armen.
6507. (5078.) Durch den Umgang mit Gelehrten wird eine Einöde zu einem stark bewohnten Orte, der Tod zur Unsterblichkeit und Unglück erscheint wie Glück.
[386] 6508. (3012.) Arme (verarmte) Menschen gleichen ja leeren Gemächern, wasserlosen Brunnen und faulen Bäumen, da für sie, gleichwie für jene, die Zeiten des Erfreuens Anderer nutzlos verstreichen, indem sie den früher gewohnten Umgang mit Menschen inzwischen vergessen haben.
6509. (3013.) Einen Heldenmüthigen suche man durch demüthige Unterwerfung auf seine Seite zu bringen, einen Furchtsamen durch Entzweiung mit seinem Freunde, einen Habsüchtigen durch Geldschenkungen; mit einem Gleichen soll man kämpfen.
6510. (3014.) Einem Helden scheint es ja im Herzen, als ob ein Zweck durch Heldenmuth, einem Feigen, als ob er durch Feigheit zu erreichen sei: so scheint es ihnen und so und nicht anders geschieht es auch.
6511. (3015.) Im Reiche eines Helden von erhabenem Charakter, der wie ein Löwe muthig verfährt, freuen sich die Unterthanen noch nach seinem Tode sogar.
6512. (3016.) Ein Sterblicher, mag er heldenmüthig, wohlgestaltet,[387] schön, beredt und mit den Wissenschaften und Waffen vertraut sein, wird hier in der Welt der Menschen ohne Geld nimmer sämmtlicher Künste theilhaftig. (Am Armen wird man immer Etwas auszusetzen haben.)
6513. Wer ist wohl noch heldenmüthiger als der Held? Der durch die Pfeile des Liebesgottes nicht aus der Fassung kommt. Wer ist wohl weise und gar standhaft? Der durch die Seitenblicke der Weiber nicht in Verwirrung geräth.
6514. Helden, Gelehrte und schöne Weiber finden überall eine Wohnung bereit, wohin sie auch kommen mögen.
6515. (5079.) Auch Heldenmüthige, Kräftige und auf dem Schlachtfelde als gute Schützen Erprobte stürzen wie Dämme von Sand zusammen, wenn der Gott der Zeit sich ihrer bemächtigt.
6516. Heldenmüthige, kluge und gelehrte Männer büssen, o sieh, durch die Tyrannei der Zeit ihre Befähigung ein.
6517. (3017.) Du bist, o Söhnchen, heldenmüthig, gelehrt und schön, aber in dem Geschlecht, aus dem du entsprangst, wird nimmer ein Elephant getödtet. (Worte einer Löwin an einen jungen Schakal.)
[388] 6518. (3018.) Nur dieser oder jener Glückliche gewahrt an sich keine Veränderung beim Eintritt der frischen Jugend, die die Wolke für den Baum der Liebe ist, der Strom für den hervorquellenden Saft des Scherzes, der liebe Freund des Liebesgottes, das Meer für die Perlen reizender Reden, der Vollmond für die nach seinen Strahlen lechzenden Ḱakora, die Augen der Schlanken, die Schatzkammer für die Pracht der Schönheit.
6519. (3019.) Höre, o Herz, ein Geheimniss, das Weise empfehlen: nie und nimmer soll man mit einem Weibe zusammenkommen, da eine Gazellenäugige auch den Besten alsbald den Verstand raubt, indem sie ihnen mit den scharfen Pfeilen der Augen ihren Panzer, die Ruhe, durchschiesst.
6520. (5053.) Eine früher vollbrachte That der Menschen weicht nicht von ihrer Seite, sie mögen schlafen, gehen oder stehen.
[389] 6521. Wer schläft süss? Der sich der Aufmerksamkeit befleissigt? Wer wacht wohl? Der das Wahre und Unwahre unterscheidet. Wer ist unser Feind? Die unbezwungenen Sinne. Eben diese sind unsere Freunde, wenn wir sie in uns bezwingen.
6522. (3020.) Die Kühle ist ja gerade dein Vorzug, ferner ist Klarheit dir von Natur eigen; was soll man noch von deiner Lauterkeit reden, da Unreine durch deine Berührung rein werden? Auch will ich noch etwas anderes Preisenswerthes von dir berichten: du bist das belebende Element der lebenden Geschöpfe. Wenn du, o Wasser, den Weg nach unten einschlägst, so vermag dich Niemand zurückzuhalten.
6523. (3021.) Nicht in jedem Berge sind Rubine, nicht in jedem Elephanten Perlen, nicht überall Gute, nicht in jedem Walde Sandelbäume.
6524. (5080.) In Gebirgen mit schwierigen Pfaden muss man für den Schutz des Fürsten sorgen; wenn dieser auch von guten Kriegern gehütet wird, so ist sein Schlaf doch nur ein Mittelding zwischen Vertiefung und Schlummer.
[390] 6525. (3022.) Tausende von Gelegenheiten zum Kummer und Hunderte von Gelegenheiten zur Furcht bemächtigen sich täglich des Thoren, nicht des Klugen.
6526. Der Kummer bewirkt es, dass weder Verstand, noch Wohlfahrt, noch moralisches Verdienst zu Tage tritt: es giebt keinen Feind, der dem Kummer gleich käme.
6527. (3023.) Wer hat den Schutz gegen Kummer, Feinde und Gefahren, das Gefäss der Liebe und des Vertrauens, diese Perle, das zweisilbige Wort Mitra (Freund) geschaffen?
6528. (5081.) Durch Trauer wächst eine Krankheit, durch den Genuss von Milch der Körper, durch den Genuss von Schmelzbutter die Kraft, durch den Genuss von Fleisch das Fleisch.
6529. (3024.) Der Kummer vernichtet die Einsicht, der Kummer vernichtet die Gelehrsamkeit, der Kummer vernichtet die Standhaftigkeit: es giebt keine Verirrung des Geistes, die dem Kummer gleich käme.
[391] 6530. (3025.) Der Kummer vernichtet die Standhaftigkeit, der Kummer vernichtet die Gelehrsamkeit, der Kummer vernichtet Alles: es giebt keinen Feind, der dem Kummer gleich käme.
6531. Die Mutter derer, welche, von einem heftigen Schmerz ergriffen und von einer Krankheit gequält, unter Seufzern ihren Geist aufgeben, während die Angehörigen trauern, hat umsonst Kinder geboren.
6532. (3026.) Wenn irgend ein gestorbener Angehöriger dadurch wieder auflebte, dass man um ihn trauert und weint, dann würden wir alle insgesammt um ihn trauern.
6533. (3027.) Wenn aber alle Geschöpfe, die zur Welt kommen, sobald die Zeit zum Sterben da ist, nothwendig von dannen gehen müssen, dann ist auch nicht die geringste Berechtigung zur Trauer da.
6534. Eine Familie, in der die weiblichen Verwandten trauern, geht alsbald zu Grunde; eine Familie dagegen, in der jene nicht trauern, gedeiht für und für.
6535. (5082.) Von Liebe erfüllte Verwandte und Freunde bringen ja, o Sohn des Raghu, wenn sie (um einen Verstorbenen) trauern, durch ihre herabfallenden Thränen den zum Himmel Eingegangenen zu Fall.
[392] 6536. (3028.) Inmitten von Gelehrten glänzt nimmer ein Mann, dessen Geist keine Vorzüge besitzt: in der Finsterniss strahlt eine Lampe, nimmer aber im Glanz der Sonne.
6537. Eine Lotusblüthe ist die Zierde des Wassers, ein Vogel die Zierde des Luftraumes, Gluth die Zierde der Sonne, eine Wunde die Zierde eines Helden.
6538. Ein Spieler kennt keine Ehrlichkeit und keine Sitte, wird von Freunden und Verwandten wie ein Leichnam gemieden, trägt kein Bedenken, ist ohne Scham und Mitleid, findet mit genauer Noth sein Brod, hält Angehörige und einen Eid für keine Fessel, kümmert sich weder um diese noch um jene Welt, hintergeht, ist eine Schmach für seine Familie, ein Meer von Sünden und aller Freuden baar.
6539. (3029.) Selbst Erde, die vom Putzen der Geschirre übrig bleibt, kann noch irgendwo angewandt werden, ein armer Mann dagegen dient auch zu gar Nichts.
6540. Ein Brahmane wird durch Reinheit der Wohlfahrt theilhaftig, ein Krieger durch Tapferkeit, ein Vaiçja durch Arbeit, ein Çûdra durch Gehorsam.
[393] 6541. Durch Heldenmuth, durch Kasteiungen, durch Wissen oder durch Geld wird sogar ein Mann aus ganz niedrigem Geschlecht alsbald zu einem vornehmen Manne.
6542. (5083.) Die Jungfrau, die dort sitzt, die dunkle, schlanke, spitzzähnige, deren Lippen an eine reife Bimba-Frucht erinnern, die in der Mitte des Leibes schmale, die mit ihren Augen einer erschrockenen Gazelle gleichende, die mit vertieftem Nabel, die ob der Bürde der Hüften langsam einherschreitende und die ob des Busens sich ein wenig neigende, die scheint unter den Jungfrauen – des Schöpfers erste Schöpfung zu sein.
6543. (5084.) Eine Schwarze ist die wahre Geliebte, Krshna der wahre Gott, Ehre der wahre Reichthum, der Liebesgott der wahre Schütze, Beredsamkeit die wahre Freundin, ein Elephant das wahre Reitthier, der Frühling die wahre Zeit, die Dichtkunst die wahre Wissenschaft.
6544. (3030.) Wer Vertrauen hat, darf eine gute Wissenschaft selbst von einem niedriger Stehenden empfangen; auch darf man ohne Bedenken Gold von einem Unreinen entgegennehmen;
6545. (3031.) eine Perle von Weib sogar aus schlechter Familie; Nektar darf man sogar aus Gift schlürfen. Weiber, Perlen und Wasser können ja nach dem Gesetz nimmer verunreinigt werden.
[394] 6546. (3032.) Wer Vertrauen hat, darf eine gute Wissenschaft sogar von einem niedriger Stehenden entgegennehmen, das höchste Gesetz sogar vom Niedrigsten, eine Perle von Weib sogar aus schlechter Familie.
6547. (3033.) Da steht der preisenswerthe Baum der Tugend: Glaube ist sein Same; das Wasser, mit dem die Brahmanen ihn besprengten, ist der Veda; seine Aeste sind die vierzehn Wissenschaften, seine Blüthen sind die Vortheile, seine zwei Früchte – die Annehmlichkeiten des Lebens und die Erlösung, jene die grobe, diese die feine Frucht.
6548. (3034.) Ein Todtenmahl, das man heuchlerischer Weise ohne Glauben und ohne heilige Handlung veranstaltet, ist aller Früchte baar und nützt den Manen nicht.
6549. Einen frommen Bettler, ein Ross, einen Fürsten, einen Pfau, einen Elephanten und einen Stier hält man allzumahl für Glück bringend, sie mögen ausziehen oder heim kehren.
6550. Diejenige, deren Blick gefährlich wie Gift ist, mattet unsern Körper in hohem Grade ab, leitet den Geist in die Irre, bereitet Schmerzen und benimmt uns immer und immer wieder das klare Bewusstsein.
[395] 6551. Wer den Manen kein Todtenmahl veranstaltet, die Götter nicht ehrt und sich weder Freunde noch Bundesgenossen erwirbt, den nennt man einen Thoren.
6552. Wem es um Wohlfahrt zu thun ist, der muss diesen Glücksgöttinnen, Frauen mit Namen, Gutes erweisen: eine Frau, die beschützt und in Zucht gebalten wird, ist eine Glücksgöttin, o Bḥârata!
6553. (5085.) Ein beständiges Zusammenleben mit der Göttin des Reichthums verwirrt ja den Thoren: es verscheucht seinen Verstand, wie der Wind eine Herbstwolke.
6554. (3035.) Das Glück ist schwankend wie eine Schaukel, die aus der Sinnenwelt hervorgehenden Genüsse bewirken schliesslich einen Ekel, der Leib ist ein Haus für's Ungemach, selbst ein grosses Vermögen geht auf vielfache Weise zu Ende, die Welt hat stets grossen Kummer, das Weib bringt vielen Schaden und dennoch hat man leider seine Freude an diesem grausigen Pfade, nicht an der Weltseele.
6555. (3036.) Selbst Dumme werden durch die Bekanntschaft mit der Göttin des Glücks kundig des klugen Benehmens: verliebte Mädchen lehrt gerade der Jugendübermuth den Liebreiz.
[396] 6556. (5086.) Wenn ein Verwandter einen reichen Verwandten antrifft und dennoch Noth leidet, wie eine Gazelle, die auf einen Jäger mit vergiftetem Pfeile stösst, dann wird dieser reiche Verwandte der Sünden jenes theilhaftig.
6557. Und diese Glücksgöttin ist stets, o Fürst, betrügerisch wie die Belustigung mit dem Glücksspiele, unbeständig wie eine Meereswoge und berauschend wie ein geistiges Getränk.
6558. Bei einem verständigen, wohlberathenen, von allen bösen Neigungen freien und urtheilsfähigen Fürsten aber zeigt sie Ausdauer und weilt bei ihm, als wäre sie mit Fesseln gebunden.
6559. (5087.) Eine hohe Stellung entspringt aus dem Glück, wächst durch Selbstvertrauen, schlägt Wurzeln in Folge von Rührigkeit und steht fest bei Selbstbeherrschung.
6560. (3037.) Ein Thor, der in die Flamme, Weib genannt, sich stürzt, lässt Gelehrsamkeit, Wahrhaftigkeit, Kasteiungen, gute Gemüthsart, Wissen und hohes Wesen wie Holz darin verbrennen.
6561. (3038.) Aus dem Umgange mit Gebildeten geht Wissen hervor,[397] aus dem Wissen gutes Benehmen, aus gutem Benehmen die Liebe der Menschen und was geht nicht aus der Liebe der Menschen hervor?
6562. Brahman, der Herr der Welt, hat ausser den Weibern niemals ein anderes Juwel hervorgebracht, das bei der Erwähnung, beim Anblick, bei der Berührung, ja sogar bei der Erinnerung Männer entzückte. Daher kommt es, dass das Gute und das Nützliche, Söhne und sinnliche Freuden aus ihnen hervorgehen. Die Weiber müssen als Glücksgöttinnen des Hauses stets durch Ehrenbezeugungen und werthvolle Gaben geehrt werden.
6563. (5088.) Bei wem das Wissen der Einsicht und die Einsicht dem Wissen entspricht, und wer die Schranken Edler nicht durchbricht, der erhält den Namen eines Weisen.
6564. (3115.) Wie Feuer in einen dürren Baum fährt und ihn versengt, so fährt ein böser Mensch in das Herz gelehrter und wohlgearteter Menschen, ehe sie sich's versehen, und richtet sie zu Grunde.
6565. (3320.) Wie kann die Geliebte sein, die, wenn man von ihr hört, Seelenschmerz hervorruft, die, wenn man sie erblickt, Geistesverwirrung erzeugt, die, wenn man sie berührt, das Bewusstsein raubt?
[398] 6566. (5089.) Wenn Männer von der Gañgâ reden hören, wenn sie nach ihr verlangen, von ihr trinken, sie berühren, sie erblicken oder in ihr sich baden, dann rettet sie ihre beiden Geschlechter (von der Seite des Vaters und der Mutter), um Anderes nicht zu erwähnen.
6567. (3039.) »Welcherlei Speise ein Mensch isst, solcherlei Speise essen seine Götter.« Dieser in der Welt gangbare Spruch scheint mir durchaus wahr zu sein.
6568. (5090.) Wer an Wissen, Kasteiungen, Wohlfahrt oder Heldenmuth Andern überlegen ist, der ist ja in Wirklichkeit ein Mann.
6569. (3040.) Wissen ziert den Geist, schlechte Neigungen zieren die Thorheit, Leidenschaft das Weib, Wasser einen Fluss, der Mond eine Nacht, Vertiefung die Zufriedenheit, kluges Benehmen den Fürstenstand.
6570. (3041.) Dadurch, dass ein Fürst einen Rath hört, geht dieser noch nicht in Erfüllung: durch die blosse Kenntniss eines Heilmittels vergeht nimmer eine Krankheit.
[399] 6571. (3042.) Als die schlankgliedrige Gattin eines auf Reisen befindlichen Mannes um Mitternacht das Donnern neu aufziehender Wolken vernimmt, da stürzt sie mit ihren schlaffen Gliedern vom Ruhebett auf den Erdboden uiid während die betrübten Freundinnen sie auf den Händen halten, weint sie sehnsüchtig und aus vollem Halse, so dass die Thränentropfen durch das Anprallen an den festen Busen zerstieben, und gedenkt dabei beständig des Liebsten unter Hinstammeln zarter Worte.
6572. Als ich in weiter Ferne deinen Ruhm vernahm, wurden meine Ohren befriedigt, nicht aber meine Augen; weil ich nun gern einen Streit zwischen den Beiden verhüten möchte, bin ich gekommen dich zu sehen.
6573. (5091.) Durch Zuhören lernt man das Rechte kennen, durch Zuhören entsagt man falschen Begriffen, durch Zuhören erlangt man Erkenntniss, durch Zuhören kann man der Erlösung theilhaftig werden.
6574. (3043.) Wenn ich nur den Namen des Liebsten höre, sieht man deutlich überall auf dem Körper die dichten Härchen sich emporrichten; wenn ich seinen Antlitzmond erblicke, wird dieser mein Leib feucht wie ein Mondstein. Wann wird nun aber der Augenblick kommen, da nach der Ankunft des Gatten, wenn er mich leidenschaftlich in seinen Armen umfangen hält, bei mir, der Demantharten, alle Gedanken an Groll gebrochen sein werden?
6575. (5092.) Wenn ein Mann der Freunde Lehre hört und sie nicht befolgt, so brennt ihn dieses in der Folge, wie eine genossene Koloquinthengurke.
[400] 6576. (3044.) Als sie den Geliebten draussen kommen hörte, da trug sie, die ihren Anputz noch nicht vollendet hatte, schwarze Augensalbe auf die Stirn auf, Scharlachfarbe auf die Augen und das Stirnzeichen auf die Wange.
6577. (3045.) Wer, wenn er von einem bevorstehenden Kriege reden hört, dem Herrn gegenüber ein verklärtes Antlitz zeigt, der ist ein des Fürsten würdiger Diener.
6578. (3046.) Höret die Summe des Gesetzes, die in Millionen von Lehrbüchern verkündet wird: Andern zu helfen bringt Verdienst, Andere zu peinigen – Sünde.
6579. (3047.) Höre die Summe des Gesetzes und, wenn du sie gehört hast, so beherzige sie: was dir selbst nicht gefallen würde (wenn man es dir thäte), das thue Andern nicht.
6580. (3048.) Es ist besser, dass ein Fürst seine Unterthanen schützt,[401] weil er dann im künftigen Leben den sechsten Theil ihrer guten Werke für sich nimmt; wenn er dagegen Abgaben von seinen Unterthanen erhebt ohne sie zu schützen, dann nehmen diese die guten Werke von ihm und er kostet ihre Sünden (d.i. leidet die Strafen für ihre Sünden).
6581. (3049.) Oel ist ja besser als ein Oelkuchen, Butter ist besser als Buttermilch, Blumen und Früchte sind besser als Holz, Genuss ist vorzüglicher als Tugend und Nutzen.
6582. (3050.) Besser den eigenen Pflichten mangelhaft nachkommen, als fremde Pflichten gut erfüllen. Besser bei den eigenen Pflichten sterben, fremde Pflichten bringen Gefahr.
6583. (5093.) Besser den eigenen Pflichten mangelhaft nachkommen, als fremde Pflichten gut erfüllen: wer eine durch sein ursprüngliches Wesen fest bestimmte Handlung vollbringt, verfällt nicht in Sünde.
6584. (3051.) Ein Vater soll, sich schnell entschliessend, seine mannbare Tochter einem Höhern, einem Gleichen oder einem Niedrigeren zur Frau geben, da daraus keine Schuld für ihn erwächst.
[402] 6585. Ein Herr, dem es um seine Wohlfahrt zu thun ist, muss auf seine Diener, die sein Bestes wünschen, hören; diese aber müssen auch ungefragt dem Herrn zu rechter Zeit sagen, was ihm frommt.
6586. (3052.) Dem Ohre verleiht Glanz das Wissen, nicht ein Ohrgehänge; der Hand die Gabe, nicht ein Armband: dem Körper Mitleidiger die Hilfe, die sie andern leisten, nicht Sandel.
6587. (5094.) Der Mann ist die Wonne der Menschen, welcher sich einer rühmlichen Geburt, der Schönheit, des Reichthums, der Gesundheit, der Einsicht, einer unwandelbaren guten Sitte, des Mitleids, des Adels, eines liebenswürdigen Weibes, langlebender und tugendhafter Söhne, der Selbstständigkeit und wohlwollender Freunde erfreut, Liebe zu Vishnu fühlt und an ihm hängt.
6588. (3053.) Zu preisen sind, o schöner Topf, die hundert Schläge mit dürrem Holze, zu preisen der stechende Sonnenschein, gar sehr zu preisen die Leiden der schönen Lehmmasse, zu preisen dein heftiges Brennen[403] im Feuer, weil du dadurch der Freuden des Schaukelvergnügens zwischen der Geliebten Busen und Armlianen theilhaftig geworden bist: ohne Leiden gelangt man nimmer zu Freuden!
6589. (3054.) Der allein ist unter den Menschen auf Erden zu preisen, der steht unter den Besten oben an und der ist glücklich, von dem Bedürftige oder um Schutz Bittende nicht mit getäuschter Hoffnung weggehen.
6590. Wenn grosse Herren Andern hilfreich unter die Arme greifen, so ist dieses zu loben und zu preisen, da sogar eine ganz geringe Dienstleistung mit der Zeit Segen von gar grosser Tragweite bringt.
6591. (3055.) »Warum umhalste ich Thörichte den Gatten nicht? Warum bewegte ich mein Gesicht hin und her, als er mich küsste? Warum blickte ich ihn nicht an? Warum richtete ich keine Worte an ihn?« Indem ein junges Weib, das mit dem Aufkeimen der Zuneigung diese Genüsse kennen gelernt hatte, solche Betrachtungen über ihr Betragen als Neuvermählte anstellt, giebt sie sich der Reue hin.
6592. (3056.) Weil der Verstorbene wider Willen den Speichel und die Thränen geniesst, welche die Verwandten vergiessen, so muss man nicht weinen, sondern die Todtenopfer nach Vermögen vollziehen.
Stenzler.
[404] 6593. In einer halben Strophe will ich euch sagen, was Millionen von Schriften verkündet haben: Andern zu helfen bringt Verdienst, Andere zu peinigen – Sünde.
6594. (5095.) Durch das Erlernen einer Strophe, oder eines Verses, oder auch eines Halbverses, oder auch nur einer Silbe, durch Spenden, Studium und Arbeit mache man den Tag fruchtbringend.
6595. (3057.) Was morgen zu thun ist, thue man schon heute, und was am Nachmittage zu thun ist, thue man schon am Vormittage, da ja der Tod nicht darauf wartet (achtet), ob man sein Werk vollbracht hat oder nicht.
6596. (5096.) Wie Milch in einem Hundebalge, wie die heilige Schrift bei einem Çûdra, wie die Wahrheit beim Diebe, wie die Kraft beim Weibe, so ist die Regierung in den Händen Durjodhana's.
6597. (5097.) Die Berührung von Hunden, Hähnen und Ḱândâla gilt für gleich, zumahl aber von Eseln und Kamelen; darum soll man diese nicht berühren.
[405] 6598. (3058.) Ein Hund zieht ein Krokodil mit sich fort, wenn dieses am Ufer liegt, und ein Krokodil wiederum einen Hund, wenn dieser in's Wasser kommt: wer an seinem Platze bleibt und sich Mühe giebt, der gelangt sicherlich zum Genuss (der Früchte) seiner That und seiner Kraft.
6599. (3059.) Wenn junge Weiber den weissen Platz der Kopfhaare gewahr werden, so ziehen sie weiter ihrer Wege, da sie gerade diesen Hauptsitz der gegen die Männer gerichteten Verachtung meiden wie eines Ḱândâla Brunnen, den ein aufgepflanztes Knochenstück kennzeichnet.
6600. Nicht ein weisses Haupt und nicht die hundert Jahre machen einen Mann alt (ehrwürdig): wessen Verstand die Reife erlangt hat, der ist der ältere (ehrwürdigere) unter den Männern.
6601. Eine Berathung, die sechs Ohren hören, wird verrathen, nicht so eine Berathung, die nur vier Ohren hören: (so geschah es, dass) ein Buckliger Fürst und ein Fürst Bettler wurde.
[406] 6602. (3060.) Eine Berathung, die sechs Ohren hören, wird verrathen nicht so eine Berathung, die nur vier Ohren hören: darum soll ein Kluger alles Ernstes eine Berathung meiden, an der sechs Ohren Theil nehmen.
6603. (3061.) Eine Berathung, die sechs Ohren hören, wird verrathen; eine Berathung, die vier Ohren hören, steht fest; hinter eine Berathung aber, die zwei Ohren hören, kommt selbst Brahman nicht.
6604. (3062.) Weil eine Berathung, die sechs Obren hören, verrathen wird und auf diese Weise zum Gegenstand des allgemeinen Geredes werden kann, darum soll ein Fürst selbander Rath halten.
6605. Wie eine Biene aus dem Innern einer Blume das Beste aussaugt, so nimmt ein Kluger aus allen Sachen das Beste heraus.
6606. (3063.) Wer mit dem sechssilbigen Spruche auch nur eine einzige Blume auf die Spitze eines Liñga legt, der wird nicht wiedergeboren.
[407] 6607 (3064.) Diese sechs gehen zu Grunde, sobald man nur einen Augenblick seine Aufmerksamkeit von ihnen abwendet: Kühe, Dienst, Ackerbau, eine Gattin, eine Wissenschaft und wer mit einem Çûdra verkehrt.
6608. (3065.) Diese sechs soll ein Mann meiden wie ein leckes Schiff im Meere: einen Lehrer, der nicht unterrichtet, einen Priester, der nicht die heiligen Schriften liest,
6609. (3066.) einen Fürsten, der keinen Schutz gewährt, eine Frau, die unfreundlich ist, einen Hirten, der gern im Dorfe, und einen Barbier, der gern im Walde weilt.
6610. (3067.) Diese sechs leben von Sechsen, einen siebenten giebt es da nicht: Diebe leben von Fahrlässigen, Aerzte von Kranken,
6611. (3068.) Weiber von Verliebten, Opferpriester von Opfernden, ein Fürst lebt von Rechtenden, Kluge leben stets von Thoren.
6612. (3069.) Diese sechs schätzen stets gering den, der ihnen früher Dienste erwies: Schüler den Lehrer, von dem sie unterrichtet wurden, verheirathete Söhne die Mutter,
6613. (3070.) gleichgiltig gewordene Männer eine Gattin, diejenigen,[408] die ihr Ziel erreichten, den Urheber ihres Glücks, diejenigen, die aus dem Walde heraus sind, den Wegweiser, und (gesund gewordene) Kranke ihren Arzt.
6614. (3071.) Sechs Vorzüge soll ein Mann nie und nimmer aufgeben: Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Unverdrossenheit, Freundlichkeit, Nachsicht und Zufriedenheit.
6615. (3072.) Sechs Fehler soll ein Mann, dem es um seine Wohlfahrt zu thun ist, hier im Leben meiden: vieles Schlafen, Lässigkeit, Furcht, Zorn, Trägheit und Saumseligkeit.
6616. (5098.) Wer die Herrschaft über die sechs stets in ihm selbst Wohnenden (die fünf Sinne und das Herz) erlangt, den trifft keine Sünde, viel weniger noch ein Schaden, weil er seine Sinne besiegt hat.
6617. (5099.) Der Verständige, welcher die Zügel der sechs in ihm angespannten widerspänstigen Sinne festhält, der ist ein vorzüglicher Rosselenker.
6618. Am Schielenden haften sechszig Mängel, am Rothhaarigen achtzig, am Einäugigen und am Zwitter hundert, beim Buckligen kommt man mit dem Aufzählen der Mängel nicht zu Ende.
[409] 6619. Am Zwerge haften sechszig Mängel, am Rothhaarigen achtzig, am Buckligen erkenne man hundert Mängel, am Einäugigen sind sie unzählig.
