Zweiter Theil

Meinem liebem Freunde

N.L. Westergaard

Als Erinnerung

An die Wenigen, aber schönen Tage, die wir nach beinahe 30-jähriger Trennung im Sommer 1871 in Jena gemeinsam verlebten.


2220. Ein Weltherrscher verlangt noch nach der Würde eines Gottes; wer diese Würde inne hat, verlangt nach der Herrschaft über alle Götter; der Herrscher der Götter verlangt noch nach der Erlösung; aber auch hier hört das Verlangen noch nicht auf.

2221. Der Gelehrte lacht mit den Augen, Leute mittleren Schlages zeigen beim Lachen die Zähne, gemeine Leute wiehern, grosse Weise lachen gar nicht.

2222. (4035.) Wenn (ein Fürst) das Volk auf vierfache Weise, durch Blick, Gedanken, Rede und That zu befriedigen sucht, dann wird das Volk mit ihm zufrieden.

2223. (4036.) Deine Augen sind geröthet, deine Lippensprossen zittern, deine Brauen sind gefurcht, und dennoch kommt keine Furcht über mich, da ich Nichts verbrochen habe.

[1] 2224. (888.) Ein Elephant fand durch ein Sperlingsweibchen, einen Specht, eine Fliege und Frösche den Tod, eben weil er mit einer grossen Menge im Streite lag.

2225. (889.) »Ist dies ein Ḱandâla, oder ein Brahmane, oder ein Çûdra, oder ein Asket, oder ein Meister unter den Jögin, dessen Geist geschickt ist in's Innere der Wahrheit zu dringen«? Während solche Zweifel bei den Leuten sich erheben und diese sich in allerhand Reden ergiessen, gehen die Jogin selbst, über die jene den Kopf sich zerbrechen, ihres Weges und sind weder erzürnt, noch erfreut darüber.

2226. (4046.) Ein Ḱandâla und ein Armer, beide gelten mir gleich viel: vom Ḱandâla nimmt man Nichts und der Arme giebt Einem Nichts.

2227. Als der Schöpfer ehemals die vier Mittel (zur Bezwingung eines Feindes) schuf, versäumte er es ein fünftes zu schaffen, mit dem man die Weiber in seine Gewalt bekommen könnte.

[2] 2228. (4037.) Wie Indra vier Regenmonate hindurch Regen herabsendet, so schütte ein Fürst Gnadenbezeugungen auf das Reich.

2229. (890.) Friedliche Mittel einem Feinde gegenüber, der mit dem vierten Mittel (mit Gewaltmaassregeln) zu behandeln ist, sind vom Uebel: welcher Vernünftige wird einen an der Ruhr Erkrankten, den man schwitzen lassen muss, mit Wasser besprengen?

2230. Wenn ein Brahmane trotz seiner Vertrautheit mit den vier Veda eine grausame That vollbringt, so ist er für einen Ḱandâla anzusehen: die Veda sind nicht die Ursache seiner Handlungsweise.

2231. Unter den vierfüssigen Thieren steht die Kuh oben an, unter den Metallen das Gold, unter den Worten das heilige Lied, unter den Menschen der Brahmane.

2232. (891.) Wenn der Eine diese von vier Meeren umgrenzte Erde schenkt, der Andere dagegen allen Geschöpfen Sicherheit vor jeglicher Unbill, so steht dieser, der die Sicherheit schenkt, höher als jener.

2233. (892.) Vier Handlungen, die an sich nicht gefahrbringend sind, bringen Gefahr, wenn sie auf ungehörige Weise vollbracht werden: die Verehrung des Feuers, das Schweigen, das Studium und das Opfer, wenn Hochmuth die Triebfeder derselben ist.

[3] 2234. (893.) Viere sollen, o Lieber, in deinem Hause wohnen, wenn das Glück dir hold ist bei der Ausübung deiner Pflichten als eigener Haushalter: der betagte Blutsverwandte, der Mann aus edlem Geschlecht, dem es schlimm ergeht, der arme Freund und die kinderlose Schwester.

2235. (894.) Vier Dinge soll, wie man sagt, ein mächtiger König meiden; diese möge der Verständige erfahren: er pflege keinen Rath mit Menschen von geringer Einsicht, mit Unschlüssigen, Trägen und umherziehenden Schauspielern.

2236. (895.) Vier Dinge, so hat, o grosser König, Bṛhaspati dem Fürsten der Götter (Indra) gesagt, als dieser ihn befragte, erfolgen alsbald ohne Verzug; diese sollst du von mir erfahren:

2237. (896.) Der Götter Wille, der Klugen Macht, der Gebildeten gutes Betragen, der Bösewichter Untergang.

2238. (4038.) Die Besten unter den Männern haben erklärt, dass es vier Laster bei den Fürsten gebe: Jagd, Trunk, Würfelspiel und zu grosse Fleischeslust.

2239. (4039.) Sandel, Mondschein und ein gelinder Südwind sind für mich (der ich von der Geliebten getrennt bin) feurige Erscheinungen, kalte für Andere.

[4] 2240. (897.) An Sandelbäumen sind Schlangen, im Wasser Lotusse, aber auch Krokodile; bei jedem Genuss sind Missgünstige, die uns das Gute verleiden: keine Freude ohne Störung.

2241. Feuer brennt, käme es auch vom Sandelholz: ein Bösewicht bleibt ein Bösewicht, stammte er auch aus vornehmem Geschlecht.

2242. Der Duft von kostbarem Sandel- und Aloeholze besteht, o Herr, nicht so lange, wie der vom Ruhme der Menschen.

2243. (4040.) Dieser Wind da, der Sandelwälder leise bewegte und die Giessbäche des Malaja berührte, hat sich zum Verderben der (von ihren Geliebten getrennten) Reisenden erhoben.

2244. (898.) Der Mond ist schwindsüchtig, von Natur gekrümmten Körpers, einfältig (kühl), eine Fundgrube von allerlei Mängeln (die Nacht machend), springt (froh) hervor, wenn der Freund im Unglück ist (die Sonne verfinstert wird); dennoch hält ihn der grosse Herr (Çiva) hoch in Ehren auf seinem Haupte: Grosse denken nicht an Verdienst oder Schuld derjenigen, die sich in ihren Schutz begaben.

2245. (4041.) Vom Monde am Himmel schlürfen die Götter, von deinem Antlitzmonde schlürfe ich: jener ist auch nicht voll, dieser stets voll und rund.

[5] 2246. Der Mond erscheint mir (Râma spricht) heissstrahlig, ein sanft wehender Wind wie ein Donnerkeil, ein Kranz wie eine Menge von Nadeln, Sandelsalbe wie brennende Funken, Licht wie Finsterniss in Folge des Schicksals, der Lebensodem wie eine Last: o Weh, die Zeit, da ich vom Weibe getrennt bin, erscheint mir wie die des Weltunterganges!

2247. Ergeh dich nach Herzenslust, o Mond, am Himmel, da die Geliebte ihr Antlitz geneigt hat; auch du, o Kokila, erhebe laut deine Stimme im Walde, da sie Schweigen beobachtet; und du, o blauer Lotus, öffne dich rasch, da sie ihre Augen geschlossen hat: jetzt hat eure glückliche Stunde geschlagen, da sie heute mit mir zu schmollen begonnen hat.

2248. (899.) Dem Monde nähert sich durch seinen weissen Glanz der Flamingo, dem Flamingo durch ihren reizenden Gang die Geliebte, der Geliebten durch seine angenehme Weichheit das Wasser, dem Wasser durch ihre Durchsichtigkeit die Luft.

2249. (900.) Das Tagesgestirn wird von Râhu bezwungen, wenn der Mond in seiner Scheibe (seinem Reiche) steht: des Preises werth ist sogar das Ungemach, welches Glanzvolle mit dem Schützling zusammen erleiden.

[6] 2250. Im Monde Flecken, auf dem Himâlaja Schnee, im Meere salziges Wasser, die Sandelbäume von Schlangen besetzt, an der Wasserrose Dornen, bei den schönsten Frauen Eintritt des Alters, beim Busen das Schlaffwerden, bei Gelehrten Armuth: jede Perle ist mit irgend einem Uebel behaftet, der Ruhm allein kennt keine Feindschaft.

2251. Wenn sich aber Jemand in seinen Obliegenheiten als leichtsinnig erweist, dann fallen Andere, würden sie auch seiner überlegenen Kraft gewahr, in seine Blösse nach Art der kleinen Vögel, die sich in die Luft erheben, wenn sie einen Brachvogel erblicken.

2252. (4042.) Wenn ein Leichtsinniger sich hier übereilter Weise an's Werk begiebt, dann fallen Andere alsbald in seine Blösse nach Art der kleinen Vögel, die sich in die Luft erheben, wenn sie einen Brachvogel erblicken.

2253. (901.) O du mit dem unbeständigen Herzen! Weshalb hast du den Geliebten, als er aus freiem Antriebe, von Liebe überfliessend, auf solche Weise in dein Gemach kam und dir zu Füssen sich warf, nicht beachtet? Nun so trage denn jetzt, so lange du lebst, die Frucht deines bösen Zorns; das Glück wird dir nimmermehr aufgehen, dein Schutz und Hort werden die Thränen sein.

[7] 2254. (4043.) Unbeständig und dabei ohne Mitleid ist der Geliebte! Was fange ich, o Freundin, mit dem an, der Schmeichelworte nur gelernt hat, um sich von Sünden rein zu waschen?

2255. Ein Mann, der von Natur unbeständig ist, auf Schritt und Tritt Lug und Trug an den Tag legt und auf Niemanden sein Auge richtet, wird als Weib wiedergeboren.

2256. Brahman wird in Ḱampâ geboren, Çiva in Râģagṛha, Vishṇu in Mathurâ: wie kann demnach von Einer Erscheinungsform die Rede sein?

2257. (902.) Als sie dem Geliebten es untersagte sich ihr zu Füssen zu werfen, da zeigte er sich gleichgiltig gegen ihre Gunst, und als sie ihn darauf im Zorn hart anfuhr mit den Worten »o, der du im Geheimen wie ein Schelm dich benimmst«, da machte er sich auf den Weg. Darauf seufzte sie tief auf, hielt die Hand auf dem Busen und richtete den von Thränen umhüllten Blick auf die Freundinnen.

2258. (4044.) Was sich nicht bewegt, wird von sich Bewegendem verspeist; Thiere ohne Fangzähne werden von Thieren mit Fangzähnen, Wesen ohne Hände von Wesen mit Händen und Feige von Muthigen verspeist.

2259. (903.) Δ??μαt?? με??? d?s??d?? ?α? π??dα?? ???tt??sα?? πε???ε???μ??. ?? tα?t? ?d?με??? ??d?ε? π?? ??? ?? ε?ε? s??????? ?s??;[8]

2260. Bei dem, der unstäten Sinnes ist, keinen Verstand hat und in der Gewalt seiner Sinne steht, ziehen die Reichthümer vorüber, wie Gänse bei einem ausgetrockneten See.

2261. Wenn ein Mann, der unstäten Geistes ist, die Alten nicht ehrt und von wankender Gesinnung ist, Freunde gewinnt, so geschieht dieses niemals auf die Dauer.

2262. (904.) Wankend sind die Gedanken, wankend der Reichthum, wankend Leben und Jugend, das ganze Weltall wankt hin und her: wem Ruhm zu Theil wurde, der lebt.

2263. Wankend sind die Gedanken, wankend der Reichthum, wankend ist unser Leben: strecke, o Brahmane, die Hand aus; rasch ist der Gang des Gesetzes.

2264. (905.) Der Weise setzt sich mit einem Fusse in Bewegung, mit dem andern steht er still: bevor er den andern Platz genau angesehen hat, verlässt er den früheren Standort nicht.

[9] 2265. (4045.) Unstäten Wesens, schwer zu handhaben und schwer zu fassen ihrem Sinne nach sind für den klugen Mann hier auf Erden sowohl Reden als Weiber.

2266. Unstät sind ja diese fünf Sinne und als sechster das Herz; wohin immer sich Einer von ihnen wendet, von dort entrinnt der Verstand des Menschen, wie Wasser stets aus einem lecken Kruge.

2267. Wankend ist das Glück, wankend der Lebensodem, wankend Schönheit und Jugend, es wankt die unbewegliche Erde, allein die Tugend wankt ja nicht.

2268. Wankend ist das Glück, wankend der Lebensodem, wankend Leben und Jugend; in dem hin und her wankenden irdischen Dasein wankt ja allein die Tugend nicht.

2269. (906.) Wankend, ist das Glück, wankend der Lebensodem, wankend der Körper und die Jugend, das ganze irdische Dasein wankt hin und her; Ruhm und Tugend aber wanken nicht.

2270. Reichthümer sind wankend, Jugend bricht in einem Augenblick zusammen, das Leben steckt zwischen des Todesgottes Zähnen und dennoch verschmäht man es die jenseitige Welt zu gewinnen. Welch ein Staunen erregendes Benehmen der Menschen!

[10] 2271. Der Berg Sumeru und ein Palast könnten wanken, Fixsterne wanken, so auch der Polarstern und die Mondscheibe, auch das dunkle Meer wankt bisweilen; nimmer aber könnte ein Wort edler Menschen wanken.

2272. (907.) Er (d.i. der König) beschütze die Unterthanen, welche zu leiden haben von Betrügern, Dieben, Spitzbuben, Räubern und Andern, besonders aber von den Schreibern.

Stenzler.

2273. Unter tausend Ḱândâla, so haben darauf sich verstehende Gelehrte erklärt, findet sich ja nur ein Javana: Niemand steht niedriger als ein Javana.

2274. (908.) Ein von Durst gequälter Ḱâtaka bittet die Wolke nur um drei vier Tropfen, sie aber überschüttet Alles mit Wasser: hier hast du den Edelmuth Grosser.

2275. Zum Heile der vier Kasten kann ja ein Königssohn Gemeines wie Edles vollbringen, da es sich um den Schutz der Unterthanen handelt.

2276. Wer die Unterthanen zu schützen hat, kann stets eine Sünde oder eine mit einem Makel behaftete That vollbringen: dies ist ewiges Gesetz für diejenigen, die mit der Bürde der Herrschaft betraut sind.

[11] 2277. (4047.) Derjenige, der seine Person durch tausend nach dem Mondlauf sich richtende Kasteiungen reinigt, und derjenige, der Wasser aus der Gañgâ trinkt, beide sind einander gleich.

2278. (909.) Der Verständige pflege keinen Rath mit umherziehenden Schauspielern, Herolden, geringen Leuten, Barbieren und Gärtnern, und auch nicht mit Bettlern.

2279. (4048.) Wer es so einrichtet, dass andere Leute keine von ihm unternommene und auf Hindernisse stossende Angelegenheit erfahren, dem misslingt auch nicht die geringste Sache, wenn er seinen Plan geheim hält und ihn wohl ausführt.

2280. (910.) Fragt man, was schlimmer sei, Scheiterhaufen oder Sorgen, so ist die Antwort – Sorgen: der Scheiterhaufen versengt den Leblosen, die Sorgen versengen das Leben.

2281. (4049.) Der Scheiterhaufen versengt den Entseelten, die Sorge versengt, o Weh, die Seele. Um ein Pünktchen (einen Anusvâra) nur ist die Sorge bedeutender, der Scheiterhaufen aber ist ja gar klein hier auf Erden.

[12] 2282. (911.) Die Gattin, welche, den entseelten Gatten auf dem Scheiterhaufen umschlingend, ihren eigenen Körper opfert, gelangt, hätte sie auch Sünden hundert an Zahl begangen, in die Götterwelt mitsammt dem Gatten.

2283. Das Herz wird lauter durch Andacht, der Mund durch Reden der Wahrheit, der Leib da wird auch ohne Gañgâ durch Keuschheit und Anderes rein.

2284. Ein Gesandter muss sieben Vorzüge besitzen: er muss Menschenkenner sein, eine gute Gemüthsart haben, beredt, geschickt und liebenswürdig sein, treu berichten und ein gutes Gedächtniss haben.

2285. Ein im Innern böses Herz wird durch kein Waschen an heiligen Badeplätzen rein, eben so wenig wie ein unreines Branntweinsgefäss, würde dieses auch hundertmal mit Wasser gewaschen.

2286. Der Leib ist von der Seele abhängig und an die körperlichen Bestandteile gebunden; geht die Seele zu Grunde, so werden die körperlichen Bestandteile zu Nichte. Darum soll man die Seele sorgfältig schützen; ist die Seele wohl auf, so entwickeln sich Gedanken.

2287. Ein Maler, ein Dichter, ein schlechter Arzt und ein schlechter Fürst, diese vier fahren zur Hölle, und als fünfter ein Dorfschulze.

[13] 2288. (4050.) Es ist eine seltsame Erscheinung, dass Fürsten und Elephanten, wenn sie sich gereinigt haben, jene durch Ruhm, diese durch Giessbäche, sich nachher wieder besudeln, jene durch den Hang am Laster, diese durch Wälzen im Staube.

2289. (912.) Wenn Fürsten ihre Freude haben an Dienern, die mit Erzählungen von mannichfachem Geschmack aufwarten können, dabei aber den Bogen nicht in Bewegung setzen; dann haben deren Feinde ihre Freude an solchem Glück.

2290. (913.) Bei Menschen sind Sorgen das zehrende Fieber, bei Kleidern Sonnenschein, bei Weibern Erkaltung der Männer, bei Hengsten Begattung.

2291. Von Sorgen Gequälte haben keine Freude und keinen Schlaf, von Hunger Gequälte keine Kraft und kein Feuer, von Gier Gequälte keinen Freund und keinen Angehörigen, von Liebe Gequälte keine Furcht und keine Scham.

2292. (4051.) Ein Geliebter, der starren Herzens, das Sorgen verwirrt hatten, und unter Stillschweigen sich der Geliebten zu Füssen geworfen hatte, zeigt sich gleichgiltig gegen ihre Zurückweisung und ist so eben im Begriff fortzugehen; da hält ihn die am Leben noch Hängende zurück, indem sie[14] ihn lange und mit einem durch Seufzer bewegten Busen ansieht mit ihren verschämten, matten und von ununterbrochen rollenden Thränen getrübten Augen.

2293. Der Palast eines Fürsten gleicht mit seinem Raubgesindel einem Meere: sorgenvolle Minister sind wie im Wasser versunken, Boten erfüllen ihn als Wellen und Muscheln, umherstehende Späher stellen Krokodile und Makara's dar, er birgt Elephanten und Pferde als Raubthiere, er ist mit verschiedenen krächzenden Reihern geschmückt, Schreiber hausen in ihm wie Schlangen und Staatsklugheit stellt das unterwühlte Ufer dar.

2294. (914.) Diejenigen, welche Grosses zu erreichen trachten, ersinnen zuvörderst einen Plan: auch der Löwe duckt sich zuvor nieder und tödtet dann erst den Elephanten mit Macht.

2295. (4052.) Wer Haare am Kinn, aber keine Haare auf den Backen hat, mit dem schliesse man keine Freundschaft, wäre die Welt auch menschenleer.

2296. Sand und Anderes, das frei von Liebe ist (kein Oel enthält) besteht lange hier auf Erden: nur Sesam und Senfkörner, die Liebe kennen (Oel enthalten), werden gepresst.

[15] 2297. (915.) Wenn man aus Unverstand Gefallen daran findet, dummen Menschen zu dienen, so ist dieses so, als wenn man vergeblich einen Stier lange melkte, in der Meinung es sei eine Kuh, die sich wegen des schweren Euters neige; als wenn man einen Eunuchen umarmte, im Wahne, es sei eine Jungfrau voller Anmuth; als wenn man beim Anblick eines blitzenden Glasstückes einen Lasurstein gefunden zu haben hoffte.

2298. (916.) Wenn ein junges Ehepaar, das lange getrennt gewesen ist und dem vor Sehnsuchtsschmerz die Glieder erschlafft sind, nach langer Zeit sich wieder froh begrüsst; dann erscheint ihnen die Welt wie neugeboren. Ist darauf der lange Tag endlich zu Ende gegangen und erleben die jungen Leute die Nacht, dann geht das Erzählen ohne Ende fort, nicht so das Minnespiel.

2299. (917.) Gewalt des Gewaltigen führt über kurz oder lang bei Feinden zum Ziel; erzürnte Freunde sind trotz aller Nachgiebigkeit schwer zu versöhnen.

2300. Auch eines Einfältigen Ackerbau ist ergiebig, wenn er auf gutem Felde betrieben wird: wenn der Reis viele Körner giebt, so hängt dieses nicht von des Säemanns Vorzügen ab.

2301. (4053.) Giebt es denn keine Lumpen auf der Strasse? Weisen Bäume, die Kostgeber, keine Speise mehr an? Sind auch die Flüsse versiegt?[16] Sind die Höhlen verschlossen? Hilft Kṛshṇa nicht denen, die ihn um Schutz angehen? Warum also wenden sich weise Männer an Menschen, die ein toller Geldwahn blind macht?

2302. (918.) In der kalten Jahreszeit wehen Winde, die Schönen gegenüber offenbar das Spiel verliebter Buhlen treiben: sie küssen die prallen Wangen, bewirken auf dem von Locken bedeckten Gesicht ein hörbares Beben der Lippen, reissen von der Brust das Mieder, erzeugen auf dem vollen Busen ein Rieseln der Haut, machen die Schenkel erzittern und lösen von der breiten Hüftenfläche den Schurz.

2303. (919.) Hoch lebe Çiva, die Lampe der Erkenntniss: wie diese mit ihrer flackernden Flamme, so leuchtet er mit der reizenden Mondsiechel, die er als Diadem auf seinem Haupte trägt; wie diese die Lichtmotte, so hat er den unstäten Liebesgott spielend versengt; wie diese an des Dochtes Spitze, so schiesst er bei höchster Tugend auf; wie diese die dichte Finsterniss, so verscheucht er die im Innern tobende grenzenlose Unwissenheit; wie diese im Hause, so ist er im Herzen derer, die der Beschaulichkeit leben.

2304. (920.) Baue, o Herz, nie mit Zuversicht auf die unbeständige Glücksgöttin: sie ist eine feile Dirne, deren Beruf es ist die Hütte zu wechseln, so bald der Fürst die Stirn runzelt. In ein zerlumptes Gewand gehüllt,[17] wollen wir in den Strassenreihen von Vârâṇasî (Benares) die Thüren der Häuser betreten und warten, bis die Gabe, um die wir bitten, in unsere Hand, die uns als Schüssel dient, niederfällt.

2305. Wer ohne sich anzustrengen Etwas zufällig erlangt und wer trotz aller Arbeit Nichts erlangt, diese Beiden sind nicht leicht anzutreffen.

2306. (4054.) Menschen falschen Herzens halten sich ja selbst versteckt, sind bald hier bald dort und hauen auf Blössen ein: dies ist ein gar grosses Uebel.

2307. (921.) Grosse Bäume machen Andern Schatten und stehen selbst in der Sonnengluth, tragen Früchte für Andere, nicht für sich.

2308. (4055.) Der Schatten flüchtet sich, als wäre er ermüdet, zugleich mit den Wanderern unter die Bäume; die Kühle des Wassers im Teiche zieht sich, als wäre sie erschöpft, zugleich mit den Fischen auf den Grund zurück; die Strahlen der Sonne schlürfen, als wären sie erhitzt, zugleich mit den Menschen Wasser; der Schlaf begiebt sich, als wäre er erschlafft, zugleich mit den Geliebten in die inneren Gemächer. (Schilderung der Mittagszeit im Sommer.)

2309. (922.) Zu preisen ist der Baum allein, der mit allen seinen Theilen[18] einer grossen Menge von Thieren Freude gewährt: in dessen Schatten Gazellen ruhen, dem Scharen von Vögeln die Blätter zerpflücken, dessen Höhlungen Insecten erfüllen, an dessen Stamme Gruppen von Affen sich liebkosen und an dessen Blüthen Bienen wohlgemuth saugen; jeder andere Baum ist eine Last für die Erde.

2310. (923.) Eine Gazelle, die eine Schlinge zerrissen, eine aufgestellte Falle fortgeschleudert, ein Netz mit Gewalt durchbrochen hatte, die aus einem Walde, der mit ringsum aufsteigenden Feuerflammen sich dicht verschlungen hatte, weit weg entkommen und sogar dem Bereich der Jägerpfeile durch ihre Geschwindigkeit entronnen war, stürzte auf ihrem Laufe in einen Brunnen. Was vermöchte wohl eines Menschen Anstrengung, wenn das Schicksal sich entgegenstellt?

2311. (924.) Ein Feind im eigenen Lager kennt die Blössen, die empfindlichen Stellen und die Stärke; er versengt uns von innen wie Feuer einen dürren Baum.

2312. Werden einem Halter die Wurzeln abgehauen, so sind Alle, die[19] von ihm leben, verloren: wie sollten die Zweige fortbestehen, wenn einem Baume die Wurzeln abgehauen würden?

2313. (4056.) Ein Sandelbaum giebt seinen Wohlgeruch nicht auf, auch wenn er niedergehauen ist; ein stattlicher Elephant giebt auch im Alter das Spielen nicht auf; Zuckerrohr bewahrt seine Süsse, man mag es hinbringen, wohin man will; ein edler Mann lässt auch in der Noth nicht von seiner guten Gemüthsart und seinen Vorzügen.

2314. (925.) Auch ein abgehauener Baum wächst wieder, auch der hingeschwundene Mond nimmt wieder zu: Kluge, die solches erwägen, härmen sich bei Widerwärtigkeiten nicht ab.

2315. (926.) Vor dem Lande verbeuge ich mich ehrerbietig, in dem man bei der grossen Menge vorzüglicher Dinge darüber im Zweifel ist, ob ein Wald von Sandelbäumen, Mangobäumen und Ḱampaka niederzuhauen oder ein blattloser Karîra zu erhalten sei; ob man Scharen von Flamingo, Pfauen und Kokila feindlich nachstellen oder an Krähen sich belustigen solle; ob für einen Elephanten ein Esel einzutauschen sei; ob Kampfer und Baumwolle von gleichem Werthe seien.