6620. (3073.) Wer das sechsfache Verfahren in der auswärtigen Politik gründlich kennt, wer mit den Landessprachen und der Staatskunst vertraut ist, dem soll ein Fürst die Angelegenheiten des Krieges und der Bündnisse übertragen.
6621. (3074.) Der Liebesgott, dem Çiva wohl den Körper, aber nicht die Macht nahm, besiegt, er der Eine, die drei Welten.
6622. (5100.) Sich selbst beherrschende, fleissige und kluge Menschen sieht man ja, weil sie unfruchtbar sind, mit keiner Sache zu Stande kommen.
6623. (5101.) Andere ganz niedrige Menschen dagegen, die einfältig sind und aller Vorzüge ermangeln, sieht man, obgleich sie nicht einmal darum bitten, jegliches Wunsches theilhaftig werden.
[410] 6624. (3075.) Sicherlich enden die Verbindungen aller Lebenden, die geboren werden, mit Trennungen: sie entstehen und vergehen wie Blasen auf dem Wasser.
6625. (3076.) Eine Verbindung deutet ja auf eine bevorstehende Trennung hin, wie die Geburt auf den künftigen unvermeidlichen Tod.
6626. (3077.) Darf man Bedürftige, die in der Welt voller Hoffnung sind und Vertrauen zeigen, hintergehen, nachdem man sie zuvor mit süssen Worten angeredet und mit erheuchelter Freundlichkeit bestrickt hat?
6627. (5102.) Zöge man eine Schlange auch mit Milch gross, sie würde doch nicht fügsam werden; ein Löwe tödtet gewaltsam sogar seine Hüter; ein Böser thut denen, die ihm einen Gefallen erwiesen, Etwas zu Leide; darum sollen Kluge hier im Leben auch nicht das geringste Vertrauen haben.
6628. (5103.) Niedrige Menschen sagen, o Judhishṭhira, in der Unterhaltung dem Andern grobe Worte: mittelmässige (gewöhnliche) Menschen aber geben eine grobe Antwort denen, von welchen sie grob angesprochen wurden;
6629. (5104.) vorzügliche Menschen aber sind die Klugen, welche, man mag sie grob oder nicht grob anreden, niemals Schaden zufügende grobe Worte reden.
[411] 6630. (5105.) Das Zusammenleben erzeugt Liebe und gegenseitiges Vertrauen sogar unter solchen, die sich nach dem Leben trachten, wie z.B. zwischen Hund und Pariah.
6631. Wenn man beim Genuss mit Andern theilt, seine Räthe nicht gering schätzt und einen übermüthigen Mächtigen züchtigt, so heisst dieses Fürstenpflicht.
6632. Wenn ein Fürst beim Genuss schwache Menschen bedenkt, dann werden diese mächtig: und dieses heisst Fürstenpflicht.
6633. (3078.) Eine treue Gattin folgt dem Gatten stets, auch wenn er nach dem Tode auf rauhen Pfaden allein wandelt.
6634. Der Ausspruch, dass Mängel und Fehler aus der Berührung hervorgehen, ist nicht wahr, da der Ni ḱula, obgleich er sich dem Wasser angeschlossen hat, indem er am Ufer steht, bei seiner Beweglichkeit sich vor der heftigen Strömung des Flusses rettet (nicht mit diesem sich in's Meer begiebt).
[412] 6635. (5106.) Wer das zu Thuende von einem Tage zum andern schiebt, bei jeder Sache im Zweifel ist und da, wo es schnell zu handeln gilt, säumt, der ist, o Bester der Bharatiden, ein Thor.
6636. (3079.) Der Giftbaum des Lebens hat zwei nektarähnliche Früchte: den Genuss des Nektarsaftes der Dichtung und eine Unterhaltung mit guten Menschen.
6637. (5107.) Für diejenigen, deren Geist durch's Leben ermüdet ist, giebt es drei Gelegenheiten zur Erholung: die Kinder, das Weib und der Verkehr mit Guten.
[413] 6638. Was hebt eine Wiedergeburt auf? Die Erkenntniss der Weltseele mittels der heiligen Ueberlieferung. Was bezeichnet man als Ursache der Erlösung? Dasselbe. Was bildet das einzige Thor zur Hölle? Das Weib. Was verschafft Menschen den Himmel? Die Schonung alles Lebenden.
6639. Was ist das Beste im Leben? Mag man es auch noch so oft überdenken, so findet man nur dieses: dass man unter Menschen geboren wird, die Wahrheit erkennt und das eigene und des Nächsten Wohl sich angelegen sein lässt.
6640. In diesem Leben haben zwei Dinge, Reichthum und ein Sohn, einen Werth; darum ist die Geburt des Menschen, dem Eines von diesen abgeht, nutzlos gewesen.
6641. (3080.) Wie würden wohl in diesem nichtigen Leben Männer von lauterer Gesinnung, wenn ihnen über den an ihnen haftenden Schandfleck ob des Dienstes am Palastthor schlechter Fürsten der Muth entsinkt, noch guter Dinge sein können, wenn nicht die Jungfrauen da wären, die allen Glanz des aufgehenden Mondes an sich entfalten, die lotusäugigen Jungfrauen mit den zitternden Glockengürteln und mit der von der Last der Brüste sich biegenden Körpermitte?
[414] 6642. (3081.) Ἐν ματαίῳ τῷδε βίῳ κατὰ καρποὺς σϕαλερῷ ὄντι δύο εἰσὶν ὁδοὶ τῶν σοϕῶν ποτὲ μὲν διαγόντων τὸν χρόνον τ ῷ κινεῖσϑαι τὸν νοῦν νηχόμενον ὡς ἐν ὕδατι ἐν τῷ τῆς τἀληϑοῦς γνώσεως νέκταρι εἰ δὲ μή, τῷ σπουδάξειν ὅπως κρυϕϑέντι τῷ ϑέναρι ἅψονται τοῦ σαρκώδους βουβῶνος χαριεσσῶν κορῶν, αἵτινες μαστῶν καὶ γλουτῶν στιϕρῷ κέχρηνται ὄγκῳ.
6643. (3082.) Der Pfad, der über das Meer des Lebens hinüberführt, wäre nicht gar lang, wenn nicht grosse Ströme, die Weiber, über die man nicht leicht hinüberkommt, dazwischen lägen.
6644. (3083.) Die außerordentlichen Eigenschaften eines Mannes pflegen erst nach seinem Tode deutlich zu Tage zu treten: der Wohlgeruch des Aloeholzes verbreitet sich erst, nachdem es verbrannt worden ist.
[415] 6645. (3084.) Eine Verbindung mit Stammgenossen, seien diese auch noch so unbedeutend, bringt den Menschen Segen: Reiskörner, fehlte ihnen auch nur die Hülse, schiessen nimmer auf.
6646. Vollbringe die That, sei unverdrossen und waffne dich mit der That: vielleicht geschieht es, dass Einer unter Tausenden die That anerkennt.
6647. (5108.) Was trauerst du wie ein Thor? Was trauerst du um die, welche zu betrauern sind? Sieh, in den Schmerzen (der Trauer) sind (wieder) Schmerzen und in der Angst (wieder) Angst.
6648. (3085.) Der ist ein schlechter Freund, der seinem Fürsten einen guten Rath vorenthält, und der ist ein schlechter Herr, der den nicht hört, der es gut mit ihm meint: alles Glück hat ja stets seine Lust an Fürsten und Ministern, die gut mit einander stehen.
6649. (3086.) Das ist ein schlechter Diener und ein schlechter Minister, der ohne sich lange zu bedenken gleich von Anfang an einem Fürsten räth sich zum Kampf zu rüsten und sein Land zu verlassen.
[416] 6650. (3087.) Ein Mal sprechen Fürsten, ein Mal sprechen gute Menschen, ein Mal werden Töchter zur Ehe gegeben: in diesen drei Fällen heisst es stets ein Mal. (Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann.)
6651. Wenn derjenige, der ein Mal eine Beleidung erfahren hat, an demselben Orte verweilt, so heissen Kluge dieses nicht gut: sich aus dem Staube zu machen, ist besser.
6652. (3088.) Ein Mal fällt das Erbtheil zu, ein Mal wird eine Tochter zur Ehe gegeben, ein Mal sagt man »ich will es dir geben«: in diesen drei Fällen heisst es bei Guten »ein Mal«
6653. (3089.) Kluge wissen, wenn sie einen Mann auch nur ein Mal gesehen haben, was Gutes an ihm ist: Geübte bestimmen das Gewicht eines Pala schon durch die Wage der Hand.
6654. (3089.) Wer von ein Mal Gesprochenem den Sinn auffasst, wem[417] es leicht von der Hand geht, wer die Schrift in seiner Gewalt hat und in allen Wissenschaften sich umgesehen hat, der gilt für einen ausgezeichneten Schreiber.
6655. (3091.) Wer weder ein Mal Gesprochenes behält, noch selbst Etwas zu Tage fördert, wer demnach kein Kästchen für Geschmeide besitzt, wie sollte der schön reden?
6656. (3092.) Wer mit einem Freunde, der sich ein Mal vergangen hat, sich wieder auszusöhnen im Sinne hat, der zieht sich den Tod zu, wie ein Maulthierweibchen, das eine Leibesfrucht aufnimmt.
6657. Einen Fürsten, der an groben Sinnengenüssen hängt, seinen Gelüsten fröhnt und habsüchtig ist, mögen die Unterthanen nicht, eben so wenig wie das Feuer auf einer Leichenstätte.
6658. (3093.) Freunde oder Feinde, die die Gelegenheit erzeugt, wiegen viel, da sie als solche in Folge einer bestimmten Veranlassung auftreten; diejenigen dagegen, die ob der Geburt oder anderer natürlicher Verhältnisse Freunde oder Feinde sind, können in das Gegentheil umschlagen.
[418] 6659. (3094.) Diese freundlichen (Gattinnen) sind Freunde in der Einsamkeit, Väter bei der Ausübung heiliger Pflichten und Mütter dem Leidenden.
6660. (5109.) Ich weiss von keines Menschen Liebe hier im Leben, die so uneigennützig wäre wie die Freundschaft zwischen zwei leiblichen Brüdern oder zwischen Eheleuten.
6661. (3095.) Ein Gefährte, er habe Vorzüge oder auch keine, vermag Vieles: ein Reiskorn, wäre es auch nur um die Hülse gekommen, schiesst nimmer auf.
6662. Nicht soll man ja in einem Hohlwege gehen, auch nicht auf unebenem Wege, auch nicht auf einer grossen Landstrasse, wohl aber auf einem ebenen Wege.
6663. Als eine Verschmitzte bemerkte, dass ihr Liebhaber die Zeit des Stelldicheins zu wissen wünschte, schloss sie eine Tagwasserrose, mit der sie spielte, indem sie auf die lachenden Augen anspielte.
6664. (5110.) Einem, dem Alles schwer von der Hand geht, einem allzu Fahrlässigen, einem stets Unwahren, einem in der Liebe nicht Beständigen, einem gleichgiltig Gewordenen und einem sich für geschickt Haltenden, diesen sechs überaus niedrigen Menschen soll man nicht dienen.
[419] 6665. (3096.) In Kürze – und wozu bedürftet ihr vieler Worte? – lautet, o Leute, das Gesetz: Andern zu helfen bringt Verdienst, Andere zu peinigen – Sünde.
6666. (5111.) Grösstes Misstrauen gilt für die Summe aller Lehrbücher, die über Lebensklugheit handeln; darum ist Misstrauen gegen die Menschen etwas überaus Heilsames für die eigene Person.
6667. (3097.) Eine Verbindung mit Freunden, seien diese auch ohne Vorzüge, bringt, o Fürst, Segen: Reiskörner, wären sie auch nur um die Hülse gekommen, schiessen nimmer auf.
6668. (3098.) Niemand verkehrt ja mit ihm (dem Armen), man nimmt nicht die Rücksicht ihn zu begrüssen; kommt er in's Haus von Reichen zu Festen, so wird er geringschätzig angesehen; da er nur nothdürftig bekleidet ist, so ergeht er sich aus Scham fern von der Menge: ich meine gar sehr, die Armuth sei ein neues sechstes grosses Verbrechen.
[420] 6669. (3099.) Umgang (mit Guten), Liebe zu Vish ṇu und das Baden im Wasser der Gañgâ, diese drei erkenne man in dem fürwahr nichtigen Leben für etwas Gutes.
6670. (3100.) Wie sogar ein tief liegender Fluss einen Mann zum Ehrfurcht gebietenden Meere führt, so die Wissenschaft, fände sie sich auch an einem Tiefstehenden, zum schwer zugänglichen Fürsten; von da aber geht es zum Glück.
6671. (3101.) Habe ich zwischen Zusammensein und Trennung zu wählen, so halte ich die Trennung für besser als das Zusammensein mit ihr: beim Zusammensein ist sie es ja nur, also Eine, bei der Trennung dagegen scheinen mir sogar alle Welten von ihr erfüllt zu sein.
6672. Der Eine versengt uns das Herz beim Zusammensein, der Andere aber bei der Trennung; Beide sind nach meinem Dafürhalten die Ursache eines Schmerzes: kein Unterschied besteht zwischen einem schlechten Menschen und einem Angehörigen.
6673. (3102.) Man verkehre mit Guten, zeige beständige Liebe zu Vishnu, mache sich mit der Gemüthsruhe und anderen Tugenden gehörig vertraut, gebe alsbald alles Handeln auf, begebe sich zu dem, der im Besitz eines guten Wissens ist, verehre täglich dessen Schuh, verlange nach dem[421] einsilbigen Brahman (der Silbe om) und höre ein Wort, das für eine Hauptstelle der heiligen Ueberlieferung gilt.
6674. (3103.) Dem Verkehr mit Andern soll man aus ganzer Seele entsagen; vermag man ihm nicht zu entsagen, so verkehre man mit Guten: der Verkehr mit Guten ist ja Arzenei.
6675. (5112.) Aus dem Verkehr entspringt die Liebe, aus der Liebe entspringt der Zorn, aus dem Zorn geht Geistesverwirrung hervor, aus der Geistesverwirrung eine Gedächtnissstörung.
6676. Das Meer, das nur an's Sammeln denkt, ist ja zur Hölle gefahren; die freigebige Wolke dagegen donnert, o schau, hoch über der Erde.
6677. Nur das sind Männer hier auf Erden, die zum Schutz von Kühen und Brahmanen unerschrocken in der Schlacht kämpfen und, von Schwertern durchstossen, ihren Geist aufgeben.
6678. (3104.) Wie dichtes Bambusrohr, wenn es zusammen steht und von Dornen umgeben ist, nicht vernichtet werden kann, eben so wenig derjenige, der mit seinen Brüdern zusammen steht.
[422] 6679. (3105.) Der Fürst hier, diese Minister, diese Frauen und diese Haine und Wälder, sie alle sind hin, sobald der Todesgott einen Blick auf sie richtet.
6680. (3106.) In Wahrheit geboren war der mir Unbekannte, dem des Liebesgottes Feind (Çiva) einen weissen Schädel hoch auf's Haupt setzte, um ihn damit zu schmücken. Was ist nun das für ein seltsames Uebermaass von fieberhaftem Uebermuth bei den Männern darüber, dass heut zu Tage einige Menschen, deren Sinn auf die Erhaltung ihres Leibes gerichtet ist, sich vor ihnen verneigen?
6681. (3107.) Der ist in Wirklichkeit geboren, durch dessen Geburt die Familie in die Höhe kommt: wer wohl wird bei dem Kreislauf des Lebens nach dem Tode nicht wiedergeboren?
[423] 6682. (5113.) Wer Vorzüge besitzt, der lebt; wer Tugenden hat, der lebt: das Leben dessen, welcher der Vorzüge und der Tugenden ermangelt, ist zwecklos.
6683. (3108.) Wer Ehre geniesst, der lebt; wem Ruhm zu Theil wurde, der lebt; wer sich mit Schimpf und Schande bedeckte, der ist einem Todten ähnlich, ob er gleich lebte.
6684. (3109.) Edle Menschen sind es, die die vielen Vorzüge Guter verbreiten; der Blumen Wohlgeruch trägt der Wind nach allen Weltgegenden hin.
6685. (3110.) Wenn ein Fürst Ungebührliches treibt, dann sollen ihn die Minister davon zurückhalten, und der Fürst höre auf ihre Worte, als wenn sie von seinen Lehrern kämen.
6686. (3111.) Freunde, die einen Fürsten zurückhalten, wenn er Ungebührliches treibt, sind fürwahr nicht mehr einfache Freunde, vielmehr ehrwürdige Lehrer.
6687. (3112.) Ein Fürst, der Ungebührliches treibt, indem sein Auge durch die Sinnenwelt geblendet ist, führt selbst einen Unfall herbei, der ihm schreckliche Angst verursacht.
[424] 6688. (3113.) Wer möchte seinen Sinn auf Reichthümer, Leben und Verbindungen richten, da Reichthümer mit Verlust, Leben mit Tod und Verbindungen mit Trennungen enden?
6689. In den übrigen Weltaltern vertheilen sich die Sünden der Menschen hier auf Erden; im Weltalter Kali aber, das mit Sünden erfüllt ist, wird derjenige verunreinigt, der die Sünde begeht.
6690. (5114.) Verübt ein Mann seines Weibes wegen eine böse That, so hat er allein dafür Leiden zu tragen jenseits und auch hier.
6691. (3114.) So oft ein kluger Mann des Todesgottes mit seinem grausigen Stabe gedenkt, erschlafft all sein Eifer, wie lederne Riemen, die Regenwasser benetzte.
6692. (5115.) Während man noch Reichthümer zusammenscharrt und bevor man noch an den Genüssen sich gesättigt hat, rafft Einen der Tod hinweg, wie ein Tiger ein Schaf.
6693. (3116.) Wer in seinem Wahne den Rath, den ihm gute Menschen[425] ertheilen, nicht befolgt, der geht alsbald zu Grunde wie jenes Kamel mit der Glocke.
6694. (5116.) Ist man ein Mal mit Guten zusammengekommen, so wünscht man auch ferner zusammenzukommen; darauf nennt man sich Freund. Und nicht fruchtlos ist das Zusammenkommen mit einem guten Menschen; darum lebe man im Verein mit Guten.
6695. (5117.) Gute geben sich stets der ewig währenden Tugend hin; Gute gerathen in keine Verlegenheit und kommen nimmer aus der Fassung; das Zusammenkommen mit Guten ist nicht fruchtlos; durch Gute gerathen Gute nimmer in Gefahr.
6696. (5118.) In Folge der Berührung mit Schlechten leidet die Ehre Guter auf Schritt und Tritt: ob der Berührung mit Eisen wird Feuer mit Hämmern geschlagen.
6697. (3117.) Wer den Rath Guter in den Wind schlägt und den Rath Böser befolgt, der geräth mit der Zeit in Noth und hat es zu bereuen.
6698. (5119.) Wer den Rath Guter in den Wind schlägt und den Rath Böser befolgt, über dessen Ungemach trauern die Freunde gar bald.
[426] 6699. Ein Verständiger verrichtet nach der Weise der Guten zu rechter Zeit ein Werk: wer zu rechter Zeit etwas Gutes verrichtet, wird eines süssen Lohnes theilhaftig.
6700. (3118.)
Bei der Lampe, des Heerds Flamme, bei Mond-, Sternen- und Sonnenschein,
Fern von des Mädchens Reh-Augen liegt die Welt mir in Finsterniss.
A.W. von Schlegel.
6701. (3119.) Bei guter Gemüthsart treten der Männer Vorzüge wie Heldenmuth und ähnliche in's wahre Licht: in der Jugend verleihen schöne Schmucksachen Glanz einer Schönbrauigen.
6702. Keine Treue bei Buhldirnen, kein Bestand bei Glücksgütern, kein richtiges Urtheil bei Thoren, keine Vergeblichkeit bei Werken.
6703. (5120.) Durch den Ausbruch des Zornes selbst einer einzigen treuen Frau, eines einzigen Gottes und eines einzigen Brahmanen sollen ja, wie man erzählt, sogar die drei Welten zu Grunde gegangen sein.
[427] 6704. (5121.) Sogar eine tugendhafte Ehefrau haben die Leute in schlimmem Verdacht, wenn sie beständig im Hause ihrer Blutsverwandten wohnt; darum sehen die Angehörigen eine Frau am liebsten beim Gatten, selbst in dem Falle, wenn sie ihm unlieb ist.
6705. Der Schmuck einer Rede ist ein gutes Gedicht, der Schmuck der Nacht – der Mond, der Schmuck eines Weibes – eine gute Gemüthsart, der Schmuck des Reichthums – ein bescheidenes Benehmen.
6706. (5122.) Wenn derjenige, den wir durch Geld und Ehre auszeichneten, immer fortfährt uns Etwas zu Leide zu thun, dann dürfen wir ihm nicht das einem Freunde zukommende Vertrauen schenken, da die (früher vollbrachte) That ihre Macht ausübt und uns Schrecken einjagt.
6707. (5123.) Nur gemeine, nicht edle Frauen achten, o Vaidehî, wenn sie gehegt und gepflegt werden, einen armen Gatten gering.
6708. Wenn Menschen, denen früher Freundlichkeiten erwiesen wurden und denen man zu ihrem Ziele verhalf, sich undankbar erweisen, dann mögen nach ihrem Tode sogar Krähen ihr Fleisch nicht verspeisen.
[428] 6709. (5124.) Solche Undankbare, welche nicht zu den Freunden halten, wenn diese ihnen früher Freundlichkeiten erwiesen und zu ihrem Ziele verhalfen, mögen nach ihrem Tode sogar Raubthiere nicht verspeisen.
6710. (5125.) Wenn jener Baum der Freigebigkeit auf ein gutes Feld gepflanzt wird, wenn freundliche Worte die vielen mit Wasser gefüllten Gruben um seine Wurzeln bilden und wenn er mit dem tadellosen Wasser der heiteren Herzensstimmung begossen wird, dann trägt er bekanntlich, o Fürst, schon in seiner frühesten Jugend zu seiner Zeit diese und jene erwünschte Frucht dem Freigebigen und übertrifft sogar den Kalpadruma und andere Wunderbäume.
6711. (5126.) Wessen Herz von bösen Neigungen verzehrt wird und wer träge ist, den verspottet, wäre er auch mit Muth und Einsicht ausgestattet, das Glück wie einen Entmannten ein Weib.
6712. (3121.) Ein herzhafter, aus hoher Familie stammender, mitleidiger, seine Sinne im Zaume haltender, erkenntlicher und Wahrheit redender Fürst steht bei der Welt hoch in Ehren.
6713. (3122.) Giebt es dagegen einen niederträchtigeren Fürsten als den, der sich zum Unrecht hält und Freunden, die ihm Dienste erwiesen, falsche Versprechungen macht?
[429] 6714. (3123.) Was Verständige gläubigen Herzens einem Würdigen am rechten Orte und zu rechter Zeit auf geziemende Weise spenden, das währt ewig.
6715. Die Wahrhaftigkeit gilt als Opferpfosten, Kasteiungen gelten als Feuer, die eigenen Lebensgeister als die Angehörigen. Bringt man noch die Schonung alles Lebenden als Opferspende dar, so hat man ein ewiges Opfer.
6716. (5127.) Wahrhaftigkeit, eine schöne Gestalt, heiliges und weltliches Wissen, Adel der Geburt, gute Gemüthsart, Macht, Reichthum, Heldenmuth und Beredsamkeit, diese zehn führen zum Himmel.
6717. (3124.) Um die ganze Wahrheit zu sagen hat man eine herzgewinnende Rede, die leicht zu erlangen ist; um den Manen die schönste Gabe darzureichen hat man klares Wasser, das Einem Hilfe gewährt und keine Gefahr bringt; um den höchsten Herrn (Çiva) zu ehren genügt schon ein reines, aus einem still hergesagten Gebet bestehendes Opfer; um den Hunger, diese Krankheit, zu stillen hat man Früchte und Wurzeln: was sollen uns nun noch Reichthümer nützen, an denen nur Leiden haften?
[430] 6718. (3125.) Wahrheitsliebe, Heldenmuth und Freigebigkeit sind die drei Vorzüge eines Fürsten: ein Fürst, dem diese abgehen, zieht sich ja den Tadel der Leute zu.
6719. (3126.) Wahrheitsliebe, Gerechtigkeit, Muth, Mitgefühl mit den Geschöpfen, freundliches Wesen und Verehrung von Brahmanen, Göttern und Gästen nennen Weise den Weg zum Himmel.
6720. (3127.) Ich sage euch, o Leute, die Wahrheit und rede nicht etwa aus Parteilichkeit; auch gilt dieses bei aller Welt für ausgemacht: nichts Anderes entzückt das Herz als die Schönhüftigen und keinen andern Grund der Leiden giebt es als sie.
6721. (3123.) Mit dem, der von Wahrheit und Recht gewichen ist, soll man nimmer ein Bündniss schliessen: mag ein solcher mit uns auch verbündet sein, so wird er aus Unredlichkeit doch bald von uns abfallen.
[431] 6722. (5128.) Wahrhaftigkeit, Selbstbeherrschung, Kasteiungen, Freigebigkeit, Schonung alles Lebenden und das Beharren im Gesetz, nicht aber die Geburt und das Geschlecht bringen, o Fürst, stets Alles bei den Männern zu Wege.
6723. (3129.) Fürwahr nicht darüber mache ich mir Gedanken, dass die Reichthümer dahin sind, da ja das Geld nach dem Laufe des Schicksals kommt und geht; aber das versengt mir das Herz, dass die Leute, nachdem ich den Rückhalt am Gelde eingebüsst, auch die Freundschaft erkalten lassen.
6724. Keine Wahrhaftigkeit, keine Kasteiungen, keine Bezähmung der Sinne und kein Mitleid mit den Geschöpfen: dies sind die Merkmale eines Kâṇḍâla.
6725. (5129.) Wer Wahrhaftigkeit und Mitleid mit Bedrängten sich stets zur Aufgabe gestellt hat und wer die Liebe und den Zorn in seiner Gewalt hat, der hat die drei Welten erobert.
6726. Wahres und mildes Benehmen eines Fürsten währt ewig; darum ist Wahrheit das Wesen der Herrschaft und darum ist die Welt auf Wahrheit gegründet.
[432] 6727. (5130.) Buddha hat wahr gesprochen, wenn er die Gemüthsstimmungen für unvergänglich erklärt, da die Kakora-äugige noch heute in meinem Herzen lebt.
6728. Die Wahrheit, ja die Wahrheit ist der Gott in der Welt, auf der Wahrheit beruht stets das Recht, in der Wahrheit wurzelt Alles, eine höhere Stufe als die Wahrheit giebt es nicht.
6729. (4720.) Ein Mann, dem hier in der Welt Sorgen den Verstand verwirrten, wird seinem Versprechen untreu, giebt seine vielen Freunde auf, kehrt alsbald sogar seiner Mutter und seiner Geburtsstätte den Rücken und zieht, liebe Leute verlassend, in die Fremde.
6730. (5131.) Ich gelobe es, dass es dir, o Geliebter, nicht vergönnt sein wird mich anzuschauen mit einem Auge, das roth ist von der Schminke, die durch den Kuss einer Anderen übertragen wurde.
[433] 6731. Wahrhaftigkeit ist das Brahman, Kasteiungen sind das Brahman, Bezähmung der Sinne ist das Brahman, Mitleid mit allen Geschöpfen ist das Brahman: dies sind die Merkmale eines Brahmanen.
6732. (3130.) Man sage, was wahr ist, und sage, was angenehm ist; doch sage man nicht, was wahr, aber unangenehm ist, und auch nicht, was angenehm, aber nicht wahr ist: dies ist ewiges Gesetz.
6733. Genüsse entzücken in Wahrheit das Herz und Reichthümer sind in Wahrheit reizend, aber das Leben ist unstät wie das Verziehen der Augenwinkel einer aufgeregten Jungfrau.
6734. (5132.) Die Wahrhaftigkeit ist meine Mutter, das Wissen mein Vater, die Tugend mein Bruder, das Mitleid meine Schwester, die Gemüthsruhe mein Weib, die Geduld mein Sohn: dies sind meine sechs Angehörigen.
6735. Freunden, soll man Wahres sagen, Frauen Liebes, einem Feinde Falsches aber Angenehmes, sei nem Gebieter Erwünschtes und Wahres.