[20] 2316. Vishṇu, der Herr der Welten, wurde ja zum Zwerge, als er (Bali um drei Schritte Landes) bat: welcher Bittsteller, stände er auch höher als jener, kommt nicht um seine Würde?

2317. (927.) Diese Welt hat keine Stütze, an die sie sich lehnen könnte; durch Liebe, Habsucht und andere Leidenschaften wird sie gewaltsam zur Hölle hinabgedrängt und nur durch den König mittels des Stockes (der Strafe) oben erhalten.

2318. (2233.) Hat man erkannt, dass diese Welt einer Luftspiegelung gleicht und in einem Augenblick zusammenbrechen kann, dann schliesse man sich der Tugend und des Glückes wegen guten Menschen an.

2319. Ob der Bürde der Schenkel und Brüste schreitet sie ganz langsam einher und bestrebt sich eine Fertigkeit zu erlangen im Rauben des Herzens der Jünglinge.

2320. Diejenigen Menschen, welche Thiere und Pflanzen wie sich selbst in Acht nehmen, werden des höchsten Lohnes theilhaftig.

2321. (929.) Selbst bewusstlose Samenkörner keimen ja, wenn ihre Zeit gekommen ist, und blühen auch mit der Zeit und setzen Früchte an.

[21] 2322. (928.) Schwimmt ein Stumpfer (Kalter) oben auf, so haben Vorzügliche Leiden zu tragen: ist der kaltstrahlige Mond aufgegangen, so schrumpfen die am Tage blühenden Lotusblumen im Wasser zusammen.

2323. (930.) Den vom Fürsten geehrten Mann ehrt stets auch das Volk, wer aber vom Fürsten gering geschätzt wird, der wird von Allen gering geschätzt.

2324. Weiber, die einem vorzüglichen Manne anhängen, achten Mutter, Heimath, Verwandte, Besitz und Leben einem Grashalm gleich.

2325. (931.) Sobald eine Tochter geboren wird, raubt sie der Mutter Herz; wächst sie heran, so wächst auch der Freunde Kummer; selbst wenn sie dem Gatten überliefert ist, begeht sie noch Gemeinheiten: ein unüberwindliches Unglück sind die Töchter!

2326. (932.) Alle Kühe bringen männliche Junge zur Welt, die wie[22] andere ihres Geschlechts, aussehen; aber nur die eine oder die andere einen Führer der Herde, an dessen Schultern die Hörner sich reiben.

2327. (933.) Reichthümer erzeugen Leiden beim Erwerben, peinigen bei Ungemach und bethören im Glück: wie kann man also sagen, dass sie Freude brächten?

2328. (4057.) Der Erzeuger, der Erzieher, der Lehrer, der Brodherr und der Erretter aus einer Gefahr; diese fünf werden als Väter angesehen.

2329. Wenn man den Geschöpfen Schutz gewährt, die Arhant preist, der Lehre der Gaina lauscht, vor Guten sich verneigt, den Dünkel fahren lässt, den Lehrer nach Gebühr ehrt, die Trugbilder vernichtet, den Zorn besänftigt, den Baum der Habgier entwurzelt, das Herz reinigt und die Sinne bändigt, so ist dieses ein Geschenk Çiva's.

2330. (934.) Bei einem Menschen, der nicht geniesst, gewahrt man hier auf Erden rauhes Wesen: sieh, der Schlange, die vom Winde lebt, hat der Schöpfer Zweizüngigkeit verliehen.

[23] 2331. Hat man in allen vorangehenden Geburten Spenden, Studium und Kasteiungen sich angelegen sein lassen, so giebt man gerade dieser fortgesetzten Uebung wegen immer und immer wieder sich denselben hin.

2332. (935.) Welcher Schmerz ist in diesem an Leiden so reichen Leben wohl grösser als der, dass ein Wunsch nicht befriedigt wird und auch nicht aufhört?

2333. (4058.) In dem grausigen Meere des Lebens werden die Geschöpfe stets durch die Leiden der Geburt, des Todes und des Alters gequält und dennoch zittern die Menschen vor dem Tode.

2334. (936.) Wohl dem, der dieses Leben verlässt, da es durch Geburt, Tod, Alter, Krankheit und Schmerzen heimgesucht wird, so zu sagen keine Landungsküste darbietet und nicht fest in seinen Fugen steht.

2335. (4059.) Allein begiebt man sich in's Leben und in den Tod, allein geniesst man den Lohn für Gutes und Böses, allein fährt man zur Hölle, allein wird man des höchsten Lohnes theilhaftig.

[24] 2336. (4060.) Wenn bei den Menschen durch Kasteiungen, fromme Vertiefung und Sammlung des Gemüthes in Tausenden von vorangegangenen Geburten die Sünden getilgt worden sind, dannn offenbart sich in ihnen der Glaube an Krshna.

2337. (937.) Dadurch, dass ich nach den Genüssen der Welt verlangte, habe ich dieses Leben für mich unfruchtbar gemacht: für den Preis eines Glasstücks habe ich, o Weh, ein Zauberjuwel verhandelt.

2338. (938.) Jedermann wird überall und immer schon durch den Machtglanz dessen verzehrt, der wie der Sohn Ģamadagni's in vielen Schlachten gesiegt hat.

2339. (939.) Der Schakal durch ein Widdergefecht, wir durch Âshâḍhabhûti, die Unterhändlerin durch eine fremde Angelegenheit: drei selbstverschuldete Unfälle.

2340. (4061.) Wie sollte, o meine Liebste, dein Antlitz, das uns ohne Weiteres besiegt, nicht den Schmuck des Wassers, die Wasserrose, mit ihren von Bienen besetzten Blüthenblättern besiegen?

2341. Hoch lebe einzig nur das Geld, vermöge dessen sogar die Fremde dem Menschen zur Heimath und sogar Unbekannte zu Verwandten werden.

[25] 2342. Hoch leben mögen die Ģina, die im Besitz der höchsten und einzig wahren Lehre sind und deren Herz für das Aufgehen des Kornes der Liebe von der Geburt an ein salzhaltiger (unfruchtbarer) Boden war.

2343. (940.) Ein Hoch bringe ich jenen tugendhaften (gelehrten) und in die Grundtöne der Poesie (Zaubertränke) eingeweihten Dichterfürsten, die für ihren Körper, den Ruhm, keine Gefahr befürchten, wie sie Alter und Tod zu bringen pflegen.

2344. (941.) Durch den Sieg wird man des Glückes, durch den Tod eines göttlichen Weibes theilhaftig. Die Leiber fallen nach einer kurzen Weile auseinander: wie kann man sich noch Gedanken über den Tod in der Schlacht machen?

2345. (942.) Den Geizigen gewinne man durch Freigebigkeit, den Lügner durch Wahrheit, den rohen Uebelthäter durch Nachsicht, den Bösen durch Güte.

[26] 2346. Zuvörderst besiege man sich selbst um den Sieg über andere Feinde davonzutragen: wie könnte wohl derjenige, der sich nicht besiegt und nicht in der Gewalt hat, Andere in seine Gewalt bekommen?

2347. Bei der Eroberung eines Landes ist eine Stadt das Beste, in der Stadt ein Haus, im Hause ein Plätzchen, hier ein Ruhebett, auf dem Ruhebett ein schönes Weib, das, wie ein Juwel strahlend, das Beste an den Freuden des Königthums ist.

2348. (943.) Der Sieg werde den Söhnen Pâṇḍu's zu Theil, da Kṛshṇa auf ihrer Seite ist: wo Kṛshṇa ist, da ist das Recht; wo das Recht ist, da ist der Sieg.

2349. Das Alter hat die schöne Gestalt verzehrt, man gewahrt an ihr kein Lachen, keinen Scherz und keine Willenskraft, das Haupt ist weiss geworden, das Auge durch, einen Staar geschlossen, das Aufstehen geschieht ganz allmählich mit Hilfe eines Stockes, der Gang ist langsam und unsicheren Schrittes, der Tod steht in nächster Zukunft bevor und dennoch hört das Verlangen noch nicht auf.

2350. Alter und Tod nagen ja wie zwei Wölfe an den Geschöpfen, den starken und den schwachen, den kleinen und auch den grossen.

[27] 2351. (4062.) Das Alter richtet die Schönheit zu Grunde, das Begehren die Besonnenheit, der Tod die Lebensgeister, das Murren die Erfüllung der Pflichten, Liebe die Scham, Unedlen geleisteter Dienst gutes Betragen, Zorn die Anmuth, Stolz aber richtet Alles zu Grunde.

2352. (4063.) Das von den Wolken ausgespiene Wasser, die Schar der Hauspfauen und das bewegliche Blitzgewinde bilden das Heer des Liebesgottes.

2353. Schamlos bist du, o Wasserträger (Wolke), dass du mich, die ich zum Hause des Geliebten gehe, mit Donner schreckst und mit deinen nassen Händen antastest.

2354. Was kommen soll, das fällt dir in die Hand, befände es sich auch jenseits des Meeres; was aber nicht kommen soll, das entwischt dir, läge es auch schon auf deiner Hand.

2355. Ein Lotusstengel ist der Maassstab für die Tiefe eines Wassers, der gute Charakter eines Menschen der Maassstab für die Höhe seines Geschlechts: in edlem Geschlechte Geborene verüben ja nichts Böses; wie könnte ein edles Geschlecht einen guten Charakter unterdrücken?

2356. Wenn mächtige Elephanten in eine Wasserströmung gerathen, sinken sie unter; Fische schwimmen gegen die Strömung: was erreicht man nicht durch Uebung?

[28] 2357. (945.) Durch das Niederfallen einzelner Wassertropfen füllt sich allmählich ein Krug: dasselbe Gesetz gilt für alles Wissen, für moralisches Verdienst und Reichthum.

2358. (944.) Durch Wasser, Feuer, Gift, Waffen, Hunger, Krankheit, Sturz von einem Berge, durch diese oder jene Ursache kommt der Mensch um's Leben.

2359. (4064.) Wenn eine Wolke kein Wasser zu spenden geneigt ist, welcher Nachtheil erwächst daraus für diejenigen, welche jegliches andere Wasser trinken? An wen soll sich aber der Vogel Ḱâtaka wenden, der nur Wolkennass geniesst?

2360. Wasser ist die Macht des Kornes und auch der Fische; Gemüthsruhe ist die Macht der Fürsten, vor Allem aber der Brahmanen.

2361. (4065.) Die Freundschaft der Schelme ist wie ein Strich im Wasser und ein halbvoller Wasserkrug: auch auf dem Haupte getragen, bummelt der Schelm hin und her.

[29] 2362. Beim Bade im Wasser befreit man sich von Schmutz, beim Bade in der Barmherzigkeit ist man stets rein, ein Bad in der Selbstpeinigung entfernt die Sünde, ein Bad in der Kenntniss der höheren Wahrheiten ist die höchste Stellung.

2363. (946.) Das Leben der Menschen ist fürwahr unstät wie das Bild des Mondes im Wasser: hat man solches erkannt, so übe man stets Gutes.

2364. (4066.) Wessen Verstand im Unglück hell aufstrahlt, wie gerade bei einem Regenguss des Blitzfeuers Glanz, der ist klug.

2365. (947.) Oel, das man in's Wasser giesst, ein Geheimniss, das man einem Bösewicht anvertraut, eine noch so geringe Gabe, die man einem Würdigen reicht, und eine Wissenschaft, die man einem Verständigen überliefert, breiten sich durch die Macht der Dinge von selbst aus.

2366. Wasser macht Schmutz, wäscht ihn aber auch ab; das Herz begeht die Sünde, tilgt sie aber auch.

2367. Ein Damm bricht durch Wasser zusammen, Liebe durch Zuträgerei, ein geheimer Plan durch Ausplaudern, ein Feigling durch ein blosses Wort.

[30] 2368. (948.) Männer von geringer Einsicht vergleichen Weiber mit Blutegeln; wenn man aber ein wenig nachdenkt, so tritt zwischen den Gazellenäugigen und den Blutegeln ein grosser Unterschied hervor.

2369. (949.) Ein Blutegel entzieht den Armen lediglich das Blut, ein Weib aber nimmt Alles fort: Verstand, Vermögen, Kraft und Glück.

2370. (950.) Der Fürst sauge an seinem Reiche ganz sanft wie ein Blutegel; er mache es wie die Tigerin, die, wenn sie ihre Jungen schleppt, wohl mit den Zähnen sie packt, ihnen aber keinen Schaden zufügt.

2371. (951.) Mit dem Einen schwatzen sie, einem Andern werfen sie buhlerische Blicke zu, an einen Dritten, den sie im Herzen tragen, denken sie: wer ist wohl der Geliebte der Weiber?

2372. (952.) Alle Gelehrten sagen, dass die Tugend den Tugendhaften schütze und dass man schon heute wissen müsse, was einst sein wird.

2373. (953.) Geschwindigkeit ist ja des Pferdes höchste Zierde, Scham die des Weibes, Magerkeit die des Büssers, Wissen die des Brahmanen, Nachsicht (Geduld) die des Weisen, Heldenmuth die derer, welche vom Waffenhandwerk leben.

[31] 2374. »Die Leute sind noch wach, die Lampe brennt, die Schar der Freundinnen schaut neugierig her, bewahre, o Geliebter, nur einen Augenblick die Besonnenheit!« »Kann ein Hungriger denn nicht ohne Zeugen sein Mahl gemessen?«

2375. (954.) Beim Bescheidenen hält man den Vorzug für Einfältigkeit, beim Religiösen für Heuchelei, beim Redlichen für schlaue Berechnung, beim Helden für Hartherzigkeit, beim schweigsamen Asketen für Beschränktheit, beim Liebenswürdigen für Erbärmlichkeit, beim Energischen für Hochmuth, beim Beredten für Geschwätzigkeit, beim Besonnenen für Ohnmacht. Was gäbe es hiernach wohl für einen Vorzug der Vorzüglichen, den böse Menschen nicht brandmarkten?

2376. (955.) Was bewirkt nicht bei den Menschen, so sage doch, der Umgang mit Trefflichen? Er benimmt die Einfalt des Geistes, träufelt Wahrheit in die Rede, schafft hohes Ansehen, entfernt das Böse, erheitert das Gemüth und verbreitet den Ruhm nach allen Weltgegenden.

2377. (956.) Nur Eine solche Schildkröte wurde geboren, die ihren[32] breiten Rücken der Last der Erde hingab; zu preisen ist das Dasein des Polarsterns, um den der glänzende Kreis der Gestirne, an ihn gekettet, kreist; jene, denen die Flügel vergeblich gewachsen waren (d.i. die Berge), stehen, weil sie der Anderen Wohl beförderten, hoch über, nicht unter der Erde; alle übrigen Geschöpfe entstanden und verschwanden albald wieder in der Welt, wie die Mücken im Feigenbaume.

2378. (957.) Kenner der Lehrbücher müssen hier in der Welt vier Arten von Söhnen anerkennen: geborene, gleichgeborene, übergeborene und missgeborene.

2379. (958.) Ein Sohn, der gleiche Vorzüge mit der Mutter hat, heisst geboren; einer, der dem Vater gleichkommt, gleichgeboren; einer, der diesen übertrifft, übergeboren; missgeboren heisst derjenige, welcher tief unter Allen steht.

2380. (959.) Wer einen Feind und eine Krankheit nicht gleich beim ersten Auftreten zur Ruhe bringt, der wird, wenn er auch überaus kräftig ist, von jenen, die inzwischen Macht erlangt haben, zu Boden geschlagen.

2381. (4067.) Sobald der Mensch geboren ist, folgen ihm bis zu seinem Ende der Tod und das Alter nach; diese Beiden heften sich an Alles hier auf Erden, es heisse Pflanze oder Thier

[33] 2382. (960.) Selbst dieses am Flussufer gewachsenen Grases Dasein ist von Nutzen, da es einen Halt abgiebt für die Hand des Mannes, der im Augenblick des Untersinkens vor Angst vergeht.

2383. (961.) Dem Geborenen ist ja der Tod gewiss und dem Gestorbenen die Wiedergeburt; darum darfst du dich über eine unvermeidliche Sache nicht betrüben.

2384. (4068.) Wie sollte das Schicksal nicht auch einen Andern an der Nase herumführen, da es dieses doch sogar mit Râma gethan hat, mit Râma, dessen Vater, im Geschlecht des Sonnengottes geboren, an der Spitze der Fürsten stand, dessen Gattin die nur der Wahrheit lebende Sîtâ war, der Lakshmaṇa zum jüngeren Bruder hatte, dem an Armesstärke Niemand auf Erden gleichkam und der selbst der leibhaftige Vishnu war?

2385. (962.) Es war noch keine Sehnsucht da, der Busen wogte noch nicht, der Körper fühlte noch kein Rieseln der Haut, das Gesicht war noch nicht mit Schweisstropfen bedeckt, als jener Bösewicht, nur erblickt, mir plötzlich schon das Herz entwandte, er der Räuber meiner Standhaftigkeit, der Gebieter über mein Leben. Nun so will ich denn sehen, wie ich ihm gegenüber, der sich so gut auf das Stolzthun verstellt, auf irgend eine Weise meinen Groll an den Tag lege.

[34] 2386. (963.) Eine Liane wächst wohl auf einem Berge, aber niemals erhebt sich ein Berg aus einer Liane; jetzt sehen wir aber das umgekehrte Verhältniss: auf einer Goldliane (einem schlanken Körper) erhebt sich ein Hügelpaar (die Brüste).

2387. (964.) Wird jemals Jemand des blossen Standes wegen gestraft oder geehrt? Hat man sein Treiben erkannt, dann mag man ihn strafen oder ehren.

2388. (965.) Der Stand fahre zur Hölle, die ganze Schar der Vorzüge sinke noch tiefer hinab, die gute Sitte stürze vom jähen Felsen, der Adel der Geburt werde durch Feuer verzehrt, auf den Heldenmuth falle wie auf einen Feind schnell der Donnerkeil nieder, Geld allein bleibe uns, da mit Ausnahme dieses einen alle jene Vorzüge einem winzigen Strohhalm gleichen.

2389. Die Augen erinnern sich des früheren Daseins und erkennen den, der ihnen lieb oder unlieb war: erblicken sie einen ihnen lieben Menschen, so öffnen sie sich; beim Anblick eines unlieben Men schen schliessen sie sich.

[35] 2390. (966.) So wie eine Tochter geboren wird, beginnt hier sogleich eine grosse Sorge; dann folgt ein langes Hinundherdenken, an wen sie zu verheirathen sei; ist sie verheirathet, so fragt man sich, ob sie Glück finden werde oder nicht: Vater einer Tochter zu sein ist fürwahr ein grosses Uebel!

2391. (967.) Wer könnte sich wohl verlieben in käufliche Dirnen, die in Erwartung eines Lumpengeldes einem Blindgeborenen, einem Garstigen, einem durch Alter an allen Gliedern Gebrechlichen, einem Bauer, einem Manne aus niedrigem Geschlechte, einem von fliessendem Aussatze Heimgesuchten ihren reizenden Leib hingeben, in Dirnen, die für die Wunderpflanze der richtigen Unterscheidung das zerstörende Messer sind.

2392. (968.) Blindgeborenen, Todten und Lahmen gleichen diejenigen, welche, obgleich sie es zu thun im Stande wären, die heilbringende Gañgâ mit ihrem heiligen Wasser nicht besuchen.

2393. (4069.) Einige sind von Haus aus recht glücklich, Andere überaus unglücklich: vollkommenes Glück werde ich hier nirgends und bei Niemanden gewahr.

[36] 2394. Das Vieh erkennt mittels des Geruchs, Brahmanen erkennen mittels des Veda, Fürsten nehmen mittels eines Spähers wahr, gewöhnliche Menschen mittels der Augen.

2395. Ueber die Vorzüge Anderer verstehen ja nur mit diesen Gleichgeartete zu reden: es kennt der Berge Wucht die Erde, weil sie selbst Gewicht hat

2396. (4070.) Wer einen Bösewicht kennt und nicht zurückhält, obschon er dieses vermag, der begeht, weil er im Stande war ihm zu wehren, dieselbe Handlung wie jener.

2397. (969.) Ein Mensch vollbringt sogar mit Bewusstsein etwas Verwerfliches, weil ihn das Schicksal dazu treibt; könnte wohl sonst irgend Jemanden in der Welt eine verwerfliche Handlung gefallen?

2398. (4071.) Wer das Vertrauen der Menschen zu gewinnen versteht, wer über schuldig Befundene Strafe verhängt und wer sowohl Maass als Nachsicht kennt, einen solchen sucht gern die Glücksgöttin ungetheilt heim.

2399. (4072.) Ein Reiher versteht es einen den Tod verdienenden Frosch zu tödten, wenn dieser in der Nähe, nicht aber, wenn er in der Ferne ist; ein feindselig gesinnter Fürst dagegen versteht es einen in weiter Ferne weilenden wahrhaften Mann zu tödten.

[37] 2400. (4073.) Ich kenne, o Gier, sowohl dich als auch alles das, was dir lieb ist; indem ich dem, was dir lieb ist, nachgehe, finde ich für mich selbst keine Freude.

2401. Ich weiss, dass diese Welt im Augenblick vergeht; ich weiss, dass die Freude eitel und leer ist; ich weiss, dass jede Perle unter den Weibern stets nur auf ihren Vortheil bedacht ist; ich weiss, dass der Wohlfahrt lauter Jubel einem zuckenden Blitzstrahle gleicht; und dennoch weiss ich nicht, was die Ursache meiner Verblendung ist.

2402. Ich weiss, Vater, dass in dieser Welt alle Dinge im Augenblicke vergehen, und dass nur allein der fleckenlose Ruhm der Edlen dauert bis zum Untergange der Welt.

2403. Wenn dieser Ruhm aber gar aus den Wohlthaten, die man Andern erzeigt, entspringt, welch andern Reichthum könnte es dann wol noch für edle Gemüther geben, den sie mehr als ihr Leben liebten?

2404. Ich kenne, o Bester, die Natur der Welt und habe auch ehemals Viele ermuthigt: beim Unglück Anderer unterhält man sich angenehm, beim Tode des eigenen Verwandten aber versagt Einem der Verstand.

[38] 2405. (970.) Diener lerne man bei Aufträgen kennen, Angehörige beim Eintritt eines Ungemachs, einen Freund zur Unglückszeit, eine Gattin beim Verlust des Vermögens.

2406. (971.) Ich erinnere mich, dass ich heute im Traume die Geliebteste sah, wie sie vor Zorn das Gesicht von mir abwandte und darauf mit den Worten »berühre mich nicht mit der Hand« weinend zu gehen sich anschickte; noch ehe ich aber die Geliebte mit Hunderten von Schmeichelworten zurückgehalten hatte, ward ich, o Bruder, durch das böse Schicksal um meinen Schlaf gebracht.

2407. Häuser, welche von weiblichen Verwandten, weil diese nicht geehrt wurden, verflucht werden, gehen vollständig zu Grunde, als wären sie durch Zauberwerk getroffen.

2408. Einen Schwiegersohn, eine schwarze Natter, einen schlechten Menschen, Feuer und als fünften einen Schwestersohn gewinnt man nimmer durch ihnen erwiesene Dienste.

2409. Von weiblichen Verwandten verfluchte Häuser strahlen und gedeihen nicht, o Fürst, vom Glücke verlassen, als wären sie durch Zauberwerk zertrümmert.

[39] 2410. Dem Weibe, es heisse Gattin oder Mutter, verdanken die Männer ihr Dasein: wie sollte euch, o ihr undankbaren Männer, eine Freude zu Theil werden, wenn ihr jene Beiden schmähet?

2411. Wer vom Ufer der Gañgâ stammende Erde auf dem Haupte trägt, der trägt die zur Vernichtung der Finsterniss fleckenlose Form der Sonne.

2412. Die Menschen halten sich, wenn sie mit Sand, der von einer Sandbank der Gañgâ sich erhebt, bestreut werden, für geschmückte Himmelsbewohner.

2413. Durch Ackerbau wird die Armuth besiegt, durch Kühe ein Gast gewonnen, durch reiche Männer ein Weib, durch Wissen und Kleider eine Gesellschaft.

2414. (4074.) Männer hohen Geistes besiegen des Zornes Andrang, während ein unbedeutender Mensch alsbald vom Zorn besiegt wird: wie sollte demnach ein von einem Besiegten (vom Zorn) besiegter Thor mit klugen Leuten streiten können?

2415. (4075.) Wer ein schönes Gewand hat, spielt eine Rolle in der Gesellschaft; wer eine Kuh besitzt, kann sein Verlangen nach einem Leckerbissen befriedigen; wer einen Wagen bat, kann leicht eine Reise machen; wer eine gute Gemüthsart hat, kann Alles.

[40] 2416. (972.) Der Sinne Bändigung ist der Grund eines bescheidenen Benehmens, durch bescheidenes Benehmen gelangt man zu ausserordentlichen Vorzügen, der ausserordentlichen Vorzüge wegen gewinnen Einen die Menschen lieb, aus der Menschen Liebe geht das Glück hervor.

2417. (4076.) Wenn ein Fürst seine Sinne besiegt und den Weg der Staatsklugheit verfolgt, dann lodert sein Glück hoch auf und dann reicht sein Ruhm bis in den Himmel.

2418. (4077.) Du (o Fürst) vergnügst dich, nachdem du die ganze Welt besiegt hast, hier auf Erden mit den Weibern deines Harems; deiner Feinde Schar, die zum Himmel einging, vergnügt sich mit den himmlischen Weibern.

2419. Auf der Zungenspitze sitzt die Göttin des Glücks, auf der Zungenspitze die Göttin der Rede, auf der Zungenspitze Gefangenschaft und Tod, auf der Zungenspitze das höchste Los.

2420. Das Loben Anderer versengte mir die Zunge, die Entgegennahme von Gaben versengte mir die Hände, fremde Weiber versengten mir das Herz: nutzlos ist das Leben verstrichen!

[41] 2421. (973.) Thoren, die der Zungengier fröhnen, trifft unerwarteter Tod, wie die im Wasser lebenden Fische.