6736. Ein Verständiger soll wahre, sanfte, liebe und frommende Worte im Munde führen, Selbstüberhebung und das Tadeln Anderer aber unterlassen.
[434] 6737. (5133.) Wahr erscheint mir auch in Bezug hierauf folgender in der Welt gangbare Ausspruch: Söhne schlagen den Vätern nach, Töchter den Müttern.
6738. (3131.) Wozu die Bemühungen um ein Polster, wenn der Erdboden da ist? Wozu Kopfkissen, wenn uns die Arme gegeben sind? Wozu mannichfache Schüsseln, wenn uns die hohle Hand zu Gebote steht? Wozu der Musselin, wenn die Weltgegenden, Bast und ähnliche Dinge da sind?
6739. (3132.) Eines Fürsten Politik tritt wie eine Buhldirne in mannichfacher Gestalt auf: sie ist wahr und auch falsch, barsch und auch freundlich, grausam und auch mitleidig, geldgierig und auch freigebig, hat beständige Ausgaben, aber auch viele und beständige Einnahmen.
6740. (3133.) Ein Freund der Wahrheit, ein Ehrenmann, ein Gerechter,[435] ein Unehrenwerther, ein mit seinen Brüdern Zusammenhaltender, ein Mächtiger und ein Sieger von vielen Schlachten: diese sieben nennt man als solche, mit denen man sich verbünden kann.
6741. (5134.) Ob der Wahrheit besteht die Erde, ob der Wahrheit scheint die Sonne und ob der Wahrheit weht der Wind: Alles beruht auf der Wahrheit.
6742. (3134.) Durch Wahrheit wird das Gesetz bewahrt, durch Fleiss das Wissen, durch Reinlichkeit die Schönheit, durch gutes Betragjen die Familie,
6743. (3135.) durch Messen das Getraide, eine Stammtafel bewahrt die Pferde, beständiges Nachsehen die Kühe, Weiber muss man durch schlechte Kleider bewahren.
6744. (5135.) Ob der Wahrheit scheint die Sonne, ob der Wahrheit wächst der Mond, ob der Wahrheit entstand der Unsterblichkeitstrank: auf der Wahrheit beruht die Welt.
6745. (5136.) In welche Welten der Wahrheit lebende Menschen mittels der einen Wahrheit gelangen, in die Welten gelangen nicht Unwahre, brächten sie auch Hunderte von Opfern dar.
[436] 6746. (3136.) Ein Freund der Wahrheit fällt, seinem Versprechen treu bleibend, nimmer ab, wenn er sich mit uns verbündet hat; und so wird auch ein Ehrenmann, stände selbst sein Leben in Gefahr, sicher nimmer gegen seine Ehre handeln.
6747. (5137.) Durch den Verkehr mit Guten werden ja Schlechte gut, durch den Umgang mit Schlechten aber werden Gute nicht schlecht: ein irdenes Gefäss nimmt den in einer Blume steckenden Duft an, Blumen aber haben nimmer den Geruch des irdenen Gefässes.
6748. (5138.) Ein Lehrer, der die gute Ueberlieferung besitzt, mit dem heiligen Wissen vertraut und noch mit andern Vorzügen ausgestattet ist, wird von den Leuten hoch geehrt.
6749. Verloren ist ein gutes Werk durch Heuchelei, verloren sind Kasteiungen[437] durch Zorn, verloren nicht fest haftende Kenntnisse, verloren ist Gelehrsamkeit durch Unaufmerksamheit.
6750. (3137.) Stets wandelt die Sonne am Himmel, stets ist der Wind in Bewegung, stets trägt der Schlangendämon Çesha die Erde, stets enthält sich der Kluge des Prahlens.
6751. (3138.) Ein Herr, der guter Dinge ist, wenn seine Diener von gutem Betragen sich in Nöthen befinden, fährt zur Hölle und lebt in Trübsal jenseits und auch hier auf Erden.
6752. Leiden der Seele oder des Körpers bringt man durch Anwendung zweier Mittel zur Ruhe: entweder dadurch, dass man beständig Gegenmittel anwendet, oder dadurch, dass man niemals an sie denkt.
6753. (3139.) Ein riesiger Elephant, der durch beständiges Spenden (Fliessen des Brunstsaftes) hingeschwunden ist, wird gepriesen: ein Esel, der Nichts spendet (keinen Brunstsaft hat), wird nur verhöhnt, wäre er auch fett.
6754. (3140.) Ein Verächter der Götter und Brahmanen geht ob der grossen Macht seiner schlechten Werke ja stets von selbst zu Grunde; eben so der vom Schicksal Geschlagene.
[438] 6755. (5139.) Hat ein Fürst Jemanden Etwas zu Leide gethan, dann sei er nimmer unbesorgt: ist man, wenn man Andere beleidigt hat, unbesorgt, dann erntet man ja Leiden.
6756. (5140.) Eine Frau muss stets heiter und bei den häuslichen Verrichtungen rührig sein, das Geräthe hübsch sauber halten und in den Ausgaben nicht verschwenderisch sein.
6757. (3141.) Ein Löwe, der sich vom Fleische reichlichen Brunstsaft träufelnder Elephanten nährt, frisst niemals Gras, wenn seine Lieblingsspeise ihm nicht zu Theil wird.
6758. (3142.) Nie und nimmer kann man ja auf die Länge mit einem Reichen zurecht kommen: Weise haben den Satz aufgestellt, dass Reichthum das Herz verderbe.
6759. (3143.) Stets tritt bei dem, der seine Sinne bändigt, eine ununterbrochene Freundschaft zwischen Geist und Herz zu Tage, wenn diese Gefallen daran finden Andachtsübungen fleissig obzuliegen. Was macht sich[439] dann ein Solcher aus einem Gespräche mit geliebten Mädchen, aus dem Honig ihrer Lippen, aus ihrem Antlitzmonde, aus dem Wohlgeruch ihres Athems, aus dem Umfange ihres Busens und aus dem Liebesgenuss?
6760. Was heisst beständige Erniedrigung? Das Bitten. Würde ist das Gegentheil von diesem. Wer ist in Wirklichkeit geboren? Der nicht wiedergeboren wird. Wer ist in Wirklichkeit gestorben? Doch derjenige, der wiedergeboren wird.
6761. (5141.) Gelehrte soll man stets aufsuchen, auch wenn sie nicht unterweisen, da schon ihre leicht hingeworfenen Reden Unterweisungen sind.
6762. Zu preisen ist eine hohe Stellung, aus der Jedermann stets Nutzen ziehen kann: ein schöner See, von dessen Wassermenge man mit Bequemlichkeit trinken kann, ist besser als ein Brunnen.
6763. (3144.) Auch ein Kluger verfährt seiner Natur gemäss: die Geschöpfe kehren zu ihrer Natur zurück; was wird der Zwang nützen?
6764. (5142.) Dieses hat ein Weiser mit einem Elephanten, dessen Stosszähne einer gabelförmigen Deichsel gleichen, gemein, dass er sich allein in den Wäldern vergnügt und dass er mit dem blossen Walde zufrieden ist.
[440] 6765. (3145.) Ein Fürst in Noth kann stets von seinen Ministern ausgebeutet werden; darum eben sehen ihn ja diese gern in Noth.
6766. (5143.) Wenn ein Fürst etwas Schlechtes verübt, dann ist dieses nur des Ministers Schuld: durch die Fahrlässigkeit des Führers erhält ein Elephant den tadelnden Namen eines störrigen Elephanten.
6767. Götter, gute Menschen und Brahmanen begnügen sich mit Rechtschaffenheit, gewöhnliche Menschen mit Essen und Trinken, Gelehrte mit Reden, die man an sie richtet.
6768. (3146.) Keine Rechtschaffenheit bei Buhldirnen, kein Bestand bei Glücksgütern, keine Urtheilskraft bei Thoren, keine Vergänglichkei bei Werken.
6769. (3147.) Nur mit Guten soll man wohnen, mit Guten Umgang haben, mit Guten streiten und Freundschaft schliessen; mit Bösen dagegen soll man Nichts unternehmen.
6770. Ein Böser, würde ihm auch von Guten mit milden Worten freundlich zugeredet, giebt nur Gluth von sich wie ein Stein, den man mit Wasser abreibt.
[441] 6771. (3148.) Ein Mann, dem es um Erfolg zu thun ist, habe mit Guten Umgang, nimmer aber mit Bösen, was für diese wie für jene Welt vom Uebel wäre.
6772. Ein bösgesinnter und schlechter Mensch wird, würde er auch von Guten belehrt, nimmer rein, eben so wenig wie eine Kohle, wenn man sie reibt.
6773. (5144.) Der Genuss einer Tundî-Gurke benimmt alsbald die Einsicht und der Genuss von Calmus schafft alsbald Einsicht; ein Weib benimmt alsbald die Kraft und Milch schafft alsbald Kraft.
6774. Drei Dinge verschaffen uns alsbald Kraft: ein junges Weib, Salben und gute Speise; drei Dinge benehmen uns alsbald die Kraft: Reisen, Beischlaf und Fieber.
6775. (3149.) Frisches Fleisch, neuer Reis, ein junges Weib, Genuss von Milch, geschmolzene Butter und warmes Wasser: diese sechs erfrischen alsbald die Lebensgeister.
6776. (3150.) Einen grausamen Herrn sollen Gute wie einen Bogen[442] durchaus meiden, wäre er auch von gutem Stamme und rein, spendete er auch zehn Millionen (hätte er auch zwei gekrümmte Enden) und wäre er auch mit Vorzügen (einer Sehne) ausgestattet.
6777. (5145.) Derjenige ist glücklich, derjenige lebt, derjenige ist edel geboren, von dem Bedürftige nicht unverrichteter Sache fortgehen und dem, o Freund, die Reichthümer nicht sparsam zugemessen sind.
6778. Fasse, o Einsichtsvoller, die Meinung, dass es kein Jenseits giebt, mache dich an das, was du mit deinen Sinnen wahrnimmst und kümmere dich nicht um das, was du nicht mit deinen Sinnen erreichen kannst.
6779. Es giebt in der Welt keinen Diener, der nicht Verlangen trüge nach einer hohen Stellung; diejenigen aber, deren Ehre in Folge ihrer Schwäche gebrochen ward, umlagern, zum Dienste bereit, einen Fürsten.
6780. (3151.) Nur Gute sind im Stande Gute aus dem Unglück zu retten: nur Elephanten helfen ihren im Sumpf versunkenen Mitbrüdern aus der Noth.
[443] 6781. (3152.) Von einem Wassertropfen, der auf glühendes Eisen fällt, ist keine Spur mehr zu erkennen; derselbe Tropfen glänzt in Perlengestalt, wenn er sich auf dem Blatte einer Lotuspflanze befindet; zu einer ächten Perle wird er, wenn er unter dem Sternbild Svâti in eine Meermuschel geräth: niedrige, mittelmässige und hohe Eigenschaften pflegen aus der Berührung mit Andern hervorzugehen.
6782. Hört es, ihr Gelehrten, und prägt es eurem Herzen ein, was ich mit erhobenem Arme ringsum laut verkünde: Nichts ist hier auf Erden so reizend wie die Schönbrauigen, Nichts ist hier auf Erden so reizend wie die Schönbrauigen!
6783. (5146.) Gebildeten Menschen, die es sich angelegen sein lassen, dass bei ihnen ein tugendhafter Wandel zur Entfaltung kommt, fällt das Leben stets schwer, weil sich Zwang bei ihnen einstellt und weil sie bei jeder Gelegenheit sich vor übler Nachrede der Leute fürchten; ein gemeiner Mensch dagegen ist glücklich, da er, weil er unentwickelten Verstandes ist, weder durch eine gute noch durch eine schlechte That in Bewegung geräth, und da sein Herz sich nicht damit abgiebt, das Passende und Unpassende zu sondern.
[444] 6784. (5147.) Man wisse, dass ein Bündniss, welches darauf beruht, dass man dem Andern eine Tochter zur Ehe giebt, Sa tâna heisst; Sa gata nennen Gelehrte das auf Freundschaftschliessung beruhende Bündniss.
6785. (5148.) In Folge von Betrübniss schwindet die Schönheit, in Folge von Betrübniss schwindet die Kraft, in Folge von Betrübniss schwinden die Kenntnisse, in Folge von Betrübniss fällt man in Krankheit.
6786. Ein Guter gewinnt ja ein noch schöneres Aussehen, wenn man ihm Schmerz bereitet: erfreut Milch, wenn sie gekocht wird, nicht etwa das Herz durch ihren süssen Geschmack?
6787. Arme haben gegen ihren Willen Kinder in Hülle und Fülle und Reiche haben keinen Sohn: gar wunderbar ist des Schicksals Treiben!
6788. Unzählbar wie die Hunde sind diejenigen, die in jedem Hause das Licht der Welt erblicken; der wahren Erzeuger aber, der Dichter, sind wie der achtbeinigen Çarabha nicht viele.
[445] 6789. (3153.) In den Wäldern giebt es Bäume mit süssen Früchten, klar ist das Wasser der Giessbäche, Bast dient als Gewand, eine Höhle, im Berge als Obdach, junge Zweige von Schlingpflanzen als Lager, die Strahlen des Mondes dienen zum Sehen in den Nächten, Freundschaft pflegt man mit Gazellen: obgleich man über solchen Reichthum frei verfügen kann, so dient man doch, worüber ich klage und staune, einem Fürsten!
6790. (5149.) Vom Anschauen, von der Unterhaltung, von der frohen Ausgelassenheit, vom Scherze, Spiele und Umarmen will ich gar nicht reden: schon das blosse Denken an die Mädchen vermag hier im Leben die Ruhe des Herzens zu stören.
6791. (5150.) Auf der Familie, in welcher stets der Gatte mit der Gattin und die Gattin mit dem Gatten zufrieden ist, ruht sicher der Segen.
6792. (5151.) Mit wem die Eltern zufrieden sind, zu wem die Schar der Freunde sich hingezogen fühlt und wessen Ruhm die Leute singen, der hat die drei Welten erobert.
6793. (3154.) Ein Edler findet Befriedigung durch Lob, ein Gemeiner durch grossen Besitz: Götter werden uns durch Gebete gewogen, Gespenster, Vögel und Planeten durch Speisegaben.
[446] 6794. Edle Menschen entfärben sich nicht, geriethen sie auch in's Unglück: eine Muschel giebt ihre weisse Farbe nicht auf, würde sie auch vom Feuer gebrannt.
6795. (3120.) Die übrigen Vorzüge fallen ja, wären sie auch da, beim Armen nicht in die Augen: wie die Sonne die Geschöpfe, so macht der Reichthum die Vorzüge offenbar.
6796. (3155.) Sogar vorhandene Dinge schwinden dahin, wie die Finsterniss beim Sonnenaufgange, wenn sie in die Hände dummer Minister gerathen, die keine Rücksicht auf Ort und Zeit nehmen.
6797. (3156.) Ein unerwarteter Zufluss von Reichthümern vernichtet die Zufriedenheit der Menschen: ein Regenstrom durchbricht den Damm der Teiche, ist aber von keinem Bestand.
6798. (5152.) Wem es um Wohlbehagen zu thun ist, der befleissige sich der grössten Genügsamkeit und beherrsche sich selbst: das Wohlbehagen wurzelt ja in der Genügsamkeit, die Ungenügsamkeit aber ist die Wurzel der Leiden.
[447] 6799. (5153.) Bei drei Sachen soll man Genügsamkeit zeigen: beim eigenen Weibe, beim Essen und beim Gelde; und bei drei Sachen soll man keine Genügsamkeit zeigen: beim Spenden, bei Kasteiungen und beim Unterrichten.
6800. (3157.) Wie sollte jenes Wohlbehagen, das Menschen beruhigten Herzens, die sich an dem Nektar der Genügsamkeit sättigen, fühlen, denen zu Theil werden, die, gierig nach Schätzen, hierhin und dorthin rennen?
6801. (5154.) Gute lenken mittels ihrer Wahrhaftigkeit die Sonne, Gute tragen mittels ihrer Kasteiungen die Erde, Gute sind, o Fürst, der Grund des Vergangenen und des Gegenwärtigen, unter Guten gerathen Gute nimmer in Noth.
6802. (3158.) Ein von seinen Unterthanen nicht geliebter (Fürst) wird in der Schlacht von seinen Unterthanen im Stich gelassen, und ein an Sinnengenüssen zu sehr hängender (Fürst) wird leicht angegriffen.
6803. (3159.) Es sind noch fünf oder sechs andere hochgeachtete Planeten[448] da, Jupiter und wie sie sonst heissen mögen; gegen diese tritt Râhu, der an aussergewöhnlichem Heldenmuth Gefallen findet, nimmer feindlich auf: der Fürst der Unholde, dem nur der Kopf geblieben, verschlingt, sieh, wenn er an den verhängnissvollen Tagen umherschweift, nur die zwei hell Leuchtenden, den Herrn des Tages (die Sonne) und den Gatten der Nacht (den Mond).
6804. (5155.) »Da habe ich Elephanten, deren Wangen der Brunstsaft verunreinigt hat; da habe ich auch Rosse, die weit wie der Wind laufen; auch werde ich noch andere bekommen. Dieses habe ich schon erlangt, jenes erlange ich noch.« Wie kann wohl, pfui, von Gemüthsruhe die Rede sein bei Menschen, die auf jene Weise nur darauf sinnen immer mehr zu gewinnen und deren Herz von Sorgen zerrissen wird?
6805. Wer sich zu rechter Zeit verbündet, zu rechter Zeit mit seinen Feinden kämpft und seine Partei verstärkt, der gelangt ja zu grosser Macht.
6806. (5156.) Er (der Fürst) schliesse kein Bündniss mit Unedlen, kriege nicht mit Verwandten, sende keinen Boten aus, der ihm nicht ergeben ist, und thue, was er zu thun hat, gern.
[449] 6807. (3160.)
Spröde die Lipp' einkneifend, erschreckt vorstreckend die Finger,
»Lass mich, Wicht!« so mit Zorn höher die Brauen gespannt,
Schaudernden Auges die Stolze; wer also sie küsste mit Hast, hat
Amrit (Nektar), es rührten umsonst thörichte Götter das Meer.
Fr. Rückert.
6808. (3161.) Da eine jenseitige Welt zweifelhaft ist und die üble Nachrede der Leute hier auf Erden überaus mannichfaltig ist, so sind diejenigen Weiber glücklich, die, wenn sie über einen fremden Gatten verfügen können, die Frucht ihrer Jugend geniessen.
6809. (3162.) Unsicher ist ja stets der Sieg, kämpfte man auch nur im Spiel; darum gehe man erst nach Anwendung der drei anderen Mittel an den Kampf.
6810. Wer führe nicht zusammen bei der Berührung von Schmucksachen, die seine Vorfahren im Augenblick des Todes ablegten, nachdem sie sie zuvor mit ihren vor Schmerz heissen Thränen verunreinigt hatten?
6811. Die gerade Nadel dient zum Verbinden, die krumme Scheere[450] zum Zerschneiden; darum gieb die krummen Wege auf und halte dich nur an die Tugenden.
6812. Kluge, die auf ihr Wohl bedacht sind, sollen sich stets und durchaus verbünden. Sogar mit Feinden soll man sich verbünden, da das Leben geschützt werden muss, o Bhârata!
6813. (5157.) Ein entschlossener angreifender Feind pflegt sich mit dem Thronerben oder dem ersten Minister (des Gegners) zu verbünden und einen inneren Aufruhr zu erregen.
6814. (3163.) Selbst mit einem Unedlen soll man ein Bündniss schliessen, sobald man erkannt hat, dass das Leben auf dem Spiel steht, da mit der Erhaltung des Lebens Alles erhalten wird.
6815. (3164.) Selbst mit einem Unedlen soll man ein Bündniss schliessen, sobald Verderben droht: der Edle versäume es nicht sich alsbald Jenem anzuschliessen.
6816. (3165.) Selbst mit einem Unedlen sollen wir ein Bündniss schliessen, da ein solcher, wenn er über uns herfällt, uns vernichtet: wie der Reṇukâ Sohn (Paraçurâma) bleibt er nicht einmal bei den Wurzeln stehen (d.i. zerstört er Alles bis auf den Grund).
[451] 6817. (3166.) Selbst mit einem Gleichstarken suche man Frieden, da der Sieg im Kampfe unsicher ist und Bṛhaspati erklärt hat, dass man nichts Unsicheres unternehmen dürfe.
6818. (3167.) Möge der Friede für alle siegreichen Fürsten stets eine Freude sein! Mögen Gute vom Ungemach verschont bleiben! Möge der Ruhm Tugendhafter lange wachsen! Möge die Staatsweisheit wie eine Buhldirne beständig den Rathgebern am Herzen liegen und ihre Lippen berühren! Möge Tag für Tag ein grosses Fest sein!
6819. (5158.) Der Weiber Zuneigung (Röthe) währt nur einen Augenblick wie die der Morgen- und Abendröthe; ihre Absichten sind gewunden wie Flüsse; man darf Weibern eben so wenig trauen wie Schlangen und unstät sind sie wie der Blitz.
6820. Eine zu nahe Berührung der Menschen hier im Leben ist die Ursache, dass diese sich nicht achten, wie ja auch ein Anwohner der Gañgâ das Wasser dieses Flusses verlässt und sich zu einem andern Wasser begiebt um sich zu reinigen.
[452] 6821. (5159.) Es gehe diese Welt im tiefen Meere der Zeit, in welchem Alter und Tod die Seeungeheuer sind, unter und Niemand wird es gewahr.
6822. (5160.) Wer den heftigen Andrang des Zornes und der Freude zurückhält und im Unglück nicht seine Besonnenheit verliert, der ist, o Fürst, ein Gefäss der Wohlfahrt (d.i. dem wird Wohlfahrt reichlich zu Theil).
6823. (5161.) Ein Brahmane, der die Sinnenschar zügelt, Liebe und Hass aufgiebt und den Wesen die Furcht benimmt, wird unsterblich.
6824. (3168.) Nur so lange bleibt ein Mann auf dem rechten Pfade, nur so lange ist er Herr seiner Sinne, nur so lange zeigt er Schamgefühl und nur so lange hält er an gesittetem Benehmen, als nicht der losen Mädchen Augenpfeile in sein Herz dringen und ihm die Festigkeit rauben, jene mit schwarzen Wimpern befiederten und bis zu den Ohren reichenden Augenpfeile, die der Brauenbogen anzieht und abschiesst.
6825. (5162.) Hat man in einer Angelegenheit, bei der ein Feind im Spiel ist, sich mit diesem vertragen, so fühle man sich darum nicht sicher;[453] ein Kluger wird, sobald er seine Absicht erreicht hat, sich schnell davon machen.
6826. Unter hundert Nebenbuhlerinnen zu leben, nicht einmal einen Sohn zu Gesicht zu bekommen und nicht einmal im Kindesalter einen freien Willen zu haben: Wehe rufe ich über die Geburt der Weiber eines Fürsten!
6827. (3169.) Sieben Fehler, aus denen Missgeschick hervorgeht, soll ein Fürst stets meiden, da durch sie sogar festwurzelnde Gebieter zu Grunde zu gehen pflegen:
6828. (3170.) den Verkehr mit Weibern, das Würfelspiel, die Jagd, den Trunk, fünftens Beleidigungen mit Worten, ferner starke thätliche Beleidigungen und den Angriff auf fremden Besitz.
6829. (5163.) Wie könnte man den Baum der Leidenschaften, der seine Wurzeln in die sieben Höllen geschlagen hat, entwurzeln, wenn man nicht zuvor den Hass, welcher der Boden derselben ist, vernichtet hat?
6830. (5164.) Sieben vorangehende und sieben folgende Generationen und die, welche diesen vorangehen und folgen, errettet ein Mann, der die Gañgâ gewahr wird, sie berührt und in ihr badet.
[454] 6831. (3171.) Diese sieben werden nimmer satt, stopfte man sie auch in einem fort: das Feuer, ein Brahmane, der Todesgott, ein Fürst, das Meer, ein Bauch und ein Haus.
6832. (5165.) Eine mit Hindernissen verbundene Angelegenheit vermag man nur mit Hilfe eines Gefährten zu vollführen: selbst ein Sehender vermag im Dunkeln einen Gegenstand nicht ohne Lampe zu sehen.
6833. (5166.) Im Kampfe eines Schwachen, der auf seiner Hut ist, mit einem Starken, der nicht auf seiner Hut ist, unterliegt der Starke in Folge seiner Sorglosigkeit.
6834. (5167.) Der Tod führt einen Lebenden hinweg, entführt aber keinen Entseelten; die Schmach dagegen führt stets todte, wie lebende Menschen hinweg.
6835. (3172.) Der ist ein Freund, der in's Unglück Gerathene aus der Noth zu ziehen im Stande ist, nicht der, der das zu tadeln versteht, was einen in Angst Befindlichen zu retten vermöchte.
[455] 6836. Ein Angehöriger ist der, der um unser Wohl besorgt ist; ein Vater ist aber der, der die Kinder ernährt; ein Freund ist der, dem wir unser Vertrauen schenken können; eine Gattin ist die, durch die wir glücklich sind.
6837. (5168.) Nur eine solche Last soll ein Mensch, o Bester, tragen, die ihn nicht niederdrückt; auch soll man nur solche Speise geniessen, die verdaut wird und der Gesundheit zuträglich ist.
6838. Entweder soll man eine Gerichtsversammlung nicht betreten, oder (wenn man sie betritt) die Wahrheit reden: der Mann, der da schweigt oder auch eine falsche Aussage macht, ladet eine Sünde auf sich.
6839. (3173.) Ein Kampf mit einem Mächtigen bringt ja einem Schwachen den Tod: der Mächtige bleibt auf seinem Platze, bis er den Schwachen, wie ein Stein einen Krug, zerschmettert hat.
6840. (5169.) Zu der Zeit sind Alle unsere Freunde, wo sie Genuss für sich zu erreichen hoffen; in der Stunde des Unglücks aber sind nicht einmal unsere eigenen Glieder uns Freunde.
[456] 6841. (3174.) Ὅστις ἐστὶ γεγυμνασένος πᾶν εἶδος ὅπλων, καὶ εἰδήμων τῆς ἱππικῆς, ἀνδρεῖός τε καὶ ῥωμαλέος, οὗτός ἐστι στρατηγὸς ἄξιος.
Galanos.
6842. (5170.) Solchen Frauen, denen der Gatte lieb ist, er befinde sich in guter oder schlimmer Lage, sei schlecht oder redlich, werden Welten zu Theil, in denen sie grosses Glück erwartet.
6843. (5171.) Wer von einem Starken angegriffen, wird, hat ja, gäbe er sich auch jegliche Mühe, keine Zuflucht, eben so wenig wie eine von einem Löwen angefallene Gazelle.
[457] 6844. (3175.) Wer von einem Stärkeren angegriffen wird, soll, wenn es ihm um dauernde Wohlfahrt zu thun ist, das Verfahren des Rohres, nimmer das der Schlange einschlagen.
6845. (3176.) Wer nach Art des Rohres verfährt, der gelangt allmählich zu grosser Wohlfahrt; wer dagegen nach Art der Schlange verfährt, der findet einzig den Tod.
Calembourg.
6846. Schreibe auf meinen Befehl einen Brief; so wies ein Vater seinen Sohn an. Da schrieb er den Brief nicht (gebeugt) und der Befehl des Vaters wurde nicht verletzt.
6847. (5172.) Bei einem Gleichen steht Freundschaft wohl an, bei einem Fürsten Dienst, unter den Gewerben der Handel, im Hause ein himmlisches Weib.
6848. (3177.) Das Glück erscheint (allmählich) wie die Milch in der Kokosnuss und verschwindet (plötzlich) wie die Früchte des Kapittha, die von Elephanten verzehrt werden.
[458] 6849. (3178.) Nachdem der Geliebte endlich nach langer Zeit wiedergekehrt war, da verfloss, o Freundin, die Hälfte der Nacht unter Erzählungen über die (von ihm besuchten) Gegenden; während ich darauf im scherzhaften Streite meinen Zorn gegen den Liebsten ausliess, färbte sich diese östliche Weltgegend roth, als wäre sie meine Nebenbuhlerin.