2422. (974.) O Zunge, Auge, Nase, Ohr, Haut und Herz, höret, was ich euch sage! Vor euch verneige ich mich tief, lege ehrerbietig die Hände zusammen und bitte euch in aller Demuth: wenn es euch recht ist, so möchte ich von nun an nicht mehr mich als Opfer hingeben im Palast der Fürsten, der Schrecken einjagt durch die Feuerflammen der Kränkungen, die man dort erfährt.

2423. (4078.) Man lobt eine Speise, wenn sie verdaut ist, eine Gattin, wenn ihre Jugend dahin ist, einen Helden, wenn er in einer Schlacht gesiegt hat, einen Büsser, wenn er sein Gelübde zu Ende geführt hat.

2424. (975.) Man lobe eine Speise, wenn sie verdaut ist, eine Gattin, wenn ihre Jugend dahin ist, einen Helden, wenn er aus einer Schlacht zurückgekehrt ist, Getraide, wenn es eingebracht ist.

2425. (976.) Die Wünsche im Herzen haben sich abgenutzt, dahin ist,[42] sieh, die Jugend der Glieder und die Tugenden sind nutzlos geworden, da Niemand da ist sie anzuerkennen. Was ziemt sich jetzt? Plötzlich tritt der mächtige Gott der Zeit, der unbarmherzige Tod, heran; an das Füssepaar des Vernichters des Liebesgottes (d.i. Çiva's) hat man nicht gedacht und doch giebt es keinen andern Weg zur Erlösung.

2426. (4079.) Ist es nicht gleich, ob man ein zerlumptes Bettlergewand oder ein weisses Musselinkleid von reinem Zeuge trägt? Ob man nur eine Gattin oder viele Millionen hat? Ob man allein müde wird oder von prächtigen Elephanten und Pferden umgeben? Ob man Reis isst oder schlechte Nahrung am Schlusse des Tages?

2427. (977.) Man geht durch die Einwirkung der Zeit dem Verfall entgegen, man weile auf Erden oder im Himmel (man lebe oder sterbe): ein Lustgarten wird zu einer Leichenstätte, eine Leichenstätte erhält das Ansehen eines Lustgartens.

[43] 2428. (978.) Dem Alternden altern die Haare, die Zähne altern dem Alternden, auch Auge und Ohr altern, nur die Gier allein altert nicht.

2429. (4080.) Sind böse Menschen die ersten oder die letzten Krüge am Schöpfrade, da sie sich tief verneigen, wenn sie ihren Lebensunterhalt (Wasser) einnehmen, sich aber übermüthig erheben, wenn sie ihn (es) erhalten haben?

2430. (4081.) Den Menschen, der der Tugend ermangelt, halte ich für todt, auch wenn er lebt; wer aber mit Tugenden ausgestattet ist, lebt lange, darüber herrscht kein Zweifel, auch wenn er todt ist.

2431. (979.) Fünfe werden bekanntlich im Mahâbhârata für todt erklärt, ob sie gleich lebten: der Arme, der Kranke, der Thor, der in der Fremde Lebende und der stets Andern dient.

2432. Wer da lebt, wird des Glückes theilhaftig; wer da lebt, thut Gutes; ist man todt, so geht der Körper zu Grunde und auch die gerechten Werke finden ihr Ende.

[44] 2433. (980.) Einige Menschen opfern das Leben, weil sie ganz von der Gier nach Reichthümern eingenommen sind: die Leute meinen, das Leben sei ohne Reichthümer von keinem Nutzen.

2434. (4082.) Das Leben erscheint von Anfang an zugleich mit dem Körper, beide entwickeln sich zugleich und es gehen auch beide zugleich zu Grunde.

2435. (981.) Von Liebe Gequälte achten ja nicht auf die Gefahr des Lebens, auf den Untergang der Ihrigen und auf der Familie Schande.

2436. (4083.) Heftig ist mein Verlangen zu leben, gering mein Verlangen nach Schätzen: reise, o Geliebter, oder bleibe, meine Lage aber habe ich dir kund gethan.

2437. (4084.) Darum hüten Gute hier auf Erden die Wahrheit sogar mit Hintansetzung des Lebens; denn in den drei Welten giebt es keine höhere Pflicht als die Wahrheit.

2438. (982.) Mit dem Leben ist das grösste Leid, mit dem Leben ist das heftigste Fieber verbunden; über den, der lebt, kommen die Leiden gewiss.

[45] 2439. (983.) Durch wessen Leben Brahmanen, Freunde und Angehörige leben, dessen Leben ist von Nutzen: wer lebt nicht für sich?

2440. (984.) Wer, genau wissend, was zu thun ist, »lebe hoch« ausruft, wenn er angeredet wird, und ohne sich lange zu bedenken thut, was er zu thun hat, der ist des Fürsten Liebling.

2441. Der Ģaina-Glaube, grosser Reichthum, Verkehr mit guten Menschen, eine Unterhaltung mit Gelehrten, Beredsamkeit, Geschicklichkeit in jeglicher Wissenschaft, ein treues Weib, Verehrung der Fusslotuse guter Lehrer, ein reiner Charakter und Lauterkeit der Gesinnung werden uns nicht für ein Paar guter Werke zu Theil.

2442. (4085.) Blutsverwandte führen dich hier auf Erden glücklich über die Gefahren hinweg, Blutsverwandte stürzen dich aber auch in den Abgrund: gute führen dich hier glücklich hinüber und böse stürzen dich in den Abgrund.

2443. Wer keine lästigen, das Geschlecht befleckenden Blutsverwandte hat, der lebt glücklich in der Welt, wie ein alleinstehender Baum im Dorfe.

2444. Der mit Blättern und Früchten beladene alleinstehende Baum im Dorfe ist ja ein verehrungswürdiger, hoch geachteter Feigenbaum ohne Blutsverwandte.

[46] 2445. (985.) Das Juwel Wissen ist ein grosses Vermögen, das die Blutsverwandten nicht rauben, das kein Dieb fortträgt und das beim Verschenken nicht aufgezehrt wird.

2446. (4086.) Wem es um sein Wohl zu thun ist, darf, mein Lieber, mit Blutsverwandten nicht streiten, Freuden aber soll man, o Bester der Bharatiden, in Gemeinschaft mit den Blutsverwandten geniessen.

2447. (4087.) Wie vermag, o sprich, der durch den Körper begrenzte Geist die drei Welten zu erkennen, wenn er nicht an sie herantritt? Kann selbst eine hell flammende Lampe, wenn sie in einem Topfe steht, auch die Gegenstände im Hause beleuchten?

2448. Was ist für Jedermann unerforschlich? Der Weiber Sinn und ihr Benehmen. Was fällt Jedermann schwer aufzugeben? Eitle Hoffnungen. Wer anders als der Ungebildete ist wohl ein Vieh?

2449. (4088.) Wo Wissen ist, da giebt es Glück; wo Kühe sind, da giebt es Freuden; wo ein Guter weilt, da lässt es sich leben; wie die Gattin, so das Wohlbefinden im Hause.

2450. (4089.) Bei Guten vernichtet Wissen den Stolz, den Wahn und andere Untugenden; bei Einigen dagegen bewirkt dasselbe gerade Wahn[47] und Stolz: ein einsamer Ort führt diejenigen, die ihre Sinne zügeln, zur Erlösung; bei den von Liebe Gequälten dagegen erzeugt er eine heftige Leidenschaft.

2451. Wissen ist ein Schiff, das uns über die Finsterniss falscher Lehren bringt; Wissen ist das Auge der Welt, Wissen ist ein hohes Gebirge am Flusse des klugen Benehmens, Wissen entfernt moralischen Schmutz, Wissen ist ein gefügiger Zauberspruch beim Streben nach der Erlösung, reines Wissen läutert das Herz, Wissen ist die Pauke, die zum Aufbruch in die Himmelswelt angeschlagen wird, Wissen ist die Ursache des Glücks.

2452. (4090.) Ob seines Wissens, ob seines Rathes und ob seines guten Benehmens geniesst der Lehrer grosses Ansehen; darum soll der Schüler geduldig sein und des Lehrers Wort nicht übertreten.

2453. (986.) Auf dem Wege zur Erkenntniss ist ja der Hochmuth ein schwer zu überschreitendes Hinderniss, und doch ist ohne Erkenntniss keine Erlösung, selbst wenn man Hunderte von religiösen Bräuchen vollzöge.

2454. Wissen verscheucht Dünkel und Hochmuth; wer sich durch Wissen berauschen lässt, für den giebt es keinen Arzt: bei wem Nektar zu Gift wird, den kann man nicht heilen.

2455. Wer Andern Wissen mittheilt, wird reich an Wissen; wer Sicherheit gewährt, geräth in keine Gefahr; wer Speise verabreicht, ist stets wohlgemuth; wer Arzenei verabfolgt, wird von keiner Krankheit heimgesucht.

[48] 2456. (4091.) Unter den Brahmanen wird der Kenntnissreiche geehrt, unter den Kriegern der Mächtige, unter den Vaicja der an Korn und Schätzen Reiche, nur unter den Çûdra der an Jahren Alte.

2457. (4092.) Den Brahmanen muss man ehren, wenn er sich durch Wissen auszeichnet, den Krieger, wenn er kräftig ist, den Vaiçja, wenn er reich an Schätzen und Korn ist, den Çûdra aber, wenn er den höheren Kasten dient.

2458. (4093.) Bei denen, die mit Wissen ausgestattet und stets gesammelt sind, die Lehrbücher kennen und ihren Geist gebildet haben, haftet nimmer die Liebe, eben so wenig wie Wasser an den Blüthenblättern einer Wasserrose.

2459. (4094.) Der Weise, der seine Lust am Wissen hat und mit keinem Wesen in Feindschaft lebt, kennt keine Furcht vor einer Wiederkehr auf diese Erde, viel weniger noch eine Furcht vor der jenseitigen Welt.

2460. (4095.) Schweigsamkeit bei Kenntnissen, Nachsicht bei Macht, das Gegentheil von Prahlerei bei Freigebigkeit: seine (Dilîpa's) Tugenden waren, da sie andere Tugenden im Gefolge hatten, gleichsam mit Nachkommenschaft gesegnet.

[49] 2461. Wäre man auch mit dem vierfachen Wissen ausgestattet, würde man auch von Göttern und Dämonen bedient und wäre man auch ein Ģina: ohne Kasteiungen würde man der höchsten und einzigen Wahrheit doch nicht theilhaftig werden.

2462. (987.) Wer durchschaut ein Weib mit schönem Antlitz und versteckten Sünden? Ein böses Weib ist wie ein Lotusteich mit blühenden Wasserrosen, in dem Krokodile verborgen hausen.

2463. (988.) Es schütze dich der Seitenblick der Durgâ im Verein mit der auf dem Handrücken zitternden Nägelstrahlenmenge, während die Finger zum Spannen der Bogensehne kunstvoll gestellt sind, der Seitenblick, der den Schein bewirkt, als schwärmten Bienen umher aus Verlangen nach dem Ohrenschmuck aus reich beblümten Zweigen.

2464. (4096.) Sogar einen Höheren achtet man nicht, wenn ihm edle Sitten abgehen, und selbst einen Çûdra ehrt man, wenn er seine Pflichten kennt und sich gut beträgt.

2465. (989.) Den ältesten Bruder, den leiblichen Vater und denjenigen, der Einen eine Wissenschaft lehrt, diese drei muss man als Väter anerkennen, so wie diejenigen, welche sich auf dem Pfade der Tugend befinden.

2466. (4097.) Eine Schönhüftige ist, wie Mondlicht, eine Wonne für die Augen, bewirkt, wie Wein, einen Rausch und zieht, wie Herrschaft, alle Menschen an sich.

[50] 2467. (4098.) Feuer lodert auf, sobald das Holz bewegt wird; eine Schlange schwellt ihre Haube an, wenn sie gereizt wird: jede Creatur pflegt in Folge einer Erschütterung ihre ursprüngliche Grösse anzunehmen.

2468. (990.) Tritt flugs in's Haus und bleibe nicht draussen stehen, o Geliebte, da jetzt gerade die Zeit ist, dass der Mond gepackt wird. Pass' auf, wenn Râhu deinen Antlitzmond von reinem Glanze erblickt, verschlingt er ihn bestimmt, indem er den Vollmond laufen lässt.

2469. Nicht darüber empfinde ich einen Schmerz, dass man mich mit Eisen haut, dass man mich brennt und reibt, nur darüber empfinde ich grossen Schmerz, dass man mich mit Guńģâ-Beeren aufwägt (Klage des Goldes).

2470. (991.) Als die Tochter des Fürsten der Gebirge (die Pârvatî) ihn (Çiva) erblickte, erzitterte sie, ihr schlanker Leib ward feucht, sie hielt den aufgehobenen Fuss in die Höhe, um ihn niederzusetzen, vermochte aber weder weiter zu gehen, noch stehen zu bleiben, eben so wenig wie ein Fluss, der beim Zusammenstoss mit einem ihm im Wege stehenden Felsen sich verwirrt.

[51] 2471. (4099.) Des Schlangendämons Takshaka Gift steckt im Zahne, der Stechfliege Gift ist der Kopf, des Scorpiones Gift der Schwanz, der böse Mensch ist am ganzen Leibe Gift.

2472. (992.) Der Vorzüglichen Vorzüge dringen, von Unbetheiligten verkündet, zum Herzen: der aufgeblühten Wasserrosen Duft haben uns die Winde zugeführt.

2473. (993.) »Die Freude an der Welt sollen wir aufgeben, da sie unbeständig ist wie der Blitzstrahl und nach jedesmaligem Verschwinden dichte Finsterniss zurücklässt; dagegen sollen wir die Freude an der vollkommenen Gemüthsruhe geniessen, da sie nicht mit Sünde behaftet ist.« Solches mit vernehmbarer Stimme und mit schönen Worten, aber mit unbetheiligtem Herzen, nach Papageienart schamlos herzusagen, ist Alles, was wir thun.

2474. (4100.) Denke im Geiste beständig an die höchste Wahrheit; vermeide die Gedanken an den vergänglichen Reichthum; der Verkehr mit Guten, der im Leben nur einen Augenblick währt, ist das einzige Schiff, mit dem wir über das Meer der Welt gelangen können.

2475. Leicht wird uns das Glück zu Theil, dass wir zu grossen Reichthümern gelangen; schwer dagegen das Glück, dass unser Sinn sich auf die Tugend richtet.

[52] 2476. An dem Orte soll man nicht wohnen, wo es Tag für Tag Streit giebt: durch den Hader der Magd der Mîḍhâ kam ein Affe um's Leben.

2477. (994.) Dort soll man, o Sohn, nicht wohnen, wo diese Viere fehlen: ein reicher Mann, der Geld ausleiht, ein Arzt, ein mit dem Veda vertrauter Brahmane und ein Fluss mit gutem Wasser.

2478. (4101.) Die, Fürsten genannten Fische, dürstend nach trübem Wasser, den Reichthümern, verlassen ihren Standort und begeben sich auf schlechte Wege, so dass Scharen von Fischern in der Gestalt von Abtrünnigen, der schönen Speise nachgehend, sie plötzlich dahin bringen, dass sie Verlangen tragen nach dem Netze, der ewigen Hölle.

2479. (4102.) So giebt es auch für den von Krankheit heimgesuchten, in steter Noth befindlichen unglücklichen Mann keine Arzenei, die der Gattin gleichkäme.

[53] 2480. Eben so lebt derjenige nicht lange, der, dummer Weise an den Zufall glaubend, wie ein hilfloser Schwächling müssig dasitzt, obgleich er zu arbeiten im Stande wäre.

2481. (995.) Es ist ein Unglück für's Geld selbst, dass es nicht bei guten Menschen Schutz sucht; es ist schon Gewinn für die Diener eines Fürsten, wenn sie nicht der Tod ereilt.

2482. Darum ist in diesem werthlosen Leben das Mitleid mit Unglücklichen und das Spenden an Arme das Werthvollste. Mit andern Vorzügen Ausgestattete sind ja reich vertreten auf Erden.

2483. (4103.) Wahre Speise sind die Speiseüberreste der Brahmanen; wahre Freundschaft ist die, welche dem Nächsten zu Gute kommt; wahre Klugheit die, welche kein Böses übt; wahre Gerechtigkeit die, welche ohne Heuchelei geübt wird.

[54] 2484. (996.) Wenn das Gesicht seinem Antlitz zugewandt war, neigte ich es; den Blick richtete ich auf die Füsse; die Ohren, die nach seinen Reden ein grosses Verlangen hatten, schloss ich; mit den Händen verdeckte ich den auf den Wangen hervorbrechenden Schweiss und das Rieseln der Haut: was soll ich aber, o Freundinnen, thun, wenn die Näthe des Mieders an hundert Stellen platzen?

2485. (997.) Sogar dünne lange Fäden vermögen stets, wenn sie zahlreich und gleichartig sind, in Folge ihrer Menge Vieles auszuhalten: eben so verhält es sich mit Guten.

2486. (4104.) Wen stürzt der Weiber Leib nicht in's Verderben, der Leib mit schmaler Mitte und breiten Hüften, mit rothen Lippen und schwarzen Augen, mit vertieftem Nabel und gewölbtem Busen?

2487. Was nicht kommen soll, das kommt auch nicht, und was kommen soll, das kommt auch ohne Anstrengung von deiner Seite; was aber nicht kommen soll, das entwischt dir, läge es dir auch schon auf der Hand.

2488. (998.) Die Thränen, die die Schlankgliedrige in Gegenwart der[55] Eltern hemmte, sind nach innen geflossen und haben die Liebesflamme, welche die Sehnsucht nach dem Geliebten erzeugte, beträufelt. Es will mich bedünken, als entsteige aus ihrem Munde von dem Feuer, dessen Strahlen zurückgehalten werden, eine Rauchwolke unter dem Scheine eines Bienenschwarms, den der Duft ihres Athems betäubte.

2489. (999.) Die Schlanke selbst ist die Gañgâ im Herbste, ihre Wangen sind zwei Inseln, ihre zitternden Augen zwei liebliche Bachstelzen mit ihrem unstäten Wesen, ihre mit Ringen geschmückten Ohren sind gleichsam ein Paar Schlingen des Jägers (des Liebesgottes), der, um die Vögel zu fangen, schon sehr lange seinen Bogen, die schönen Brauen, auf sie gerichtet hat.

2490. Was man büsst, opfert und spendet, das Alles wird vom Zorn hinweggeführt; darum soll man den Zorn aufgeben.

2491. (1000.) Durch Bussübungen, Keuschheit, Opfer oder auch durch Spenden erreicht der Mensch nicht die Stellung im künftigen Leben, der er durch den Besuch der Gañgâ theilhaftig wird.

2492. Eine mit Kasteiungen geschmückte Seele wird sicher in den drei Welten alles dessen theilhaftig, was sie erstrebt.

[56] 2493. (1001.) Da das Leben des Menschen nur wenige Augenblicke währt, so wissen wir nicht, was zu thun ist. Sollen wir, uns kasteiend, am Götterfluss (an der Gañgâ) unsere Wohnstätte aufschlagen, oder einem tugendhaften Weibe uns sittsam widmen, oder am Strom der Wissenschaften oder vom Nektarsaft mannichfacher Dichtung kosten?

2494. (1002.) Zu der Stellung im künftigen Leben, wie sie von Büssern nach langer Zeit erlangt, und wie sie von fleissigen Opferern alles Ernstes erstrebt wird, gelangen Ruhmvolle rasch, wenn sie beim grossen Opfer, in der Schlacht, zu Opferthieren sich hergeben.

2495. (4105.) Der Höhepunkt der Kasteiungen ist die Erlösung, der Höhepunkt aller Tugenden – die Freigebigkeit, der Höhepunkt aller Künste – die Dichtkunst, der Höhepunkt der Liebesfreuden – eine Schönantlitzige, der Höhepunkt der Furcht – der Tod, der Höhepunkt der grossen Schar guter Werke – die Ernährung der Untergebenen, der Höhepunkt des Hungers – das Zuendegehen der Nahrung, der Höhepunkt eines Meisters in den heiligen Schriften – das Sprechen über Vishṇu.

2496. (1003.) Busse ist der Büsser Macht, der Veda der Veda-Kundigen Macht, Leidzufügung der Bösen Macht, Nachsicht der Tugendhaften Macht.

[57] 2497. (1004.) Die Thränentropfen der Geliebten, die ihre beweglichen Augen auf die Durchmusterung der Strassenzeile gerichtet hat, zischen gewiss auf beim Niederfallen auf die von den heftigen Feuerflammen der Trennung glühend gewordene Herzgegend mit den weissen Brüsten.

2498. (4106.) Gute Menschen pflegen sich über das Weh der Welt zu härmen, da dieses der höchste Dienst ist, den man Purusha, der Seele des Weltalls, erweisen kann.

2499. (4107.) Der Tod rafft einen mit Vieh und Kindern gesegneten Mann, während sein Herz noch an diesen hängt, hinweg, wie ein Tiger eine schlafende Gazelle.

2500. (4108.) Selbst diejenigen, die nicht durch Gewalt, auch nicht durch die schärfsten Waffen bezwungen werden können, werden durch Güte bezwungen, wie (wilde) Elephanten durch Elephantenweibchen.

2501. Ein Jüngling denkt an Liebe, ein Mann an Reichthümer, ein Greis an den Tod, ein Armer an Vielerlei.

2502. (4109.) Wie kommt es, dass beim Beginn ihrer ersten Jugend[58] du, o Herz, ein ungestümer schöner Flamingo, zum prächtigen See, ihrem Leibe, dich immer und immer wieder begiebst? Siehst du denn nicht, o Blinder, weil das böse Schicksal es so will, die zur Seite ausgespannten und hingeworfenen Schlingen, jene Schlingpflanzen, die Ohren?

2503. (1005.) Wem bereitet die Regenzeit nicht Freude, da sie im Schmuck der Jungfrau erscheint, Liebe entzündet, mit ihrem aufgeblühten Jasmin herrlichen Duft verbreitet und unter der Last hoher, strotzender Wolken (Brüste) seufzt?

2504. In Folge zu grosser Kälte verbrennt man Bäume, in Folge zu vielen Regens entsteht Hungersnoth, in Folge zu grosser Freigebigkeit kommt man in den Fall etwas Unangemessenes zu thun: das »zu viel« hat man nirgends gern.

2505. Der Speculation fehlt das Fundament, die heiligen Schriften widersprechen sich, keines einzigen Weisen Meinung gilt als Autorität, das wahre Wesen des Rechtes liegt im Herzen verborgen, der von der Menge betretene Weg ist der rechte.

2506. (4110.) Die Begierde wird hier durch des Menschen Sünde nicht aufgehoben; sie weicht erst dann, wenn das Böse zu Ende gegangen ist.

2507. (4111.) Der Himmel sieht wie eine Fläche, ein Leuchtkäfer wie Feuer aus, und dennoch giebt es keine Fläche am Himmel und kein Feuer im Leuchtkäfer.

[59] 2508. (4112.) Fälschlicher Weise wird, o Schlankgliedrige, die Weichheit deiner Glieder allgemein gerühmt: wären sie in Wirklichkeit weich, würden sie mir dann wohl ohne Grund Schmerzen bereiten?

2509. (4113.) Erblickt eine Gazellenäugige in deiner Abwesenheit eine aufgesprungene Jasminblüthe, so will dieses, dass sie jetzt »ach« ausruft, schon viel sagen, aber wozu wären auch die unnützen Reden?

2510. (1006.) Wie dir das eigene Leben lieb ist, so auch allen übrigen Geschöpfen; deshalb sollen die Weisen auch diese Geschöpfe von der Todesfurcht befreien.

2511. (1007.) Wie könnte man Rechtssinn beim Diebe finden? Wie Nachsicht beim Bösewicht? Wie Anhänglichkeit bei Buhldirnen? Wie Wahrheit bei Verliebten?

2512. (1008.) Wie Ehren beim Ausgewanderten? Wie Wohlbehagen beim Zornigen? Wie Treue bei Weibern? Wie Freundschaft beim Schlechten?

2513. (1009.) Ein Fürst schütze hier auf Erden wie ein Vater seine Unterthanen vor Dieben, vor Beamten, vor Feinden, vor seinem Liebling und vor seiner eigenen Habsucht.

[60] 2514. Darum sind Hochgesinnte nicht im Stande Etwas zu thun, was Andern widerstrebt; dieses ist ja die vorschriftmässige edle Art hoher Charaktere.

2515. Darum soll man nicht zu sehr hängen an den Söhnen, an der Gattin, an den Freunden und am Besitz; die Trennung von ihnen ist ja gewiss.

2516. Darum sage man das Wahre, das einem Andern Freude macht; über das Wahre aber, das einem Andern Schmerz bereitet, schweige man.

2517. (1010.) Darum meide, wer auf sein Wohl bedacht ist, alles Ernstes sogar Alles, was nur den Namen des Weibes führt.

2518. (4115.) Darum soll man in allen Verhältnissen das eigene Leben schützen, weil Reichthümer und Nachkommenschaft, ja Alles dem Lebenden zu Theil wird.

2519. (4114.) Darum soll man stets sanfte, niemals aber rauhe Worte sprechen; auch soll man Ehrenwerthe ehren und spenden, aber niemals betteln.

[61] 2520. (1011.) Darum meide, wer sein Leben lieb hat, schon von Ferne ein Haus, in dem beständig grundloser Streit herrscht.

2521. (4116.) Darum soll ein Fürst, dem es um sein Wohl zu thun ist, in seinem Lande die Unterthanen schützen, weil man durch Opfer nicht so leicht den Himmel gewinnt, wie durch Schutz.

2522. (1012.) Darum richte deine Gedanken auf jenes unendliche, nicht alternde, höchste, sich entfaltende Brahman (was nützt dir diese in Wirklichkeit nicht vorhandene Mannichfaltigkeit?), aus dem sich vieles Andere ergiebt, was von erbärmlichen Wichten hoch angeschlagen wird, wie z.B. der Genuss an der Herrschaft über die Erde.