6850. (5173.) Wie viele Unternehmungen sind dir nicht, o Vieh, zu wiederholten Malen missglückt, wenn du vom nichtigen Meerwasser, dem Trugbilde der Schätze, zu trinken begehrtest? Und dennoch legt sich nicht dein Hoffen, o Thor! Dass dein Herz noch nicht in hundert Stücke zersprang, kommt sicher daher, dass es aus einem (harten) Diamanten geformt ward.
6851. Sämmtliche Vorzüge pflegen auf dem Reichthum zu beruhen: am Bogen, der mit zwei gekrümmten Enden (mit zwanzig Millionen) versehen ist, bammelt die Sehne (der Vorzug).
6852. Nur vermöge des mächtigen Rückhalts wagte es die auf der Hand Çiva's ruhende Schlange den Garuda, als er seines Weges wandelte, um sein Wohlbefinden zu befragen.
[459] 6853. (5174.) Die Weiber machen den Geliebten zum Sclaven, indem sie Umarmungen mit Umarmungen, Küsse mit Küssen, Bisse mit Bissen erwiedern.
6854. (3179.) Περιπέκεται μὲν ὁ ἀνὴρ ὀργῶν στιϕρὰν σάρκα κόλπον οἰόμενος πίνει δὲ στόμα σιάλου πλῆρες ὡς οἲνου κύλικα, ἐπτοημένος δὲ περὶ τὴν ἁϕὴ κέλευϑον ἀσπάξεται μυσαρᾷ νοτίδι ὑγράν τοῖς ὑπὸ μεγάλης ἀνοίς τυϕλοῖς τί οὐχὶ ἐνϑάδε τερπνόν ἐστιν;
6855. Wenn wir unsere Wünsche nicht erreichen, so ist dieses, o Herr, nicht deine, sondern unseres Schicksals Schuld: wenn die Eule am Tage nicht sieht, so kann man ja dieses nicht der Sonne zur Last legen.
6856. Wer, wenn es zu handeln gilt, die Geistesgegenwart nicht verliert, der kommt über die Schwierigkeit hinweg, wie jener Affe im Wasser.
[460] 6857. (5175.) Sogar beim heftigsten Ungemach offenbart ohne Zweifel der Mann reines Herzens und edlen Stammes den Einklang seines Wesens.
6858. Der Busen der Gazellenäugigen regt hier im Leben vom ersten Tage seines Auftretens der Jünglinge Herz auf; als er aber sich vollständig erhoben hatte, da liess er den Himâlaja leicht erscheinen. Wie er dafür, dass er die schöne Leibesmitte heftig drückte, gesunken ist, so wird er sich auch wieder erheben.
6859. Beim Quirlen des Meeres erhielt Vishṇu die Lakshmî, Çiva das Gift: überall bringt das Schicksal den Lohn, nimmer das Wissen oder die menschliche Arbeit.
6860. Diese Welt der Lebenden, beweglich wie eine Meereswoge und vergänglich wie das Zucken eines Blitzes, erscheint für einen Augenblick reizend durch festliche Züge und andere Feste.
6861. (3180.) Der Charakter der Weiber ist beweglich wie eine Meereswoge, ihre Zuneigung (Röthe) währt wie die eines Wolkenstreifes in der[461] Abenddämmerung nur einen Augenblick; haben sie einem Manne das Geld abgenommen, so lassen sie ihn, da er ihnen nicht mehr von Nutzen ist, wie ausgepressten Lack fahren.
6862. (3181.) Die Erde wird durch's Meer geschützt, ein Haus durch eine Mauer, Länder werden durch Fürsten geschützt, Weiber durch ihren guten Lebenswandel.
6863. (5176.) Ein Gewand, das man zuvor nass macht, wird durch das Verfahren später rein: denen, die sich mit Fasten peinigten, wird ein langes, endloses Glück zu Theil.
6864. (3182.) Der ist ein Thor, der, bevor er einen günstigen Augenblick gefunden hat, in der Nähe seines Beleidigers weilt: ein Kampf mit einem Mächtigen (bringt Verderben) wie das Wachsen der Flügel bei der Ameise (wodurch diese eine Beute der Vögel oder des Feuers wird).
6865. (5177.) Stolze erheben sich nicht eher, als bis sie ihre Feinde mit der Wurzel vernichtet haben: ein Beispiel hierzu ist die Sonne, welche (vor ihrem Aufgange) die dichte Finsterniss verscheucht.
[462] 6866. (5178.) Einige sind reich an Vorzügen, Andere an Schätzen; die an Schätzen Reichen, an Vorzügen aber Armen sollst du, o Dhrtarâshtra, meiden.
6867. (5179.) Unebene mit Wasser durchzogene und gebirgige Gegenden soll man mit Elephanten betreten, ebene mit Reiterei, Wasser mit Schiffen, mit dem Fussvolk kann man überall gehen.
6868. (5180.) Der Kluge, welcher mit Gleichen, nicht mit Niedrigeren, sich durch Heirath verbindet, welcher mit Gleichen Freundschaft, Verkehr und Unterhaltung pflegt und welcher durch Vorzüge sich Hervorthuenden Ehre erweist, führt seine Pläne gut aus.
6869. (3183.) Bei denjenigen, die sich einem Fürsten anschliessen, hängt das Glück von einem Andern ab; ihr Herz wird nimmer froh und selbst zum eigenen Leben haben sie kein Vertrauen.
6870. (3184.) »Das Schicksal ist die Ursache von Glttck und Unglück«, so denkt der Fatalist und rührt sich nicht.
[463] 6871. (3185.) Im Glück ist eines Bösewichts Herz hart, im Unglück weich: kaltes Eisen pflegt hart, geglühtes weich zu sein.
6872. (3186.) Im Glück ist eines Guten Herz weich, im Unglück hart: zart ist ein Baumblatt im Frühling, hart im Sommer.
6873. Im Glück wie im Unglück, im Hause wie im Walde, folgen edle Frauen ohne sich zu bedenken dem Gatten nach.
6874. (3187.) Im Glück wie im Unglück bleiben Grosse sich gleich: roth ist die Sonne beim Aufgang, roth beim Untergang.
6875. Glück, das mit dem Schmerz der Unterthanen, Freundschaft, die mit Heuchelei, und eine Geliebte, die durch barsches Wesen erkauft worden ist, sind nicht von Bestand.
6876. (3188.) Im Glück ist das Herz grosser Männer zart wie eine Lotusblüthe und im Unglück hart wie die Steinmasse eines grossen Berges.
[464] 6877. (3189.) Wer schon bei geringer Wohlfahrt auf festen Füssen zu stehen glaubt, dem, so glaube ich, mehrt sie das Schicksal nicht, da dieses seine Aufgabe erfüllt hat.
6878. (5181.) Fürsten vergessen im Glück die Dienste ihres Gefährten im Unglück und denken nur an den in der Zwischenzeit aus Unachtsamkeit geschehenen Fehltritt.
6879. (3190.) Im Glück verkehrt der Dumme mit Fremden, im Unglück sieht man ihn mit den Seinigen: in Gesellschaft von Bienen blüht der Lotus behaglich und verdorrt in Gesellschaft von Wasserpflanzen.
6880. (3191.) Bei Kühen kann man eine leckere Speise erwarten, bei einem Brahmanen Kasteiungen, bei Frauen unstetes Wesen, von Verwandten kann man Gefahr erwarten.
[465] 6881. (3192.) Arme essen stets wohlschmeckendere Speisen als die Reichen: der Hunger macht die Speisen süss und dieser ist bei Reichen überaus selten zu finden.
6882. Ein voller Topf macht keinen Lärm, ein halbvoller Krug ballert ganz gehörig: ein gelehrter Mann zeigt keinen Hohmuth; wer aber der Vorzüge ermangelt, der macht viel Lärm von sich.
6883. Ein kluger Minister, dem es um seine Wohlfahrt zu thun ist, muss, wenn er gefragt wird, mit erhobenen Händen (offen) zum Fürsten sprechen.
6884. (5182.) Geräth ein Kluger in Noth, so vertieft er sich einfach in seinen Verstand; ein Thor dagegen geht, wenn er in Noth geräth, wie ein Stein im Wasser unter.
6885. (5183.) Ihn, der durch die Gewalt der Trauer niedergeschlagen ist, trifft eine schwere Krankheit: sein Geist verfinstert sich und wird von der Trauer nicht erlöst.
6886. Welche Gewaltthat würde nicht ein gemeiner Mensch ungefesselten Sinnes ohne alle Rücksicht Männern einfachen Verstandes anthun, wenn er eine Gelegenheit fände ihnen beizukommen?
[466] 6887. (5184.) Durch den Genuss der Speise Sinnenwelt entsteht eine Regungslosigkeit nach allen Seiten hin; diese unterdrückt das Erwachen jeglicher Erkenntniss; wie solltest du also Gelegenheit haben die Weltseele in Betracht zu ziehen? Doch dem ist abzuhelfen: ein Mittel dagegen ist, sich von dieser Speise eben abzuwenden. Geschieht dieses, so geht ein Licht auf und dieses Licht wird ohne Brennstoff die drei Krankheitsstoffe verzehren.
6888. (5185.) Verwandte sollen gemeinschaftlich speisen, sich unterhalten und sich gegenseitig lieben, nimmer aber mit einander streiten.
6889. (3193.) Wer auch in der Noth die Schranken nicht überschreitet, weil er bei sich denkt, dass er stets beim Herrn in Ehren stehe, der ist ein Liebling des Fürsten.
6890. (5186.) Hochachtung und Geringachtung, Gewinn und Verlust, Abnahme und Zunahme erfolgen und hören auch stets wieder auf mit dem Ende ihrer Bestimmung.
[467] 6891. (5187.) Ein Brahmane soll sich stets vor Ehren wie vor Gift fürchten und immer nach Geringschätzung wie nach Nektar streben.
6892. (5188.) Der Geringgeschätzte schläft ja froh, erwacht auch froh und lebt glücklich in dieser Welt; der Geringschätzer aber geht zu Grunde.
6893. (3194.) Was thun nicht Alles diese Schönäugigen, wenn sie in's weiche Herz der Männer sich geschlichen haben? Sie bethören, berauschen, verspotten, drohen, entzücken und bringen in Verzweiflung.
6894. (5189.) Eine richtig begonnene Sache verursacht ja, auch wenn sie fruchtlos bleibt, weniger Leiden als eine mit Unverstand unternommene.
6895. In diesem Walde des Lebens sind die Sarala-Bäume (geraden Menschen) selten, Kali-Bäume (Bäume des Haders) dagegen stehen dicht gedrängt; auch giebt es darin keine Çamî (keine innerlich beruhigten Männer) und keine Pu nâga (ausgezeichneten Männer).
[468] 6896. (5190.) Eine Lotusblüthe ist reizend, auch wenn sie in eine Blyxa octandra verflochten ist; der Fleck im Monde, obgleich unrein, vermehrt dessen Schönheit; diese Schlanke ist trotz des Bastgewandes über die Maassen schön: was ist nicht Schmuck für liebliche Gestalten?
6897. (3195.) Eine Gans, die, weil sie bei Nacht schlecht sieht, beim Suchen von Lotusranken oft durch den Anblick des Wiederscheins der Sterne im Teich betrogen wurde, will auch am Tage in keine weisse Wasserlilie beissen, weil sie wieder einen Stern voraussetzt: durch Betrüger eingeschüchterte Leute erwarten auch einem Redlichen gegenüber Gefahr.
6898. (3196.) Des Fürsten Lob singen, wenn er zornig ist, den lieben, den er gern hat, den hassen, den er hasst, und seine Freigebigkeit preisen: das sind die Mittel ihn ohne Zauberspruch und Beschwörungsformel zu bannen.
6899. (3197.) Eine Schlange ist fürchterlich und ein Bösewicht ist[469] fürchterlich, doch ist ein Bösewicht noch fürchterlicher als eine Schlange: eine Schlange kann durch Sprüche und Kräuter gebannt werden, wer vermag aber einen Bösewicht zurückzuhalten?
6900. Vergleicht man eine Schlange mit einem Bösewicht, so erscheint eine Schlange besser als ein Bösewicht: eine Schlange beisst von Zeit zu Zeit, ein Bösewicht aber auf Schritt und Tritt.
6901. (3198.) In einem Hause zu wohnen, das Schlangen birgt, ist sicherer Tod; haust eine Schlange nur in der Nähe eines Dorfes, so ist schon Lebensgefahr für die Bewohner dieses Dorfes.
6902. (5191.) Eine Schlange, Feuer, einen Löwen und einen edlen Mann darf man, o Bhârata, nicht geringschätzig behandeln, da alle diese eine gewaltige Kraft in sich bergen.
6903. (3199.) Schlangen schlürfen nur Wind und sind dabei doch nicht schwach; wilde Elephanten sind bei trockenen Gräsern schon stark; grosse Heilige kommen auch bei Wurzeln und Früchten über die Zeit hinweg: Zufriedenheit, ja Zufriedenheit ist des Menschen höchster Schatz.
[470] 6904. (3200.) Nur dadurch besteht diese Welt, dass die Anschläge von Schlangen und Bösewichtern, die beide von den Blössen Anderer leben, nicht gelingen.
6905. Der Schlangen Gift steckt im Zahne, der Stechfliegen Gift im Kopfe, der Scorpionen Gift im Schwanze, ein böser Mensch ist am ganzen Leibe Gift.
6906. Wenn Männer Schlangen, Tiger, Elephanten und andere Thiere in ihre Gewalt bringen, dann wird es ihnen auch nicht gar zu schwer fallen, in der Welt einen Fürsten sich zu Willen zu machen.
6907. (3201.) Da man Schlangen, Tiger, Elephanten und Löwen durch dieses oder jenes Mittel hat bannen sehen, so wird es Klugen, wenn sie bedächtig zu Werke gehen, wohl nicht schwer fallen, einen Fürsten sich zu Willen zu machen.
6908. (3202.) Jedermann ist ja ein Held, so lange er nicht in der Schlacht gewesen ist: wer sollte denn nicht übermüthig sein, so lange er nicht des Gegners Macht erfahren?
[471] 6909. (5192.) Männer, welche Alles geduldig ertragen, ehrlich sind, ein gegebenes Wort halten und Andern helfen, muss man ehren, auch wenn sie arm sind.
6910. (3203.) Denselben Lohn, der auf ein alle Wünsche erfüllendes Rossopfer steht, erlangt man, wenn man einen um Schutz Flehenden, wie es sich gebührt, schützt.
6911. (5193.) Alles Gemachte wird zu Nichte und wer geboren wird, dem ist der Tod gewiss, da ja in dieser Welt sowohl das, was sich regt, als auch das, was sich nicht bewegt, nimmer ewig währt.
6912. In jedem Stande giebt es Kândâla und in jedem Stande Brahmanen: auch unter den Brahmanen giebt es Ḱândâla und auch unter den Ḱândâla Brahmanen.
6913. Allwissende und sogar charakterfeste Asketen, die die Zweifel in Betreff des Rechten gelöst haben, fehlen ja hier im Leben, sobald ihr Herz vom Kummer ergriffen wird.
6914. (5194.) Fragt man, was besser sei, in allen heiligen Wassern zu baden oder gegen alle Geschöpfe sich redlich zu benehmen; so lautet die Antwort, dass Beides gleich sei, oder auch, dass die Redlichkeit höher stehe.
[472] 6915. (3204.) Einem Fürsten, der seine Unterthanen schützt, fällt der sechste Theil aller guten Werke derselben zu; schützt er sie aber nicht, so fällt ihm wiederum der sechste Theil ihrer bösen Werke zu.
6916. (3205.) Der Tugendhafte glänzt überall als berühmter Mann: ein Juwel strahlt auf dem Haupte, am Halse, am Arm und auf einer Fussbank.
6917. (5195.) Ueber Alles freut sich der Weise und überall glänzt er; Niemanden jagt er Schrecken ein und erschrickt auch nicht, wenn man ihn schreckt.
6918. (3206.) Ueberall wird demjenigen Glück zu Theil, dessen Herz zufrieden ist: ist nicht für den, dessen Fuss im Schuh steckt, der Erdboden wie mit Leder bezogen?
6919. Ueberall sind Kandalî-Blüthen (ist Kampf) auf dem Erdboden zum Vorschein gekommen, die Gewässer (Dummen) sind hoch angeschwollen (gedeihen ausserordentlich), die Wasserrose (das Glück) ist auf der Erde verschwunden, dunkelschwarze Wolken (gar schmutziges Pack) stehen (steht)[473] hoch oben, zweizüngige Wesen kriechen in jedem Hause umher, die Leute haben den richtigen Weg verloren: das in diesem Augenblick bestehende Regiment der Regenzeit und des Zeitalters Kali äussert sich, ach, in Allem auf eine und dieselbe Weise!
6920. Sogar ein starker Feind kann allerdings, wie ein Honigsammler durch Bienen, durch Schwache vernichtet werden, wenn diese sich zusammenthun.
6921. Allerdings tritt bei den Menschen eine Gleichgiltigkeit gegen alle Sachen zu Tage: wie sollten Einem vom übermässigen Genuss von Kampfer nicht die Zähne ausfallen?
6922. (5196.) Jedenfalls soll man das thun, was Einem selbst frommt; was werden geschwätzige Leute uns schaden? Auch giebt es ja überhaupt kein Mittel, alle Menschen zufrieden zu stellen.
6923. (5197.) Fälschlich preisen dich (o Fürst) die Weisen, als gäbest du stets Alles hin, da doch die Feinde sich deines Rückens und fremde Frauen nicht deiner Brust sich erfreut haben.
6924. (3207.) Zwischen diesem Fürsten, der aus Theilen aller Götter[474] geformt ward, und einem Gotte besteht der Unterschied, dass durch jenen der Lohn für Gutes und Böses sogleich erfolgt, durch diesen dagegen erst im künftigen Leben.
6925. (3208.) Ein Fürst ward, wie die alten Weisen lehren, aus Theilen aller Götter geformt; darum soll ein Kluger auf ihn wie auf einen Gott schauen und ihm nie etwas Unwahres sagen.
6926. (3209.) Wer die Schriftzüge aller Länder kennt und mit allen Wissenschaften vertraut ist, von dem sagt man, dass er ein (würdiger) Schriftführer eines Fürsten für alle Angelegenheiten sei.
6927. (5198.) Stets von Krankheit heimgesucht, stets eine Wohnstätte der Trauer, stets dem Sturze nahe ist des Menschen Käfig, der Leib.
6928. (3210.) Unter allen Gütern ist, wie man sagt, das Wissen das höchste Gut, da es weder gestohlen noch abgeschätzt werden könne und auch nimmer zu Ende gehe.
[475] 6929. (3212.) Wenn Alles zu Grunde zu gehen droht, dann lässt ein Kluger die eine Hälfte im Stich und vollbringt, was er zu thun hat, mit der übrigen Hälfte: Verlust von Allem ist ja kaum zu ertragen.
6930. Weder ein Spenden bei jeglichem Opfer, noch ein Baden in allen heiligen Gewässern, noch die Frucht aller Spenden kommt der Schonung alles Lebenden gleich.
6931. (5199.) Jeder möge sein Ungemach überwinden, Jeder Glück geniessen, Jeder seine Wünsche erfüllt sehen, Jeder jederzeit fröhlich sein.
Bollensen.
6932. Am ganzen Leibe ist der Kopf das Beste, unter allen Sinneswerkzeugen das Auge, unter den sechs Geschmäcken der salzige, an allen Flüssen ist das Wasser das Beste.
6933. Im Glück zeigt sich bei Jedermann Hochmuth, man achtet nicht mehr auf das Einem Heilsame, giebt sich dem Schädlichen hin und geht dadurch zu Grunde.
[476] 6934. (5200.) Jedem ist das Leben lieb, Jedem sind die Kinder lieb, Jeder hat eine Scheu vor Leid, Jedem ist Freude erwünscht.
6935. (3213.) Bei Jedermann prüft man ja das angeborene Wesen, nimmer die übrigen Eigenschaften, da das angeborene Wesen hoch über allen andern Eigenschaften steht.
6936. Eine Beleidigung musst du Jedermann vergeben; folgt aber eine zweite, so musst du den Beleidiger tödten, wäre das Leid, das er dir zufügt, auch noch so gering.
6937. Auf Jedermann, der mit einem Bösewicht in Berührung kommt, überträgt diese Berührung einen Theil des Bösen, das an diesem haftet; wenn aber Frauen mit einem bösen Gatten sich verbinden, dann ist bei solcher Verbindung des Bösen auf beiden Seiten gleich viel.
6938. (3211.) Droht alle Habe zu Grunde zu gehen und steht sogar das Leben in Gefahr, dann beuge man sich tief sogar vor dem Feinde, um das Leben und die Güter zu retten.
6939. Die ganz aus Gold erbaute Stadt Lañkâ will mir, o Lakshmana,[477] nicht gefallen: das Land der Väter und Ahnen schafft uns Freuden, wäre es auch menschenleer.
6940. (3214.) Verständige Leute beschwichtigen einen Feind, der darauf bedacht ist ihnen alle ihre Habe zu rauben, mit einer geringen Spende, wie der Ocean das höllische Feuer.
6941. (5201.) Keiner weiss Alles, Niemand ist allwissend, niemals ist in einem einzigen Menschen die Summe alles Wissens vereinigt.
6942. (5202.) Jedermann erinnert sich Jedermanns geringer Geltung in früheren Lebenslagen, aber die Grosse im gegenwärtigen Augenblick kennt man nur selbst.
6943. (3215.) Männer, die sich jeglicher Leidzufügung enthalten, Alles geduldig ertragen und Jedermann Schutz gewähren, gehen in den Himmel ein.
6944. Alle Geschöpfe finden an Freuden Gefallen und schrecken vor Leiden zurück; darum bereitet der, dem es um Freude zu thun ist, Andern nur Freuden: wer Andern Freuden bereitet, wird selbst der Freuden theilhaftig.
[478] 6945. Alle Sterbliche trifft dieser schwer zu ertragende Ablauf der Zeit: es sterben ja alle Fürsten, sobald die Zeit sie dazu reif gemacht hat.
6946. (3216.) Sogar dieses Behälters für alles Unreine, dieses undankbaren und vergänglichen elenden Körpers wegen begehen Thoren Böses!
6947. Unter allen Frauen ist ja die Glücksgöttin die begünstigte, nach der sogar Grosse ein Verlangen tragen, fröhnte sie auch ihren eigenen Lüsten.
6948. (3217.) Alle Vorräthe gehen schliesslich zu Ende, Steigen endet mit Fallen, Verbindungen enden mit Trennungen und das Leben endet mit Sterben.
6949. (5203.) Jeder, der in der Welt der Sterblichen geboren wird, muss ja sterben; wer wird den, welcher auf dem vom Todesgotte bestimmten Pfade starb, in's Leben zurückrufen?
[479] 6950. (3218.) Ein kluger Mann verfahre wie ein Reiher: er zügle alle seine Sinne und vollbringe alle seine Angelegenheiten so, dass sie der Zeit und dem Orte entsprechen.
6951. (5204.) Der Verein von Menschen, in welchem Alle Lehrer sind, Alle sich für weise halten und Alle nach Macht streben, geräth in Noth.
6952. Wenn wir Keinem, der uns befeindete, trauen, so führt dieses zum Glück; in keinem Falle aber dürfen wir denen trauen, die unser Vertrauen missbrauchten.
6953. Bei allen Geschöpfen waltet der Geschlechtstrieb und wird nur aus Mangel an einem entsprechenden Orte, aus Furcht, Kummer oder Armuth unterdrückt.
6954. (3219.) Keinem Sterblichen leistete je bei eingetretenem Unglück ein Anderer, denn ein Freund, Beistand, und wäre es auch nur mit Worten.
6955. Unter allen Juwelen sind die Frauen das schönste Juwel: ihretwegen wünscht man sich Geld; giebt man sie auf, so braucht man kein Geld.
[480] 6956. (5205.) Für jeden Fluch giebt es ein Mittel ihn abzuwehren, aber für die von einer Mutter Verfluchten giebt es keine Rettung.
6957. (5206.) Unter allen Reinheiten gilt die Reinheit in Geldsachen für die vorzüglichste; denn der ist in Wirklichkeit rein, welcher in Geldsachen rein ist, nicht der, welcher es durch Erde und Wasser ist.
6958. (5207.) Die ganze Welt wird durch Strafe im Zaum gehalten, da ein redlicher Mann schwer anzutreffen ist; nur aus Furcht vor Strafe wird ja die ganze Welt des Genusses theilhaftig.
6959. (5208.) Unter allen Kräutern steht die Amṛtâ oben an, unter allen Genüssen das Essen, unter allen Sinneswerkzeugen das Auge, unter allen Gliedern das Haupt.
6960. Ist das Herz der Freude hingegeben, so erscheint Einem die Sonne als Mond und die Nacht als Tag; ist das Herz dem Schmerze hingegeben, so erscheint Einem der Mond als Sonne und der Tag als Nacht.
[481] 6961. (3220.) Welcher ehrenwerthe Mann möchte dort, wo kein Unterschied zwischen links und rechts besteht, auch nur einen Augenblick weilen, wenn er einen andern Ausweg hätte?
6962. (3221.) Der ist ein Freund, der es im Unglück ist; der ein Sohn, der (dem Vater) in Liebe zugethan ist; der ein Diener, der seine Pflichten kennt; die eine Gattin, durch die (der Gatte) glücklich ist.
6963. (3222.) Der ist ein Freund, der es im Unglück ist, gehörte er auch dem niedrigsten Stande an: im Glück ist Jedermann Jedermanns Freund.
6964. (3223.) Freundlich gesinnt ist der, der uns von einem Unheil zurückhält; die That heisst That, die rein ist; eine Frau heisst die, die folgsam ist; der ist einsichtsvoll, der von Guten geehrt wird; das ist eine hohe Stellung, was keinen Hochmuth erzeugt; der ist glücklich, der frei von Gier ist; der ist ein Freund, der es in Folge natürlicher Verhältnisse ist; der ist ein Mann, der nicht durch seine Sinne gequält wird.
6965. (3224.) Wer wird nicht von Sehnsucht ergriffen im Frühling, wo[482] die weitesten Fernen vom Wohlgeruch der grossen Menge von Staubfäden der Mango-Blüthe erfüllt und die Bienen vom süssen Honig aufgeregt werden?
6966. (5209.) Die Geburt derer, die von Natur ein schmutziges und krummes Wesen haben, bewirkt ihres Erzeugers und ihren eigenen Untergang: Rauch richtet, sobald er den Pfad der Wolken erreicht (d.i. zur Wolke wird), zunächst das Feuer (seinen Erzeuger) zu Grunde und wird dann selbst zu Nichte.
6967. (5210.) Schlechte Menschen sind von Haus aus blind für ihr eigenes schlechtes Betragen, haben aber ein himmlisches Auge für die Fehler Anderer; auch haben sie für ihre eigenen Vorzüge eine laute Stimme, beobachten aber das Gelübde des Schweigens, wenn es gilt Andere zu loben.
6968. (3225.) Selbst ein angeborener Vorzug gewinnt durch der Leute Beifallsbezeugung: wohl legt Gold durch Bestreichung mit Surasa grösseren Glanz an den Tag.
6969. (5211.) Lang sind jetzt meine Nächte wie meine Seufzer und bleich die mondgeschmückten wie meine Glieder. (Worte einer von ihrem Geliebten getrennten Schönen.)
[483] 6970. (3226.) Uebereilt soll man keine Handlung verrichten, da Unüberlegtheit die nächste Veranlassung zu Unglück ist: den, der erst nach reiflicher Erwägung an ein Werk geht, erwählt ja das nach Vorzügen jagende Glück von selbst.
6971. Es hält schwer, wenn man es mit Schlechten zu thun hat, im Nu durch einen kühnen Angriff das erwünschte Ziel zu erreichen: durch List bekommt man wüthende Elephanten in seine Gewalt.
6972. (5212.) Es leben auch solche, die Tausend besitzen, auch solche, die Hundert besitzen: gieb das Verlangen auf, o Dhṛtarâshṭra, da man unter jeglichen Verhältnissen leben kann.
6973. (5213.) Bekanntlich trifft man unter tausend Frauen irgend ein Mal eine einzige, oder gar unter hunderttausenden eine, die dem Gatten ergeben wäre.
6974. (5214.) Gönne Andern den Wohlstand, auch wenn du ihn nicht selbst besitzest, da Geschickte stets auch den bei Andern sich findenden Reichthum geniessen.
6975. (5215.) Der Vortheil hängt ja von den Gefährten ab und die[484] Gefährten hängen vom Vortheil ab: beide hängen von einander ab und kommen ohne einander nicht zu Stande.
6976. (5216.) Ohne Gefährten kommt keine Sache zu Stande: wem gelingt auch das Gehen auf einem Fusse?
6977. (3227.) Selbst dieser am Himmel wandelnde, Sünden tilgende, tausend Strahlen besitzende und mitten unter den Gestirnen einhergehende Mond wird ja durch des Schicksals Fügung vom Drachen Râhu verschlungen: wer vermöchte auch das auszuwischen, was ihm auf die Stirn geschrieben ward?
6978. (5217.) Ich will, o mein Beschützer, die Trennung ertragen: gieb mir nur eine unsichtbarmachende Salbe, damit der Liebesgott, wenn ich mir die Augen damit bestreiche, mich nicht sieht, um sein Geschoss auf mich richten zu können.
6979. (5218.) Der Tod wandert mit uns, setzt sich mit uns nieder und kehrt nach einer recht langen Reise mit uns heim.
[485] 6980. Ein leiblicher Bruder, ein Studiengenosse, ein Freund, ein Krankenpfleger und ein gesprächiger Reisegefährte, diese fünf gelten als Brüder.
6981. (3228.) Der ist stets ein vorzüglicher Minister, der den Schatz vergrössert, sei es auch nur durch ein Otterköpfchen: eines schatzreichen Fürsten Leben ist sein Schatz, nimmer aber das Leben selbst.
6982. (5219.) Das ist ein Dichtwerk, wenn beim Hören desselben eines Dichters Herz alsbald redlich wird, und das ist ein Weib, wenn beim Anblick desselben eines Buhlen Herz alsbald unruhig wird.
6983. (3229.) Wer stattlich aussieht, frei von Gelüsten, beredt und mit mannichfachen Wissenschaften vertraut ist und die Gedanken Anderer erräth, der gilt für einen (geeigneten) Boten eines Fürsten.
6984. (3230.) Das ist eine Zunge, welche den Ģina preist; das ein Herz, welches am Ģina seine Freude hat; nur die Hände sind des Preisens werth, die ihm Ehre erzeigen.
[486] 6985. Zum Opfer sich anschickende Männer beruhigten Herzens haben der Geschlechtsliebe schön entsagt, wenn sie sogar nach dem Tode Verlangen tragen nach dem Himmel, wo die Gazellenäugigen die Hauptrolle spielen!
6986. (3231.) Obgleich ich dir sagte: Oheim, lass das Singen, so folgtest du mir doch nicht: als Denkzeichen deines Gesanges hat man dir jetzt dieses unvergleichliche Juwel umgehängt. (Worte eines Schakals an einen Esel, dem ein Feldhüter für sein Geschrei einen durchlöcherten Mörser umgehängt hatte.)
6987. (3232.) Nur der Gute ist geschickt den Nektar der Tugenden Guter zu schildern: den jungen Mango-Spross zu gemessen versteht ja (nur) der Kokila.
6988. (3233.) Stets nur den Guten, wäre sein Reichthum auch geschwunden, sollen Arme mit Bitten angehen: die nach Wasser suchen, graben ja auch im trockenen Flussbett.
6989. (Es thut Nichts zur Sache) ob er gut oder schlecht ist, da er[487] von Andern abgesandt wurde: ein Bote, der eines Andern Sache vorträgt und in eines Andern Diensten steht, darf nicht gestraft werden.
6990. Wer in eines Andern Angelegenheit von Andern ihm aufgetragene Worte spricht, diese seien gut oder schlecht, darf, o Kenner des Gesetzes, nicht gestraft werden.
6991. Ein Guter wird Einem hier im Leben niemals untreu, erwiese man ihm auch nur Ehre; wer vermag dagegen einen Bösewicht sogar mit hundert Diensten für sich zu gewinnen?
6992. Gute Menschen gleichen heiligen Badeplätzen, da der Anblick, die Berührung, die Erwähnung und das Gedenken jener wie dieser alles Unreine entfernt.
6993. (5220.) Das Zusammentreffen mit Guten bringt Segen, da Gute heilige Badeplätze sind: ein heiliger Badeplatz bringt mit der Zeit Früchte, das Zusammentreffen mit Guten aber auf der Stelle.
6994. (5221.) Gute nach Gebühr zu schützen und Böse niederzudrücken ist der Fürsten höchste Pflicht, die hier und jenseits zur Glückseligkeit führt.
[488] 6995. (3234.) Des Guten Herz wird nicht aufgeregt, würde er auch barsch angefahren: nimmer kann ja das Meer durch eine Strohfackel erhitzt werden.
6996. (5222.) Hier auf Erden trägt die Erde Gute und Böse, bescheint die Sonne Gute und Böse, beweht der Wind Gute und Böse, reinigt das Wasser Gute und Böse.
6997. (5223.) Für treue Frauen ist Trennung vom Gatten der Tod, für Stolze eine Verletzung ihres Stolzes, für gute Menschen eine üble Nachrede, für Gelehrte eine Niederlage in der Disputation, für Falsche das Uebergewicht Anderer, für Männer ohne Vorzüge die Fremde, für Hochangesehene aber ist ein Mangel an Dienern der Tod.
6998. (5224.) Glück bringend ist der Stand des verheirateten Brahmanen, der seine eigene Haushaltung hat: das Haus ist von Freude erfüllt,[489] die Söhne klug, die Gattin sanft und gesprächig, Geld vollauf nach Wunsch, Freude am eigenen Weibe, treu die Befehle ausführende Diener, Gastfreundschaft, Verehrung Çiva's, täglich leckere Speisen und Getränke und stets geniesst man im Hause den Verkehr mit einem Guten.
6999. Nicht traue man dem, der Einen stets befeindete, wenn er Milde an den Tag legt: ein Thor, der solches thut, wird alsbald in Fesseln geschlagen, da Feindschaft nimmer erlischt.
7000. Männer, die sich auf die verschiedenen Arten von Feindschaften verstehen, haben dieselbe für fünffach erklärt: als angeborenen Hass, als durch Weiber, durch Haus und Hof, durch Worte und durch Beleidigungen veranlasst.
7001. (3235.) Bei der ersten Beleidigung von Seiten des Gatten versteht dieses junge Weib ohne der Freundin Unterweisung kein Witzwort mit einer anmuthigen Bewegung der Glieder anzubringen: sie lässt die Augen-Lotuse umherschweifen und kann nur weinen, so dass die hellen Thränen auf die reinen Wangen stürzen und die beweglichen Locken flattern.
7002. (3236.) Sie ist eine schwache Jungfrau und wir sind verzagten[490] Herzens, sie ist ein Weib und wir sind die Feiglinge, sie hat einen strotzenden hohen Busen zu tragen und wir sind erschöpft, sie fühlt die Last der schweren Hüften und wir vermögen nicht zu gehen: es ist doch seltsam, dass durch Uebel, die an einer anderen Person haften, wir untauglich geworden sind!
7003. Die ist eine Gattin, die im Hause rührig, sanft, dem Gatten treu, stets auf das Rechte bedacht ist, ihre Leidenschaften zügelt und bei jeder Gelegenheit Liebes spricht.
7004. (3237.) Die ist eine Gattin, die im Hause rührig ist; die ist eine Gattin, die Kinder zur Welt gebracht hat; die ist eine Gattin, deren Leben der Gatte ist; die ist eine Gattin, die dem Gatten treu ist.
7005. Die ist eine Gattin, deren Leben der Gatte ist; die ist eine Gattin, die Kinder zur Welt gebracht hat, in Gedanken, Worten und Thaten rein ist und den Befehlen des Gatten gehorcht.
7006. (3238.) Die ist eine Gattin, die Liebes spricht; der ist ein Sohn, an dem man seine Freude hat; der ist ein Freund, zu dem man Vertrauen hat; das ist ein Land, wo man leben kann.
7007. Die ist eine Gattin, die Liebes spricht; der ist ein Sohn, der da lebt; der lebt, der Vorzüge und Tugenden besitzt.
[491] 7008. (5225.) Die ist eine Gattin, die reinlich und rührig ist; die ist eine Gattin, die dem Gatten treu ist; die ist eine Gattin, die dem Gatten lieb ist; die ist eine Gattin, die die Wahrheit spricht.
7009. Milde, Freigebigkeit, Nachsicht, Gerechtigkeit, Wahrheitsliebe, Entschlossenheit, Heldenmuth und Beleidigern gegenüber Strenge sind, o Fürst, die Vorzüge von Fürsten.
7010. (3239.) Gute Worte versetzen einen Erzürnten, wie Wassertropfen heisse Butter, alsbald nur in noch grössere Aufregung.
7011. Wenn ein kluger Mann bei Angelegenheiten, die durch gute Worte abzumachen sind, Gewalt anwendet, dann ist dieses so, als wenn er bei erregter Galle, die schon durch Zucker zur Ruhe gebracht werden kann, bittern Gurkensaft tränke.
7012. Durch gute Worte zu Stande gekommene Angelegenheiten erfahren nimmer einen Wandel, eben so wenig wie die Herzen guter Menschen, und gewähren uns wie diese stets grosse Freude.
[492] 7013. (3240.) Wie Brahman erklärt hat, bedient sich die Staatsklugheit der guten Worte als ersten, der Gewalt als letzten Mittels. Unter den (vier) Mitteln ist aber die Gewalt das schlechteste: diese wende man zuletzt an.
7014. (5226.) Ein vorzüglicher Gegenstand erlangt einen grossen Ruf nur unter Leuten gemeinen Schlages; welches Ansehen hätte er unter Grossen, die viele vorzügliche Gegenstände besitzen?
7015. Auf einen Meeradler, der eine Beute trug, fielen andere kräftige Meeradler, die keine Beute hatten, ein; da gab jener die Beute auf und ward der Freuden theilhaftig.
7016. Einem Meeradler, der es gesehen hatte, dass ein Meeradler mit Beute von andern, die keine Beute hatten, hart mitgenommen wurde, ergeht es wohl, weil er der Beute entsagte.
7017. (5227.) Die Timi im Meere und Fürsten gleichen einander: wenn jene meinen, die Wolke sei freigebig, wenn sie einige aus dem ihnen gehörigen Wasser geraubten Tropfen entlasse; so glauben auch diese, o sieh, dass die Bande der schändlichen Schreiber ein gutes Werk thue, wenn sie nämlich von allem dem offen Geraubten ein kleines Bischen spende.
[493] 7018. (3241.) Männer, die sich auf Geschäfte verstehen, sollen zunächst gute Worte bei einem Geschäfte anwenden, da durch gute Worte zu Stande gekommene Werke nimmer zu Schanden werden.
7019. Durchaus und stets, sei es durch gute Worte, durch Geschenke, durch Veruneinigung und schliesslich durch Gewalt, müssen Fürsten einen Feind aus dem Wege räumen.
7020. (3242.) Durch gute Worte, durch Geschenke und durch Veruneinigung, sei es durch alle zusammen oder durch eines von diesen, suche man Feinde zu besiegen, nimmer aber durch Kampf.
7021. (3243.) Wo schon gute Worte zum Ziele führen, da soll ein Verständiger keine Gewalt anwenden: wenn Galle durch Zucker zur Ruhe kommt, wozu bedarf es dann der bitteren Gurke?
[494] 7022. Am Abend geht ja die Sonne nicht auf! Der Mond hat ja kein brennendes Licht? Wie käme ein Waldbrand an den Himmel? Ist es vielleicht ein Blitz? Wie käme der bei heiterer Luft? Sieh da, ich habe es herausgebracht! Es ist der furchtbare Edelstein in der Haube der Schlange, der grausigen Nacht, die da eilt in der Hoffnung Wind, den Lebensodem der Liebsten eines auf Reisen befindlichen Gatten, zur Speise zu bekommen.
7023. (3244.) Nachdem sie gerade so viele Worte, als die hinterlistigen Freundinnen sie gelehrt, eiligst vor dem Gatten, als er eines Vergehens sich schuldig machte, vorgebracht hatte, begann sie gleich darauf sich so zu benehmen, wie es der Liebesgott erheischt: dies ist eine der reizenden Verfahrungsweisen, die der durch Unschuld gezierten Zuneigung eigen ist.
7024. (3245.) Der Hund und das Pferd, vorzüglich aber der Esel, fühlen den Augenblick darauf nicht mehr den Schmerz, den ein Schlag ihnen verursachte.
7025. (3246.) Ehre der allmächtigen Zeit, durch deren Macht jene reizende[495] Stadt, jener grosse König, jene Schar benachbarter Fürsten, jene verständige Rathsversammlung zu seiner Seite, jene Frauen mit dem Mond- und Bimba-Antlitze, jener übermüthige Prinzenschwarm, jene Barden, jene Erzählungen, alles dies der Erinnerung anheim gefallen ist.
7026. (5228.) Geraden gegenüber zeige man stets Geradheit, Wohlerzogenen gegenüber Höflichkeit, Freunden gegenüber Freundschaft, Falschen gegenüber Falschheit.
7027. Eine Karavane ist des Reisenden Freund, eine Gattin ist der Freund des im Hause Weilenden, ein Arzt der Freund des Kranken, Spenden der Freund des Sterbenden.
7028. (3247.) Nur jene durch erheuchelte Zärtlichkeiten reizende Geliebte mit ihren hundert Gelüsten liegt dir, o Schelm, im Herzen, und für mich ist dort auch kein Plätzchen übrig; darum sollst du den Fussfall nicht entweihen!
7029. (5229.) Eine Wohnung im Walde ist für dich eines Weltherrschers Palast, weil du Besitzlosigkeit für das wahre Glück hältst; ein Thor dagegen wird von der Sinnenwelt und den Sinnen, diesen Dieben, sowohl im eigenen Hause als auch im Walde bestohlen.
[496] 7030. (3248.) Der mit Lack bemalte, eine Wasserrose an reizender Schönheit übertreffende und mit Ringen, die vom starken Glanze der vielen Perlen röthlich schimmerten, verzierte Fuss, den eine heftig Erzürnte mit beweglichen Lotusaugen dem Liebsten an's Haupt schnellte, strahlte hier wie ein Anzeichen (künftigen) Glückes.
7031. (3249.)
Ein mit Lak belegter, frühlingssprossenlinder,
Ein bespangter Fuss, ein schwer wollüstig träger;
Wo ein Tritt von ihm trifft einen Liebessünder,
Der ist dein, o sel'ger Delphinfahnenträger!
Rückert.
7032. (5230.) Das ist eine hohe Stellung, die keinen Hochmuth erzeugt; der ist glücklich, der frei von Begierden ist; der ist ein Freund, zu dem man Vertrauen hat; der ist ein Mann, der seine Sinne bezwungen hat.
7033. Das ist eine Rathsversammlung, wo ein Beisitzer ist; der ist ein Beisitzer, der Recht spricht; das ist Recht, wo Wahrheit ist; das ist Wahrheit, wo kein Lug sich findet.
[497] 7034. (3732.) Wie es das Schicksal will, der Art gestaltet sich der Vorsatz, der Art ist die Einsicht, der Art die Vorstellung und der Art sind auch die Gefährten.
7035. Der Dienst ist ein wahrer Dienst, welcher dem Herrn frommt, vor Allem aber, wenn dabei (des Dieners) Wort Etwas gilt: mittels solcher (Diener) soll ein Verständiger an den Fürsten zu kommen suchen, nimmer auf andere Weise.
7036. Da du kein heiteres Wort an mich richtest, keinen Wunsch von mir erfüllst, in den Nächten gewöhnlich rasch aufathmest wie des Feuers Flamme, im Umhalsen dich lass zeigst und nicht daran denkst mich zu küssen, so (schliesse ich daraus,) dass in deinem Herzen, o Schelm, eine andere Geliebte als ich wohnt.
7037. (3250.) Wer sich weder mit der Dichtkunst, noch mit der Musik, noch mit irgend einer anderen Kunst beschäftigt, der ist ein leibhaftiges Vieh, dem nur Schweif und Hörner fehlen. Wenn er, auch ohne Gras zu fressen, am Leben bleibt, so ist dies das höchste Glück, das dem Vieh zu Theil ward.
[498] 7038. (5231.) Die Frau eines Wilden ging in einem Walde in ihrer Freude rasch auf eine mit Blut beschmierte Perle zu, die aus der Stirn eines von einem Löwen zerrissenen Elephanten gefallen war, in der Meinung, es sei eine Brustbeere. Nachdem sie sie mit den Händen aufgehoben und gesehen hatte, dass sie weiss und hart war, liess sie sie liegen. So pflegt es überaus Bedeutenden zu ergehen, wenn sie an einen unrechten Ort gerathen.
7039. (5232.) Nur dadurch, dass der Löwen, Tiger, Schlangen und Bösewichter Wünsche nicht in Erfüllung gehen, bleiben die Menschen am Leben.
7040. (3251.) Auch ein junger Löwe stürzt sich auf Elephanten, deren Backenwände von Brunstsaft befleckt sind: dies ist die angeborene Weise Beherzter, nicht das Alter ist ja die Ursache des Machtglanzes.
7041. (3252.) Eines lerne man vom Löwen, Eines vom Reiher, sechs Dinge vom Hunde, drei vom Esel, fünf von der Krähe und vier vom Hahne.
[499] 7042. Auch ein Schakal gebärdet sich wie ein Löwe, so lange er sich in seiner Höhlenbehausung heimisch fühlt; kommt er aber einem Löwen zu Gesicht, so erkennt man, dass er Nichts weiter als ein Schakal ist.
7043. Klugen steht es ja nicht an, dass sie einen Löwen, die Sonne, einen Fürsten oder einen Gott wegen ihrer Jugend gering schätzen, da in diesen eine grosse Macht verborgen ist.
7044. Sage, woher es kommt, dass der kräftige, Elephanten-Blut und -Fleisch geniessende Löwe sich, wie man weiss, nur ein Mal im Jahre begattet, eine von hartem Zucker und Kleie sich nährende Turteltaube dagegen Tag für Tag verliebt ist?
7045. (3253.) Pânini, den Grammatiker, brachte ein Löwe um sein theures Leben; den Weisen Ģaimini, den Gründer der Mîmâ sâ, zerstampfte flugs ein Elephant; Piñgala, eine wahre Schatzkammer für Verskunde, tödtete ein Seeungeheuer am Meeresstrande: was kümmern sich wüthende Thiere, deren Geist Unwissenheit verhüllt, um Verdienste?
[500] 7046. (5275.) Ὁ ὢν ἐχέϕρων, μὴ δημοσιευέτω τὴν τελεστικὴν ἐπῳδὴν, τὴν ἰατρικὴν βοτάνην, τὴν ἀρετὴν, τὸ τοῦ οἴκου αἶοχος, τὴν συνουσίαν, τὸ λιτὸν βρῶμα, καὶ τὴν κακὴν ϕήμην.
Galanos.
7047. (3254.) Welcher verständige Mann würde, da das Heil an einem Orte im Himâlaja zu finden ist, wo Heilige die Höhlen bewohnen, wo die Schultern von Çiva's Stier sich einen Weg durch die Bäume bahnen und wo die Gañgâ die flachen Felsblöcke bespült; welcher verständige Mann würde, so frage ich, bei so bewandten Umständen durch Neigen des Hauptes seine Ehre beflecken, wenn nicht Weiber das Geschoss des Liebesgottes wären, Weiber, deren Augen denen der zahmen Gazellenkälber gleichen?
7048. (3255.) Dass bei allen Geschöpfen, des Geistes Willenskraft zuerst das Gelingen oder Misslingen einer Sache verkündet, weiss der Kluge, nicht aber der Thor.
7049. (3256.) Ein kluger Mann, dem es um das Gelingen seiner Sache[501] zu thun ist, soll sein Feuer unterdrücken und, wäre er auch muthig und willenskräftig, allmählich lernen Standhaftigkeit an den Tag zu legen, wenn das Schicksal es erheischt: hat nicht der hochstehende Judhishthira, obgleich ihn Brüder umgaben, die Indra, Kubera und Jama glichen, unter Leiden gar lange den Bettelstab getragen?
7050. (5233.) Wenn Untergebene sogar mit grossen Thaten zu Stande kommen, so erkenne darin eine löbliche Eigenschaft ihrer Gebieter, dass diese nämlich ihnen Solches zutrauen. Würde wohl Aruṇa der Verscheucher der Finsterniss sein, wenn ihn nicht der Sonnengott an die Spitze des Wagens gestellt hätte?
7051. Wenn Sîtâ aus Furcht vor übler Nachrede ihren eigenen Leib im Feuer als Opferspende darbrachte, das Feuer aber in Wasser sich umwandelte, so offenbart sich darin die Macht der edlen Gemüthsart.
7052. Gute haben viele Noth und Böse geben sich der Freude hin, Söhne sterben und der Vater erreicht ein hohes Alter, mit Fremden ist man zufrieden und gegen die Seinigen lässt man den Zorn aus: man sehe, wie das Zeitalter Kali sein Spiel mit uns treibt!
[502] 7053. (3257.) Unter wem, wenn er im Amte steht, die Grenzen des Reichs wachsen, wie der Mond in der lichten Hälfte des Monats, der ist ein würdiger Diener der Fürsten.
7054. (3258.) Unter wem aber, wenn er im Amte steht, die Grenzen des Reichs einschrumpfen, wie Leder, das man am Feuer hält, den soll der, der nach Herrschaft trachtet, meiden.
7055. (5234.) Jedenfalls ist es leichter ein freundschaftliches Verhältniss zu schliessen als aufrecht zu erhalten, da wegen der Unbeständigkeit der Herzen Freundschaft bald bricht.
7056. (3259.) Der grosse Haufe verlässt den edel Geborenen, Geschickten und Guten, und fühlt sich, wie zum Alles gewährenden Wunderbaum, zum Reichen hingezogen, ermangelte dieser auch des Adels, der Geschicklichkeit und der guten Gemüthsart.
7057. Die Geburt in einem edlen Geschlecht, Glück aller Art, eine ununterbrochene Kette von Freuden über das Zusammentreffen mit Lieben, hohes Ansehen in seinem Geschlecht und fleckenloser Ruhm: der Art ist die Frucht vom Baume der guten Werke.
7058. (5235.) Eine Tochter führe man in ein edles Geschlecht ein,[503] einen Sohn führe man in die Wissenschaften ein, einen Feind führe man in's Unglück, einen Freund führe man in die Tugend ein.
7059. (3260.) Obgleich die Thaten, welche Könige, wie Sagara und andere nach ihm vollbrachten, schöne Thaten waren, so sind dennoch jene ihre Thaten und auch sie selbst untergegangen.
7060. Warum habt ihr nicht dasselbe Vertrauen zur bösen wie zur guten That, da der Mensch eine solche That vollbringen soll, durch die es ihm schliesslich wohl ergeht?
7061. Das Ganze der Lebensklugheit besteht in drei Dingen: in der richtigen Handlungsweise, die uns Vishṇugupta (Ḱâṇakja) lehrt, in der Gewinnung von Freunden, die uns Bhṛgu's Sohn Çukra lehrt, und im Misstrauen, das uns Brhaspati lehrt.
7062. Same, der in gehöriger Weise auf einen guten Acker, der frei von Schaden bleibt, ausgesäet wird, bringt sogar in kurzer Zeit reichliche Frucht; gerade so, das erkenne man, geht es mit einer Gabe.
[504] 7063. Freude oder Leid, das den Geschöpfen bevorsteht, müssen sie, sie mögen wollen oder nicht, ganz hinnehmen, ihnen entgehen können sie nicht.
7064. (5236.) Freude oder Leid, Liebes oder Unliebes, warte man ruhig ab, wie es kommt, ohne sich vom Herzen hinreissen zu lassen.
7065. Den Freuden muss man leben, Kasteiungen sind fürchterlich und eine Wissenschaft ist, o Weh, nicht leicht zu treiben: einem Gelehrten will ich Ehre erweisen, was nützen Kasteiungen?
7066. Weder der Freuden noch der Leiden wird man ja durch eigene Kraft theilhaftig, da sie vom Schicksal abhängen; darum erkenne man die Macht des Schicksals und gebe sich nie und nimmer der Trauer oder der Freude hin.
7067. (5237.) Freude strahlt ja hell, wenn man zuvor Leiden ertragen hat: es ist damit wie mit dem Erscheinen einer Lampe in dichter Finsterniss. Der Mann aber, der von Freuden zur Armuth übergeht, besteht nur mit dem Körper fort, lebt nur als Todter weiter.
[505] 7068. (5238.) Freuden und Leiden, Wohlfahrt und Missgeschick, Gewinn und Verlust, Sterben und Leben werden der Reihe nach Jedem zu Theil; darum wird ein Verständiger sich weder freuen, noch betrüben.
7069. Glücklich leben die Weisen, welche das Bettelleben ergriffen haben und keinem Wesen Etwas zu Leide thun: sie gleichen den Vögeln Ḱâtaka.
7070. (5239.) Glücklich leben die Gazellen in den Wäldern, keinem Andern dienend, von Speisen, die ohne Anstrengung leicht zu erlangen sind, von Gräsern, Darbha-Spitzen und Aehnlichem.
7071. (5240.) Glücklich leben die Thoren, die nicht wissen, was Fehler sind, und überall Fehler gewahren: wofür sie von Andern getadelt zu werden verdienten, dessen zeihen sie Andere.
7072. (5241.) Freuden und Leiden, Furcht und Aufregung, Gewinn und Verlust, Wohlfahrt und Missgeschick werden, o Lakshmana, in Folge des Schicksals den Menschen zu Theil oder auch nicht.
[506] 7073. (5242.) Man erlebt beständig einen Wechsel von Freuden und Leiden und davor kann Einen kein Verstand, kein kluges Benehmen und keine menschliche Anstrengung retten.
7074. (5243.) Freuden und Leiden der Geschöpfe nutzt diese nimmer sich abnutzende Sonne ab, da sie beständig untergeht und auch beständig wieder aufgeht.
7075. (5246.) Trägheit ist eine Freude, die mit Leiden endet; Rührigkeit ein Leiden, das in Freude ausgeht. Wohlstand, hohe Stellung, Schamgefühl, Zufriedenheit und Ruhm finden sich beim Rührigen, nicht beim Trägen.
7076. (5244.) Freuden und Leiden verursachen den Menschen in gleicher Weise Beschwerden: die Haare auf dem Kopfe werden eingeölt (geliebt) und auch beschnitten.
7077. (5245.) Freuden und Leiden geniesst ja der Mensch abwechselnd, da ja Niemand, o Bester der Männer, endloser Freuden theilhaftig wird.
[507] 7078. Süss schläft derjenige, welcher allen Hoffnungen entsagt hat; das Aufgeben aller Hoffnungen ist das höchste Glück. Süss schläft ja Piñgalâ, weil sie allen Hoffnungen entsagt hat.
7079. (5247.) Geniesse die Freude, die dir zu Theil ward, und trage das Leid, das dir zu Theil ward; warte ruhig ab, was die Zeit bringt, wie der Landmann es mit der Frucht thut.
7080. (3261.) Die Freude, die uns zu Theil ward, sollen wir hinnehmen, so auch das Leid, das uns zu Theil ward: wie ein Rad wenden sich Leiden und Freuden.
7081. (5248.) Freuden enden ja mit Leiden und bisweilen folgen Freuden auf Leiden; darum soll derjenige, dem es um beständige Freuden zu thun ist, jene Beiden aufgeben.
7082. Wenn man meint, dass man nicht selbst, sondern ein Anderer Freude und Leid bewirke, so ist dieses eine falsche Ansicht: die ehemalige That ist es, die man geniesst; büsse es ab, o Leib, was du verübt hast!
[508] 7083. Auf Freuden folgen Leiden und auf Leiden wieder Freuden: Leiden und Freuden wenden sich wie ein Rad.
7084. (3262.) Auf Freuden folgen Leiden und auf Leiden wieder Freuden: nicht immer hat man Leiden, nicht immer hat man Freuden.
7085. (3263.) Auf Freuden folgen Leiden und auf Leiden wieder Freuden: abwechselnd treffen sie den Menschen, wie die Speichen die Radfelge.
7086. (3264.) Auf Freuden folgen Leiden und auf Leiden wieder Freuden: Freuden und Leiden der Menschen wenden sich wie ein Rad.
7087. (5249.) Es giebt mehr Leiden als Freuden im Leben, darüber besteht kein Zweifel, aber dem an den Sinnesgegenständen Hängenden ist ob seines Unverstandes das Sterben nicht genehm.