2523. (4118.) Darum baue man sich eine feste Burg, bringe Proviant und die Truppen des Bundesgenossen hinein, versehe sie mit Wällen und Gräben und statte sie mit Maschinen und Anderem wohl aus.

2524.(4119.) Innerhalb derselben halte man sich, zum Kampfe fest entschlossen: bleibt man am Leben, so gelangt man in den Besitz des Reiches; fällt man, so geht man in den Himmel ein.

[62] 2525. Daher kommt es und es kann darüber kein Zweifel herrschen, dass, wo und wie Etwas geschehen soll nach des Schicksals Fügung, man dahin und so zur Erlangung desselben geführt wird, man mag wollen oder nicht.

2526. (1014.) Darum soll man ja das, woraus kein grosser Vortheil, sondern nur ein Kampf hervorgehen kann, auf keinen Fall selbst hervorrufen und unternehmen.

2527. Wie sollte die Gattin Vishṇu's (die Glücksgöttin), obgleich er halb Mensch halb Löwe war, nicht unstät sein, da er stets vier Monate im Wasser liegt und dem Schlaf sich hingiebt?

2528. (1015.) »Warum verbirgst du, indem du thust, als wollest du dich zu meinen Füssen verneigen, die Brust, die deutliche Zeichen trägt, dass du ihren mit dicker Salbe überzogenen Busen fest an dich gedrückt hast?« Auf diese ihre Frage mit den Worten »wo das« antwortend, schloss ich, um jene Spuren alsbald zu verwischen, sie eiligst in meine Arme und über diese Wonne vergass die Schlanke, was geschehen war.

[63] 2529. (1016.) Wenn ihre Brüste strotzen, ihre Hinterbacken das Auge entzücken und ihr Gesicht schön ist, was brauchst du dann, o Herz, dich verwirren zu lassen? Trägst du Verlangen nach jenen, so sammle gute Werke ein, da ohne gute Werke das Ersehnte sich nicht erfüllt.

2530. (1017.) Die Weiber fügen sich nicht, selbst wenn sie mit einem Stocke geschlagen oder mit schneidenden Werkzeugen geschnitten werden, auch nicht in Folge von Geschenken oder guten Worten.

2531. (1018.) Wer nicht auf Böses sinnt, selbst wenn er vom Fürsten geschlagen, ausgescholten oder gestraft worden ist, der ist ein würdiger Diener der Fürsten.

2532. (4122.) Wie es das Schicksal will, der Art gestaltet sich der Vorsatz, der Art ist der Unternehmungsgeist und der Art auch die Gefährten.

2533. (1019.) Es ist doch seltsam, dass derselbe Mensch mit denselben gesunden Sinneswerkzeugen, mit demselben Namen, mit demselben ungetrübten Geiste, mit derselben Rede wie zuvor, plötzlich ein anderer wird, wenn ihn die dem Gelde inwohnende Gluth verlässt.

[64] 2534. (1020.) Die Hitze ist noch nicht vergangen und der Durst nicht unbedeutend, der Staub am Körper ist noch nicht abgewaschen und kein Bissen Wurzeln noch in aller Ruhe verzehrt worden; wie sollte wohl da schon von Liebesspiel die Rede sein? Es berührte, so sieh doch, der Elephant mit seinem weit ausgestreckten Rüssel eine junge Wasserrose und die Bienen erhoben, o Aerger, ohne Grund schon ein lautes Gesumme! (Die Leute benutzen den geringsten Schein um Jemanden Etwas anzuhängen).

2535. Der Gebrauch des Betels, das Tragen von feinen Kleidern, Gespräche über Frauenzimmer, das Pflegen der Sinne, das Schlafen am Tage und beständiges Zürnen sind die sechs Verbrechen derer, die der Welt entsagt haben.

2536. (1021.) Der Betel ist scharf, bitter, hitzend, süss, salzig und zusammenziehend, entfernt den Wind, vertreibt den Schleim, führt die Würmer ab, benimmt den üblen Geruch (aus dem Munde), ist eine Zierde des Mundes, reinigt und entzündet das Liebesfeuer: diese dreizehn Vorzüge des Betels sind, o Freund, sogar im Himmel schwer anzutreffen.

2537. (1022.) Ein unbedeutender Feind, den man nicht beachtet, schlägt Wurzeln wie eine Weinpalme; wie Feuer, das man in einem Dickicht zurücklässt, wird er in kurzer Zeit mächtig.

[65] 2538. So lange währt der Einfluss des Mondes, der Planeten, der Fixsterne und der Erde, so lange dauert die Macht der Zaubersprüche gegen Krankheit und Trennung, so lange wird Manneskraft an den Tag gelegt, so lange gehen Wünsche in Erfüllung und so lange ist der Mann ein Ehrenmann, als diese guten Werke der Menschen den Sieg davontragen; schwinden die guten Werke, so schwindet auch alles Andere.

2539. (1023.) Zunächst verursacht die Geburt grossen Schmerz, darauf beständige Armuth und dabei noch ein Lebensunterhalt durch Dienst: o Weh über die Kette von Leiden!

2540. So lange ein Mensch lebt, ist er Vater, Gatte, Verwandter; sobald man aber erfährt, dass er gestorben ist, hört die Liebe alsbald auf.

2541. (1024.) Zuneigung besteht so lange in der Welt, als Gaben gereicht werden: gewahrt das Kalb, dass die Milch versiegt, so verlässt es die Mutter.

2542. So lange ist man im Besitz aller Vorzüge, von scharfem Verstande,[66] gut, bei vorzüglichen Menschen beliebt, ein Held, von gutem Wandel, makellos, klug, mit den Künsten vertraut, ein Dichter, geschickt, der Tugend ergeben, beredt, ein mächtiger Herr, als man nicht das Wort »gieb« ausspricht, das wie ein harter Donnerkeil auf die Leute niederfällt.

2543. (1025.) So lange pflegt der Mann hier in allen Angelegenheiten selbst Herr zu sein, als die Weiber ihn nicht mit dem Stachel ihrer Reden anspornen und ihn gewaltsam festhalten.

2544. (1027.) So lange zeigt der Mann ein heiteres Gesicht und findet Gefallen an seinen Eltern, als er nicht im Geheimen der Weiber Reden vernimmt.

2545. (1026.) Nur so lange strahlt sogar bei Verständigen die Lampe, der ungetrübte Verstand, als sie nicht vom Saume des Gewandes, den beweglichen Augen der Gazellenäugigen, getroffen wird.

2546. (1028.) Nur so lange, als sie im Bereich der Augen ist, erscheint sie uns nektarartig; ist sie den Augen entschwunden, so ist sie schlimmer als Gift.

[67] 2547. So lange brüllt ein Elephant im Walde aus Verlangen nach Wasserrosen, als nicht ein Löwe mit kopfwärts gebogenem Schweife herankommt.

2548. So lange bestehen Vorzüge und Würde, als man nicht einen Andern mit einer Bitte angeht; sobald ein Mann bittet, sind seine Vorzüge und seine Würde dahin.

2549. So lange behauptet ein Mann seine Besonnenheit, sein richtiges Urtheil und seinen Charakter, als er nicht in den Bereich der Pfeile des Liebesgottes geräth.

2550. (1029.) So lange soll man sich vor einer Gefahr fürchten, als die Gefahr noch nicht da ist; sieht man, dass die Gefahr da ist, so soll man furchtlos dreinschlagen.

2551. So lange ist ein Mann klug, besonnen und im Besitz des Glückes, als er nicht in den Bereich der Buhlkünste eines Weibes geräth.

[68] 2552. Ein Brahmane soll so lange essen, bis er ohnmächtig niedersinkt; dann soll er aufstehen und wieder so lange essen, als er noch athmet.

2553. (1030.) So lange besteht Grösse, Gelehrsamkeit, edle Geburt und richtiges Urtheil, als nicht das Feuer des Gottes mit den fünf Pfeilen, o schau, in den Gliedern auflodert.

2554. (4123.) So lange verbringen auch die Kokila die Tage in Stillschweigen, bis die alle Menschen entzückende Sprache ertönt.

2555. (1031.) Wer ihre (der Weiber) Reden, es seien deren noch so wenige oder noch so viele, durch Werke wahr macht, den trifft bestimmt Geringschätzung in der Welt.

2556. (4124.) Solche Reden eignen sich für eine Gesellschaft, die die Gemüther der Eigenen, der Fremden, der Gelehrten, der Feinde und der Ungebildeten anzuziehen vermögen.

2557. (1032.) Es findet Vertrauen sogar zu Thieren statt, wenn diese nur Gutes thun: die Natur Edler verändert sich ja nicht, eben weil ihre Gemüthsart eine gute ist.

[69] 2558. (1033.) Der Thor, welcher einen Leichnam berührt, gleichviel ob Thier oder Mensch, wird rein durch die fünf von der Kuh kommenden Dinge oder durch die nach dem Monde benannten Fasten.

2559. (1034.) Aus einer Sesamblüthe (der Nase) kommt ein Wind, schön duftend wie Sandel; aus einem Paar blauer Wasserrosen (den Augen) schiessen, o Wunder, Pfeile hervor.

2560. Um einer Freude willen, die nicht grösser als ein Sesamkorn ist, giebt ja ein Verliebter seinen guten Lebenswandel auf, um hier und jenseits eines Schmerzes theilhaftig zu werden, der dem Berge Meru gleichkommt.

2561. (4125.) Ein halbes Sesamkorn und eine werthlose Brustbeere, die man sein nennt, sind besser denn fremde Nahrung und der staubige Erdboden ist besser denn ein fremdes Haus.

2562. (4126.) Wenn Sesamkörner mit Ḱampaka-Blüthen in Berührung kommen, werden sie wohlriechend und ihr Saft, der den Geruch von den Blumen annimmt, wird ungeniessbar: alle Eigenschaften gehen auf Anderes über.

[70] 2563. Aller Reiz zum Essen ist im Sesamkorn und Sesamöl geborgen, alle Kraft in der Butter und in der Milch, alle Lust in der Weiber schönstem Theile, alle Fussspuren in des Elephanten Spur.

2564. Der kluge Mann erkennt mit seinem Verstande das Oel im Sesamkorn, die Milch in der Kuh, das Feuer im Holz und auch das Mittel jene zu gewinnen.

2565. (4127.) Wenn der Tod den Menschen aufsucht, er mag stehen oder liegen, wie kommt es dann, dass dieser noch immer Zufriedenheit findet, da der Tod ihn doch unverhofft vernichtet?

2566. (4128.) Diejenigen, die zu den Füssen Çiva's, des Herrn des Viehes, stehen, erhalten ja sofort nichts Anderes, als Asche; was für schöne Tage dagegen haben nicht stets diejenigen, die seinem Stiere nachgehen, da sie glänzendes Gold erhalten?

2567. Derjenige Mann, welcher tausend Weltperioden hindurch auf Einem Fusse steht, und derjenige, welcher nur einen Monat an der Gañgâ weilt, stehen einander gleich oder auch nicht (d.i. der Zweite steht vielleicht noch höher als der Erste).

[71] 2568. (1035.) Dreimal zehn Millionen und noch fünf Millionen ist die Zahl der Haare am Körper des Menschen; so lange Zeit verweilt im Himmel ein Weib, das seinem Gatten im Tode folgt.

2569. (4129.) Einem strengen, kargen, fahrlässigen, hochmüthigen und falschen Fürsten springt im Unglück kein Mensch bei.

2570. Der Glücksgöttin ist es wie einer frei umherziehenden Buhldirne schwer recht zu machen: vor dem Strengen hat sie eine Scheu, beim Milden verbleibt sie nicht aus Furcht vor Demüthigungen, Dummköpfe hasst sie, zu gar grossen Gelehrten fühlt sie keine Zuneigung, auch fürchtet sie sich sehr vor Heldenmüthigen und ganz Feige verlacht sie, o Weh!

2571. (1036.) Der Verstand des Guten ist scharf, aber nicht verletzend; seine That milde, aber dabei Ehrfurcht gebietend; sein Gemüth nicht versengend, aber dabei doch heiss; er ist beredt, aber seine Rede bleibt sich treu.

2572. (4130.) Sogar an eine solche Sache, an die man schliesslich mit scharfen Mitteln sich machen muss, geht man am Anfange mit Güte: einen hohen Sâla, die Zierde der Wälder, den Fürsten der Bäume, fällt man erst dann, wenn man ihm zuvor Ehren erwiesen hat.

[72] 2573. (4131.) Der in heiligem Wasser lebende Raubfisch Timi verzehrt seine eigenen Geschlechtsgenossen, der dem Gelübde des Schweigens obliegende Reiher verschluckt den Timi, der im Walde wohnende Jäger aber schleicht sich heran und tödtet den Reiher: es versteht sich stets Einer besser als der Andere auf die Kunst des Betrügens.

2574. (1037.) An heiligen Badeplätzen, in Einsiedeleien und in Tempeln verkehre er (der Fürst) mit seinen als Büsser verkleideten Spähern, unter dem Scheine, als wolle er die Wissenschaften erlernen.

2575. (4132.) Obgleich der Timi in heiligem Wasser lebt und das Gelübde des Schweigens übt, beschäftigt er sich dennoch mit dem Verzehren seiner Geschlechtsgenossen; obgleich der Pfau nur vom Wasser der Wolke lebt, verschluckt er dennoch täglich Schlangen; obgleich der Reiher fromme Beschaulichkeit an den Tag legt, verspeist er dennoch Fische, die sich keines[73] Bösen versehen: bei Bösewichtern darf man auch, dem Ueben guter Werke nicht trauen, da dieses nur eine andere Form ihrer Fehler ist.

2576. Ueber eine würdige Person, über Gott und über die Tugend streiten die Gelehrten vielfach; dass aber die Mutter eine würdige Person und dass Mitleid eine Tugend sei, darin stimmen alle Systeme überein.

2577. (1038.) Heftige und Angst verursachende Worte, die von Männern schlechten Betragens ausgestossen werden, schneiden wie scharfe Waffen in die empfindlichen Theile der Menschen.

2578. (1039.) »Das Haus ist hoch, die Söhne stehen bei Edlen in Achtung, der Reichthum ist unzählbar, die Geliebte schön, die Jugend im ersten Beginn«, so sagt der von Unwissenheit bethörte Mensch zu sich und begiebt sich, weil er Alles für unvergänglich hält, in das Gefängniss, welches Leben heisst; der Glückliche aber, der erkannt hat, dass alles dieses nach einem Augenblick zusammenstürzen kann, entsagt der Welt und ergiebt sich dem beschaulichen Leben.

2579. (1040.) Der Berg hat Höhe, nicht Tiefe; das Meer diese, nicht jene; Beides aber hat der Kluge und darum geht Nichts über ihn.

2580. Die Wünsche Hochstehender vermögen Höhere, nicht Niedrige, zu erfüllen: nur Wolken, nicht Flüsse, benehmen Bergen die heftige Gluth im Sommer.

[74] 2581. (1041.) Man schenke hundert tausend Rosse, hundert tausend Kühe und Elephanten, eine Schale aus Gold oder Silber, die meerumgrenzte Erde, zehn Millionen Jungfrauen, Töchter von Weibern aus reinem Geschlecht: auf keine Weise kann eine Gabe Reis, die über Alles geht, diesen gleichgestellt werden.

2582. (1042.) Wenn Mäuse eine Wage von tausend (Pfund) Eisen fressen, dann kann man, o König, nicht daran zweifeln, dass ein Falke einen Knaben fortzuschleppen vermöchte.

2583. (1043.) Gleich ist der Schmerz, den Edle und Gemeine in ihrem Zorne Andern zufügen: Sandelholz und gemeines Brennholz brennen nimmer verschieden.

2584. (1044.) Wer einen Diener von gleichem Reichthum und von gleicher Macht, der die verwundbaren Stellen kennt, unternehmend ist und die halbe Macht des Fürsten an sich gerissen hat, nicht umbringt, der wird selbst umgebracht.

[75] 2585. (1045.) Dass bei gleichem Vergehen Râhu die Sonne nach längeren, den Mond nach kürzeren Zwischenräumen verschluckt, ist die offenbare Folge der Milde (des Mondes).

2586. (4133.) Brahmanen freuen sich über das Essen, Pfauen über das Getöse der Wolken, Gute über Anderer Glück, Böse über Anderer Unglück.

2587. (4134.) Ein Strohhalm ist für den Philosophen der Himmel, ein Strohhalm für den Helden das Leben, ein Strohhalm ist für den, der die Sinne bezwungen hat, das Weib; ein Strohhalm für den, der kein Verlangen mehr hat, die Welt.

2588. (1046.) Zarte Grashalme, die sich nach allen Seiten tief neigen, entwurzelt der Sturmwind nicht; er thut nur hohen Bäumen ein Leid an: ein Grosser entwickelt seine Macht nur gegen Grosse.

2589. (1047.) Gras (zum Lager), Erde (zum Ausruhen), Wasser und freundliche Rede als viertes, keines von diesen geht im Hause der Guten jemals aus.

[76] 2590. (1048.) Baumwolle ist leichter als ein Grashalm und ein Bettler noch leichter als Baumwolle sogar: hat diesen da nicht der Wind hergebracht, damit er mich um eine Gabe anspreche?

2591. Wiederkäuer geben Gras von sich, Schlangen Gift, Kinder Thränen: einen Saft, der dem Tone gleich käme, giebt es nicht.

2592. Wie Feuer, wenn es mit Gräsern bedeckt wird, mächtig aufsteigt, so auch ein Vorzug, wenn er verhüllt wird; wer eines Andern Vorzüge zu Nichte zu machen bestrebt ist, der wird lediglich zu einem Bösewicht.

2593. (4135.) Gold lernt man mittels eines brennenden Grasbüschels kennen, den Rechtschaffenen erkennt man am Betragen, den Guten im Umgange, den Helden in Gefahren, den Klugen in schwierigen Angelegenheiten, Freunde und Feinde in grossen Nöthen.

2594. (1049.) Sehr hoch Stehende können sogar durch bedeutende Grosse nicht zufriedengestellt werden: der volle Ocean, der noch auf den Aufgang des Mondes wartet, ist ein Beispiel dafür.

[77] 2595. Ein Fürst kann nie genug Reichthümer zusammenscharren, das Meer nie genug Flusswasser aufnehmen, Gelehrte können nie genug schöne Aussprüche hören und das Auge kann nie genug einen lieben Freund sehen.

2596. (1050.) Wird der Mund vor Durst trocken, so trinkt man süsses, wohlriechendes Wasser; wird man vom Hunger gequält, so verschlingt man Reis mit Fleisch und anderer Zuthat; lodert das Feuer der Liebe auf, so schliesst man ein Weib fest in seine Arme: die Menschen sind der verkehrten Ansicht, dass es ein Glück sei, einer Krankheit durch Arzeneien entgegenzuarbeiten.

2597. (1051.) Vernichte die Gier, pflege der Geduld, gieb den Wahn auf, finde keinen Gefallen an der Sünde, sprich die Wahrheit, geh den Weg der Guten, ehre die Gelehrten, achte die Achtungswerthen, suche sogar Feinde zu gewinnnen, verbirg deine Vorzüge, hüte deinen Ruhm, übe Mitleid an Unglücklichen: dies ist die Handlungsweise Edler.

[78] 2598. (1052.) Wenn man der Habsucht entsagt hat, ist man weder arm, noch reich; giebt man aber jener freien Lauf, so hat man alsbald die Knechtschaft auf dem Nacken.

2599. (4136.) Die Gier ist schlimmer als alles Andere, bewirkt, wie man sagt, beständige Aufregung, hat viel mit Unrecht zu schaffen, ist fürchterlich und hat Böses im Gefolge.

2600. (1053.) Ich verbeuge mich vor dir, o Göttin Gier, die du alle Besonnenheit zu Schanden machst, da du ja Vishṇu, obgleich er der Herr der Dreiwelt ist, in einen Zwerg umgewandelt hast.

2601. (4137.) Und auch diese erfahrenen und geschickten Aerzte, die eine Menge von Arzeneien zusammengebracht haben, werden von Krankheiten gequält und gepeinigt, wie Gazellen von Jägern.

2602. (4138.) Obgleich sie Kräutertränke und allerlei Oele schlürfen, so sieht man sie dennoch vom Alter gebrochen, wie Bäume vom mächtigen Elephanten.

[79] 2603. (1054.) Ein Glanzvoller (Heldenmüthiger) wird, auch wenn er in weiter Ferne weilt, doch zu den Glanzvollen (Heldenmüthigen) gezählt: dem Büsser, der sich fünf Feuern aussetzt, gilt die Sonne für das fünfte Feuer.

2604. Freude an unbesonnenen Wagnissen ist noch kein Heldenmuth und unangenehme, von Ungebildeten vorgebrachte Worte sind noch keine Rede: wer nach vollbrachtem Werke sich nicht überhebt, der ist heldenmüthig, nicht der Prahler.

2605. (1055.) Der wird nicht von scharfen Pfeilen, den Kränkungen böser Menschen, getroffen, der ist klug und geniesst das Glück der Seelenruhe, wer das Dickicht der Armlianen der Weiber verlässt und in Büsserhainen weilt, die Seelenruhe zur Frucht haben.

2606. (4139.) Wen versetzen hier auf Erden die Locken der Mädchen mit starken Wimpern und Bösewichter nicht in Aufregung, sobald sie ihm nur in die Augen fallen, die Locken und die Bösewichter, die stets nach unten streben, mit Leichtigkeit sich an die Stirn (die Falschheit) heften und die Schwärze wie die Krausheit nimmer aufgeben?

[80] 2607. Das sind (wirkliche) Länder, Reiche, Einsiedeleien und Gebirge, wo der schönste der Ströme, die Gañgâ, Bhagîratha's Tochter, hindurchfliesst.

2608. (1056.) Diejenigen sind hier auf Erden glücklich, haben die rechte Einsicht und sind des Preisens werth, in deren Haus befreundete Männer in ihren Angelegenheiten kommen.

2609. (1057.) Der hat Alles gelesen, gehört und vollbracht, wer der Hoffnung den Rücken gekehrt hat und sein Heil darin sieht, dass er Nichts mehr hofft.

2610. (1058.) Dichter, die sich damit abgeben, fremdes Gut zu stehlen, verspeisen eines Andern Auswurf und essen eines Andern Koth.

2611. (1059.) Söhne sind die, die dem Vater in Liebe zugethan sind; ein Vater ist aber der, der die Kinder ernährt; ein Freund ist der, dem wir unser Vertrauen schenken können; eine Frau ist die, durch die wir glücklich sind.

[81] 2612. Diejenigen, welche stets die Gañgâ besuchen, o Vorzüglichster unter den Einsichtsvollen, sind sicher von Heiligen, Göttern und Vâsava bedacht worden.

2613. (1060.) Diejenigen haben gute Werke vollbracht und die Frucht dieses Lebens gepflückt, welche ihrem eigenen Vortheil entsagend, den Leib für Nichts anschlugen.

2614. Sesamöl, die Sonne, Betel, eine mit Baumwolle gestopfte Matratze, ein kupferner Topf, heisses Wasser und Jungfrauen, diese sieben bringen Behagen in der kalten Jahreszeit.

2615. (4140.) Beim Einsalben mit Oel, beim Rauch eines Scheiterhaufens, bei der Begattung und beim Rasiren der Haare ist man so lange ein Ḱândâla, bis man eine Abwaschung vollbringt.

2616. Der Kinder Freund sind die Eltern, des Auges Freund ist das Augenlied, des Weibes Freund der Gatte, der Unterthanen Freund der Herrscher, der Bettler Freund ein Hausherr, der Unwissenden Freund ein Kluger.

2617. Ein mit moralischem Verdienste ausgestatteter Mann gewinnt[82] durch dieses ein Ansehen, wie ein Teich durch Wasser, eine kinderlose Frau durch Schönheit, ein Heer durch einen guten Führer, der Leib durch die Seele, eine Wolkenmasse durch schönen Regen, ein Tempel durch Anbetung der Götter, ein Gedicht durch das Hervortreten einer Grundstimmung, eine Geliebte durch Zuneigung.

2618. (1061.) Wer die Seinigen verlässt und Fremde zu den Seinigen macht, der findet den Tod wie König Kakuddruma, der Schakal.

2619. (1062.) Edle Menschen geben, indem sie das Glück aller Geschöpfe wünschen, das Verlangen nach dem Genuss eigenen Glückes auf und sind durch das Unglück Anderer stets unglücklich.

2620. Ein Bösewicht stört, sogar mit Aufopferung seines Lebens, nur die Freuden Anderer: eine Fliege setzt sich ja auf einen Bissen und bereitet bei dem, der ihn verzehrte, alsbald Erbrechen.

2621. (1063.) Meide den Verkehr mit Bösen, suche den Umgang mit Guten, thue Gutes Tag und Nacht, sei stets der Unbeständigkeit der Dinge eingedenk.

[83] 2622. (4141.) Bundesgenossen, Gattin, Diener und Freunde verlassen den von Geld Entblössten und finden sich beim reich gewordenen Manne wieder ein, da in der Welt das Geld des Menschen Freund ist.

2623. (4142.) Meide, o Sohn, den Verkehr mit einem Unbedeutenden und suche den Umgang mit Ausgezeichneten! Höre, o junge Schlange, dass ein Frosch eine Schlange getödtet hat.

2624. (1064.) Thue Niemanden Schaden, übe Mitleid, beobachte das ewige Gesetz und bringe selbst mit Aufopferung des eigenen Lebens Hilfe den Geschöpfen.

2625. (4143.) Man begebe sich also der Reichthümer oder ertrage die daraus hervorgehenden Leiden, da es keinen Reichen giebt, der nicht mit Unfällen zu kämpfen hätte.

2626. (Ein Weib) giebt die Furcht vor der Familie, die Scham, die Pflicht, die Verwandten, den Ruf und den Reichthum auf, sobald sie eines Jünglings habhaft wird, der als Held im Liebesgenuss zum Liebesgenuss bereit ist.

2627. (1066.) Für eine Familie opfere man einen Mann, für ein Dorf[84] opfere man eine Familie, für ein Reich ein Dorf, für das eigene Selbst die ganze Erde.