7088. (5250.) Wie käme ein nach Freuden Strebender zum Wissen? Für[509] den nach Wissen Strebenden aber giebt es keine Freuden. Entweder strebe man nach Freuden und gebe das Wissen auf, oder man strebe nach Wissen und gebe die Freuden auf.
7089. (5251.) Der Schlangendämon Çesha, dem es um Freuden zu thun war, gab in Folge davon, dass seine Furcht vor dem Feinde der Schlangen (Garuḍa) wich, seine Freuden vielmehr auf, indem er, seinen Leib zu Vishṇu's Lager hergebend, diesem Gegner der Asura diente; denn dieser Gott, der in ihm die Fähigkeit Beschwerden zu ertragen entdeckt hatte, erlegte ihm das mühevolle Amt, die Last der Erde zu tragen, für immer auf.
7090. (3265.) Den Umgang mit Guten, der in diesem Leben vor Allem dazu geeignet ist uns Freuden kosten zu lassen, setzt man an die Spitze der Leiden, weil er mit Trennung endet.
7091. (5252.) Wer aber, o Bester der Männer, vom guten Wandel nicht weicht, er mag im Glück oder im Unglück sich befinden, der Mann hat die Lehrbücher zu Augen.
[510] 7092. (5253.) Ein von allen Blutsverwandten Verstossener aber ist leicht zu vernichten, da schon diese Verwandten, wenn man sie für sich gewinnt, ihn aus dem Wege räumen.
7093. Die wohlriechende Blüthe der Ketakî ist mit Dornen besetzt; einer solchen Blüthe gleicht ein von Bösewichtern umgebener Fürst.
7094. (5254.) Ein Esel, der gar sicher geschützt war, indem er, in ein Tigerfell gehüllt, eine furchtbare Gestalt zur Schau trug, wurde in Folge seiner Stimme todtgeschlagen.
7095. (5255.) Wem jagen Männer wie Pfeile nicht Furcht ein, wenn sie an einer schlechten Partei (an schwarzen Federn) fest halten, leicht sind, Andere verletzen, scharf und von der Tugend (Sehne) abgesprungen sind?
7096. (5256.) Ein Dummer kann, wenn er schweigt, gar lange Glück erleben; dagegen ward ein Esel, der sich in ein Tigerfell gehüllt hatte, todtgeschlagen, weil er den Fehler beging seine Stimme hören zu lassen.
[511] 7097. Lebte man auch noch so lange mit seinen Angehörigen, so tritt doch eine Trennung ein; vergnügte man sich auch noch so lange, so erfolgt doch keine Sättigung mit Genüssen; nährte man den Leib auch noch so lange gut, so geht er doch zu Grunde: dächte man auch noch so lange nach, so stellt sich doch die Tugend als alleiniges Rettungsmittel dar.
7098. (5257.) Einen guten Menschen halte ich stets für einen Fächer und zwar aus gutem Stamme, da er durch sein Hin- und Hergehen den Menschen die Hitze (Leiden) benimmt.
7099. (5258.) Ein guter Mensch wird, da er auf das Wohl Anderer bedacht ist, sogar im Augenblick seines Untergangs nicht feindlich gestimmt: ein Sandelbaum theilt seinen Wohlgeruch, selbst wenn er niedergehauen wird, der Schneide der Axt mit.
7100. (3266.) Wohlverdaute Speise, ein wohlerfahrener Sohn, eine wohlgezogene Gattin, ein wohlbedienter Fürst, eine wohlbedachte Rede und eine wohlüberlegte Handlung halten wohl gar lange Stand.
[512] 7101. (5259.) Es ist stets leicht zu leben für denjenigen, durch den Andere leben, aber schwer zu leben, o Râma, für denjenigen, der von Andern lebt.
7102. (3267.) »Lass fahren, o Schöne, den Zorn! Sieh mich zu Füssen dir liegen! Noch niemals gabst du solchem Zorn dich hin!« Als so der Gatte sprach, da richtete die Geliebte die geschlossenen Augen seitwärts, liess reichliche Thränen fliessen, aber kein Wort über ihre Lippen kommen.
7103. (5260.) Es ist äusserst schwierig Männer kennen zu lernen, da ihr Sinn wankelmüthig ist: unter Hunderten findet man Einen, der tüchtig ist oder kein Misstrauen hegt.
7104. (5261.) Wer auch einen ganz Schwachen nicht gering achtet, einem Feinde in bestimmter Absicht, auf der Lauer stehend, schmeichelt, mit Stärkeren keinen Kampf sucht und zu rechter Zeit muthig auftritt, der ist klug.
7105. (5262.) Dieses kleine Fleckchen am Monde ist, ich weiss nicht[513] wie, entstanden; des Schöpfers Schuld ist es, nicht im Entferntesten aber seine, da er der Inbegriff aller Vorzüge ist. Ist er nicht Atri's Sohn? Oder ist er nicht der Ehrenschmuck auf Çiva's Scheitel? Oder vernichtet er nicht die Finsterniss? Oder thront er nicht über der Welt?
7106. (3268.) Ein mit Kalk geweisster Palast, der Mond mit seinen funkelnden reinen Strahlen, der Geliebten Antlitz-Lotus, überaus wohlriechender Sandelstaub, Kränze von herzentzückendem Duft, das alles bewirkt im Herzen eines sinnlichen Menschen eine Aufregung, nimmer aber im Herzen dessen, der sich von der Berührung mit der Sinnenwelt losgesagt hat.
7107. Καλὸν ἄνδρα εἴτ᾽ ἀδελϕὸν εἴτε πατέρα εἴϑ᾽ υἱὸν ὁρώσης της γυναικὸς τὸ αἰδοῖον νοτίξεται, ἀληϑῶς, ναὶ ἀληϑῶς, ὦ Κρίσνε.
7108. (5263.) Hier ein Baum mit schönen Blüthen, der keine Früchte trägt; dort ein Baum mit Früchten, der schwer zu erklimmen ist; dort eine unreife Frucht, die wie eine reife aussieht, aber gar nicht abfallen will.
7109. (3269.) Leicht zu füllen ist ein winziger Bach, leicht zu füllen sind die Pfötchen einer Maus, gar leicht zu befriedigen ein elender Wicht, da er auch mit ganz Wenigem fürlieb nimmt.
[514] 7110. (3270.) »Er schläft, schlafe auch du, o Freundin!« Unter diesen Worten gingen die Freundinnen hinaus. Darauf drückte ich Aufrichtige, in der die Liebe ihre Wohnung aufgeschlagen hatte, meinen Mund an seinen Mund. Als ich an dem Rieseln der Haut beim Schelm merkte, dass er verstellter Weise die Augen geschlossen hielt, da ergriff mich Scham, die er mir in einer für diese Stunden geeigneten Weise zu vertreiben wusste.
7111. (5264.) Wenn der Reichthum sogar einem sehr klugen und heldenmüthigen Manne den Kopf verdreht, so bin ich der Meinung, dass Jeder, der sich im Glück befindet, den Verstand verliert.
7112. (3271.) Hinter einen wohlangelegten Betrug kommt selbst Brahman nicht: ein Weber in Vishnu's Gestalt pflegt der Liebe mit einer Königstochter.
7113. (3276.) Prächtige Speisen mannichfacher Art und geschmeidige[515] Frauen; doch ein Uebel hat die Fremde, dass man dort mit Einem seines Gleichen im Hader liegt.
7114. (3273.) Welche Gabe wird der, der keinen Schatz schöner Reden einsammelt, darzubringen haben, wenn es an die Opferhandlung, an die Besprechung eines Gegenstandes, geht?
7115. (3274.) Verständige, denen das beim Genuss des Saftes schöner Reden vor Wonne sich aufrichtende Haar zum Panzer wird, geniessen der Freuden auch ohne Umgang mit einer Geliebten.
7116. Wem schöne Reden, Gesang und der Jungfrauen Belustigungen nicht das Herz umstimmen, der ist ein beschaulicher Asket, oder aber – ein Vieh.
7117. (3275.) Ein Bauer hat stets Nahrung vollauf, ein Gesunder ist stets froh und ein Gatte, dem ein liebes Weib zu Theil ward, hat stets ein Fest in seinem Hause.
[516] 7118. (3277.) Wer vor der Fremde eine grosse Scheu hat, wer ungemein träge und wer fahrlässig ist, diese drei finden in der Heimath den Tod: so die Krähe, der elende Wicht und die Gazelle.
7119. Sogar die Götter vermögen nicht, o Kluger, die mächtige, Freuden und Leiden verleihende frühere That zu ändern.
7120. Der Kluge, der den Leiden zu entgehen wünscht, übe demnach Gutes, da dieses jene abwehrt, nicht der Kummer, der nur den Leib zu Grunde richtet.
7121. (3278.) Sobald aber eine Unglück verheissende Zeit gekommen ist, soll man, ohne sich lange zu bedenken, richtig rathen und thaten, recht kämpfen oder fliehen.
7122. (3279.) Wenn fest Entschlossene bei einer Unternehmung guten Rath pflegen, muthig auftreten, klug zu Werke gehen und wohl überlegen, dann kann das Gelingen nicht ausbleiben.
[517] 7123. (3280.) Selbst grosse Gelehrte, die sehr bedeutende Werke im Kopfe haben und Zweifel mannichfacher Art zu lösen vermögen, haben zu leiden, wenn sie sich durch Habsucht bethören lassen.
7124. (3281.) Die Weiber reden mit schönem, lieblichem Munde, schlagen aber mit scharfem Herzen drein: Honig ist in ihrer Rede, aber Nichts als Gift in ihrem Herzen.
7125. (3282.) Daher kommt es, dass Männer, getäuscht durch das Bischen Lust, an ihrem Munde saugen, die Brust aber mit den Fäusten schlagen (drücken): sie verfahren mit den Weibern wie die nach Honig lüsternen Bienen mit der Lotusblüthe.
7126. (5265.) Ein Obdach an der Wurzel eines Baumes bei einem Tempel, der Erdboden als Lager, ein Fell als Kleid, das Aufgeben alles Besitzes und aller Genüsse: wem bereitet nicht eine vollständige Entsagung Freude?
[518] 7127. (5266.) Vishṇu schleudert seinen Diskus, der das Blut einer Menge von Asura getrunken hat, auf keinen Menschen, und ein Löwe wehrt mit der Tatze, mit welcher er Elephanten zerschmettert, keine Mücken ab.
7128. Καλὸν ἄνδα εἴτε πατέρα εἴτ᾽ ἀδελϕὸν εἴϑ᾽ εἴϑ᾽ υἱὸν ὁρωσῶν τῶν γυναικῶν τὸ σῶμα νοτίξεται ἰδοῦ τὴν τοῦ Ἔρωτος πραγματείαν.
7129. Die Pâṇḍava, die schmucken Kämpfer, sind meine fünf Gatten; nichtsdestoweniger läuft, o Weiser, das unbeständige Herz sogar einem sechsten nach.
7130. (5267.) Eine leicht zu erlangende Sache wird von Niemanden beachtet; die eigene Frau lassen die Leute im Stich und verlangen nach eines Andern Weibe.
7131. (3283.) Leicht sind, o Fürst, die Männer zu finden, die stets Angenehmes sagen; wer aber etwas Unangenehmes, das jedoch heilsam wäre, spräche oder gern hörte, der ist schwer zu finden.
[519] 7132. Lehrbücher sind ja leicht herbeizuschaffen, ein Lehrer aber schwer zu finden: das Haupt trägt die Blumen, den Wohlgeruch aber kennt die Nase.
7133. (3284.) Drei Männer pflücken die Blüthe der Erde, das Gold: der Heldenmüthige, der Gelehrte und wer zu dienen versteht.
7134. Wem kann es zur Freude gereichen, wenn das schön gerundete (wohlgesittete), gleichmässige, zur Freude Anderer emporgestiegene, gute Brüstepaar zu Fall kommt?
7134. (5268.) Εὐείμονα ἄνδρα εἴτ᾽ ἀδελϕὸν εἴϑ υἱὸν ὁρώομς τῆς γυναικὸς τὸ αἰδοῖον νοτίξεται, ἀληϑῶς, ναι ἀληϑῶς, ῷ Νάραδε.
7136. (5269.) Wer sich zu Werken anschickt, nachdem er zuvor der Klugen schöne Aussprüche in Bezug auf die Folgen überdacht hat, der bleibt lange in gutem Rufe.
7137. (5270.) Ein Weiser lese schöne Aussprüche, schöne Reden und schöne Thaten von hier und von da zusammen, wie ein Aehrenleser die Aehren.
[520] 7138. (5271.) Auch einem rasch Laufenden läuft das Schicksal nach und ruht, wenn er ruht: es benimmt sich stets darnach, wie Jemand früher gehandelt hat.
7139. (5272.) Es steht an seiner Seite, wenn er steht; es geht, wenn er geht; es thut die Handlung, die er thut: wie der Schatten richtet es sich nach ihm.
7140. (5273.) Ein Schöpfeimer, obgleich er wohlgeartet und wohlgesittet (hübsch rund) ist, fährt hinunter (in den Brunnen), weil er Nichts giebt; ein Trinkkrug, obgleich er hier und da gebogen und einöhrig ist (einen Henkel hat), fährt hinauf (zum Munde), weil er giebt.
7141. (5274.) Ein Mann soll auch im höchsten Zorne den Weibern nichts Unliebes sagen, bedenkend, dass ja Lust, Freude und Pflichten auf ihnen beruhen.
7142. Diese hartherzigen Reichthümer, die man sorgfältig sammelte,[521] wie das eigene Leben wohl hütete und nie sogar von seiner Seite liess, geben auch dem zum Todesgotte wandelnden Menschen nicht fünf Schritte weit das Geleite.
7143. (3285.) Wie Wasser in ein Schiff, so dringt ein Feind selbst durch die kleinste Oeffnung und richtet darauf allmählich Alles zu Grunde, wie die Wassermasse das Schiff.
7144. (5276.) Εὔλουτον ἄνδρα, εὔοσμον, ῥύπου καϑαρὸν ὁρωσῶν τῶν γυναικῶν τὰ αἰδοῖα νοτίξεται, ὥσπερ κεράμιον μὴ ὀπτῆς γῆς ὕδατι.
7145. (5277.) Das Haus hochstehender Männer, die eine eigene Haushaltung haben, wird stets von anhänglichen, den Augen Wonne bereitenden Freunden besucht.
7146. (5278.) Wer auf die Reden wohlwollender Freunde nicht hört, dem steht nahes Unglück bevor und der bereitet Freude den Feinden.
7147. (5279.) Wer die Rede wohlwollender Freunde nicht befolgt, der geht zu Grunde, wie die thörichte Schildkröte, die vom Holzstück fiel.
[522] 7148. (5280.) Wer den Rath kluger and unterrichteter Freunde, die auf seinen Nutzen bedacht sind, nicht befolgt, der Mann bereitet Freude seinen Feinden.
7149. (3286.) Um Freunden Nutzen und Feinden Schaden zu bringen suchen Kluge sich einem Fürsten anzuschliessen: bloss den Bauch zu nähren vermag Jedermann.
7150. (3287.) Wer einem gleichgesinnten Freunde, einem tugendhaften Diener, einem folgsamen Weibe oder einem mächtigen Herrn sein Leid geklagt hat, der wird wieder froh.
7151. (5281.) Wer wird, wenn er nicht ein Thor ist, einen Bundesgenossen, sein Vermögen, seine Herrschaft, sich selbst und seinen Ruhm in einer Schlacht auf's Spiel setzen?
7152. (5282.) Wer das, was er thut, zuvor mit sachkundigen Freunden mehrmals erwägt und auch selbst mit dem Verstande nach allen Seiten hin bedenkt, der ist ein kluger Mann und nur der ist ein Gefäss für Glück und Ruhm.
[523] 7153. Das Schwein und den Bösewicht hat das Schicksal bei ihrer Schöpfung mit Glück bedacht: durch das Schwein wird die Erde rein, diese aber reinigt den Bösewicht.
7154. (5283.) Mag ein guter Mensch schöne Worte, wahren Nektar für die Ohren, sprechen, so freuen wir uns nicht darüber; mag ein hämischer Mensch giftspeiende Worte ausstossen, so sind wir darüber nicht unmuthig. Es mag Jedermann das ihm eigentümliche Wesen entfalten, was sollen wir uns darüber Gedanken machen? Wir thun das Werk, das die Fesseln der Geburt einst zu zerbrechen vermag.
7155. (5284.) Gar fein ist, o Affe, der Guten Gesetz und nur die Vorzüglichsten vermögen es zu ergründen; die im Herzen aller Geschöpfe wohnende Seele aber kennt das Gute und das Böse.
7156. Ganz kleine wie Wasser gefärbte und geformte Geschöpfe leben im Wasser; darum enthalten sich, aus Mitleid für alles Lebende, recht fromme Bettelmönche des Wassers.
7157. (5285.) Selbst vor geringen (üblen) Neigungen müssen die Weiber[524] sorgfältig gehütet werden, da sie, ungehütet, zweien Familien Kummer bereiten können.
7158. Selbst ein kleiner Sjandana-Baum vermag, o Fürst, eine Last zu tragen, nicht aber andere Bäume, so sind auch Männer aus gutem Geschlecht sicher geeignet Schweres zu leisten, nicht aber gewöhnliche Menschen.
7159. (5286.) Wie ein Schneider einen Faden mit Hilfe einer Nadel in's Zeug windet, so wird der Faden des irdischen Daseins durch die Nadel der Begier befestigt.
7160. (3288.) Ein tugendhafter Sohn, ein treues Weib, ein gnädiger Herr, ein anhänglicher Freund, ehrliche Dienerschaft, ein von allen Trübsalen freies Gemüth, eine schöne Gestalt, dauernder Reichthum und ein durch Wissen geläuterter Mund werden dem Menschen zu Theil, wenn der die Welt entzückende, Erwünschtes gewährende Çiva zufriedengestellt ist.
7161. (5287.) Eine wahre und dabei freundliche Rede, geschmückt durch Wissen, das nach dem Sinn, aller Lehrbücher feststeht, ist aller Reden Schmuck, wie Scham der Schmuck edler Frauen ist.
7162. (5288.) Den Sonnengott, den Regenspender, den Wind und den[525] Berg verschmähte die (in eine Jungfrau verwandelte) Maus und kehrte zu ihrem Geschlecht (den Mäusen) zurück: schwer hält es von seinem Geschlecht zu lassen.
7163. (3289.) Wenn der Schöpfer den Menschen erst als Perle, als Fundgrube sämmtlicher Vorzüge und als Schmuck der Erde schafft, ihn aber hinterher so bildet, dass er in demselben Augenblick zusammenbricht, so ist das, o Weh, eine Thorheit von ihm.
7164. (3290.) Menschen, die der Tugend ermangeln, sind wie das Vieh nur dazu geschaffen, dass sie Harn und Koth lassen, Speise zu sich nehmen und sich begatten.
7165. (5289.) Wohl ein Brahmanenmörder, nicht aber ein Verräther am Freunde, wird von seiner Sünde erlöst, wenn er sich zu der Brücke über das Meer, wo die Gañgâ sich mit dem Meere vereinigt, begiebt.
7166. (5290.) Erzürnte Brahmanen vermögen ja in einem Augenblick[526] den Himmel mit Indra, die Erde mit ihren Bergen und die Unterwelt mit ihren Schlangendämonen zu verbrennen.
7167. (5291.) Ein Diener lässt seinen Unwillen gegen einen geizigen und groben Herrn aus; warum thut er dieses nicht gegen sich selbst, da er nicht weiss, wem man dienen soll und wem nicht?
7168. Diener müssen ihrem eigenen Herrn dienen, wäre dieser auch arm, nimmer aber einem fremden, wäre dieser auch reich: der Ḱâtaka wendet sich an die Wolke, hätte diese auch kein Wasser, nimmer aber an's Meer.
7169. (3291.) Sieh, was Diener erreichten, wenn sie durch Dienst Schätze zu gewinnen im Sinne hatten: die Thoren haben sich sogar die Freiheit des Leibes rauben lassen.
7170. (3292.) Diejenigen, die den Dienst ein Hundeleben nannten, redeten unwahr: ein Hund geht hier im Leben frei nach eigener Lust umher, ein Diener auf eines Andern Geheiss.
7171. (3293.) Ein grosser Baum, der Früchte trägt und Schatten giebt,[527] muss gepflegt werden: versagte auch ein Mal das Schicksal die Frucht, wer würde den Schatten uns vorenthalten?
7172. (5292.) Den Sinnengenüssen darf man zu rechter Zeit fröhnen, doch soll man, sich selbst in der Gewalt habend, sich ihnen nicht ganz hingeben. Wohlbehagen ist ja die Frucht des Reichthums; wird dieses gehemmt, so sind die Glücksgüter zu Nichts da.
7173. (3294.) Wie Dienst alle Ehre, wie Mondlicht die Finsterniss, wie Alter die Anmuth und wie eine Erwähnung Vishnu's oder Çiva's die Sünde, so hebt Betteln sogar hundert Tugenden auf.
7174. Dieselbe Erde und dasselbe Wasser nehmen, o sieh, weil die Empfänger verschieden sind, beim Mangobaum einen süssen, beim Nimbabaum aber einen scharfen Geschmack an.
7175. (3295.) Ertragen lässt sich ein Schmerz, der durch Berührung von Feuer, so auch ein Schmerz, der durch den Schnitt eines Messers entsteht, nimmer aber lässt sich, o Fürst, ein Schmerz ertragen, der vom Kummer kommt.
7176. (3296.) Soma gab den Frauen Lauterkeit, der Gandharva gab[528] ihnen eine schöne Stimme, Agni allgemeine Reinheit; deshalb sind ja die Frauen rein.
7177. Wenn Jemand das Nützliche aufgiebt und Böses zu vollbringen sich anschickt, weil er nach Freuden Verlangen trägt und in Freuden gelebt hat, dann ist die Sünde da.
7178. (5293.) Möge nicht das Angesicht guter Menschen entstellt werden durch das Gift, das aus dem Munde von Bösewichtern hervorzuschiessen pflegt, jener guten Menschen, welche Nektarströme des Wohlwollens sind, zum Heil Anderer sich stets als Helden benehmen, in der Schilderung Anderer geschwätzig sind, in Gesprächen über sich selbst zu schweigen pflegen, selbst im Unglück ein Schatz unverwüstlicher Ausdauer und im Glück nicht hochmüthig sind.
7179. (5294.) Für die Goldstriche der Freundschaft, die mannichfache Abstufungen zeigen, giebt es einen Probirstein eigener Art, nämlich das Benehmen hinter dem Rücken.
7180. Die Leute pflegen Niemandes, nicht eines Freundes, nicht eines Vaters, nicht eines wohlwollenden Mannes Fesseln so gern zu tragen, wie die eines Sohnes.
[529] 7181. (5295.) Sogar einen leiblichen Bruder, wie viel mehr einen andern gemeinen Menschen, soll man, wenn er kein Gefühl für Freundschaft hat, wie einen ausgepressten (des Oels und zugleich der Liebe ermangelnden) Oelkuchen (Bösewicht) fahren lassen.
7182. (5296.) Ein Kluger trägt einen Feind sogar auf der Schulter, wenn es die Zeitverhältnisse erheischen: eine grosse Schlange (die Frösche auf ihrem Nacken umhertrug) tödtete viele Frösche.
7183. (5297.) Die Brüste da sind hoch, die Leibesmitte vertieft, die Hüften gewölbt: wer strauchelt wohl nicht auf dem unebenen jugendlichen Körper der Gazellenäugigen?
7184. (5298.) Der Zweifel, ob, o Geliebte, zwischen deinen Brüsten und zwischen deinen Hüften ein Zwischenraum sei oder nicht, bleibt auch heute bei mir ungelöst.
7185. Deine Brüste erschienen, o Grossäugige, wie zwei Fürsten: sie wurden beiderseits von Halbkugeln (Nachbarn) gedrängt, zeigten keinen Zwischenraum (hatten keine Bündnisse) und hatten Verlangen nach Händen (Abgaben).
[530] 7186. (3297.) Τὸ [ἀεὶ] ἐπίψογον σῶμα τῶν γυναικῶν ἐπαινεῖται ἐν τοῖς ποιήμασι τῶν ποιητῶν (genauer ὑπὸ ἐνδόξων ποιητῶν) οἱ μὲν γὰρ μαξοὶ, οἱ ὄντες οἰδήματα ἐκ κρέατος, συγκρίνονται δύο χρυσοῖς λαγηνίοις τὸ δὲ πρόσωπον, τὸ ὂ πλῆρες ϕλέγματος καὶ κορύξης καὶ λήμης, παραβάλλεται τῇ Σελήνῃ ὁ δὲ μηρὸς, ὁ ὢν κατάβροχος ἐκ τοῦ ῥέοντος οὔρου, ὁμοιοῦται τῇ προβοσκίδι τοῦ ἐλέϕαντος.
Galanos.
7187. (3298.) Einem Anspruchvollen geht der Ruhm verloren, einem Boshaften die Freundschaft, einem Unvermögenden die Familie, einem Geldgierigen die Tugend, einem Lasterhaften die Frucht des Wissens, einem Geizigen das Wohlbehagen, einem von fahrlässigen Ministern umgebenen Fürste die Herrschaft.
7188. (5299.) Selten erscheinen in der Welt sowohl gute Leute wie Wolken, die lautlos auf hohen Pfaden einherschreiten und den Menschen die Qualen benehmen.
[531] 7189. Eine kleine Gabe, die man einem Würdigen reicht, trägt, wie ein Feigenkorn in einem Felde, vielfache Früchte; darum sollen Verständige spenden.
7190. (5300.) Wenn ein träger Mensch hier im Leben schon mit ganz Geringem über die Maassen zufrieden ist, dann wischt bei der Rechnung schon ein gezogener Strich seinen Reichthum aus.
7191. (3300.) Wer eines Weibes begehrt, an sie herantritt und ihr nur einige Höflichkeit erzeigt, nach dem verlangen schon die Frauen.
7192. Die Weiber sind ein Läuterungsmittel ohne Gleichen: nie und nimmer verunreinigen sie sich, da ihre Regeln jeden Monat ihre Sünden entfernen.
7193. (3301.) Zuerst haben die Götter Soma, Gandharva und Agni den Weibern beigewohnt, darauf wohnen ihnen die Menschen bei; deshalb trifft sie keine Schuld.
[532] 7194. (3302.) Frauen, Juwelen, eine Wissenschaft, Tugend, Redlichkeit, ein schönes Wort und mannichfache Künste kann man von Jedermann empfangen.
7195. (3303.) Die Weiber, selbst die der Götter, sind ja, wie bekannt, stets leichtfertig: glücklich die Männer, die sie zu hüten vermögen!
7196. (5301.) Unsere Weiber sind ja schon von Natur gelehrt, während der Männer Gelehrsamkeit erst aus Büchern erlernt wird.
7197. (5302.). Die Weiber, welche hartherzig, grausam, unerträglich und zu Unbesonnenheiten geneigt sind, tödten ja sogar einer geringfügigen Ursache wegen den Gatten, oder auch einen Bruder, ohne sich lange zu bedenken.
7198. (5303.) Sie legen Unwissenden gegenüber eine falsche Vertraulichkeit an den Tag und lassen dann ab von der Freundschaft; sie verlangen stets nach einem neuen Geliebten, laufen den Männern nach und leben nach ihrer Laune.
[533] 7199.
Ἐρωμένου ϕανέντος εἶτ᾽ ἐράστρια
γυμνοῖ τὸν αὑτῆς ὀμϕαλὸν, καὶ, πολλὰ μὲν
βλέπουσα λοξὰ, πολλὰ δ᾽ ἀρϑείοῃ χερὶ
κοσμοῦσα χαίτης ἀνϑίνους περιπλοκὰς,
τὴν μασχάλην δείκνυσι τῷ νεανίᾳ
καὶ δὴ πέϕρικε καταχέουσ᾽ ἱδρῶϑ᾽ ὁμοῦ,
μαστῶν τε ϕαίνει μῆλα, πολλάϑ᾽ ἱμέρῳ
βληϑεῖσα ϕωνεῖ, χὔστατον ξώνην λύει,
χεῖλὸς τε δάκνει συντόνως κινουμένη.
Moriz Schmidt.