2628. (1065.) Sogar eine Mutter lässt ihren Sohn im Stich, wenn sie vom Hunger gequält wird; eine vom Hunger gequälte Schlange verschlingt ihr eigenes Ei. Welche Missethat begeht nicht ein Hungriger? Menschen in Noth kennen kein Mitleid.

2629. (4144.) Man gebe ein Gesetz auf, das kein Mitleid kennt; man verlasse einen Lehrer, dem Wissen abgeht; man verlasse eine Gattin, auf deren Gesicht der Zorn geschrieben ist; man verlasse Freunde, die der Liebe ermangeln.

2630. (4145.) Reichthümer aufzugeben fällt schwer; sie zu hüten ist auch nicht angenehm; sie zu erwerben kostet Mühe: darum soll man sich über ihren Verlust keine Sorgen machen.

2631. (1067.) Freigebigkeit ist die einzige Tugend, die des Rühmens werth ist; was nützt die grosse Schar der übrigen Tugenden? Gerade ihrer Freigebigkeit wegen werden ja Hausvieh, Steine und Bäume in Ehren gehalten.

[85] 2632. (1068.) Freigebigkeit, Wahrheitsliebe und Heldenmuth sind die drei Haupttugenden: ein Fürst, der diese besitzt, wird aller übrigen Tugenden theilhaftig.

2633. (1069.) Ein Mann, der Geschmack findet am Umgange mit einem Freigebigen, einem Helden und einem Gelehrten, erhält Vorzüge; einem Manne mit Vorzügen fliesst Reichthum zu; auf Reichthum folgt hohe Stellung; ein Mann, der eine hohe Stellung einnimmt, übt Autorität; daraus entspringt Herrschaft.

2634. (1070.) Die Freigebigkeit halte ich für eine Tugend, die über hundert andern steht; schmückt den selben Mann auch Gelehrsamkeit, so weiss ich nicht, was ich dazu sagen soll; findet man überdies noch Heldenmuth an ihm, so beuge ich mein Haupt vor ihm. Dass aber diese drei Tugenden nicht eifersüchtig auf einander sind, ist gar wunderbar.

2635. (1071.) Dass Freuden, die aus der Berührung mit der Aussenwelt entspringen, von Männern zu meiden seien, weil sie mit Schmerzen verbunden sind, ist eine Vernünftelei der Thoren. Wer in aller Welt, dem es um sein Bestes zu thun ist, möchte wohl Reis mit seinen vielen weissen, schönen Körnern verschmähen, weil diese mit einer feinen Hülse bedeckt sind?

[86] 2636. (1072.) Man darf den Muth nicht sinken lassen, auch wenn das Schicksal widerwärtig sein sollte, da man durch Standhaftigkeit über kurz oder lang eine feste Stellung erlangen kann. Wünscht doch ein Seefahrer, wenn ihm auch im Meere ein Schiffbruch widerfahren ist, seinen Bestimmungsort zu erreichen.

2637. Dreie leiden für Andere: Zeugen, ein Bürge und eine Familie; Viere aber gedeihen: ein Brahmane, ein Reicher, ein Kaufmann und ein Fürst.

2638. (1073.) Dreie verlassen ihren Standort nicht: Krähen, Feiglinge und Gazellen; Dreie ziehen davon, wenn man ihnen Geringschätzung zeigt: Löwen, gute Menschen und Elephanten.

2639. Warum zitterst du, Häschen, beim Anblick eines Löwen? Dieser dagegen achtet nicht im Geringsten auf den Seitenblick eines mächtigen Elephanten.

[87] 2640. Wenu man Jedermann schützt mit Wort, Leib und That und andererseits auch dem eigenen Sohne Nichts nachsieht, so heisst dieses Fürstenpflicht.

2641. (4146.) Aus Furcht und aus Liebe zum Leben pflegt man bescheiden zu sein: wenn ich in den Tod gehen muss, wozu soll ich dem Löwen schmeicheln?

2642. (1074.) Den Lohn für ungewöhnlich gute oder schlechte Thaten kostet man schon hier, nach drei Jahren, drei Monaten, drei Halbmonaten oder drei Tagen.

2643. (4147.) Vishṇu, der Herr der drei Welten, ward zur Zielscheibe der Pfeile eines wilden Bergbewohners; der Schöpfer der Welten (Brahman) musste es leiden, dass ihm ein Haupt abgeschlagen wurde; Sonne und Mond da wurden ein Bissen Râhu's; der mächtige Çiva ist nackt: wer vermag über das hinweg zu kommen, was ihm an die Stirn geschrieben wurde?

2644. (1075.) Jener Vishṇu ward sogar ein Zwerg, der mit drei Schritten die Dreiwelt durchmaass, ja auch ein Eber und auch halb Mensch halb Löwe: mit allen möglichen Mitteln, niedrigen, nicht niedrigen und ganz niedrigen soll man ein Ziel erreichen

[88] 2645. (1076.) Dies sind die drei Thore zur Hölle, die uns in's Verderben bringen: die Liebe, der Zorn und die Habsucht. Darum meide man diese drei.

2646. (1077.) Es sind, o König, die Diener von dreierlei Art: ausgezeichnete, schlechte und mittelmässige; diese soll man, wie es sich gehört, auch zu dreierlei Verrichtungen verwenden.

2647. Es giebt in der Welt Diener von dreierlei Art: ausgezeichnete, schlechte und mittelmässige; die Vorzüge und Mängel aller dieser drei will ich dir nun verkünden.

2648. Eine Berathung findet mit Dreien Statt: mit solchen, die einen Plan zu machen im Stande sind, mit Freunden, die einen gleichen Zweck verfolgen, oder mit überlegenen Verwandten.

2649. Wer sich nun mit diesen beräth, bevor er an ein Werk geht, und wer auf das Schicksal die gehörige Rücksicht nimmt, den nennt man einen ausgezeichneten Diener.

2650. Wer eine Sache allein erwägt, allein seinen Sinn auf das Rechte richtet und allein die Angelegenheiten vollbringt, den nennt man einen mittelmässigen Diener.

2651. Wer sich nicht vom Vortheil oder Nachtheil einer Sache überzeugt,[89] es versäumt auf das Schicksal Rücksicht zu nehmen und ein Geschäft vernachlässigt, indem er bei sich denkt, er werde es schon vollbringen, den nennt man einen schlechten Diener.

2652. Alle lebende Wesen, die sich in den drei Welten befinden, werden vollkommen gesättigt, wenn sie das schöne Gañgâ-Wasser geniessen.

2653. (4148.) In allen drei Welten ist Essen etwas Vorzügliches, aber noch vorzüglicher als dieses ist die Feier des Liebesgenusses: ob Essen da ist oder nicht, kümmert uns wenig, aber ein Leben ohne Liebesgenuss weisen wir von uns.

2654. (1078.) Du bist König, uns hebt das stolze Bewusstsein der Weisheit eines gefeierten Lehrers; du bist deiner Reichthümer wegen berühmt, unsern Ruhm verbreiten die Dichter nach allen Weltgegenden. Auf diese Weise ist, o Ehrenspender, zwischen uns Beiden kein gar zu grosser Unterschied; bist du uns abgeneigt, so sind wir vollkommen gleichgiltig gegen Alles.

[90] 2655. (1079.) Wenn du (Çiva) auf einem Stiere reitest, warum sollten die welttragenden Elephanten geringgeachtet werden? Wenn du aus Schlangen bestehende Armbänder anlegst, lässt man darum das Gold nicht fahren; wenn du den Weisstrahligen (den Mond) als Diadem auf dem Kopfe trägst, sollte darum die Leuchte der Dreiwelt (die Sonne), die Freundin der am Tage blühenden Wasserrosen, zur Unehre kommen? Doch was reden wir, da du der Herr der Welten bist?

2656. (1080.) Wem scheint nicht Jasmin, Mondsichel und Pisang hart, wenn er der Zartheit deines Leibes inne wird?

2657. (4149.) Des Liebesgottes siegreiches Geschoss, o Schöne, d.i. dein äusserer Augenwinkel, wurde gegen einen Andern geschleudert, hat aber auch mich hier im Herzen verwundet.

2658. (4150.) Dein Antlitz mit den beweglichen Augen und mit dem zum Vorschein kommenden Glanze der Zähne erscheint wie ein Lotus mit umherschwärmenden Bienen und kaum sichtbaren Staubfäden.

2659. (4151.) Zwischen deinem Antlitz und einem Lotus besteht ein Unterschied: der Lotus wächst im Wasser, dein Antlitz schliesst sich an dich an.

2660. (4152.) Beide, dein Antlitz und der Lotus, sind weit geöffnet[91] und duften schön: der Lotus ist mit schwärmenden Bienen, dein Antlitz dagegen mit beweglichen Augen versehen.

2661. (1081.) Wem ist es nicht bekannt, dass nur du, o Wolke, des Ḱâtaka Stütze bist? Pfui über dich, dass du da erst auf sein Jammern wartest!

2662. (4153.) Du bist des Schöpfers erstes Geschöpf (die vorangehende Wurzel); du bist der Gegenstand des höchsten Vertrauens (das nachfolgende Suffix); Nichts giebt es, was man von dir nicht ausgesagt hätte (du hast Nichts als Aussageformen, Verba finita): mit wem soll man dich, o Schutzherr, vergleichen?

2663. (1082.) Du bist mir Mutter und auch Vater, du bist mein Anverwandter und mein Freund, du bist mein Wissen und mein Reichthum, du bist mein Alles, o Gott der Götter!

2664. (1083.) Bist du, mit den Augen des Ḱakora, meine Geliebte, so frage ich nicht nach den Freuden der Himmelswelt; bist du es nicht, so frage ich eben so wenig danach.

[92] 2665. (1084.) »O Schönäugige, gerade ohne Mieder entfaltest du herzraubende Anmuth«. Als ein Geliebter, diese Worte sprechend, Hand an die Bänder des Mieders legte, da waren die Freundinnen über die frohlockenden Augen der am Rande des Lagers sitzenden Freundin mit dem lächelnden Munde hoch erfreut und verliessen unter einem erdichteten Vorwande leise das Gemach.

2666. (4154.) Diese drei Dinge wurden zugleich gethan: von dir die blaue Wasserrose an's Ohr, vom Liebesgott der Pfeil auf den Bogen und von mir der Gedanke zum Sterben.

2667. (1085.) Die Schlanke gewinnt an Glanz durch dich und du wieder durch sie: durch die Nacht gewinnt der Mond an Glanz und durch ihn wieder die Nacht.

2668. (1086.) Sobald sie dich erblickt, legt sich in ihrem Herzen der vom Liebesgott entzündete Brand: beim Anblick des Mondes entfaltet sich ja die Blüthe der bei Nacht blühenden Wasserrose.

2669. (1087.) Wenn sie dich erblickt, schwindet der vom Liebesgott kommende Schmerz der Gazellenäugigen: so lange der Mond nicht aufgegangen ist, gewahrt man eine Erschlaffung an den bei Nacht blühenden Wasserrosen.

2670. (4155.) In dir, in mir und auch im Andern ist nur der eine Vishṇu; unnützer Weise zürnst du Unduldsamer mir! Erblicke Jedermann in dir und dich in Jedermann und gieb es auf, überall Verschiedenheit zu sehen!

[93] 2671. (4156.) Als du in den Kampf kamst, gelangte der Bogen zu Pfeilen, die Pfeile zu des Feindes Haupt, dieses zur Erde, diese zu dir und du zum Ruhm.

2672. (4157.) Wenn der Feind die Bedingung stellt, dass seine Sache durch den Gegner allein (ohne Mittelsperson) geregelt werde, so heisst ein darauf geschlossenes Bündniss Adṛshṭapurusha (wobei Niemand gesehen wird).

2673. Was hat der Verständige eiligst zu thun? Die ununterbrochene Kette der Geburten zu durchschneiden. Was ist der Same des Baumes der Erlösung? Richtige Erkenntniss, von Handlungen begleitet.

2674. (1088.) Dich, o Bauch, lobe ich, weil du schon beim Genuss von Gemüse Befriedigung gefunden hast; nicht lobe ich aber das verdammte Herz, das wegen der Hunderte von Wünschen nach mehr und mehr schwer zu sättigen ist.

2675. (1089.) Wie eine Schlange ohne Zähne und ein Elephant ohne Brunstsaft, so ist auch ein Mann ohne Geld nur dem Namen nach Mann.

2676. (1091.) Wie eine Schlange ohne Zähne und ein Elephant ohne Brunstsaft Jedermann zu Willen sein müssen, so ein König ohne Burg.

[94] 2677. (1090.) Wie eine Schlange ohne Zähne und ein Elephant ohne Brunstsaft, so ist auch ein König ohne Burg Jedermann zugänglich.

2678. (1092.) Rührigkeit, Biederkeit, Festigkeit, Geduld, Unempfindlichkeit gegen Leiden aller Art, Genügsamkeit, gute Gemüthsart und Ausdauer bilden den Schmuck eines Untergebenen.

2679. (1093.) Der Rührige gelangt zu Wohlstand, wer Zuträgliches geniesst – zu Gesundheit, der Gesunde – zu Wohlbehagen, der Fleissige – zum Ende der Wissenschaft, der Wohlerzogene – zu Tugend, Geld und Ruhm.

2680. Wer ist wohl der Allergeschickteste? Der sich vom Kobold Weib nicht anführen lässt. Was ist doch der Lebenden Fessel? Das Weib. Was ist himmlisches Gelübde? Das Aufgeben jeglicher Niedergeschlagenheit.

2681. Den Lohn, welchen ein mit Opfergeschenken und Anderm ausgestattetes Rossopfer bringt, erlangt derjenige, welcher einen bei ihm Zuflucht Suchenden in gebührender Weise schützt.

2682. (1094.) Feuer, erzeugt durch die starke Reibung der Stämme an einander, hat einen Wald von Bambusrohr versengt; Wasser, dessen Ueberfluthen nur einen Augenblick anhielt, hat es bewirkt, dass die Wurzeln jener[95] (versengten Bäume) ausgerissen wurden. Was hat der Schöpfer nicht Alles zusammenketten müssen, um einem durch die Gewalt eines Sturmwindes entwurzelten Baume, der, ich weiss nicht woher, angeflogen kam, in jener (vom Wasser bewirkten) Höhlung eines mächtigen Berges zu festem Wachsthum zu verhelfen?

2683. Der von Çiva verbrannte Liebesgott hat sich in der Form von Beinschwärze erhalten; darum haben verliebte Frauen Lampenruss auf ihren Augenrändern.

2684. (4158.) Man glühe Gold noch so oft, es giebt seine Glanzfarbe nicht auf; matt schneide Zuckerrohr in noch so viele Stücke, es giebt seine Süsse nicht auf; man reibe Sandelholz noch so sehr, es giebt seinen Wohlgeruch nicht auf: bei Hochstehenden erfolgt sogar im Tode kein Wandel ihres angeborenen Wesens.

2685. (4159.) Wenn dem Schöpfer plötzlich die Lust ankommt, in einem Feuerfunken mit schwach aufflammendem Lichte, der inmitten eines Haufens ausgebrannter Kohlen hin und her zuckt, eine unvergleichliche Kraft zu erzeugen, dann bewirkt er in einem Menschen, der diesen Funken auszulöschen beabsichtigt, den Irrthum, dass er in einem ihm zur Seite stehenden Topfe mit vieler von der Hitze geschmolzener Butter einen Krug mit Wasser zu sehen wähnt.

2686. Söhne, Freunde, Verwandte und die mit diesen gehen, kehren wieder heim, wenn sie den Todten verbrannt haben; vollbringe also gute Werke (damit du nicht ohne Geleite seiest beim Gange in jene Welt).

[96] 2687. Wenn ein Fürst einem Feinde gegenüber andere Mittel als Gewalt anwendet, dann hält dieser ihn für feig und fällt ohne Weiteres über ihn her.

2688. (4162.) Die Strafe hält alle Geschöpfe in Zucht, die Strafe ist es, die sie beschützt, die Strafe wacht über den Schlafenden, in der Strafe erkennen Weise das Gesetz.

2689. (1095.) Ein Mann, der einen durch Gewalt zur Unterwerfung gebrachten Feind freundlich aufnimmt, zieht sich den Tod zu, wie ein Maulthierweibchen, das eine Leibesfrucht aufnimmt.

2690. Die Strafe ist ja ein gar mächtiges Feuer und schwer zu handhaben für diejenigen, deren Geist nicht geläutert ist: wenn ein Fürst vom Rechte weicht, vernichtet sie ihn mitsammt seiner Sippe.

2691. (4163.) Nimmer geräth der Fürst in Verlegenheit, der Strafe verhängt über den, der Strafe verdient, denjenigen schützt, der keine Strafe verdient, und gegen Feind und Freund gleich ist.

[97] 2692. Derjenige, der Strafe verhängt über den, der sie verdient, sowie derjenige, der gestraft wird, wenn er Strafe verdient, Beide gelangen, der Eine thätig, der Andere leidend, zum Ziel und gerathen nimmer in Verlegenheit.

2693. Spenden, Trankopfer, Brandopfer, vollbrachte Kasteiungen und die Veda beruhen auf Wahrheit; darum soll man der Wahrheit leben.

2694. (1096.) Spenden, Trankopfer, vollbrachte Kasteiungen, Wallfahrten und Brandopfer sind nicht ein Sechszehntel von dem werth, was die Sicherstellung aller Geschöpfe vor jeglicher Unbill gilt.

2695. (1097.) Das Zauberjuwel und die Wunschkuh geben alsbald das, woran man gedacht hat; der zufriedengestellte Bettler ist aber noch mächtiger: er schafft uns sowohl das, woran wir gedacht, als auch das, woran wir nicht gedacht haben.

2696. (1098.) Du warst es, der ihr seine Zuneigung schenkte, du warst es, der sie lange Zeit hegte und pflegte, und du bist es, der durch den Willen des Schicksals ihr heute ein frisches Leid angethan hat. Dieser Aerger ist schwer zu überwinden und lässt sich offenbar durch freundliche Worte nicht beschwichtigen. O du Grausamer! Nun so mag die Freundin aus vollem Halse zum Erbarmen heulen!

[98] 2697. (1099.) Die Gazellenäugige gab mir den Seitenblick und nahm dafür mein Herz; ich dagegen gab mein Herz hin und nahm dafür das Liebesfieber.

2698. (1100.) Ein Verständiger soll einen Feind tödten, selbst wenn er diesem zuvor seine Tochter zum Weibe gegeben hat. Es ist keine Sünde ihn zu tödten, wenn man ihn mit andern Mitteln nicht unschädlich machen kann.

2699. Wenn ein Fürst allgemeine Sicherheit gewährt, sich selbst aber aus Gier nach Reichthümern nicht darnach richtet, dann ladet er, der Mann ungerechten Sinnes, die Sünden Aller auf sich und fährt zur Hölle.

2700. Wenn dagegen ein Fürst allgemeine Sicherheit gewährt und auch sich selbst darnach richtet, dann erkenne man in ihm den Mann, der Allen Wohlbehagen bringt, da er die Unterthanen auf gerechte Weise schützt.

2701. (1101.) Auch habe ich gehört, dass Männer betteln, die früher Almosen gaben, dass Andere getödtet werden, die früher selbst tödteten, und dass solche, die früher Andere niederwarfen, später selbst niedergeworfen werden.

[99] 2702. (1102.) Ihr, die ihr Flüche habt, möget immerhin Flüche ausstossen; da uns die Flüche abgehen, können wir sie auch nicht ausstossen. In der Welt kennt man das Sprichwort: man giebt was man hat, ein Hasenhorn giebt ja Niemand dem Andern.

2703. (1103.) Der Freundschaft Zeichen sind sechs: man giebt und empfängt, erzählt Geheimnisse und fragt nach ihnen, speist beim Andern und lässt diesen wieder bei sich speisen.

2704. (1104.) Wenn ein Guter einem Bösewicht Eingang gestattet in seinen Bereich, dann vermag dieser, sofern er nur selbst will, den Untergang von jenem herbeizuführen. Darum sollen Männer von grossem Verstande gemeinen Leuten keinen Zutritt gestatten. In Bezug hierauf hört man folgendes Wort sagen: »Auch ein Nebenmann kann Herr im Hause werden.«

2705. (1105.) Die Sinnesgegenstände gewähren nur so lange Wohlbehagen, als dieser unser Unverstand im Herzen sein Spiel treibt; für den richtig urtheilenden Geist derer, die die Wahrheit erkannt haben, giebt es keine Sinnesgegenstände, kein Wohlbehagen und keinerlei Besitz.

[100] 2706. (1106.) Vornehme Herren können, o König, einen Grashalm brauchen um damit im Zahne zu stochern oder im Ohre zu kratzen, wie viel mehr wird ihnen ein Mensch mit Wort und Hand nützen können?

2707. (1107.) Wie wenn er Zugvieh bändigte, vermehre er (der König) stets die Last (der Unterthanen) und sei darauf bedacht ihnen sanft die Stricke anzulegen.

2708. (1108.) Stecken sie einmal in den Stricken, dann werden sie nicht schwer zu bändigen sein; nur wenn man auf die entsprechende Weise und mit Ernst verfährt, wird man sie ausnutzen können.

2709. (4164.) Dem Brahmanen steht Selbstbeherrschung wohl an, dem Krieger Sieg, dem Vaiçja Reichthum, dem Çûdra aber steht stets Rührigkeit wohl an.

[101] 2710. (1109.) Da ein Hauspapagei die zwischen zwei (jungen) Eheleuten in der Nacht gewechselten Worte, die er mit angehört hatte, am Morgen in Gegenwart der Eltern über die Maassen oft wiederholt, so hemmt die von Scham gequälte Ehefrau seine Rede, indem sie ihm unter dem Schein eines Granatapfelkerns einen kleinen Rubin aus ihrem Ohrenschmuck in den Schnabel steckt.

2711. (1110.) Der König übe, ohne von seiner Pflicht zu weichen, das grösste Mitleid: er trockne die Thränen der Bedrängten und Schutzlosen.

2712. (1111.) Wer vermöchte die Trennung von der Geliebten und den Verlust der Habe zu ertragen, bestände nicht der Umgang mit Freunden, der einem wunderthätigen Heilmittel gleichkommt.

2713. (4165.) Armuth wird durch Klugheit aufgewogen, schlechte Kleidung durch Sauberkeit, schlechtes Essen dadurch, dass es warm ist, Hässlichkeit durch eine gute Gemüthsart.

2714. (1112.) Arme ernähre, o Sohn der Kuntî, nicht sollst du dem Reichen Schätze geben: dem Kranken ist Arzenei heilsam, was soll aber der Gesunde damit?

[102] 2715. (1113.) Der Gatte, sei er auch arm, lasterhaft, alt, krank, verkrüppelt, aus der Kaste gestossen oder geizig, ist der Weiber höchste Zuflucht.

2716. (4166.) Durch Hinsehen schützt das Weibchen eines Fisches seine Brut, durch Hinlenken der Gedanken das Weibchen einer Schildkröte, durch Berührung ein Vogelweibchen; dasselbe thut der Umgang mit guten Menschen.

2717. Wenn man die Gañgâ erblickt, berührt, von ihrem Wasser trinkt oder sie preist, so reinigt sie sündhafte Menschen zu Hunderten und zu Tausenden.

2718. (4167.) Wenn Einem beim Sehen, Anfühlen, Hören oder Sprechen das Herz im Leibe schmilzt, dann heisst man dieses Liebe.

2719. Beim Anblick raubt sie uns das Herz, bei der Berührung die Kraft, beim Liebesgenuss die Männlichkeit: ein wahrer Kobold ist das Weib!

2720. (1114.) Man lege beständig Standhaftigkeit an den Tag, verfahre nicht wie ein Mann von gemeinem Schlage und erklimme in aller Ruhe, wie der Berge Rücken, der Fürsten Nacken.

[103] 2721. (1115.) Der Beherzten Muth pflegt nicht zu sinken, selbst wenn der Schöpfer ihnen Gefahren vor Augen führt: wenn der Sommer die Teiche ausgetrocknet hat, dann gerade erhebt sich das Meer.

2722. (4168.) Die Frauen im Hause gezeigt, ohne Misstrauen gespeist und Geheimnisse erzählt: welche Freundschaft geht wohl darüber?

2723. (1116.) Dass der aus dem Feuer eines Waldbrandes entstandene Rauch, wenn er zur Wolke geworden ist, als Regen das Feuer wieder löscht, ist ganz in der Ordnung, da es ja auch dieses ist, das den Wald verbrennt.

2724. (1117.) Zehne achten das Gesetz nicht, o Dṛtarâshṭra, diese sollst du kennen lernen: der Trunkene, der Fahrlässige, der Wahnsinnige, der Ermüdete, der Erzürnte, der Hungrige,

2725. (1118.) der Eilende, der Habsüchtige, der Erschrockene und der Verliebte, diese Zehn. Darum trete der Kluge mit keinem von diesen in Berührung.

[104] 2726. (1119.) Zehn Brahmanen überragt ein Lehrer an Würde, zehn Lehrer überragt ein Vater.

2727. (1120.) Zehn Väter oder wohl auch die ganze Erde übertrifft, o Herr, an Würde eine einzige Mutter. Welcher Ehrwürdige kommt einer Mutter gleich?

2728. (1121.) Lehrer, die der Kaste verlustig gegangen sind, soll man verlassen, eine Mutter aber nie und nimmer. Weil eine Mutter das Kind im Mutterleibe trägt und nährt, darum ist sie überaus ehrwürdig.

2729. (1122.) Der Eber sprach: Zehn Tiger habe ich ehemals besiegt, sieben Löwen und drei Elephanten; alle Götter mögen heute meinem Kampfe mit dir zuschauen.

2730. (1123.) Der Löwe sprach: Geh hin, o Eber, Glück auf, sage, du habest einen Löwen besiegt: verständige Leute kennen die Kraft des Löwen und die des Ebers.