7200. (5304.) Der Weiber Macht ist die Jugend, der Bettler Macht das Nachgehen, der Fürsten Macht der Machtglanz, der Guten Macht die Wahrheit, des Armen Macht das Sparen, des Unsittlichen Macht ein grosser Wortschwall, des Wohlgesitteten Macht die Bändigung des Herzens, des reifen Alters Macht das Wissen, des Geschlechtes Macht die Einigkeit, des Dienstes Macht das Geld, die Macht der hohen Stellung sind viele Vorzüge, die Macht der Gemüthsruhe ist der klare Verstand.
7201. (3304.) Der Mann, der sich gegen Frauen, einen Feind, einen falschen Freund, besonders aber der, der sich gegen Buhldirnen einfach und offen benimmt, bleibt nicht am Leben.
7202. (5305.) Durch das Zusammenleben wird der Weiber Gesinnung[534] der der Männer gleich: selbst eine süsse Schlingpflanze betäubt ja, wenn sie sich an einen Giftbaum rankt.
7203. Die Weiber haben Tausende von Fehlern, ihre Vorzüge aber sind diese drei: die Besorgung des Hauses, das Gebären von Kindern und das Sterben mit dem Gatten.
7204. (5306.) Doppelt, heisst es, ist die Nahrung der Weiber, vierfach ihr Verstand, sechsfach ihre Unbesonnenheit, achtfach ihre Liebe.
7205. (5307.) Weiberlist, die nicht erlernt wird, gewahrt man schon bei den Thieren, wie viel mehr bei den mit Vernunft begabten Frauen! Die Weibchen der Kuckucke lassen, wie man weiss, ihre Jungen, bevor sie fliegen können, durch andere Vögel ernähren.
7206. (5308.) Das Weib ist ja ein Sinnesgegenstand und wie die übrigen Sinnesgegenstände Allen gemein; wozu zürnen also darüber diejenigen, welche sich selbst beherrschen?
7207. (5309.) Wo Weibernatur, Rausch, ein einsamer Ort, das Antreffen[535] eines Mannes und Unbeschränktheit, diese fünf Feuer lodern, wie kann da noch vom Strohhalm Sittlichkeit die Rede sein?
7208. (5310.) Einem Weibe, einem Betrüger, einem Trägen, einem Furchtsamen, einem Heftigen, einem Prahler, einem Diebe, einem Undankbaren und einem Gottesläugner soll man kein Vertrauen schenken.
7209. Ein Weib gleicht fürwahr einem Flusse: dadurch, dass Feuchtigkeit herabträufelt, richtet es beide Geschlechter (das ihrige und das des Gatten) zu Grunde, wie ein Fluss seine beiden Ufer.
7210. Die Wünsche von Männern schwachen Verstandes, die sich in den Anblick eines Frauengesichts vertiefen, gehen ja mit der Jugend dahin.
7211. Kann ein Mann eine Perle von Weib geniessen, so ist er, besässe er auch Nichts, in meinen Augen ein Fürst. Essen und Weiber sind das Beste am Königthum; alles Uebrige ist Holz zum Anzünden eines Feuers, Gier genannt.
7212. Ein Weib geht durch Hochmuth zu Grunde, Kasteiungen gehen durch Zorn zu Grunde, Kühe durch eine entfernte Weide, ein vorzüglicher Brahmane durch Speisen von einem Çûdra.
[536] 7213. (5311.) Ein Weib geht durch Schönheit zu Grunde, ein Brahmane durch Königsdienst, Kühe durch eine entfernte Weide, Gold durch Gewinnsucht.
7214. (3306.) Nie und nimmer darf man Frauen, Brahmanen, Asketen und Knaben einen Schlag versetzen, stände selbt das eigene Leben auf dem Spiele, am wenigsten aber denen, die Vertrauen zeigen.
7215. (5312.) Frauen, Kühe und Brahmanen darf man mit keiner Waffe verwunden, eben so wenig den, dessen Brod man isst oder bei dem man ein Obdach hat.
7216. (5313.) Man soll in die Weiber nicht verliebt sein, da die Weiber einen verliebten Mann verhöhnen. Nur dann, wenn das Weib verliebt ist, soll man mit ihm der Liebe pflegen; ist es aber kalt, so soll man es meiden.
7217. (5314.) Welcher Verständige darf Weibern, Fürsten, Schlangen, leisen Gebeten, Herren, Feinden, Genüssen und der Lebensdauer trauen?
7218. Verkehr mit Weibern verräth Liebe, das Ergreifen von Waffen – Hass, ein Rosenkranz und Aehnliches – eine Geistesverwirrung, ein Wassertopf – eine Verunreinigung.
[537] 7219. Wasser auf dem Erdboden, ein Strich im Wasser, eine Frucht im Munde eines Hungrigen und ein Geheimniss in einem Weiberherzen sind nimmer von Bestand.
7220. Mit Fünfen soll man stehen, mit Fünfen gehen, mit Fünfen speisen, mit Fünfen giebt es keine Leiden.
7221. (3307.) Nur an den rechten Platz werden ja Diener und Schmucksachen gestellt: nicht auf den Fuss ein Diadem, nicht aufs Haupt ein Fussring.
7222. (3308.) Weil Ort und Zeit und der Liebhaber fehlen, nur darum giebt es noch, o Nârada, Keuschheit bei den Frauen.
[538] 7223. (3309.) Weil der Verständige weiss, dass Zähne, Haare, Nägel und Menschen ihr Ansehen verlieren, wenn sie von ihrem Platze entfernt sind, deshalb wird er nimmer seinen Platz verlassen.
7224. (3310.) Löwen, ausgezeichnete Menschen und Elephanten verlassen den Ort und gehen von dannen; am selben Orte finden Krähen, elende Wichte und Gazellen den Tod.
7225. Ein Aufenthalt an passendem Orte, ein Weib aus edlem Geschlecht, ein reiner Sohn, Liebe der Angehörigen, rechtmässig erworbener Besitz, eine der eigenen Person frommende Gesinnung und Tugend ohne Falsch sind sieben Glücksgüter.
7226. (3311.) Der unglückliche Mann, der, wenn er in dieses Land der Werke kommt, keine Kasteiungen übt, kocht Sesamkörner in einem Kessel von Beryll und verwendet dazu eine Menge Sandelholz als Feuerung, wühlt einer Arka- Wurzel wegen den Erdboden mit goldenen Pflugscharen auf, haut ein Kampfergebüsch um und macht hier daraus einen Zaun um ein Hirsefeld.
[539] 7227. (5315.) »Wo früher Wasser gestanden hat, da kommt dieses wieder hin.« Indem ich so bei mir denke, erwarte ich, den Wechsel der Zeiten wünschend, die Rückkehr der Wohlfahrt.
7228. (5316.) Ein Aufenthalt in einem heiligen Walde, ein vertrauter Umgang mit Gazellen, ein reiner Lebensunterhalt durch Früchte, an jedem Flusse Steine als Lager, dies ist Alles, dessen diejenigen, die Çiva's Verehrung anstreben, bedürfen. Gleich ist Wald und Haus für solche, deren Sinn nur auf Gemüthsruhe gerichtet ist.
7229. (5317.) Obgleich das Meer fest, tief und eine Perlenmine ist, so kommt es doch dir (o Fürst) nicht gleich, weil es schmutzig ist.
7230. (5318.) Im treuen Herzen Liebe bergend, in ihrer Menschenfreundlichkeit der im Leben genossenen Wohlthaten sich erinnernd, schlagen Gute sogar das eigene Leben für Nichts an, wenn es für einen Freund geopfert wird.
[540] 7231. (5319.) Der Körper in stetigem Verfall, die Freude an lieben Freunden ohne Bestand, die Genüsse grosse Krankheiten, die lotusäugigen Mädchen Schlangen gleich, das Betreten des Hauses eine Beschwerde, das Glück von Natur unbeständig, Bösewichten der Todesgott als ein nach Laune verfahrender Feind, und dennoch haben wir kein heilsames Werk vollbracht!
7232. (5320.) Die unwandelbare Gewohnheit Tugendhafter wird durch die Absicht Böser nicht beeinträchtigt: die Flamme einer nur durch ihre Edelsteine leuchtenden Lampe wird ja von keinem Sturmwinde ausgeweht.
7233. (5321.) In einen groben Ueberwurf gehüllt, alte Geschichten erzählend, durch Husten, Thränen und Speichel verunreinigt, an Brust, Seiten, Rücken, Knieen und Lenden gebrochen, durch seine Stumpfheit Gäste fernhaltend, die Reden seines frechen Weibes anhörend, mit dem Bogen Krähen scheuchend, Leben und Reichthum an das Hoffnungsband knüpfend, schwindet ein Greis daheim im Hause hin.
7234. Einen dickhaarigen Stier, ein geschwätziges Mädchen und salzhaltige Aecker soll man schon von fern meiden.
[541] 7235. (5322.) Wen überschleicht nicht Furcht, wenn er die Namenszeichen verstorbener Fürsten auf dicken silbernen Kessele und Schüsseln erblickt?
7236. (3312.) Bei allen Verrichtungen empfehlen Meister der Lebensklugheit Ausdauer: rasch ist der Gang der Gerechtigkeit, wenn ihr Hindernisse in den Weg gelegt werden.
7237. (5323.) Der Lohn, welchen Männer lautern Herzens erzielen, wenn sie sich im reinen Wasser der Gañgâ baden, wird selbst durch Hunderte von Opfern nicht erreicht.
7238. (3313.) Wann werde ich, nachdem ich zuvor im Wasser der Gañgâ mich gebadet, dich, o Çiva, mit reinen Blumen und Früchten geehrt und die Gedanken auf den zu Denkenden gerichtet haben werde, in einer Berghöhle auf einem Felsenlager sitzend, an mir selbt mich ergötzend, Früchte verzehrend und an des Lehrers Worten Gefallen findend, durch deine Gnade, o Feind des Liebesgottes, abstreifen die Leiden, die hervorgehen aus dem Dienst für einen Menschen, der nur eben so viele Hände und Füsse wie ich hat?
[542] 7239. Es ist das Bad, das das Gemüth erheitert, böse Träume verscheucht, die Bedingung der Reinlichkeit ist, Unreinigkeit entfernt, die Lebenskraft erhöht, die Schönheit fördert, den Körper beruhigt, den Husten vertreibt, das Herz der Weiber fesselt und die Müdigkeit benimmt: dies sind die zehn Vorzüge des Bades.
7240. (5324.) Lieblich tönst du, o Wolke, entlässest aber keinen Wasserstrom! Welche Mühe kostete es dir, den kleinen Krug, die Höhlung eines Vogelschnabels (des Kâtaka) zu füllen?
7241. Das verzagte Herz anhänglicher und von Liebe erfüllter Freunde gelangt, o Râma, nicht zur Zuversicht in Betreff eines Freundes.
7242. Wer mit einem Wohlwollenden (Oelhaltigen) und Reinen Freundschaft schliesst, dessen Name und Vorzüge leben gar lange: sehet, wenn eine Blume mit Sesamkörnern in ein näheres Verhältniss getreten ist, dann sprechen diese gewandten Dinger ihren Namen aus und verkünden ihren Geruch.
[543] 7243. (3314.) Entzieht man guten Menschen auch die Zuneigung, so erfahren ihre Vorzüge dennoch keinen Wandel; werden Lotusstengel auch gebrochen, so halten ja die Fäden dennoch zusammen.
7244. (5325.) In der Liebe wurzeln die Leiden, aus der Liebe entspringt die Furcht; Kummer und Freude, auch Ermüdung, kurz Alles kommt von der Liebe her.
7245. Ein Bösewicht und ein Spiegel verwandeln, mögen sie auch durch Liebe (Oel) und reiche Spenden (Asche) gereinigt worden sein, vor unsern Augen Eins in Zwei.
7246. Wo Liebe ist, da ist auch Furcht, die Liebe ist die Ursache des Schmerzes und in der Liebe wurzeln die Leiden; darum soll man die Liebe aufgeben.
7247. Wenn der Mond (mit seinen Strahlen) die Hinterbacken berührt, so schickt sich dieses hier für ihn, da er der Befleckte heisst; nicht passt es sich aber für dich, o Perlenschmuck, dass du die Brüste eines fremden Weibes belästigst, da du der Tugendreiche (Aufgereihte) heissest.
7248. (5326.) Männer scharfen Verstandes berühren wie Pfeile wenig,[544] dringen aber wie diese in's Innere: ein Mann stumpfen Verstandes berührt wie ein Wurfstein Vieles, bleibt aber wie dieser ausserhalb.
7249. (3315.) Ein Elephant tödtet uns sogar dann, wenn er uns berührt; eine Schlange sogar dann, wenn sie uns beriecht; ein Fürst sogar dann, wenn er lacht; ein Bösewicht sogar dann, wenn er uns ehrt.
7250. Wer fühlt sich nicht stets hingezogen zu den edlen Menschen von gerader Denkweise, bei denen Worte, Gedanken und Handlungen, alle drei übereinstimmen?
7251. (5327.) Der Helden Siegesgöttin fühlt, wie ein berauschtes keckes Weib, ein Verlangen mit dem Fingernagel, dem langen Schwerte, die Brust (des Geliebten oder des Gegners) aufzureissen.
7252. (3316.) »Das Herz berste mir, der Liebesgott mache nach Herzenslust den Leib mir schmächtig; ich habe, o Freundin, mit dem Geliebten, da seine Zuneigung so unbeständig ist, Nichts mehr zu schaffen.« Solche Worte stiess eine Gazellenäugige im Uebermaass ihres Grolles heftig aus, schaute aber dabei sehr angelegentlich auf den Pfad, auf dem der Geliebte zu kommen pflegte.
[545] 7253. (5328.) Sogar nachdenkende Menschen kommen, o Schlanke, weil sie deine Leibesmitte nicht wahrnehmen, zu der festen Ueberzeugung, dass sie offenbar gar nicht vorhanden sei. Darin aber, dass das schöne Hügelpaar der Brüste festsitzt, erkennen wir einen Zauber des Liebesgottes.
7254. (3317.) Wann werden wir, in lautlosen Nächten auf irgend einer von strahlendem, überall hin sich verbreitendem Mondschein hell erleuchteten Sandbank des Himmelsflusses (der Gañgâ) behaglich sitzend, zurückschreckend vor der Mannichfaltigkeit der Welt, mit erhobener Stimme Çiva, Çiva, Çiva ausrufend, von reichlichen, vor Freude hervorbrechenden Thränen erfüllte Augen haben?
7255. (5329.) Gute gedenken nur der ihnen erwiesenen Wohlthaten, nicht aber der Feindseligkeiten, hätte man auch diese gegen sie an den Tag gelegt. Wenn sie eines Andern Sache betreiben, rechnen sie auf keine Wiedervergeltung.
7256. (5330.) Gute gedenken nur der ihnen erwiesenen Wohlthaten, nicht aber der Feindseligkeiten, hätte man auch diese gegen sie an den Tag gelegt, indem sie dafür erkenntlich sind, dass sie selbst Ehre erfuhren.
[546] 7257. (5331.) Gute gedenken nur der ihnen erwiesenen Wohlthaten, nicht aber der Feindseligkeiten, hätte man auch diese gegen sie an den Tag gelegt, indem sie dafür erkenntlich sind, dass sie Vertrauen zu sich fanden.
7258. Wer mit einem von Liebe gequälten, seiner nicht ganz mächtigen, betrübten Weibe nicht der Liebe pflegt, ist, wie Vjâsa gesagt hat, für einen Brahmanenmörder anzusehen.
7259. »Gedenke meiner, o Geliebte«! »Nicht werde ich deiner gedenken«. »Das Gedenken ist eine Pflicht des Herzens«. »Dies Herz hast du geraubt«.
7260. (3318.) Das leise Lächeln auf dem Gesichte, die Macht der geraden und beweglichen Blicke, der sanfte Fluss der Rede, welchem Worte jugendlicher Ausgelassenheit besondern Reiz verleihen, die Art und Weise aufzubrechen, ein Ueberfluss an üppigen Spielen und Scherzen: was ist denn hier auf Erden nicht entzückend an einer Gazellenäugigen, die an die erste Jugend streift?
[547] 7261. (3319.) Durch Lächeln, den Ausdruck ihrer Gefühle, Scham, Furcht, durch abgewendete, halbe und zur Seite gerichtete Blicke, durch Worte, eifersüchtigen Zank, Scherz: auf allerlei Weise verstehen die Weiber zu fesseln.
7262. (3321.) Gedächtniss, warmes Interesse für die Sachen, reifliches Erwägen, sicheres Wissen, Festigkeit und Geheimhaltung einer Berathung rühmt man als die Vorzüge eines Ministers.
7263. (3322.) Wohlriechende Kränze, von Fächern zugewehter Wind, Mondstrahlen, Blüthenstaub, ein Teich, Sandelstaub, klarer Wein, ein blanker Palastsöller, ein feines Gewand und lotusäugige Weiber –, dieser Freuden werden ja Tugendhafte theilhaftig, wenn sie von der Hitze gequält werden.
7264. (5332.) Wie die Wasser der Flüsse strömen die Nächte und Tage, der Menschen Leben mit sich führend, ohne Unterlass dahin und kehren nicht wieder.
[548] 7265. (5333.) Welches Mitleid sollten Brüste beim Brechen eines fremden Herzens äussern, da sie bei ihrem Hervortreten das eigene Herz (Brustbein) durchbrechen?
7266. Gilt es, die eigenen Vorzüge und die Fehler Anderer zu verkünden, einem Andern mit einer Bitte anzugehen und einen Bittenden zurückzuweisen, so erweist sich der Guten Zunge als stumm.
7267. Ein Thor steht in Ehren in seinem Hause, ein reicher Herr in seinem Dorfe, ein Fürst in seinem Lande, ein Gelehrter steht überall in Ehren.
7268. (5334.) Wenn ein uns Lieber auch nur in einem an seinem Hause befindlichen Garten weilt, befürchten wir aus Liebe zu ihm schon etwas Schlimmes, wie viel mehr, wenn er in einem grausigen Walde, dessen Gefahren man kennt, sich aufhält.
7269. (5335.) Wodurch könnte ein im eigenen Herzen entstandener[549] Hochmuth gedämpft werden? Der Vogel Ṭiṭṭibha schläft mit nach oben gerichteten Füssen aus Furcht, der Himmel könnte sonst einstürzen.
7270. (5336.) Indem Schelme den Leuten nach dem Munde reden, bahnen sie sich den Weg in ihr Herz; so thun es Buhldirnen mit gemeinen Menschen, Buhler mit verheiratheten Frauen und Diener aus der ersten Kinderzeit mit ihren Herren.
7271. (3323.) Wer möchte dieses hungrigen Magens wegen, der auch mit wildwachsendem Gemüse gesättigt werden kann, eine grosse Sünde begehen?
7272. (5337.) Ob klare, schöne Wasserbehälter Tag für Tag da sind oder nicht; ob du, o Wolke, wenig oder viel Wasser spendest; ob vor Durst ihm die Lebensgeister entweichen oder nicht: des jungen Ḱâtaka Hoffnung beruht dennoch nur auf dir.
7273. (3324.) Angehörige halten einen Mann für ihres Gleichen, Fremde dagegen erkennen in ihm den vorzüglichen Mann: die Hirten hielten Vishṇu für einen Hirten, die Götter dagegen erkannten in ihm den Herrn der Welt.
[550] 7274. (3325.) Ein Feind ist nimmer zu besiegen, es sei denn durch Jemanden seines Gleichen: wie könnte eine Perle anders als durch einen Demant durchbohrt werden?
7275. (3326.) Daran erkennt man der Menschen hohen Sinn, dass sie nur solche, die ihres Gleichen sind, zu Grunde richten: ein Habicht thut nur Vögeln ein Leid an, nimmer aber Schlangen.
7276. Die Behauptung, dass es im Leben ein Ich und ein Brahman, bei der Erlösung aber nur ein Brahman gebe, dass demnach die Erlösung eine Vernichtung des Ich sei, ist ein schlauer Einfall der Vedântin.
7277. 7278. (5338. 5339.) Ein Fürst bestimme zum Minister einen Mann, der im Lande geboren, dem Geschlecht und den Bräuchen nach rein, als ehrlich erprobt und mit den Lehrbüchern vertraut ist, keinen bösen Neigungen fröhnt, nicht ausschweift, die verschiedenen Theile der Gerichtspflege erlernt hat, berühmt ist, sein Amt von Vater und Grossvater ererbt hat, klug ist und in gehöriger Weise Geld zu schaffen versteht.
[551] 7279. (5340.) Welcher Andere, sprich, wäre undankbarer als ich, wenn ich nicht einmal Verzeihung angedeihen liesse demjenigen, welcher, die Beeinträchtigung seiner eigenen Pflichten hintansetzend, hierher gekommen ist, damit meine Sünden gesühnt werden (d.i. um mich zu schmähen)?
7280. (5341.) Wessen Geist keine feste Meinung hat, der schwankt selbst hin und her: ein Beispiel dafür ist ein Gewand, das an einem im Winde stehenden Bâlapattra hängt.
7281. (5342.) Hat man gut gelernt, gut gekämpft, ein Werk gut vollbracht und eine Kasteiung gut ausgeführt, so geht es Einem schliesslich wohl.
7282. (5343.) Glücklich der, welcher durch sich selbst einen Namen hat; mittelmässig ist ein durch den Vater Berühmter, ganz niedrig steht ein durch die Mutter Berühmter, am allerniedrigsten aber ein durch einen Schwager Berühmter.
7283. (3327.) Als das von Meth berauschte junge Weib beim Anblick einer von ihr selbst mir beigebrachten Nagelwunde., ohne sich lange zu bedenken, aus Eifersucht aufbrach, und als ich mit der Frage, wohin sie gehe, sie am Saume ihres Gewandes zurückhielt, da sprach sie zurückgewandten Gesichtes, mit Thränen im Auge und mit zitternden Lippen im Zorn »lass mich, lass mich«, Worte, die Niemand vergisst.
[552] 7284. (5344.) In einem Reiche ohne Fürsten haben die Menschen keinen Besitz und keine Familie; in einem Lande ohne Fürsten ist ja sogar Niemand Herr über sich selbst.
7285. (3328.) Sich und Andere betrügt der Afterweise, der die Jungfrauen schmäht, da der Lohn selbst für Kasteiungen der Himmel ist und da selbst im Himmel Weiber sind, die Apsaras.
7286. (5345.) Wenn ein hartherziger Bösewicht sein Leben auf Kosten des Lebens Anderer unterhält, so ist ja die Todesstrafe für ihn erspriesslich, weil er in Folge jener Sünde zur Hölle fährt.
7287. (5346.) Ein Mann, der durch seiner Arme Kraft sich nährt, wird hier in der Welt des Ruhmes und nach dem Tode eines schönen Loses theilhaftig.
7288. (5347.) Es ist der Weiber angeborene Art die Männer hier im Leben zu verderben; darum sind Verständige in Bezug auf die Weiber auf ihrer Hut.
[553] 7289. (5348.) Sogar der Vorzug (die Sehne) des Bogens wie des Bösewichts, die beide von Natur hart sind und sich nur künstlich neigen, ist nur dazu da, um Andern Schaden zuzufügen.
7290. (5349.) Ein natürlicher Freund aber, den uns nur das gute Geschick schenkt, lässt von seiner ungekünstelten Freundschaft auch im Unglück nicht.
7291. (3329.) Der Gute giebt, auch wenn er im Unglück ist, seinen angeborenen Charakter nicht auf: Kampfer, vom Feuer erfasst, wird nur noch wohlriechender.
7292. (3330.) Gute werden durch den Umgang mit Schlechten ihrem angeborenen Charakter nicht untreu: die Kokila geben durch die Gesellschaft mit Krähen ihren lieblichen Gesang nicht auf.
7293. (5350.) Wer von Natur weich ist, dem ergeht es wohl, wenn er einen festen Gefährten hat: die Zunge wird durch den Anschluss an die Zähne jeglichen Geschmackes theilhaftig.
7294. (5351.) Einige sind geborene Helden, Andere sind Helden im Mitleid; alle diese kommen nicht im Entferntesten einem Helden im Geben gleich.
[554] 7295. (5352.) Ein Heer, das von Natur tapfer, waffenkundig, ergeben und an Anstrengungen gewöhnt ist, und zum grössten Theil aus wohlbekannten Kshatrija besteht, hält man für das beste.
7296. Dies ist das angeborene Wesen der Weiber, welches man in der Welt wahrnimmt, dass sie nämlich das Rechte aufgeben, leichtsinnig sind und Zwietracht unter ihren Brüdern säen.
7297. (3331.) Was von Natur schön ist, bedarf nicht des Schmuckes: eine Perle auf einem Schleifstein abzureiben ist nicht von Nöthen.
7298. (5353.) Man gebe sich von Haus aus Mühe, da derjenige, welcher sich Mühe giebt, nicht in Noth geräth. Vom Alter, vom Tode und von Krankheiten suche man das Einem liebe Selbst zu retten.
7299. (3332.) Durch den angeborenen Charakter gewinnt man Freunde für sich, durch Redlichkeit Verwandte, durch Zuneigung ein Weib, durch Geschenke Diener, durch ein rücksichtsvolles Benehmen die übrigen Menschen.
[555] 7300. (5354.) Götter, gute Menschen und ein Vater begnügen sich ja mit dem angeborenen Charakter, Blutsverwandte mit Bad und Trank, Gelehrte mit Reden, die man an sie richtet.
7301. Der angeborene Charakter lässt sich durch keine Unterweisung ändern: eine Hunderuthe ist und bleibt krumm, hielte man sie auch sechs Monate in einer Röhre.
7302. (3333.) Der angeborene Charakter lässt sich durch keine Unterweisung ändern: Wasser wird, würde es auch noch so stark erwärmt, wieder kalt.
7303. (5355.) Das angeborene Wesen verlässt Einen nimmer: eine Kohle giebt auch nach hundertmaligem Waschen ihre Schwärze nicht auf.
7304. (5356.) Wer mit Hintansetzung seiner eigenen Sache die Sache eines Andern betreibt und wer eines Freundes wegen falsch verfährt, den nennt man einen Thoren.
7305. (5357.) Jeder vollbringt selbst eine That und geniesst auch selbst den Lohn dafür; Jeder irrt selbst im Kreislauf des Lebens umher und Jeder erlöst sich auch selbst daraus.
[556] 7306. Ein Fürst, der nicht selbst zu rechter Zeit seine Angelegenheiten besorgt, der geht mitsammt seinem Reiche und diesen Angelegenheiten zu Grunde.
7307. (5358.) Dadurch, dass eine Spinne selbst den Faden (die Tugend) fahren lässt, sinkt sie hinab; sobald sie ihn wieder aufnimmt, gelangt sie wieder zur hohen Stellung.
7308. Er (der Fürst) soll überall und immer das Vergehen und das Verdienst selbst aufsuchen: die Bestrafung eines Vergehens wird dann gutgeheissen, wenn er (der Fürst) es selbst erkannt hat.
7309. (5359.) Elephanten und Fürsten, obgleich von Natur kräftig, pflegen in Trübsal und Noth zu gerathen, wenn sie sich ihre Nahrung selbst herbeischaffen müssen.
7310. Giebt sich derjenige, welcher selbst ein Feuer erzeugt und es darauf mit seinem Gewande verhüllt, der Reue hin, wenn er sich dabei verbrennt, so ist er kein kluger Mann.
7311. (5360.) Der unansehnliche Mann, ein Beispiel der Schwachen, ist so zu sagen ein Grashalm, da er sich sogar beim Auftreten eines geringen Windes (d.i. eines unbedeutenden Feindes) von selbst beugt.
[557] 7312. (5361.) Ein Fürst bevölkere sein eigenes Reich durch Wegführung der Bewohner eines fremden Landes, oder durch Schenkungen und Ehrenerweisungen, da ein bevölkertes Land Reichthum bringt.
7313. (5362.) Eine gebrochene Stimme, ein getrübter Geist, ein Zittern des Körpers, grosse Furcht: alle Zeichen, die beim Sterben eintreten, sind auch beim Betteln.
7314. (5363.) Wenn Opferer des Himmels theilhaftig werden, obgleich der Handelnde, die Handlung und der dabei verwandte Stoff zu Grunde gehen, dann werden auch Bäume, die bei einem Waldbrande verbrennen, viele Früchte haben.