[105] 2731. 2732. Zehn Erzieher überragt ein Lehrer an Würde, zehn Lehrer ein Vater, zehn Väter oder wohl auch die ganze Erde eine Mutter. So ehrwürdig wie eine Mutter ist Niemand und weil eine Mutter so überaus ehrwürdig ist, darum achten sie die Menschen.

2733. Ein guter Erzieher steht höher als zehn schriftkundige Brahmanen, ein Lehrer höher als zehn Erzieher und ein Vater höher als zehn Lehrer.

2734. Zehn Väter oder wohl auch die ganze Erde überragt aber an Würde eine einzige Mutter: so ehrwürdig wie eine Mutter ist Niemand.

2735. (4169.) In einem Lande ohne Fürsten finden sogar Räuber keine Sicherheit, da Zweie Einem und Viele Zweien die Beute abnehmen.

2736. (1124.) Männer, die von Seelenschmerz verzehrt und von Krankheiten gemartert werden, erfrischen sich an ihrem Weibe, wie von Hitze Gequälte an Wasser.

2737. (1858.) Gemeine Menschen werden durch das heftige Feuer des Ruhmes Anderer versengt und lassen darum, weil sie nicht im Stande sind deren Stellung zu erreichen, ihren Tadel gegen sie aus.

[106] 2738. (1125.) Zuvorkommenheit gegen die Seinigen, Mitleid mit Fremden, stete Falschheit Schlechten gegenüber, Freundschaft mit Guten, Klugheit Fürsten gegenüber, Geradheit gegen Gebildete, Heldenmuth Feinden gegenüber, Nachsicht mit Eltern, Verschlagenheit Weibern gegenüber: nur auf Männern, die in solchen Künsten geschickt sind, beruht die Welt.

2739. 2740. (4160. 4161.) Folgende fanden ja den Tod, weil sie sich den sechs Feinden des Menschen hingegeben hatten: der Fürst von Dandaka (Brhadaçva) durch Liebe, Ganamegaja durch Zorn, der königliche Weise Purûravas durch Habsucht, der Unhold Vâtâpi durch Schadenfreude, der Riese Râvana durch Selbstüberschätzung, der König Dambhodhava durch Hochmuth.

2741. (1126.) Eine Gabe, die wir Jemanden, der uns keinen Dienst erweisen kann, reichen, weil sie zu reichen wir für Pflicht erachten, heisst eine wahrhafte, wenn sie zugleich am rechten Orte, zu rechter Zeit und einem Würdigen gereicht wird.

[107] 2742. (1127.) Ist Vermögen da, so soll man spenden und geniessen, nicht weiter sammeln: sieh, der Bienen gesammelten Reichthum tragen hier Andere fort.

2743. Ein Armer freigebig, ein Reicher geizig, ein Bösewicht lange lebend, ein guter Mensch früh hinsterbend, ein Mann aus niedrigem Geschlecht König, ein Mann aus hohem Geschlecht Knecht: man sehe, wie das Zeitalter Kali sein Spiel mit uns treibt.

2744. (1128.) Dem Freigebigen soll man dienen, stände er auch niedrig, nicht demjenigen, von dem man keinen Nutzen hat, sei er auch gross: sieh, der Durstige lässt das Meer im Stich und begiebt sich zum Brunnen.

2745. (72.) Den Freigebigen halte ich für geizig, da er auch nach dem Tode nicht von seinen Reichthümern (seinen guten Werken) lässt; der Geizige dagegen ist freigebig, da er beim Hingange sein ganzes Vermögen hergiebt.

[108] 2746. (4170.) Wenn es Freigebige giebt, dann bedarf man nicht der Alles gewährenden Wunderbäume; sind Bettler da, so braucht man nicht mehr nach Stroh sich umzusehen; ist ein Blutsverwandter da, so ist Feuer nicht mehr von Nöthen; ist ein Freund da, so sind himmlische Kräuter vom Ueberfluss; wenn die Geliebte uns vor Augen tritt, dann bedarf es keines mit Kampfer bestrichenen Pinsels mehr; wenn im Leben auch ein treues Weib nur eine Art von Blendwerk ist, dann braucht man auch dieses nicht mehr.

2747. (1129.) Dem Freigebigen soll man dienen, nähme er auch eine geringe Stellung ein, nicht dem Geizigen, stände er auch hoch durch seinen Reichthum: der Brunnen mit süssem Wasser dient zur Erquickung der Leute, nicht der Ocean.

2748. (4171.) Freigebigkeit, Liebenswürdigkeit, Standhaftigkeit (oder Klugheit) und Kenntniss des Schicklichen, diese vier eignet man sich nicht durch Uebung an, da es angeborene Vorzüge sind.

2749. (1130.) Der Armen Segenssprüche dienen nur Freigebigen zur Freude, der Kriegstrommel Schall ruft ja Helden zum Kampfe.

2750. (1131.) Man lese aus dem Nichtigen das Beste aus: aus dem Reichthum die Gabe, aus der Rede die Wahrheit, aus dem Lebenslauf den Ruhm und die Tugend, aus dem Körper die Dienste, die man Andern leistet.

[109] 2751. Spenden an Würdige, eine gute Gemüthsart, mannichfache Kasteiungen und eine gute Meinung von den Menschen bilden nach der Ansicht der Weisen das vierfache Verdienst, das uns über das Meer, Welt genannt, hinüberführt.

2752. (4172.) Freigebigkeit und eine freundliche Rede sind die Mittel, mit denen ein Fürst Alle bezaubert; vor Allem aber gerade diese beiden aus dem Wege zu räumen ist das Hauptbemühen der Habsucht.

2753. (1132.) Freigebigkeit beim Armen, stoische Ruhe, auch wenn Reichthümer da sind, Kasteiungen bei Jünglingen, Schweigsamkeit bei Kenntnissreichen, das Aufhören der Wünsche bei denen, die an Freuden gewöhnt sind, und Mitleid mit den Geschöpfen führen zum Himmel.

2754. Spenden, Verehrung der Götter, Kasteiungen, das Besuchen von Wallfahrtsorten so wie Gelehrsamkeit, alles dieses ist von keinem Nutzen für den, dessen Herz nicht rein ist.

2755. (1133.) Freigebigkeit von freundlicher Rede begleitet, Gelehrsamkeit[110] ohne Hochmuth, Heldenmuth mit Milde verbunden und Reichthum mit Freigebigkeit gepaart: diese vier schönen Erscheinungen sind schwer anzutreffen.

2756. Wenn man ohne Spenden und ohne Genuss durch das blosse Dasein des Geldes schon reich ist, sind wir dann nicht auch reich, weil der goldene Meru vor uns steht?

2757. (1134.) Verschenkung, Genuss und Verlust sind die drei Schicksale, die den Reichthum treffen können; wer nicht verschenkt und nicht geniesst, dem wird das dritte Schicksal des Geldes zu Theil.

2758. Die von klugen Männern kunstvoll gefügten Worte »opfere, spende, weihe dich, übe Kasteiungen und entsage« sollen uns ja zum Spenden geneigt machen.

2759. (4173.) Wenn ein stattlicher Elephant bei seiner vor Brunst getrübten Einsicht Bienen, die nach seinem Brunstsaft Verlangen tragen, durch[111] das Klatschen seiner Ohrlappen verscheucht, dann kommt nur er dadurch um einen Schmuck seines Backenpaares: die Bienen ergehen sich wieder in einem blühenden Lotushaine.

2760. (1136.) Ueber Freigebigkeit, Kasteiungen, Heldenmuth, Gelehrsamkeit, Sittsamkeit und Lebensklugheit braucht man ja nicht zu erstaunen: die Erde birgt viele Perlen in sich.

2761. (1135.) Wer nicht seiner Freigebigkeit, seiner Kasteiungen, seiner Wahrheitsliebe, seiner Gelehrsamkeit oder seines Reichthums wegen einen weitverbreiteten Ruhm hat, der ist Nichts als der Mutter Auswurf.

2762. (1137.) Es giebt keinen andern Schatz, der der Freigebigkeit gleich käme; es giebt auf Erden keinen andern Feind, als die Habsucht; es giebt keinen andern Schmuck, der der guten Gemüthsart gleich käme; es giebt keinen andern Reichthum, der sich mit der Genügsamkeit vergleichen liesse.

2763. (4174.) Eine Gabe ziert die Hand, nicht ein Armband; Baden bringt Reinheit, nicht Salben von Sandel; Ehre sättigt, nicht Speise; Wissen führt zur Erlösung, nicht das Abscheren der Haupthaare.

[112] 2764. Durch Spenden gewinnt man den Himmel, durch Spenden gelangt man zu Ruhm; wer zu Spenden seine Zuflucht nimmt, kommt glücklich über das Meer, das man Leben heisst.

2765. Durch Spenden gelangen Männer leicht zu Genüssen, in Folge von Spenden erhält sich der Ruhm in der Welt, in Folge von Spenden beugt sich das Ungemach; darum soll man stets schöne Spenden reichen.

2766. Durch Spenden gelangen Männer leicht zu Genüssen, durch Spenden hören sogar Feindschaften auf, durch Spenden wird ein Feind sogar zum Freunde; darum soll man stets schöne Spenden reichen.

2767. (1138.) Wem die Tage hingehen ohne Spenden und ohne Genuss, der gleicht dem Blasebalg eines Grobschmieds: er athmet wohl, lebt aber nicht.

2768. (1139.) Wenn Leute in Folge des Geldes, das sie weder verschenken noch geniessen, reich heissen, warum sollten nicht auch wir in Folge eben dieses Geldes reich sein?

[113] 2769. (4175.) Derjenige, welcher sich beherrscht, bedarf, o Bharatide, eben so wenig der Wildniss, wie der, welcher sich nicht beherrscht; denn wo auch derjenige weilt, der sich beherrscht, da ist Wildniss und Einsiedelei.

2770. (4176.) Kein Minister versteht es so gut Uneinigkeit unter den Feinden hervorzubringen, wie ein Erbe; darum soll man sich bestreben, einen Erben dieses Feindes zum Aufstand zu bringen.

2771. (4177.) Der Fürsten Glück, das durch der Erben und Anderer Heere verloren ging, hat man wieder auferstehen sehen; das Glück aber, das durch Geringschätzung der Brahmanen verloren geht, erscheint nimmer wieder.

2772. (1140.) Die Söhne eines Fürsten, der jegliches Unternehmen aus Furcht vor Ausgaben vermeidet, wachsen ihm über den Kopf; kein Diener mag einem Fürsten, dessen Herz vor der Vergeltung der ihm geleisteten Dienste zurückschrickt, etwas Liebes erweisen; die Angehörigen eines Fürsten, der Schätze angehäuft hat, sind beständig bemüht ihm das Leben zu nehmen: welches Leid thut die Habsucht, einem Feinde gleich, nicht eiligst einem Fürsten an?

2773. Die ist eine wahre Gattin, welche an der Verehrung (Vishṇu's) Theil nimmt, die sind wahre Söhne, welche die dazu erforderlichen Geldmittel besitzen und so ist auch der Reichthum dazu da um Vishnu zu verehren; findet dieses nicht Statt, so ist Alles vergebens.

[114] 2774. (4178.) Wer in der Jugend mit Armuth zu kämpfen hat, im Kindesalter der Mutter beraubt ist und im Alter des Sohnes entbehrt, dessen Leben ist fruchtlos.

2775. (4179.) Freigebigkeit verscheucht Armuth, eine gute Gemüthsart verscheucht Elend, Einsicht verscheucht Unwissenheit, Vorbedacht verscheucht Gefahren.

2776. (4180.) Durch eine Menge von Gaben verschiedener Art hast du die Armuth vom Erdboden verscheucht; da hat denn die Ungezogene meine Hütte bezogen, was ich hiermit verkünde, um jegliche Schuld von mir zu entfernen.

2777. (1141.) Armuth, Krankheit und Leiden, Gefängniss und Unglück: dies sind die Früchte von dem Baume der eigenen Vergehen der Menschen.

2778. (1142.) O Armuth, ich bedaure dich: nachdem du auf diese[115] Weise als Freund in meinem Körper gewohnt hast, wohin wirst du, dieser Gedanke quält mich, deine Schritte richten, wenn mir Armen der Leib zerfallen sein wird?

2779. (1143.) Die schlimmste Form der Armuth ist der Mangel an Ehren-Besitz: Çiva's ganzer Reichthum besteht in einem alten Stier und dennoch ist er der grösste Herr.

2780. (1144.) Wegen der Armuth eines Mannes hören die Verwandten nicht auf seine Worte, die liebsten Freunde wenden sich von ihm ab, das Ungemach breitet sich aus, der Muth schrumpft ein, der milde Mondglanz seiner guten Gemüthsart wird matt, und eine Missethat, obgleich von Andern vollbracht, wird ihm zugeschrieben.

2781. (1145.) Von der Armuth gelangt man zur Scham; wer von Scham erfüllt ist, geht seiner Achtung gebietenden Würde verlustig; wer dieser ermangelt, erfährt Demüthigungen; in Folge dieser verfällt er in Kleinmuth; der Kleinmüthige giebt sich der Trauer hin; der Traurige kommt um seine Einsicht; wer keine Einsicht hat, geht zu Grunde. O Weh, die Armuth ist die Stätte alles Ungemachs!

[116] 2782. (1146.) Soll zwischen Armuth und Tod gewählt werden, so gilt die Armuth für das Schlechtere: mit geringen Leiden gelangt man zum Tode, Armuth aber ist über die Maassen schwer zu tragen.

2783. (1147.) Soll zwischen Armuth und Tod gewählt werden, so erkläre ich, dass der Tod mir lieber als die Armuth ist: der Tod ist mit geringen Leiden verbunden, die Armuth ist endloser Schmerz.

2784. (1148.) Ich verbeuge mich tief vor dir, o Armuth, weil ich durch deine Gnade übernatürliche Kraft erlangt habe, indem ich die Welt wohl sehe, aber selbst von Niemanden gesehen werde.

2785. (1149.) Etwas soll der Mann der Frau anvertrauen, Etwas den Freunden und wieder Etwas den Söhnen: alle diese sind des Vertrauens würdig, aber Alles darf man keinem von diesen mittheilen.

2786. (1150.) Etwas soll man vor der Frau verheimlichen, Etwas vor seinen Angehörigen, Etwas vor seinen Freunden und wieder Etwas vor den Söhnen: der Kluge spreche mit grosser Vorsicht, nachdem er zuvor bedacht, was sich schickt und was nicht.

[117] 2787. (1151.) Wie eine durch einen Waldbrand mit allen ihren Blumenbüscheln versengte Schlingpflanze wird das Weib zu Asche, an dem der Mann nicht seine Freude hat.

2788. Gerade im Sommer, wo man die übrigen Berge schon aus der Ferne meiden muss, weil häufige Waldbrände auf ihrem Boden stattfinden, tritt seltsamer Weise der Fall ein, dass man den durch Schmelzen tiefen Schnees feucht gewordenen Himalaja besonders gern besucht.

2789. (1152.) Ich verbeuge mich tief vor jenem ruhigen Lichte, das weder räumlich, noch zeitlich, noch irgendwie sonst bestimmt werden kann, das unendlich ist, eine rein geistige Form hat und dessen Selbstgefühl einzig in der Erkenntniss seiner selbst besteht.

2790. (1153.) Am Horizont, auf der Erde, auch in der Luft und überall glaubt man sie zu sehen; ihrer gedenkt man in Lebensgefahr: die Schlanke wird zum Gotte Nârâjaṇa.

2791. (1154.) Râvaṇa, der, in der Absicht des Affen Hanumant Schwanz[118] zu verbrennen, diesen angezündet hatte, erlebte es alsbald, dass seine eigene Stadt dafür aufbrannte.

2792. Ein Tag ohne Sonne, hohe Stellung ohne Freigebigkeit, Grösse ohne Anstand, Würde ohne Beredsamkeit, ein See ohne Wasserrosen, ein Palast ohne Schätze und eine Familie ohne Sohn erscheinen nicht schön.

2793. Nur einen Tag ist der Mond voll, dagegen fehlt ihm Etwas während vieler Tage: der Leiden giebt es, um von den Menschen nicht zu reden, sogar bei den Göttern mehr als Freuden.

2794. (4181.) Tag und Nacht, Abend und Morgen, Winter und Frühling kommen wieder und wieder; die Zeit treibt ihr Spiel mit uns, das Leben geht dahin, aber dennoch lässt uns der Wind des Begehrens nicht los.

2795. (1155.) Hier und da steigt aber wie reines Sonnenlicht ein braves Weib vom Himmel herab, das ein ganzes Heer von Tugenden vor sich hertreibt und dem Gatten Ruhm bringt.

2796. (1156.) Dann giebt es aber auch wieder ein böses Weib, das einem Andern zugethan ist, seine frühere Neigung aufgegeben hat und seine, Abneigung gegen den Gatten wie Gift in sich trägt, eine wahre Schlange die den Tod bringt, wenn sie nicht richtig gefasst wird.

[119] 2797. (1157.) Wie sollte wohl jenen Dichtern nicht Hochachtung gebühren, deren Stimmen, reich an mannichfachen Vorzügen, auch nach ihrem Tode bis zum Ende der Welt die Menschen erfreuen?

2798. (1158.) Ganz in unserer Nähe fliesst ein Fluss, die Zeit, der durch ununterbrochen herabstürzende Felsstücke, die Tage und Nächte, Allen Furcht einjagt, denn für diejenigen, die hineinfallen, giebt es ja keinen Halt und auch keine Rückkehr. Woher kommt nun der mit Dünkel versetzte Unverstand hoher Herren hier auf Erden?

2799. (4182.) Schon am Tage sorge man dafür, dass man in der Nacht behaglich schläft; in den (vorangehenden) acht Monaten sorge man dafür, dass man in der Regenzeit behaglich lebt.

2800. (4183.) Wenn wir am Tage durch unsere Gegenwart die Verführung eines Fürsten durch Ohrenbläser, wie ein Eifersüchtiger eine leichtsinnige Geliebte, bewahren können;

2801. (2604. 4184.) so vermögen wir doch, o König, da wir nicht all wissend sind, nicht darüber zu wachen, was des Herrn nächtlicher Lehrmeister, die Fürstin, ihn im Geheimen lehrt.

2802. (2605.) Die Lehre, die erfahrene Leute mit Mühe am Tage dem Fürsten in's Herz prägen, vergisst er über Nacht wie der graue Esel.

[120] 2803. Wenn ein am Tage anlangender Gast abgewiesen wird, so ist dieses, o Fürst, eine grosse Sünde; aber für achtmal grösser wird die Sünde erklärt, wenn ein nach Untergang der Sonne eintreffender Gast abgewiesen wird.

2804. Liebkost ein Mann auch Tag und Nacht einem untreuen Weibe, es findet dennoch keine Befriedigung, es möchte den Mann verschlingen.

2805. Eine Eule sieht nicht bei Tage, eine Krähe nicht bei Nacht, ein mir sonst Unbekannter, der durch Liebe geblendet ist, sieht weder bei Tage noch bei Nacht.

2806. Wie die Sonne als Licht am Himmel, wie der Mond unter den Vätern und wie ein Fürst unter den Menschen, so ist die Gañgâ unter den Flüssen.

2807. (1159.) Sieh, o Schlanke, wie der Hase, der, als er auf der Erde war, aus Furcht vor dem Sohne der Löwin (d.i. vor dem Löwen) sich in den Schutz des Mondes im Himmel begab, jetzt, da er doch einen Schutz gefunden hat, noch immer vor dem Sohne der Löwin (d.i. vor Râhu) sich fürchtet.

2808. (1160.) Ein Kokila trinkt den himmlischen Saft des Mangobaumes und wird nicht übermüthig; ein Frosch trinkt Sumpfwasser und quakt vor Aufgeblasenheit.

[121] 2809. (1161.) Reiche entweder den Gazellen des Waldes einen Bissen Kuça-Gras von der Farbe eines Bambusstengels, den du mit dem spitzen Ende eines Steins von der Wurzel ablösest, oder den Weibern ein Betelblatt, blassgelb wie die Wange eines jungen Papageienweibchens, das du mit den röthlichen Nagelspitzen abknickst.

2810. (4185.) »Die Weltgegenden als Kleid, die Höhlung der Hand als Trinkschale, Gazellen als liebe Freunde, andächtige Vertiefung als Schlaf, der Erdboden als Lager, Wurzeln als Speise«. Wann wird dieses gar heftige Verlangen meiner Herzensstimmung erfüllt werden, auf dass das Maass der höchsten Befriedigung voll werde?

2811. Eine klägliche Stimme, unsicherer Gang, Schweiss am Körper und grosse Angst, diese Anzeichen des bevorstehenden Todes wird man auch bei dem gewahr, der um ein Almosen bittet.

2812. (1162.) Wer den Armen ein Alles gewährender Zauberbaum ist, der sich ob der Menge seiner Früchte, der Vorzüge, zur Erde neigt, wer den Guten ein Familienvater, den Gelehrten ein Spiegel, für die Biederkeit ein[122] Prüfstein ist, wer mit seiner edlen Gemüthsart ein Abbild des Meeres mit seiner Küste ist, wer Allen Gutes thut und Niemanden geringschätzt, wer ein Schatz männlicher Vorzüge ist und wer ein liebenswürdiges und dabei edles Wesen besitzt, der allein verdient gepriesen zu werden, der lebt, da er reich an Tugenden ist, die Uebrigen hingegen athmen nur so zu sagen.

2813. (1163.) Welcher verständige Mann möchte, wenn er diese arme Hausmutter mit leerem Magen sähe, an deren zerlumptem Gewande ihre hungrigen Kinder mit den elenden Gesichtern wehklagend zerren, seinem eigenen hungrigen Magen zu Liebe, das Wort »gieb«, vor Besorgniss eine Fehlbitte zu thun, stotternd aussprechen und so, dass der Laut ihm im Halse stecken bliebe?

2814. (1164.) Welchen Nutzen vom Leben hat eine arme Frau, die den Gatten verloren hat, da Vater, Bruder und Sohn ihre Gaben zumessen?

2815. (1165.) Wer im Begriff ist zu sterben, der riecht nicht den Geruch einer verlöschenden Lampe, hört nicht auf die Worte der Freunde und sieht nicht den Stern Arundhatî.

2816. (4186.) Eine Lampe verspeist Finsterniss und erzeugt Russ:[123] welcherlei Speise man beständig geniesst, solche Nachkommenschaft wird erzeugt.

2817. Eine Lampe verscheucht dichte Finsterniss, ein Zaubertrank – eine gefährliche Krankheit, ein Tröpfen Nektar – aufregendes Gift und gute Werke verscheuchen eine Menge von Sünden.

2818. Man biete dem, der zum Tode geführt wird, Millionen oder nur das Leben an, so wird der Lebende zu leben wünschen und den Millionen entsagen.

2819. (1166.) Ein Bösewicht zerkratzt ja wie eine Katze dieselbe Hand, mit der Leute reines Herzens ihm das Brod reichen.

2820. 2821. 2822. (4187–4189.) Ein Fürst schlage ein feindliches Heer, wenn es sich in folgender Lage befindet: wenn es durch einen langen Marsch ermüdet ist, durch Flüsse, Berge oder Wälder behindert wird, durch die Gefahr eines schrecklichen Feuers in Angst versetzt worden ist, von Hunger und Durst erschöpft, sorglos, mit dem Essen beschäftigt, von Krankheiten oder Hungersnoth geplagt, nicht aufgestellt und nicht sehr zahlreich ist; wenn es von Regen und Wind zu leiden hat, mit Schmutz, Staub und Wasser bedeckt, sehr zerstreut, oder vor räuberischen Stämmen auseinandergelaufen ist.

[124] 2823. (1167.) Das Gesicht ist langäugig und strahlend wie der Mond im Herbste, die Arme sind an den Schultern abschüssig, der Brustkasten ist schmal und zeigt dicht zusammenstossende hohe Brüste, die Seiten sind wie geglättet, die Taille ist mit den Händen zu umspannen, die Lenden haben starke Backen, die Füsse gebogene Zehen: gerade so, wie eines Tanzlehrers Sinn es sich nur wünschen könnte, ist ihr Leib zusammengefügt worden.

2824. (1168.) Den langgestreckten Bogen am Eingange bildeten ihre Augen, nicht blaue Wasserrosen; hingestreute Blumen stellten ihr Lächeln dar, nicht verschiedene Jasminarten und andere Blumen; die Ehrengabe beim Empfang wurde vom Schweiss träufelnden Brüstepaar gereicht, bestand nicht in Wasser, das im Kruge gereicht wird: mit den eigenen Theilen des Körpers allein bereitete eine Schlanke dem eintretenden Liebsten feierlichen Empfang.

2825. Den ersten Schmerz in diesem Leben empfinden die Menschen in der Behausung im Mutterleibe, auch im Kindesalter giebt es Leiden, wie unter Anderem das Trinken der Milch eines Weibes mit schmutzigen Handflächen; auch im Jünglingsalter verursacht die Trennung von der Geliebten Schmerz; schliesslich ist auch das Greisenalter eitel und nichtig. Nun sagt mir, o Leute, ob es in der Welt irgend eine, wenn auch noch so geringe, Freude giebt?

[125] 2826. (4190.) Ein Leid ist das Alter, o Brahmadatta, ein Leid der Verlust des Vermögens, ein Leid das Zusammenleben mit Unlieben, ein Leid das Getrenntsein von Lieben.

2827. Wer einem Andern ein Leid zufügt, der erfährt ein grösseres Leid; darum soll der, der sich vor Leid scheut, Niemanden ein Leid zufügen.

2828. (4191.) Der Mensch mag immerhin von den grossen Leiden in der Hölle reden, ein grösseres Leid jedoch als die Armuth hat es nicht gegeben und wird es auch nicht geben.

2829. (1169.) Es ist schwer sich selbst so genau zu kennen, dass man sagen könnte, man sei zu diesem oder jenem befähigt oder nicht; wer aber eine solche Kenntniss besitzt, der kommt auch in schwieriger Lage in keine Verlegenheit.