7315. (5365.) Vier Dinge leben stets im Herzen derer, die vom Himmel in diese Welt der Lebenden fielen: der Hang zum Spenden, eine süsse Rede, Verehrung der Götter und einem guten Lehrer geweihte Dienste.
7316. Gute Werke, die geeignet sind die Flügel des Himmelsthores aufzureissen, habe ich nicht vollbracht; Bedürftige, deren Gesicht beim Hinschauen auf's Thor grau vom Staub ist, habe ich nicht zufrieden gestellt; ein[558] reizendes Weib habe ich in meinem Wahn nicht einmal im Traume nach Herzenslust genossen: o Weh, nutzlos ist mein Leben verstrichen; es ist mir wie der Jasminstaude im Walde ergangen.
7317. Pfui über den Himmel, da er eine Wiederkehr auf die Erde bewirkt! Pfui über die Herrschaft, da man sie stets reiflich erwägen muss! Pfui über den Reichthum, da er die Menschen vielfach verfeindet! Pfui über den Körper, da er der Sitz mannichfacher Krankheiten und des Greisenalters ist!
7318. (5364.) Der vergängliche Himmel darf das Herz derer, die nach Erlösung Verlangen tragen, nicht verlocken; darum gieb, o Frommer, den Hochmuth auf und bestrebe dich um die Erkenntniss.
7319. Wenn im Himmel Weilende durch eine Spende dort gesättigt werden, warum reicht man dann nicht hier im Leben auf dieselbe Weise die Speise denen, die auf dem Söller eines Palastes stehen?
7320. Der Himmel, Reichthümer, Getraide, Wissen, Söhne und Freuden, Nichts wird Einem schwer zu erlangen, wenn man sich ein liebevolles Benehmen gegen den Vater angelegen sein lässt.
7321. Da ein volles Lebensalter (von hundert Jahren) mit Lasten von Gold nicht zu erkaufen ist, so vergeude man die Hälfte davon nicht mit Nichtsthun, um so weniger als das Greisenalter Leiden bringt.
[559] 7322. (3335.) Findet ein Hund auch nur einen mit Resten von Sehnen und Fett besudelten, fleischlosen, winzigen Knochen von einer Kuh, so ist er befriedigt, obgleich dieser Knochen ihm nicht den Hunger zu stillen vermag; ein Löwe dagegen lässt sogar einen Schakal, der ihm unter die Klauen kam, fahren, um einen Elephanten zu tödten: Jedermann verlangt, wäre er auch in Noth, den seinem Wesen entsprechenden Lohn.
7323. (3334.) Bösewichter, die einem Fürsten ein Leid zufügen, sei dieses auch noch so gering, sind Thoren, die sich an ihm verbrennen, wie Lichtmotten am Feuer.
7324. (5366.) Selbst ganz geringe Vorzüge werden bedeutend bei Menschen, die mit Vorzügen ausgestattet sind, wie dies bekanntlich bei den Mondstrahlen der Fall ist, wenn sie auf den Gipfel des Schneegebirges fallen.
7325. (3336.) Von dem Manne, der, wenn er seine Habe rauben sieht, sein Leben hütet, nehmen selbst die Manen die dargereichte Wasserspende nimmer an.
[560] 7326. (5367.) Wer, bevor er an ein Werk geht, seine eigene und des Gegners Macht, so wie Ort und Zeit genau erwägt, der gilt für klug.
7327. (5368.) Wenn das Schicksal dem, der nach Kräften schafft, nicht das Gelingen giebt, dann ist nicht der Mensch dafür zu tadeln, da (in solchem Falle) das Schicksal seiner menschlichen Anstrengung Hindernisse in den Weg legte.
7328. (5369.) Unbekümmert um das eigene Wohlbehagen, quälst du dich (o Fürst) Tag für Tag für die Unterthanen. Doch es ist dieses dein Beruf: es erleidet ja der Baum an seiner Krone die brennendste Hitze und lindert mit seinem Schatten die Gluth derer, die sich in seinen Schutz begeben.
7329. (5370.) Das mit dem Opfer des eigenen Heeres erkaufte Bündniss heisst Âtmâmisha (wobei man selbst zur Beute wird); das Upagraha-Bündniss schliesst man durch Hingabe von Allem zur Rettung des Lebens.
[561] 7330. Heil dem Korallenstock! Meine tiefe Verneigung vor den Juwelen! Wohl ergehe es den vielen Perlenmuscheln! Einen vollen Lohn habe ich davongetragen, dass mich die schrecklichen Wasserbewohner des Meeres nicht zerrissen haben.
7331. (5371.) Hat er (der Fürst) sein Reich durch heldenmüthige, zuverlässige und kräftige Leute recht sicher gestellt, dann gehe er in des Feindes Land, das er vorher mit Spähern überzogen hat.
7332. Die Klugen, welche sich selbst tadeln und die Vorzüge Anderer loben, gehen als Glückliche in den Himmel ein, den Sitz der Erlösten.
7333. (5372.) Ein mit eigener Hand gewundener Kranz, mit eigener Hand geriebener Sandel und ein mit eigener Hand geschriebener Lobspruch könnten sogar Indra um seine hohe Stellung bringen.
7334. Was man mit eigener Hand reicht, erhält der Andere, darüber herrscht kein Zweifel; was man durch eines Andern Hand reicht, erhält der Andere, vielleicht aber auch nicht.
[562] 7335. (3337.) Durch das Willkommen (das man einem Gaste zuruft) werden die Feuer befriedigt, durch den Sitz (den man ihm anbietet) – Indra, durch das Waschen (seiner Füsse) – die Manen, durch Speise und Trank (die man ihm reicht) – der Herr der Geschöpfe.
7336. (5373.) Freiheit, ein Aufenthalt im Hause der Eltern, das Besuchen festlicher Aufzüge, das Sichgehenlassen im Beisein von Männern in Gesellschaften, das Leben in der Fremde, häufiger Umgang mit unzüchtigen Weibern, Einbusse des Lebensunterhalts, des Gatten hohes Alter, seine Eifersucht oder seine Reisen sind die Ursachen, dass ein Weib zu Grunde geht.
7337. (5374.) Gesättigt sind wir schon durch die heilige Silbe, die süsser als Honig und wohlschmeckender als Butter aus der göttlichen Rede des hehren Unsterblichen träufelt. So lange die durch Betteln gewonnene Grütze dem Magen Befriedigung schafft, verlangen wir ja keinen Lebensunterhalt durch Geld, das wir in Knechtschaft uns schaffen müssten.
[563] 7338. Ein Niedriger trägt ein Verlangen nach dem Weibe eines Andern, stände ihm auch eine eigene Gattin zur Verfügung: eine Krähe trinkt Wasser aus einem Kruge, befände sich auch ein voller Weiher neben an.
7339. (5375.) Wer glaubt auf die Worte eines Abgesandten hin, dass er selbst niedriger, der Gegner aber höher stehe? Ein Abgesandter schwatzt ja wegen seiner Unverletzlichkeit stets Allerlei.
7340. (5376.) Wie käme ein Diener zu Wohlbehagen, da er keine eigenen Wünsche hat, sich nach dem Sinne Anderer richtet und sich selbst verkauft hat?
7341. Ihren Herrn, ihren Freund, ihren lieben Diener, ihre Geliebte, ihren jüngeren Bruder, ihren Sohn, ihren Lehrer, ihre Schwester, ihren Vater und ihren Angehörigen peinigen nimmer Kenner des klugen Benehmens.
7342. (5377.) Von einem feindselig gestimmten und strengen Herrn geschützte Unterthanen gedeihen, o Râvana, eben so wenig, wie von einem Schakal gehütete Gazellen.
[564] 7343. (3338.) Wer einem Vorzüge richtig würdigenden Herrn, einem tugendhaften Diener, einem folgsamen Weibe oder einem anspruchlosen Freunde sein Leid geklagt hat, der wird wieder froh.
7344. (5378.) Wohl wurzeln die verschiedenen Glieder des Staates, wie man weiss, im Gebieter, aber erst die Mühe, die sich die Menschen mit den Bäumen geben, trägt Früchte, obgleich jene Wurzeln haben.
7345. (5379.) Fünf Jahre soll man einen Sohn als Herrn, zehn Jahre als Knecht, vom sechzehnten Jahre an aber als Freund behandeln.
7346. (5380.) Aus gutem Geschlecht stammende und treu ergebene Diener, denen der Herr Ehren erwies, verlassen ja den Fürsten, sobald der Lebensunterhalt aufhört.
7347. (5381.) Wenn Männer kein Geld haben, dann ist ihr Herr, so gut er auch bedient würde, ihnen abgeneigt; dann lassen gute Verwandte sie plötzlich im Stich, dann fallen ihre Vorzüge nicht in die Augen, dann geben die Söhne sie auf, dann mehrt sich ihr Ungemach, dann liebt die Gattin sie[565] nicht mehr, wäre sie auch treu und stammte sie aus guter Familie; dann entfernen sich auch solche Freunde, denen man mit Recht Muth zutrauen konnte.
7348. (3339.) Ein treu ergebener Diener, der für seinen Herrn das Leben hingiebt, wird (im künftigen Leben) der höchsten Stelle theilhaftig, wo es kein Alter und keinen Tod giebt.
7349. (5382.) Einen Diener, der, wenn ihm sein Herr einen Auftrag ertheilt, diesen für leicht oder schwer hält, sollen Fürsten in keinem Falle in ihrer Nähe dulden.
7350. (5383.) Einen guten Diener überschleicht nimmer Furcht, wenn ihm sein Herr einen Auftrag ertheilt: er ist bereit sogar in den Rachen einer Schlange oder in das schwer zu durchschiffende Meer sich zu stürzen.
7351. (5384.) Da das durch Geld (des Herrn) erstandene Leben der Diener stets vom Herrn abhängt, so ist es keine Sünde, wenn dieser es ihnen nimmt.
7352. (3340.) Der Schöpfer hat zur Verhüllung der Unwissenheit einen[566] Schleier geschaffen, über den man selbst verfügen kann und der überall und immer von Nutzen ist: das Stillschweigen ist ein Schmuck für Ungebildete, zumal in der Gesellschaft solcher, die Alles wissen.
7353. (3341.) Der ehrliche aber überaus thörichte Mann, der, seinen Vortheil nicht beachtend, die Wahrheit redet, kommt sicher um seinen Vortheil, wie ein zweiter Judhishthira.
7354. Seinen Ruhm, seine Mannesthat, das, was Einem als Geheimniss erzählt wurde und das, was man um Andern zu helfen vollbrachte, soll ein Kenner des Rechten nicht kund thun.
7355. (3342.) Eine Hunderuthe, die man erweicht, gerieben und mit Stricken umwunden hatte, nahm, als man nach zwölf Jahren sie losliess, ihre ursprüngliche Form wieder an.
7356. Wenn erbärmliche Minister, wahre Böcke, denen von der nach Herzenslust ihnen gereichten Speise der Uebermuth schwoll und deren Herzen durch eine nicht zurückzuhaltende Eifersucht verunreinigt werden, auf einander losfahren um den Kitzel ihrer Hörner (ihres erwachten Selbstgefühls) zu beschwichtigen; dann bricht in einigen wenigen Tagen, die man zählen kann, der Fürst, wie ein dazwischen stehender Pfosten, mit allen seinen Theilen zusammen.
[567] 7357. (5386.) Flamingo, gieb die Geliebte mir zurück, da du ihren Gang geraubt hast: bei wem man einen Theil (des Geraubten) entdeckt, der muss (Alles) hergeben, dessen er angeklagt wird.
7358. Weiss ist der Flamingo, weiss der Reiher: welcher Unterschied besteht zwischen Reiher und Flamingo? Wenn es gilt, Milch von Wasser zu unterscheiden, dann ist der Flamingo Flamingo und der Reiher Reiher.
7359. Wen hast du, he Çâlmali-Baum, nicht täglich aus der Ferne angeführt mit dem vielen Roth deiner emporgehobenen Blüthen, das du, o Nichtiger, um zu betrügen hoch in die Lüfte hebst? Flamingos hofften einen Lotushain zu finden, Bienen Wohlgeruch, Wanderer wohlschmeckende Früchte, Krähen und Geier Fleisch.
7360. Von wem empfing der Flamingo seinen Gang, der junge Kokila seinen lieblichen Gesang, der Löwe seinen ausserordentlichen Heldenmuth, der Sandelbaum seinen Wohlgeruch, seine Kühle und seine Pracht, und von wem lernten edle Menschen ihre schönen Thaten?
7361. (5387.) Verloren ist Wissen ohne Thaten, verloren ein Mann ohne Wissen, verloren ein Heer ohne Führer, verloren Weiber ohne Männer.
[568] 7362. (3343.) Todt ist ein Todtenmahl, an dem kein schriftgelehrter Priester Theil nimmt; todt ist ein Opfer, das von keinem Opfergeschenk begleitet ist; todt ein schönes Weib, das unfruchtbar ist; todt ein Heer ohne Führer.
7363. (3344.) Wenn du kämpfst, so stehen dir zwei unvergleichliche Vortheile bevor: wirst du getödtet, so gelangst du zum Himmel; bleibst du am Leben, so gelangst du zu Haus und Ruhm.
7364. (5388.) Entweder beraubt ein Held einen Andern, nachdem er ihn erschlagen, oder er stürzt, von Pfeilen getroffen, zu Boden; den von Dieben betretenen Weg aber schlägt ein Held nimmer ein.
7365. (3345.) Wenn das Schicksal uns wirklich zum Tode bestimmt hat, giebt es dann keine andern Mittel, dass es uns eine Gazellenäugige vor Augen führte?
7366. (5389.) Wer ein falsches Zeugniss ablegt in Betreff von Gold, der richtet Geborene und noch nicht Geborene zu Grunde; mit einem falschen Zeugniss in Betreff von Land richtet man Alle zu Grunde. Darum sollst du kein falsches Zeugniss ablegen in Betreff von Land.
[569] 7367. (5390.) Das Rauben fremden Gutes, die Berührung eines fremden Weibes und das Verlassen eines Freundes sind Verderben bringende Sünden.
7368. (5391.) In wessen Herzen bewirken nicht Freude segensreiche Waldgegenden mit ihren von Gazellenfüssen zerstampften Säumen, mit ihrem Rasen und ihren Wasserfällen, mit ihren Bäumen, die von allseits wehenden, Blüthen wirbelnden Winden in's Wogen gerathen, Waldgegenden, die von mannichfachen Tönen verschiedener Vogelscharen erhallen?
7369. (5392.) Weder Vishnu, noch Çiva, noch Brahman, noch die übrigen Götter vermögen einen uns auf die Stirn geschriebenen Strich abzuwischen.
7370. (5393.) So ist der Fürsten hohe Stellung stets flüchtig wie ein Reh, aber Kluge verstehen es so durch das Band der Besonnenheit zu fesseln.
[570] 7371. (3346.) Gegen diejenigen, die einen inneren Schatz, Wissen genannt, besitzen, einen Schatz, der nicht in den Bereich eines Diebes fällt, stets ein unbeschreibliches Glück befördert, der, obwohl beständig Bedürftigen gereicht, in hohem Grade wächst und der sogar am Ende der Welt nicht zu Grunde geht, gegen solche müsst ihr, o Fürsten, den Stolz aufgeben! Wer möchte mit ihnen wetteifern?
7372. Der Söller eines Palastes, Mondstrahlen, Lotuse, Meth, eine vom Rausch ermattete Geliebte, eine Laute, Liebesgespräche, ein einsamer Ort und Kränze, dieser Verein ist des Liebesgottes Garn.
7373. (5394.) Wer Freude und Zorn im Zaum hält, wessen Schatz im Vertrauen auf sich selbst besteht und wer auf die Diener stets Rücksicht nimmt, dem verleiht die Erde Reichthümer.
[571] 7374. (5395.) Ein Feind lacht, unterhält sich mit dir, isst aus einer und derselben Schüssel mit dir und setzt sich mit dir auf denselben Sitz, der Beleidigung aber gedenkt er.
7375. (5396.) Die Weiber lachen mit dem Lachenden, weinen mit dem Weinenden und fangen den, der sie nicht liebt, mit lieben Worten: Alles nach den Zeitumständen.
7376. (5397.) So oft ein Bösewicht sich an einem guten Menschen reibt, macht er ihn glänzend rein, wie eine mit Asche beschmierte Hand einen Spiegel.
7377. Eine Spende ist der Schmuck der Hand, Wahrheit der Schmuck des Halses (der Kehle), Gelehrsamkeit der Schmuck des Ohres: wozu nützt (anderer) Schmuck?
7378. (5398.) Ein Marsch mit Elephanten wird für gut gehalten beim Beginn der Regenzeit, ein Marsch mit der Reiterei zu jeder anderen Jahreszeit, ein Marsch mit dem Fussvolk aber zu jeglicher Zeit.
7379. (5399.) Für Elephanten hält man einen Leithaken in der Hand, für Pferde eine Peitsche, für ein gehörntes Thier einen Stock, für einen Bösewicht ein Schwert.
[572] 7380. (3347.) Ein Elephant ist von riesigem Körperbau und folgt dennoch dem Leithaken: hat der Leithaken den Umfang eines Elephanten? Sobald eine Leuchte zu brennen beginnt, verschwindet die Finsterniss: hat die Finterniss einen ebenso geringen Umfang wie eine Leuchte? Berge, vom Donnerkeil getroffen, stürzen zusammen: hat ein Berg einen eben so geringen Umfang wie der Donnerkeil? Der ist stark, dessen Feuer sich offenbart; welcher Verlass ist auf Riesen?
7381. (3348.) Einen Elephanten muss man auf tausend Ellen meiden, Pferde auf hundert, gehörnte Thiere auf zehn; um sich eines Bösewichts zu entledigen, muss man den Ort verlassen.
7382. (5400.) Die Hände keine Gaben reichend, die Ohren beredten Leuten abgeneigt, die Augen nicht mit dem Anblick Guter beschäftigt, die Füsse keine heiligen Badeplätze besuchend, der Bauch gefüllt mit unrechtmässig erworbenem Besitz, das Haupt von Stolz hoch erhoben! Gieb auf, o du Schakal von Mensch, gieb alsbald auf den verächtlichen Leib eines Niedrigen!
[573] 7383. Pfui rufe ich über die Weiber, die den in Erdspalten fliessenden Bächen gleichen, indem sie dem Niedrigen nachgehen, unstät, aus der Ferne reizend und leicht aufregbar sind und nicht gehütet (getrunken) werden können.
7384. (5401.) Ehemals gingen mir Jahre wie Tage dahin; jetzt, da das Schicksal widrig ist, geht es um gekehrt: Tage erscheinen wie Jahre.
7385. (3349.) Wie sollte des Liebesgottes Feuer erlöschen, da eine Perlenschnur, ein feuchtes Gewand, Lotusblätter, kalte Tropfen träufelnde Mondstrahlen und feuchtes Sandelholz es anlachen?
7386. (3350.) Diese Perlenschnur da wiegt sich am Busen Gazellenäugiger: was vermögen wir Sclaven des Liebesgottes, wenn sogar von allen irdischen Banden Erlöste (zugleich Perlen) in eine solche Lage gerathen?
7387. (5402.) Du hast, o Çiva, sowohl schreckliches Gift geschluckt, als auch oft um Almosen gebeten: sage mir, der du Beides gekostet, wie gross der Unterschied zwischen ihnen ist!
[574] 7388. (5403.) Nicht Hâlâhala ist Gift, sondern Lakshmî, die Göttin des Reichthums ist Gift, nur nehmen die Menschen hier ein umgekehrtes Verhältniss an: Çiva trinkt ja den Hâlâhala und wacht behaglich fort; Vishnu berührt die Göttin und verliert vor Schläfrigkeit das Bewusstsein!
7389. (3351.) He, he, mein Söhnchen, der du Nichts gelernt, es dir aber hast wohl gehen lassen in diesen Nächten! Deshalb weisst du unter Gelehrten dir nicht zu helfen, wie eine Kuh im Sumpf.
7390. (3352.) Auch wer schädlichen Thieren ein Leid anthut, heisst mitleidlos und fährt zu einer grausigen Hölle; wie viel mehr der, der nützlichen Thieren ein Leid anthut!
7391. (5404.) Leidzufügung ist die Macht der Schlechten, Anwendung von Strafen die Macht der Fürsten, Gehorsam die Macht der Frauen, Nachsicht die Macht der Tugendhaften.
7392. Im Zorn könnte man denjenigen ein Leid anthun, die keine Strafe verdienen, und diejenigen ehren, welche Strafe verdienen; auch kann ein Zorniger sich selbst sogar in Jama's Behausung befördern.
7393. (5405.) Man thue, was allen Geschöpfen frommt und was Einem[575] selbst Wohlbehagen schafft: bei einem Mächtigen ist ja dieses die Wurzel zum Gedeihen jeglichen Dinges.
7394. Man lobt es, wenn man gute, wenige, fette (freundliche), süsse und gut verdauliche (in den Folgen erfreuliche) Speisen geniesst und eben solche Worte spricht.
7395. Diejenige That, schmeckte sie auch für den Augenblick bitter, lasse man sich angelegen sein, die gute Folgen hat und durch die man sich keinen Tadel zuzieht.
7396. Ein bedeutender Mann bringt uns ja Nutzen, nimmer aber Schaden, bereiteten wir ihm auch Schmerzen: erhitzte Milch vertreibt uns, sieh, eine Krankheit.
7397. (5406.) Ein Sohn zürnt der Mutter, wenn sie zu seinem Besten ihm etwas Unangenehmes sagt; ein Gatte aber zürnt der Frau nicht, wenn sie im Groll ihm Etwas sagt.
7398. (3353.) Von Wohlwollenden, Rechtschaffenen, der Lehrbücher Kundigen, Klugen und Gebildeten ausgedachte Pläne gelingen sonder Zweifel.
[576] 7399. (5407.) Weder der Mond, noch ein Teich mit aufgeblühten Wasserrosen erfreut die Herzen in dem Maasse wie das Betragen eines guten Menschen.
7400. (5408.) Gold, Getraide, Gewänder, Zugthiere und Wagen und auch eine Menge anderer Dinge kommen ja von den Unterthanen.
7401. (5409.) Haufen von Gold und Juwelen, durch gute oder böse Thaten zusammengescharrt, nützen dem Menschen Nichts, wenn sein Leib zu Grunde geht.
7402. (3355.) Man soll nicht Niedrigen dienen, sondern an Grosse sich anschliessen: durch die Gunst des Löwen weidet eine Ziege furchtlos im Walde.
[577] 7403. (3356.) Ein Mädchen, das hier im Leben ein Glied zu wenig oder zu viel hat, bringt Untergang dem Gatten und richtet seinen eigenen Charakter zu Grunde.
7404. (3357.) Ein Mädchen aber mit drei Brüsten stürzt, wenn es dem Vater zu Gesicht kommt, ihn alsbald in's Verderben, darüber waltet kein Zweifel ob.
7405. (3358.) Durch Umgang mit Schlechten wird, o Lieber, die Einsicht schlechter; durch Umgang mit Gleichen wird sie der Einsicht dieser gleich, durch Umgang mit Bessern wird sie besser.
7406. (5410.) Mit einem Schwächeren und mit einem Gleichen soll man Frieden zu machen suchen, mit einem im Wachsen Begriffenen aber Krieg beginnen: dies ist Brhaspati's Ansicht.
7407. (5411.) Mit einem Schwächeren und mit einem Gleichen soll man Frieden zu machen suchen; sogar ein mächtiger Fürst soll einen Feind nicht gering schätzen.
7408. Nur der Guten Herzen sind nach meiner Meinung hart, da sie durch scharfe Pfeile, die Worte von Bösewichtern, nicht im Geringsten verletzt werden.
[578] 7409. (5412.) Ein Verständiger wird ja, auch wenn man ihm wehe thut, keine Worte ausstossen, durch welche ein Anderer heftigen Schmerz empfände, als würde er im Herzen verwundet.
7410. (5413.) Alle Götter jubeln, die Heiligen singen und alle Väter tanzen, sobald ein Gast das Haus betritt.
7411. (5414.) Man freut sich jedes Mal, wenn man den Eintritt einer Jahreszeit erlebt, als wenn etwas Neues gekommen wäre; aber durch den Wechsel der Jahreszeiten schwindet der Lebenden Leben dahin.
7412. He Zunge, die du Bitteres magst, warum sprichst du nichts Süsses? Sprich Süsses, o Treffliche, da diese Welt das Süsse gern hat!
7413. Auf eines Armen Rede achtet man nicht, auch wenn sie mit Gründen und Beweisen versehen ist; eines Reichen Rede hält man des Lobes werth, auch wenn sie über die Maassen barsch und unwahr ist.
[579] 7414. (5415.) He Wanderer, Büchermacher, bleibe doch einen Augenblick hier stehen! Bist du ein Arzt oder bist du in den astrologischen Büchern bewandert? Durch welches Heilmittel, sprich, wird eine vor Liebe Blinde sehend? Wann kehrt mein gar lange in der Fremde weilender Gatte heim?
7415. He junger Kokila, wozu lässt du, Einfalspinsel, deine süsse Stimme in Wüsteneien mit blattlosen Karîra-Sträuchen ertönen? Es wird noch irgendwo eine andere Gegend mit Mangobäumen geben, wo dein Gesang, den man für Sprechen halten könnte, zur Geltung kommt.
7416. (5416.) Spender von Gold, Kühen, Land und Anderem sind auf der Erde leicht zu finden, aber schwer zu finden ist ein Mann in der Welt, der den lebenden Wesen Sicherheit vor allen Gefahren gewährt.
7417. (3359.) Glücklich diejenigen, die im Winter saure und süsse Milch nebst Butter geniessen, roth gefärbte Kleider tragen, den Körper mit Saffransaft dick bestreichen und, wenn sie von diesem und jenem Liebesgenuss[580] ermüdet sind, von Geliebten mit üppig strotzendem Busen umfangen und den Mund gefüllt mit Betelblatt und Betelnuss, behaglich im Gemache schlafen.
7418. (5417.) Wie kommt es, dass die zu einer anderen Welt eingegangenen Fürsten nicht mehr Besitzer sind der goldenen Speiseschüsseln und anderer Geräthe, die in der Schatzkammer aufgehäuft liegen?
7419. (5418.) Den Lohn, welchen reiche Leute dadurch erlangen, dass sie mannichfäche Spenden darbringen, eine Menge guter Brahmanen ehren und Opfer mit vielen und schönen Opfergeschenken gut ausführen, so wie den Lohn, den man dadurch erlangt, dass man an berühmten Badeplätzen und in Einsiedeleien sich aufhält, Brandopfer, kleine Gelübde, die nach dem Monde benannten und andere Fasten vollbringt, den Lohn, so sage ich, erlangen in der Schlacht getödtete Männer in einem Augenblick.
7420. O du rasch vorübereilende, von Natur unstäte, thörichte und überaus böse Glücksgöttin, dir ist es, o Niederträchtige, nicht um einen vorzüglichen Charakter zu thun, du pflegst dich gemein zu betragen! Heldenmüthiger, ehrlicher, auf den Vortheil Anderer bedachter, der Wahrheit treuer und tugendhafter Männer schämst du dich, du, die selbst aller Vorzüge ermangelt! Stets ist der gemeine Mann dein Günstling!
[581] 7421. Eine hohe Stellung erkauft man sich durch Arme, die dem Rüssel eines prächtigen Elephanten gleichen und die goldgelb sind von den Strahlen eines mit Leichtigkeit gezogenen Schwertes von strahlender Schönheit.
7422. Schämst du dich nicht, o Meer, das du mit Leichtigkeit Wogen kannst springen lassen, dass ein von Durst gequälter Wanderer an deinem Ufer sich nach einem winzigen Brunnen erkundigt?
7423. (5419.) Sicher spotten lange lebende Wesen über dieses unser Gesicht, wenn sie es gestern ohne Veranlassung lachend, weiss und wie eine Lotusknospe sahen; darauf heute plötzlich rauh durch den aufgekeimten Bart und roth wie ausgeglühtes Kupfer; morgen aber abgezehrt und durch weisses Haar entstellt, dem Kopfe eines alten Ziegenbocks ähnlich.
7424. Wer Schamgefühl besitzt, der verabscheut ja das Böse und dessen Wohlfahrt wächst. Ein unterdrücktes Schamgefühl beeinträchtigt die guten Werke und werden diese unterdrückt, so richtet dieses die Wohlfahrt zu Grunde.[582]
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