2830. (1170.) Dieses Leben ist eine Küche, aus der man nicht wieder herauskommt: wie diese mit ihren Kohlen, so brennt jenes mit seinen Leiden. Mache es, o Herz, nicht wie die nach Fleisch lüsterne Katze, die in die Küche springt: verlange nicht nach den Sinnengenüssen, stürze dich nicht in's Leben!

[126] 2831. (4192.) Bei von Schmerz Geplagten, bei Fahrlässigen, bei Ungläubigen, bei Trägen, bei denen, die sich nicht beherrschen, und bei denen, die der Willenskraft ermangeln, weilt die Glücksgöttin nicht.

2832. (1171.) Gebrochenes lässt sich schwer zusammenfügen und Zusammengefügtes schwer brechen; Freundschaft aber, die, ein Mal gebrochen, wieder zusammengefügt wird, geht nicht in Liebe fort.

2833. Der Weise betrübe sich nicht über Leiden, freue sich nicht über Freuden, sondern verhalte sich stets gleich; indem er bei sich denkt, dass das Schicksal allmächtig sei, soll er nie und nimmer sich weder härmen, noch freuen.

2834. (4193.) Wenn du einem heftigen Schmerze des Körpers oder des Herzens, der dich betroffen, nicht entgegenzuarbeiten vermagst, dann denke nicht an ihn.

2835. (1172.) Die Obermacht ist für den Mann schwer zu erlangen, so[127] lange er nicht seine Manneskraft anwendet: auch die Sonne wird erst dann Meisterin über die Wolkenmassen, wenn sie die Wage (im Thierkreise) erstiegen hat.

2836. (1173.) Schlecht erlerntes Wissen ist Gift, bei unvollendeter Verdauung ist Speise Gift, für den Armen ist Kameradschaft Gift, für einen Alten ist eine junge Frau Gift.

2837. Wenn ein frevelhafter Mann seine Macht einbüsst, findet er nirgends Schutz; dann schrickt Jedermann vor ihm zusammen, wie vor einem Wolfe.

2838. (1174.) Der Kluge erlangt in dieser Welt Alles, was er nur wünscht, selbst das schwer zu Erlangende; darum soll man sich Mühe geben.

2839. (1175.) Ein Gebieter ist schwer zu befriedigen, Fürsten sind unstäten Sinnes wie Pferde, und wir hegen unbescheidene Wünsche, haben unsern Sinn auf eine hohe Stellung gerichtet; das Alter raubt uns den Leib, der Tod dieses ganze Leben: o Freund, es giebt für den Verständigen kein anderes Heil in der Welt als Kasteiungen.

[128] 2840. (1176.) Mit Fürsten ist ja wie mit Gebirgen stets schwer zurecht zu kommen: sie sind beide von Schlangen umgeben, höchst uneben, rauh und von Bösewichtern belagert.

2841. (1177.) Die schwer zu erklimmende, von aller Welt mit Ehrfurcht begrüsste Stellung der Fürsten wird, wie die Priesterwürde, selbst durch ein geringes Vergehen besudelt.

2842. (4194.) Er (der Fürst) erbaue eine Burg mit breiten Gräben, die mit hohen Wällen versehen ist, die Maschinen, Wasser und Felsen hat und sich an einen Fluss, eine Wüste oder einen Wald lehnt.

2843. (1178.) Sogar ein Held unterliegt, wenn er unwegsame Gegenden betritt: sogar ein Elephant weiss sich nicht zu helfen, wenn sein Leib in tiefen Schlamm versunken ist.

2844. (1179.) Obgleich Râvana den Berg Trikûta zur Burg, das Meer zum Festungsgraben, die Râkshasa zu Kämpfern, Reichthümer von Kubera hatte und obgleich er die von Uçanas gelehrte Wissenschaft besass, so kam er doch um durch des Schicksals Willen.

[129] 2845. Sogar in Burgen eingeschlossene Feinde fängt man mittels einer Gabe (Bestechung), wie auch Fischer die grossen Fische Timi fangen, indem sie ihnen nur ein ganz kleines Stück Fleisch hingeben.

2846. Eine in einer Wildniss wachsende unreife Frucht bringt, selbst wenn man mit grosser Mühe ihrer habhaft wird, den Menschen keinen Nutzen. Weil eine Frucht so beschaffen sein muss, dass ihr Jedermann beikommen kann und dass sie von selbst abfällt, darum gewährt eine solche Frucht, die zu rechter Zeit bei blosser Berührung abfällt, uns eine Freude.

2847. Dornenvoll ist der Lebensweg, unbestimmt die Todesstunde, schwer abzuwehren sind Krankheiten, nicht leicht zu erreichen das Land der Werke und Stürzenden bietet ja Niemand die Hand zur Stütze. Wer die hohe Freude, die Einem beim Erreichen des Ziels zu Theil wird, erstrebt, muss sich jene Gedanken Tag für Tag mit reinem Sinne zu Gemüthe führen und seinen Geist durchaus auf die Tugend richten.

2848. Der Befehlshaber der Burg, der Oberaufseher über die Truppen, der Schatzmeister, der Fürst, der Gesandte, der Hauspriester, der Astrolog und die Aerzte werden als die zu Rathe Sitzenden angesehen.

2849. (4195.) Es giebt ja kein Mittel auf Erden aus einem bösen Menschen[130] einen guten zu machen: wüsche man auch hundertmal den After, er würde doch nicht das edelste Organ (das Auge) werden.

2850. (1180.) Einen bösen Menschen soll man meiden, selbst wenn er mit Gelehrsamkeit geschmückt ist: erregt etwa eine Schlange, die mit einem Edelsteine (im Kopfe) verziert ist, keine Furcht?

2851. (1181.) Ein schlechter Mensch nimmt, wenn man ihn auch freundlich behandelt, stets seine alte Natur wieder an: er gleicht der Ruthe eines Hundes, die man durch Erweichungen und Salbungen herunterbiegt.

2852. (1182.) Wenn ein Bösewicht uns etwas Liebes sagt, so ist dieses kein Grund zum Vertrauen: auf der Zungenspitze ist Honig, im Herzen aber furchtbares Gift.

2853. (1183.) Man sieht es oft, dass Frauen schlechten Menschen zugänglich sind, ein Fürst Unwürdige ernährt, das Geld dem Geizhals nachgeht und der Regengott auf (kahle) Berge herabregnet.

[131] 2854. Vor Allen gut ist der, welcher gut bleibt, wenn er von bösen Menschen gepeinigt wird: Melis bleibt zuckersüss, auch wenn er im Feuer gebrannt wird.

2855. (1184.) Männer, deren Herz durch böse Menschen eingeschüchtert wurde, haben auch zu einem guten Menschen kein Vertrauen: ein Kind, das sich an gekochter Milch verbrannte, bläst auch, wenn es saure Milch isst.

2856. Ein edler Mensch sagt, auch wenn ihn die wie glühende Kohlen brennenden Worte schechter Menschen versengen, nichts Unliebes: die Aloe giebt, auch wenn sie gebrannt wird, ihren natürlichen Wohlgeruch nicht auf.

2857. (4196.) Wenn ich zwischen einem Bösewicht und einer Schlange zu wählen hätte, würde ich der Schlange vor dem Bösewicht den Vorzug geben: eine Schlange beisst nur zu Zeiten, ein Bösewicht aber auf Schritt und Tritt.

2858. (1186.) Das Gold eines Gedichtes, das im Feuer böser Menschen geglüht worden ist, wird rein: darum soll man alles Ernstes darauf bedacht sein, ein Gedicht einem bösen Menschen zu Öhren zu bringen.

[132] 2859. (1187.) Mit einem schlechten Menschen soll man keine Freundschaft schliessen und ihm auch keine Zuneigung schenken: eine glühende Kohle verbrennt, eine kalte schwärzt die Hand.

2860. (1188.) Selbst freundliche und von Lächeln begleitete Worte, die böse Menschen sprechen, erregen ja Furcht, wie Blüthen, die ausser der Zeit erscheinen.

2861. (1189.) Ein kluger Mann besiegt einen schlechten Menschen durch List, nicht durch Gewaltmaassregeln: ein grosser Baum wird durch das Schwinden der an ihm befindlichen Erde zum Fallen gebracht.

2862. (1190.) Ein schlechter Mensch besudelt nur alsbald eine Menge von Vorzügen an guten Menschen: Rauch verunreinigt stets den reinen Luftraum.

2863. (1191.) Bei schlechtem Wetter, bei dichter Finsterniss, bei unwegsamen Strassen der Stadt, wenn der Mann auf Reisen ist, hat das geile Weib seine grösste Freude.

[133] 2864. (4197.) Der Tod rafft den Schwachen und den Starken hinweg, den Helden und den Feigling, den Einfaltspinsel und den Weisen, so wie den, der noch nicht zu allen Gegenständen seiner Wünsche gelangt ist.

2865. Den Blick des schwachen Weisen und der Giftschlange halte ich für ganz unwiderstehlich: hüte dich also einem Schwachen zu nahe zu treten!

2866. (1192.) Des Schwachen Kraft ist der König, der Kinder Kraft das Weinen, der Thoren Kraft das Stillschweigen, der Diebe Kraft die Lüge.

2867. Gedenke stets, o Lieber, dass Schwache nicht mit Geringschätzung behandelt werden dürfen, auf dass die Blicke der Schwachen dich nicht versengen mitsammt deinen Angehörigen.

2868. Der Fürst ist die Zuflucht der Schwachen, der Hilflosen, der Kinder, der Greise, der Armen und aller derer, die ungerechter Weise geringschätzig behandelt werden.

2869. Man sagt, o Mândhâtar, dass der Schöpfer die Kraft des Schwachen[134] wegen geschaffen habe; die Schwäche aber ist ein mächtiges Wesen, auf dem Alles beruht.

2870. (4198.) Den Thörichten und Einfältigen soll der Kluge wie einen unter Gräsern versteckten Brunnen meiden: Freundschaft mit ihm wird zu Schanden.

2871. (1193.) Wer von Natur hässlich ist, bleibt es auch trotz aller Reichthümer: der Kuhmist ist die Wohnstätte der Göttin der Wohlfahrt, aber dessenungeachtet nicht lieblich.

2872. (1194.) Ein (Fürst), der mit Hungersnoth zu kämpfen hat, geräth von selbst in die Enge; derjenige, dessen Heer sich in schlimmer Lage befindet, ist nicht im Stande sich zu schlagen.

2873. (4199.) Aus einer Hungersnoth in die andere, aus einem Leiden in das andere, aus einer Gefahr in die andere und aus einem Tode in den andern gehen Arme und Uebelthäter.

2874. (1195.) Wem begegnen nicht Fehler in der Politik, wenn er[135] schlechte Minister hat? Wen quälen nicht Krankheiten, wenn er Ungesundes geniesst? Wen macht das Glück nicht übermüthig? Wen vernichtet nicht, der Tod? Wen peinigt nicht die Sinnenwelt, wenn er sie sich zu eigen macht?

2875. (1196.) Durjodhana ging trotz aller seiner Macht zu Grunde, weil er einen schlechten Minister hatte; Ḱandragupta brachte, obgleich er allein stand, das Königthum in die Höhe, weil er einen guten Minister hatte.

2876. (1197.) Selten ist eine natürliche Rede, selten ein Sohn, der uns Behagen schafft, selten eine angemessene Gattin, selten sind liebe Verwandte.

2877. Träge huldigen dem Glücke nur in Gedanken wie einem schwer zu gewinnenden Weibe, Entschlossene dagegen wie einer Buhldirne, indem sie im Kampfe ihren Heldenmuth als Lohn darbringen.

2878. (1198.) Ein Vorzüglicher, mag er auch schwer zu finden sein, pflegt von Einem seines Gleichen gefunden zu werden: Wasser, das in die Ohrenhöhle gekommen ist, Wird durch Wasser abgezogen.

2879. (1199.) Schwer zu linden ist ein Freund, der hören will, und schwer zu finden auch ein treuer Freund, da ein Freund auch dort treu zur Seite steht, wo ein Verwandter es nicht thut.

2880. (1200.) Eine Gattin, die ganz der Tugend lebt, errettet den Gatten,[136] sowohl den schlechten, als auch den guten, und auch den, der an allem Bösen Gefallen findet.

2881. (1201.) Schelme machen einen Reichen arm um selbst zu gedeihen: ist die Berührung mit Bösen nicht eben so schlimm wie die mit Feuer, das Alles verzehrt, was in seine Nähe kommt?

2882. (4200.) Der Umgang mit Bösen pflegt die Ursache von einer Reihe von Uebeln für Gute zu sein; was sollen wir hierüber viele Worte verlieren? Der Gebiete von Lañkâ (Râvana) raubt die Gattin Râma's und der König der Flüsse (das Meer) wird bekanntlich dafür gefesselt (überbrückt).

2883. (1202.) Der Böse ist seiner eigenen Schandthaten wegen in ewiger Besorgniss: die Schlangenbrut wird verwirrt, wenn sie in den Bereich der Augen kommt.

2884. (1203.) Der Gatte, mag er auch von böser Gemüthsart sein, seinen Lüsten fröhnen oder alles Vermögens baar sein, ist für Frauen von edlem Charakter die höchste Gottheit.

2885. (1204.) Um Genüssen, die durch (vorangegangene) Schandthaten widerwärtig sind, zu fröhnen, zertreten Bösewichter einen durch Vorzüge hervorragenden[137] Mann. Sie gleichen hierin den Kamelen, die, um Dornen zu erhalten, einen Ketaka-Baum zerstampfen.

2886. (4201.) Wer die Schranken nicht überschreitet, das Recht ehrt, sanft ist und Ehrgefühl besitzt, ist, er stamme aus niedrigem oder hohem Geschlecht, besser als hundert Männer aus edlem Geschlecht.

2887. (4202.) Eine Missethat aber bewirkt sogar bei Himmlischen, die auf der höchsten Stufe geboren wurden, wie ein Sturm bei Blüthen, nichts Anderes als einen Fall nach unten.

2888. (1205.) Wegen der Niederträchtigkeit der bösen Schurken finden die Leute Gefallen am guten Menschen: hat der Wanderer einen Berg erstiegen, so freut er sich gar sehr über die Ebene auf der Höhe.

2889. (4203.) Wer, wenn er an einen schlechten Weg kommt, aus Dummheit ihn einschlägt, ohne seine Kräfte zu kennen, der büsst sein Leben dabei ein.

2890. (1206.) Bestrafung des Bösewichts, Belohnung des Guten, Vermehrung des Schatzes auf rechtmässige Weise, Unparteilichkeit Bittstellern gegenüber und Schutz des Reiches gelten für die fünf Opfer der Fürsten.

2891. (1207.) Ein böses Weib, ein falscher Freund, ein Diener, der[138] widerspricht, und der Aufenthalt in einem Hause, in dem Schlangen hausen, sind ohne Zweifel geradezu der Tod.

2892. Sogar den Unschuldigen trifft, wenn er Bösen sich anschliesst, eine harte Strafe: eine Bettstelle wird, weil sie Wanzen beherbergt, mit einem Stocke geschlagen.

2893. (4204.) Durch ein schlechtes Zeugniss wird ein Mann nicht rein, wie ja auch ein Kleid durch Waschen in schmutzigem Wasser nicht rein wird.

2894. (1208.) Sogar von einem bösen Fürsten kann man Nutzen ziehen, wenn in seiner Umgebung Tugenden anzutreffen sind; nicht aber von einem Fürsten, der eine rohe Umgebung hat, eben so wenig wie von einem Baume, in dem Schlangen hausen.

2895. Es fällt schwer als Mensch geboren zu werden; darum sollen Männer irgend Etwas thun, auf dass auch nicht ein Augenblick dieses Lebens unnütz verstreicht.

2896. Man kann in den Besitz schwer zu erlangender und zahlreicher Güter, die man sich wünscht, gelangen; darum sollen verwegene Männer ihren Leib nicht so hoch anschlagen wie eine günstige Gelegenheit.

2897. Es würden alle Kasten verunreinigt werden, alle Dämme einstürzen und die ganze Welt in Aufregung gerathen, wenn Strafe auf ungerechte Weise verhängt würde.

[139] 2898. (4205.) Es geht kein Bote im Himmelsraum, auch verbreitet sich darüber keine Nachricht, auch hat man früher nicht davon gesprochen, auch kann man nicht selbst dahin kommen. Wie sollte nun der ausgezeichnete Brahmane nicht ein Gelehrter sein, der die am Himmel vorsichgehende Verfinsterung von Sonne und Mond vorherzusagen versteht?

2899. (1209.) Da es ein Fürst ist, der durch des Boten Mund redet, so darf selbst ein Mleḱḱha als Abgesandter, auch wenn die Waffen schon erhoben wären, vom König nicht getödtet werden, wie viel weniger ein Brahmane?

2900. Der hier vom Malaja Gebirge wehende Wind ist der Abgesandte, die Bienenreihe stellt die Schriftzeichen dar, das Blatt am jungen Mango-Schoss – das Papier, das Männchen des Kokila ist der Vorleser, dieses Schreiben, das den Groll der Grollenden zu Nichte macht, hat ja der Frühling als Fürst erlassen; geschrieben ward es vom Liebesgotte, versiegelt vom Vollmonde.

2901. (1210.) Aus der Ferne prangt wohl ein Thor, wenn er in ein lang herabhängendes Gewand gehüllt ist; aber nur so lange prangt der Thor, als er den Mund nicht aufthut.

[140] 2902. (1211.) Wer einen vom langen Wege ermüdeten Gast, der gegen das Ende des Opfers für alle Götter eintrifft, ehrt, der wird des höchsten Loses theilhaftig.

2903. Kluge Männer sollen ihre Tochter nicht fern Wohnenden, nicht Ungelehrten, nicht solchen, die den Weg der Erlösung einschlagen, nicht Helden und nicht Armen zur Ehe geben.

2904. (1212.) Da du, o Herz, auch die in der Ferne weilende Geliebte siehst, als wenn sie vor dir stände, so lehre diese Zauberkunst auch mein Auge; bist du des Schauens müde, so wird dir, zumal da du allein bist, auch Gesellschaft nicht unangenehm sein: nicht diejenigen sind ja glücklich, die nur an sich denken; das Glück weilt bei denen, die für die Sache des Andern ein Auge haben.

2905. Weilt ein Freund auch fern, so steht er den Seinigen doch nicht fern: der Mond erweckt trotz aller Entfernung die zur Nacht blühenden Wasserrosen.

[141] 2906. Wer uns im Herzen wohnt, steht uns nicht fern, ob er auch fern weilte; wer uns nicht im Herzen ist, bleibt uns fern, ob er auch in der Nähe wäre.

2907. Auch der fern Weilende kann uns nahe stehen und auch der in unserer Nähe Weilende kann uns fern stehen: das Auge sieht trotz der geringen Entfernung von nur vier Fingerbreiten nicht das Ohr.

2908. (1213.) Wer im Herzen wohnt, ist nahe, ob er auch fern wäre; wer dem Herzen fern steht, bleibt fern, ob er auch in der Nähe wäre.

2909. (4206.) Wer, einen von fern Gekommenen, von der Reise Ermüdeten, vergeblich in's Haus Getretenen nicht ehrend, sich zur Mahlzeit setzt, wird ein Ḱâṇḍâla genannt.

2910. (1214.) Als ich, aus der Ferne heimgekehrt, nach ihrem Befinden fragte, sagte sie Nichts, aber ihre in Thränen schwimmenden Augen erzählten mir Alles.

2911. (1215.) Wohl ist ein Minister wie ein Dichter nie frei von Sorgenlast: von Weitem holt er neues Geld (eine neue Wortbedeutung) herbei; schon von fern gemeine Rede meidend, findet er vor Allem daran Gefallen, die Versammlungen Edler für sich zu gewinnen; ganz allmählich bereitet er sich eine Stellung (macht er einen Vers), indem er sich nach der Stimmung der Welt richtet.

[142] 2912. 2913. (1216. 1217.) Wenn ein Herr schon aus der Entfernung auf einen Diener hinsieht, lacht, sehr angelegentlich Fragen an ihn richtet, auch hinter seinem Rücken seine Vorzüge rühmt, bei angenehmen Dingen seiner gedenkt, dem Diener dieses Dieners gewogen ist, Gaben mit freundlichen Worten begleitet und selbst bei einem Vergehen seine Vorzüge hervorhebt; so sind dies Anzeichen, dass er ihm gewogen ist.

2914. (1218.) Von Weitem streckt er die Hand aus, hat feuchte Augen, bietet die Hälfte seines Sitzes an, beeilt sich dich fest in seine Arme zu schliessen, ist darauf bedacht dir etwas Angenehmes zu erzählen und Fragen an dich zu richten, birgt innen Gift und ist von aussen süss wie Honig, ein Meister im Betrüge: was ist das doch für eine unerhörte Schauspielerkunst, die die Bösewichter erlernt haben?

2915. (1219.) O wie das Auge der mit dem untreuen Liebsten Schmollenden ein Meister geworden ist in der Kunst, die mannichfachsten Formen[143] anzunehmen! Ist er noch in der Ferne, so blickt es sehnsuchtsvoll; ist er herangetreten, so wendet es sich zur Seite; redet er sie an, so thut es sich weit auf; umschlingt er sie, so wird es roth; ergreift er ihr Gewand, so runzelt es ein wenig die Brauenliane; macht er Anstalt sich ihr zu Füssen zu werfen, so füllt es sich mit Thränennass.

2916. (1220.) Auf dreierlei Weise schafft man sich Freunde: durch Entgegengehen schon aus der Ferne, durch eine offene und dem Herzen willfahrende Rede und durch Geschenke nach gastfreundlicher Bewirthung.

2917. (1221.) Auch ein dem Auge sich entziehender, in tiefem Wasser umherschwimmender Fisch kostet zu seinem Verderben das Eisen, an dem der Köder hängt.

2918. (1222.) Der Geliebteste in der Ferne, die Regenzeit so eben eingetreten, die Nikula in Blüthe gesehen und ich nicht todt: was ist das?

2919. (1223.) Weit ab vom Wege hast du, o Baumwollenbaum, deinen Standort, bist ferner mit Dornen bedeckt, giebst keinen Schatten und deine Frucht mögen nicht einmal Affen gemessen; du bist geruchlos, von Bienen gemieden und Alles Guten baar. Ein Besuch, den wir dir abstatteten, wäre nutzlos für uns; bleibe, wo du bist, wir aber seufzen auf und gehen unserer Wege.

[144] 2920. (1224.) Glücklich sind die von Dûrvâ-Sprösslingen und Gras sich nährenden Gazellen im Walde, dass sie nicht das Antlitz schauen von Leuten, denen der Reichthum den Verstand raubte.

2921. (4207.) Der Schmuck der Dûrvâ ist das Blatt, der Schmuck der Bäume die Blüthe, der Schmuck der Männer die Selbstständigkeit, der Schmuck der Frauen der Gatte.

2922. (1225.) Auch derjenige, der eines Vergehens bezichtigt worden ist, übe Tugend, finde Gefallen an dem Lebensstadium, in dem er sich gerade befindet, und benehme sich gegen alle Geschöpfe gleich: aus äusseren Abzeichen kann man nicht auf Tugend schliessen.

2923. Wer gediegenes Wissen, gediegene Vorsätze, einen gediegenen Charakter, einen gediegenen Heldenmuth oder gediegene Goldgulden besitzt, in dessen Dienst begiebt sich sogar ein Gott.

2924. (1226.) Dass man dir, o Krug, den Strick fest um den Hals bindet und dass du sogar in den Brunnen stürzest, ist glückbringend, da du mit der schönen Lebensspende (mit dem Opfer deines Lebens und mit der Wassergabe) den unerträglichen Durst der Menschen verscheuchst.

2925. (1227.) Der Geizhals (Kṛpaṇa) und das Schwert (Kṛpâṇa) unterscheiden sich nur durch die äussere Erscheinung (den Buchstaben â): bei[145] beiden ist der Mushti (Hand und Griff) fest geschlossen (stark befestigt), beide sitzen im Koça (in der Schatzkammer und in der Scheide) und beide sind von Natur schmutzig (gefleckt).

2926. (1228.) Diejenigen preisen wir, die den durch's Auge zu Asche verbrannten Liebesgott durch's blosse Auge wieder zum Leben bringen, die schönäugigen Mädchen, die über Çiva den Sieg davontrugen.

2927. Man sieht ja hier auf Erden einen reichen Mann schon als Jüngling dahinsterben und einen Armen, schwer geplagt und vom Alter gedrückt, hundert Jahre alt werden.

2928. Man sieht hier viele niedrige Bäume, aber nur hier und da sind es Sandelbäume; die Erde ist mit Steinen besäet, aber nur hier und da ist es ein ächter Edelstein; täglich hört man das Gekrächze der Krähe, aber nur im Monat Ḱaitra den Gesang des Kokila: daher bin ich der Meinung, dass diese Welt voller Bösewichter ist und dass es im Zeitalter Kali nur zwei bis drei gute Menschen giebt.

2929. (4208.) Man erlebt es in dieser Welt, dass an menschenleeren Orten starke Männer von Stärkeren angegriffen werden, wie mächtige Elephanten von Löwen.

2930. Man wisse, dass der Stand des Hausvaters einem Schiffe von Stein[146] gleicht, wenn er sich des Spendens enthält; wer ein solches Schiff besteigt, versinkt, darüber kann ja kein Zweifel bestehen, im Meere des Lebens.

2931. (1229.) Mit schüchternen Augen hatte sie ihn angeblickt, mit zusammengelegten Händen lange gebeten, darauf an der Schärpe festgehalten und ohne Falsch umarmt. Als der hartherzige Bösewicht, alles dieses zurückweisend, fortzugehen sich anschickte, da entsagte die Geliebte zuvörderst dem Leben, darauf erst dem Liebsten.

2932. (1230.) Sehe ich sie an, so richtet sie den Blick zur Erde; rede ich sie an, so lässt sie sich in kein Gespräch ein; sitzt sie auf dem Ruhebett, so wendet sie mir den Rücken; umarme ich sie mit Gewalt, so erzittert sie; verlassen die Freundinnen das Schlafgemach, so will auch sie es verlassen: gerade durch diese Sprödigkeit bereitet mir jetzt die junge Gattin Wonne.

2933. (1231.) Richte, o Mädchen mit den langen Lotusaugen, den Blick wieder auf mich, denn es ist ein alter Ausspruch in der Welt, dass Gift ein Heilmittel gegen Gift sei.

2934. (1232.) Der Fuss, den man niedersetzt, sei rein durch den Blick[147] (den man zuvor auf die Stelle zu richten hat, auf die man zu treten gedenkt); das Wasser, das man trinkt, sei rein durch das Seihtuch; die Rede, die man spricht, sei rein durch die Wahrheit; was man thut, sei rein durch das Herz.

2935. (1233.) Als die überaus klugen Gazellen das Augenpaar der Bajaderen erblickten, verliessen sie das Land; die Elephanten mit ihren Erhöhungen auf der Stirn dagegen, durch derselben Brüstepaar besiegt, sind toll (brünstig) geworden. So pflegt es mit dem Thoren zu gehen: wenn er gedemüthigt wird, zeigt er keinen Stolz.

2936. (1234.) Als jene Biene eine mächtige Wasserrose im Bilde erblickte, schwoll sie vor Freude und unter dem Rufe »o Wunder! o Wunder! was in aller Welt ist das!« flog sie, hinaus. Doch da ist kein Duft, kein Tröpfchen Honig, auch fehlt die sonstige Weichheit. Da schüttelte sie mit dem Kopfe und flog gesenkten Hauptes beschämt wieder davon.

2937. (1235.) Ein Schelm von Liebhaber, der seine zwei Geliebten auf einer und derselben Bank sitzen sieht, schleicht sich vorsichtig von hinten heran und während er der einen von ihnen die Augen zuhält, thuend, als[148] wolle er sich mit ihr in ein Spiel einlassen, küsst er, dem die Haut rieselt, bei etwas gebogenem Halse die andere, der das Herz vor Liebe hüpft, die Backenknochen vom zurückgehaltenen Lachen strahlen.

2938. (4209.) Einem Kranken soll man ein Lager anbieten, einem Ermüdeten einen Sitz, einem Durstigen Wasser und einem Hungrigen Speise.

2939. (4210.) Kluge müssen, o Bhoģa, alles Geld verschenken; das Zusammenscharren bringt keinen Segen. Karṇa's, Bali's und Vikramâditja's Ruhm besteht ja noch bis zum heutigen Tage. »Unser lange gesammelter, nicht gespendeter und nicht genossener Honig ist dahin«, so denken bei sich die Bienen und reiben sich, ach, in der Verzweiflung Hände und Füsse ab!

2940. (4211.) Wie unter den Göttern Vishnu zu ehren ist von grossen Weisen, so ist die Mandâkinî zu ehren unter den Flüssen in den drei Welten.

2941. Wenn man sich mit dem Gute, das einem Gotte gehört, bereichert, so bereitet dieser Reichthum den Untergang der Familie; die Freude, die man sich mit dem Gute des Lehrers bereitet, führt Einen zur Hölle.

[149] 2942. Den Weibern soll man, o König, wie Buhldirnen niemals trauen, da sie alle leichtsinnig sind, sogar diejenigen, welche noch im väterlichen Hause weilen.

2943. Verehrung der Götter, dem Lehrer geweihter Dienst, ein stilles Gebet, Selbstbeherrschung, Kasteiungen und Spenden sind die sechs Pflichten, welche Hausväter täglich zu erfüllen haben.

2944. Verehrung der Götter, Mitleid, Spenden, Besuch der heiligen Badeorte, Gebet, Kasteiungen, Studium und Hilfeleistung sind die acht Früchte, die das Leben eines Mannes trägt.

2945. (1236.) Eines Fürsten Truppen, die mit dem Besitze von Göttern oder Brahmanen genährt worden sind, zerstieben im Augenblick des Kampfes wie Dämme von Sand.

2946. (1237.) Eine Gattin, die nicht vergiebt, wenn sie der Gatte, ihr Gott, in seinem übergrossen Schmerze flehentlich bittet, ist für diese und jene Welt verloren.

2947. (1238.) Ein Fürst und eine Wolke beschränken sich keinesweges[150] auf Wohlthun, da jener, wenn er einem Unterthan etwas überaus Angenehmes erweist, ihm den Augenblick darauf etwas Unangenehmes zufügt, und da diese, wenn sie dem Baume sein Ungemach an einem langen Sommertage, die Gluth, abgekühlt hat, alsbald einen Blitzstrahl auf ihn entsendet.

2948. Wenn man dem Bösewicht nicht wehrt, erfahren die Götter nicht, was Verehrung, die Manen nicht, was Speise heisst, und auch Gäste werden ja dann nicht geehrt.

2949. Den Göttern sind die Brahmanen tributpflichtig, den Brahmanen die Fürsten, den Fürsten die Unterthanen, den Unterthanen die Erde.

2950. (4212.) Bejammernswerthe Männer, die ein heftiges Verlangen nach Söhnen haben, erzeugen (bisweilen), auch wenn sie den Göttern geopfert und Kasteiungen geübt, zehn Monate im Mutterleibe getragene Söhne, die ihr Geschlecht verunreinigen.

2951. (4213.) Der Hausherr geniesse den Rest der Speisen erst dann, wenn er die Götter, Heiligen, Menschen, Väter und die Hausgötter geehrt hat.

[151] 2952. Wenn einem Manne die Tage in der Art hingehen, dass er die Götter ehrt, Mitleid übt, wahre Rede spricht, Umgang mit Guten sucht, Gaben spendet und den Hochmuth aufgiebt, nur dann haben, wie wir meinen, sein Geschlecht, seine Geburt und sein Leben Früchte getragen und nur dann ist eine angenehme Unterhaltung mit ihm des Lobes werth.

2953. Wie die Götter bei den mannichfachen Opfern vom Nektar, der in Mond und Sonne enthalten ist, leben, so die Menschen vom Wasser der Gañgâ.

2954. (1239.) Viele huldigen wohl der Göttin der Rede, aber den Kern der Beredsamkeit kennt vor Allen jener Dichter Murâri, der im Hause des Lehrers sich abgequält hat: über das Meer hinübergesprungen sind wohl Affen, als Krieger (Râma's), aber seine Tiefe kennt nur der Berg Mandara, dessen ungeheurer Körper bis zur Unterwelt versenkt ist.

2955. (1240.) Die Göttin Çrî, die Tochter des Königs Ģanaka (d.i. Sîtâ), lebte im Hause des zehnköpfigen Râkshasa (Râvaṇa); die heiligen drei Veda wurden von den Dânava in die Unterwelt gebracht; der Daitja-Fürst Pâtâlaketu raubte durch List Madâlasâ, die Tochter eines Gandharva: sieh, wie des Schicksals Treiben bösartig und widerwärtig ist!

2956. (1241.) Wie die Vorstellung, die man sich von einem Gotte,[152] einem Wallfahrtsorte, einem Brahmanen, einem Zauberspruch, einem Schicksalsdeuter, einem Heilmittel oder einem Lehrer macht, so der Erfolg.

2957. (4214.) Ein Gott, ein Fürst, ein Lehrer, eine Gattin, Aerzte und Sterndeuter gehen nicht mit leeren Händen von dannen; thun sie es aber, so misslingt die Sache.

2958. (4215.) Geld, das man am rechten Orte und zu rechter Zeit, so wie im Glauben, einem Würdigen giebt, bringt Verdienst.

2959. (4216.) Handlungen, die man nicht am rechten Orte und ausser der Zeit, also auf verkehrte Weise vollbringt, werden zu Schanden, wie Opferbutter in den Händen von Unreinen.

2960. Reisen, Freundschaft mit Gelehrten, ein schönes Weib, Besuch eines fürstlichen Hofes und das Studium verschiedener Wissenschaften sind, wie man sagt, die fünf Wurzeln der Gewandtheit.

2961. 2962. 2963. (1242. 1243. 1244.) Es lauern Tag und Nacht mit[153] bereit liegenden Netzen, Einschmeichelung u.s.w. genannt, Fürsten auf ihre Länder, Aerzte auf Kranke, Kaufleute auf Kunden, Kluge auf Narren, Diebe auf Fahrlässige, Bettler auf Hausherren, Buhldirnen auf Verliebte und Handwerker auf Jedermann um nach Kräften von ihnen zu leben, wie Fische von Fischen.

2964. (1245.) Wer nicht auf der Erde umhergewandert ist und sich nicht mit den mannichfachen Sprachen, Trachten und Anderem in fremden Ländern bekannt gemacht hat, dessen Leben ist fruchtlos gewesen.

2965. (1246.) Obgleich der Wanderer weiss, dass die Geliebte, durch Länder, Hunderte von Flüssen und Bergen und durch Wälder von ihm getrennt, trotz aller Anstrengung nicht erblickt werden kann, so streckt er doch den Hals in die Höhe, berührt nur mit dem halben Fusse die Erde, richtet die mit Thränen gefüllten Augen nach jener Gegend und bleibt, in Gedanken vertieft, lange stehen.

2966. (4217.) Ist die falsche Meinung von der eigenen Person geschwunden und der höchste Geist erkannt worden, so ist, wohin sich der Geist auch wendet, die Andacht da.

2967. (1247.) »Gieb, gieb«, so sprechen sowohl die Gebenden (Reichen) als auch die Bedürftigen, weil sie nur daran denken, wie viel Jemand besitzt, nimmer aber daran, ob Jemand überhaupt Etwas hat oder nicht.

[154] 2968. (1248.) Kennte der Geber (Reiche) den Schmerz, der über den kommt, welcher das Wörtchen »gieb« auszusprechen im Begriff ist, er gäbe sein eigenes Fleisch sogar hin.

2969. (4218.) Es gehe der Leib aus der Seele oder die Seele ans dem Leibe hervor, dieses Zusammensein mit Gattin und andern Freunden ist nur ein Zusammentreffen auf der Strasse.

2970. (1249.) Wen die Armuth befleckt hat, der wird zum Behälter der Erbärmlichkeit, zur Hauptstätte der Erniedrigung, zum beständigen Sitze des Missgeschicks.

2971. (4219.) Das Schicksal raubt ja dem Menschen den Verstand, wie ein plötzlich erscheinendes Licht die Sehkraft, und der Mensch geht, als wenn er mit Fesseln gebunden wäre, dem Willen des Schöpfers (Schicksals) nach.

2972. Wenn das Schicksal mit des Menschen Arbeit Hand in Hand geht, dann erreicht es ja, o Fürst, in vollem Maasse sein Ziel; wenn sie sich aber gegenseitig bekämpfen, dann erreicht keines von beiden das Ziel.

2973. (1250.) Vor Göttern, Königen und Brahmanen soll man den Zorn zurückzuhalten sich stets bemühen, desgleichen vor Greisen, Kindern und Kranken.

[155] 2974. (4220.) Das Schicksal halte ich für das Höchste, des Menschen Arbeit aber für nutzlos: durch das Schicksal wird Alles beherrscht, das Schicksal ist ja die höchste Zuflucht.

2975. (4221.) Das Schicksal und des Menschen Arbeit unterstützen sich gegenseitig; Männern von hoher Gesinnung aber ist die That das Wahre, während elende Wichte dem Schicksal huldigen.

2976. (1251.) Der Mann, der im Stande ist durch seine eigene Arbeit das Schicksal zu bekämpfen, geräth in keine Verlegenheit, wenn seine Sache in Folge des Schicksals misslingen sollte.

2977. (1252.) Wer genau weiss, was er zu thun hat, der bringt das, was vom Schicksal kommt, durch seine Arbeit und Seelenruhe, was aber vom Menschen kommt, durch kräftiges Auftreten und kluges Benehmen zur Ruhe.

2978. (1253.) Wer, wenn ihm durch des Schicksals Willen Reichthümer[156] zugefallen sind, weder ein Verlangen nach Genuss, noch ein Begehren nach jener Welt (die durch Freigebigkeit gewonnen wird) zeigt, der ist ein Schätze hütender Thor.

2979. (1254.) Obgleich eines Mannes Sache, würde sie auch gut geführt, durch das Schicksal, wie man weiss, bisweilen zu Schanden wird, so muss er, sofern er vernünftig ist, wenn das Schicksal kommt, sich dennoch mühen.

2980. (1255.) Was das mächtige Schicksal selbst in der Welt Jemanden zugemessen hat, das bringt es ihm auch; die Grösse des Behälters hat darauf auch nicht den geringsten Einfluss: wenn eine Wolke, die alle Himmelsgegenden erfüllt, auch Tag für Tag regnet, so fallen doch nur zwei bis drei ganz feine Tropfen in des Ḱâtaka Schnabel.

2981. (4222.) Vom Schicksal und von der That des Menschen hängt das Gelingen eines Unternehmens ab; das Schicksal ist aber offenbar nur die That des Mannes in einem früheren Leben.

Stenzler.

2982. (1256.) Bürdet dem Schicksal die Last der lange eingesammelten Schmerzen auf und lebet gesund und glücklich. Was nützt es bei Andern[157] zu betteln? Obgleich der Sonnengott den Meru ehrerbietig von links nach rechts umschreitet, so hat er doch immer nur sieben Rosse, nimmer ihrer acht.

2983. (4223.) Wenn ein Fürst die Erde gut beschützt, verleiht sie den Eigenen und auch den Fremden stets Getraide und Gold, wie eine wohlgenährte Mutter Milch.

2984. (1257.) Aus Furcht vor Schaden gar nicht an's Werk zu gehen ist das Merkmal eines elenden Wichtes. Wer, o Bruder, lässt das Essen aus Furcht vor Unverdaulichkeit?

2985. Ist das Volk in Noth, so wälzt es alle Schuld auf den Fürsten; ist aber der Fürst der Schuldige, so kann ihm Niemand wehren.

2986. Die Menschen eignen sich nur die Fehler, nicht die Vorzüge eines mit Vorzügen ausgestatteten Mannes an: ein Blutegel saugt das in einer Weiberbrust befindliche Blut, nicht aber die Milch aus.

2987. (4224.) Von dreierlei Art sind die Eigenschaften (eines Dieners): ist der Herr ihm zugeneigt, so sind seine Fehler Vorzüge; ist der Herr ihm abgeneigt, so sind seine Vorzüge Fehler; ist der Herr gleichgiltig, so sind seine Fehler Fehler und seine Vorzüge Vorzüge.

[158] 2988. Man hat sowohl Mängel als Vorzüge, ohne Mängel kommt Niemand zur Welt: die überaus zarte Wasserrose hat am Stengel einen Dorn.

2989. (1258.) Die Armuth ist für die Menschen ein überaus grosses Uebel, das Verachtung erzeugt, indem selbst Lebende von den Ihrigen sogar für todt gehalten werden.

2990. (1259.) Damit, dass der Schöpfer der Birke keine Früchte verlieh, hat er nur seine Missgunst an den Tag gelegt: erfüllt nicht dieser Baum mit seiner Rinde, an deren Ablösung Hunderte von Messern thätig sind, die Hoffnungen einer langen Reihe Bedürftiger (d.i. einer Unzahl von Abschreibern)?

2991. (1260.) Ein Fürst geht durch schlechte Berathung zu Grunde,[159] ein Asket durch Umgang, ein Sohn durch Verhätschelung, ein Brahmane durch Vernachlässigung des Studiums, eine Familie durch einen schlechten Sohn, gute Sitten durch Verkehr mit Schlechten, Scham durch Trunk, ein Acker durch Sorglosigkeit, Liebe durch häufiges Reisen, Freundschaft durch Kälte, Wohlergehen durch unkluges Benehmen, Besitz durch Verschenken und Fahrlässigkeit.

2992. (1261.) Wer auf das Würfelspiel wie auf einen Boten des Todesgottes, auf berauschende Getränke wie auf das furchtbare Gift Hâlâhala und auf die Gattin wie auf eine unnütze Erscheinung sieht, der ist des Königs Liebling.

2993. Das Glücksspiel, der Genuss von Fleisch und berauschenden Getränken, der Umgang mit Buhldirnen, die Jagd, der Diebstahl und der Verkehr mit einem fremden Weibe: diese sieben Laster in der Welt bringen Einen in die fürchterlichste Hölle.

2994. (1262.) Das Glücksspiel, den Genuss von Fleisch und berauschenden Getränken, den Umgang mit Buhldirnen, die Jagd, den Diebstahl und die Berührung eines fremden Weibes: diese Laster, die sieben grossen Sünden, meide ein Verständiger.

2995. Das sind, o Pârtha, die niedrigsten Menschen, welche mittels des Glückspiels zu Reichthümern, mittels des Dienstes zu Ehren und mittels fremder Weiber zu Genuss zu gelangen suchen.

[160] 2996. (1263.) Alle Metalle verbinden sich wegen ihrer Schmelzbarkeit, Thiere und Vögel aus dieser oder jener Ursache, Thoren aus Furcht und Habsucht, vorzügliche Menschen, weil sie sich ein Mal gesehen haben.

2997. (1264.) Fehlte einem Fürsten auch Alles, was zu eines Fürsten Macht gehört, so soll man ihm dennoch dienen, falls er die hierzu erforderlichen Vorzüge besitzt: durch ihn erhält man einst, wenn auch erst nach langer Zeit, einen Lebensunterhalt, der des Preisens werth ist.

2998. (4225.) An die Vortheile, die an geschwundener Habe hingen, denke man nicht, da dem, der diese beachtet, die Fesseln der Liebe (zu den Dingen) nicht gelöst werden.

2999. (1265.) Was verdient vor Allem gesehen zu werden? Der Rehäugigen vor Liebe heiter strahlendes Gesicht. Was gerochen zu werden? Ihres Mundes Athem. Was gehört zu werden? Ihre Reden. Was geschmeckt zu werden? Ihrer Lippenknospen Nass. Was berührt zu werden? Ihr Leib. Woran sollen Empfindungsvolle vor Allem denken? An ihre frische Jugend. Ueberall stehen sie obenan.

[161] 3000. Ein unerwachsenes Mädchen gleicht dem Traubensaft, eine Jungfrau dem Zucker, eine Frau mittleren Alters dem Safte der Mangofrucht, ein altes Weib einer Kokosnuss.

3001. Gift, das vom Baume kommt, tödtet ja nicht den Baum, eben so wenig Gift, das von der Schlange kommt, die Schlange; jenes heftige und brennende Gift des Zornes aber versengt seltsamer Weise die Stätte, aus der es hervorging.

3002. Wer Hochstehenden zu schaden sucht, der schadet nur sich selbst: wurde nicht dem Râhu, der Sonne und Mond anfeindete, das Haupt abgeschlagen?

3003. (4226.) Nicht darf man jemals Freunden zu schaden suchen, auch nicht denen, die Einem vertrauen, oder deren Brod man isst, oder bei denen man ein Obdach hat.

3004. (4227.) Der feingebildete Mann trete, auch wenn ihn Niemand zurückhält, nicht in's Gemach (des Fürsten), wenn dieser in einem Zwiegespräch begriffen ist, oder Arzenei bei der Mahlzeit einnimmt, oder mit den Frauen vereint ist, oder dann, wenn der Barbier bei ihm ist.

3005. (1266.) Nur zwischen Zweien, die gleichen Besitz, und nur zwischen[162] Zweien, die gleiche Macht haben, ist ein Streit wohl denkbar, nimmer aber zwischen Einem, der tief unten, und Einem, der hoch oben steht.

3006. (1267.) Stets bewegst du dich, o Zunge, inmitten von zweiunddreissig Feinden, den Zähnen: wer hat dich diese Geschicklichkeit im Durchschlüpfen gelehrt?

3007. (1268.) Zweie soll man in's Wasser werfen, nachdem man ihnen zuvor einen Stein fest an den Hals gebunden hat: den Reichen, der nicht spendet, und den Armen, der sich nicht der Askese hingiebt.

3008. (1269.) Das sind die zwei scharfen Dorne, die dem Körper Kraft und Saft entziehen: wenn der Besitzlose Gelüste hat und wenn der, der nicht Herr ist, in Zorn geräth.

3009. (1270.) Diese Zwei verschlingt die Erde, wie eine Schlange Höhlenbewohner: einen König, der nicht kämpft, und einen Brahmanen, der nicht in die Fremde zieht.

3010. (1271.) Diese Zwei werfen ein schlechtes Licht auf sich wegen ihres verkehrten Treibens: ein Familienvater, der die Hände in den Schooss legt, und ein Bettler, der sich abarbeitet.

[163] 3011. (1272.) Diese Zwei, o Tiger unter den Menschen (d.i. König), erwecken Vertrauen bei Andern: Weiber, die den lieben, der von Andern geliebt wird, und Leute, die den achten, der von Andern geachtet wird.

3012. (1273.) Diese Zwei, o Tiger unter den Menschen (d.i. König), durchbrechen die Sonnenscheibe: ein umherwandernder Bettler, der sich der Beschaulichkeit hingiebt, und derjenige, der in der Schlacht von vorn getödtet wird.

3013. (1274.) Diese zwei Männer haben ihren Sitz, o König, über dem Himmel: ein grosser Herr, der Nachsicht übt, und ein Armer, der freigebig ist.

3014. (1275.) Zwei Mittel giebt es hier, wie man sagt, zur Rettung, wenn der Feind sich zeigt: das eine ist, dass man die Hände in Bewegung setzt, das zweite beruht auf der Füsse Eile.

3015. (4228.) Nur zwei Wege werden, o du Bester unter den Rednern, von Weisen erwähnt: die Schonung alles Lebenden und die Wahrheit, auf der das Recht beruht.

[164] 3016. (1276.) Leute, die in ferne fremde Länder ziehen, bekommen durch Einkauf von Waaren, das Zwei- oder Dreifache für ihre Bemühung.

3017. (4229.) Zeige nicht, o Bruder, diese deine Vorzüge einem Vieh von Menschen: gewöhnliches Vieh kann durch Vorzüge (Stricke) in Zucht gehalten werden, ein Vieh von Mensch aber benagt gerade Vorzüge.

3018. (1277.) Sogar Brahmanen und in Beschaulichkeit lebende Asketen gelangen im künftigen Leben nicht zu der Stellung, die ein Diener erreicht, der für seinen Herrn das Leben opfert.

3019. (4230.) Ein Fürst, der seine Freude daran hat die Brahmanen zu ehren, der freigebig ist, mit seinen Verwandten redlich verfährt und eine gute Gemüthsart hat, beschützt, o König, lange die Erde (d.i. regiert lange).

3020. (1278.) Brahmanen soll man nicht geringschätzen, da sie der Herr der Dreiwelt ehrt; wie Götter soll man sie ehren durch Gaben, Würden, Verehrung und Anderes.

[165] 3021. (1279.) Fürsten gleichen Schlangen: sie sind zweizüngig, grausam, suchen stets Spalten (Blössen) und erspähen Einen schon aus der Ferne.

3022. (4231.) Es giebt zwei Arten von Märschen: das eine Mal, so heisst es, ist der Marsch angezeigt, wenn es gilt bei einer Gefahr Leben und Güter zu retten, das andere Mal, wenn man auf Eroberungen auszugehen gedenkt.

3023. Wie ein Elephant ohne Brunstsaft, eine Schlange ohne Gift und eine Scheide ohne Schwert, wird ein Fürst mit Geringschätzung angesehen, wenn er bei einem Vergehen keine Strafe verhängt.

3024. (1280.) Râma legt nicht zwei Mal einen Pfeil auf die Sehne, setzt nicht zwei Mal Schutz Suchende in ihre Würde ein, spendet nicht zwei Mal Bedürftigen, spricht nicht zwei Mal dasselbe.

3025. Männer, die sogar ihrer Feinde Fehler niemals rügen, wohl aber ihre Vorzüge rühmen, kommen in den Himmel.

3026. (1281.) Wenn das Schicksal sich uns zuneigt, schafft es uns sofort das Erwünschte, indem es dasselbe sogar aus einem andern Welttheile, sogar aus der Mitte des Meeres, sogar vom Ende der Welt herbeiholt.

[166] 3027. (1282.) Zweierlei übend erscheint ein Mann in dieser Welt im günstigen Lichte: wenn er kein hartes Wort spricht und wenn er Böse nicht ehrt.

3028. Zwei Räder rollen in der Welt: die Geliebte und das Gold; wer beiden zu entsagen vermag, ist ein zweiter Çiva.

3029. (4232.) Merkwürdig, dass selbst einem Manne klaren Geistes, wenn er durch Hass und andere Leidenschaften krankhaft erregt ist, ein Anderer fälschlicher Weise grösser erscheint: ein von Haus aus klares Auge sieht ja, wenn es vom Staar ergriffen ist, den Mond und andere Gegenstände doppelt vor sich.

3030. (1283.) Der Mann, welcher gegen des Fürsten Feinde von Hass erfüllt ist und dessen Günstlingen Liebes erweist, ist des Königs Liebling.

3031. (4233.) Der Verständige, durch den gerade dieser gefährliche Hass überwunden wurde, hat in einem halben Augenblicke jegliche Leidenschaft bis auf den Namen sogar zu Nichte gemacht.

[167] 3032. Weil derjenige, der zu Macht gelangt, in der Regel sogar denen, die mit Vorzügen ausgestattet sind, zu schaden sucht, Niemanden liebt und mit Hochstehenden Feindschaft beginnt, darum geht er trotz seiner Macht zu Grunde.

3033. (1284.) Einem Feinde beweist weder ein Verständiger, noch ein Unterrichteter sein Wohlwollen: einem Freunde sollen wir Gutes erweisen, einem Feinde aber Böses.

3034. (4234.) Den Wohlgezogenen, wäre er uns auch verhasst, halten wir in Ehren, wie der Kranke die Arzenei; den Bösen dagegen, wäre er uns auch lieb, müssen wir aufgeben, wie einen von einer Schlange gebissenen Finger.

3035. Ein strenger Fürst ist, o Judhishthira, den Menschen verhasst und einen milden achtet man nicht; darum soll man Beides (Strenge und Milde) anwenden.

3036. Auf diese Weise bringen Thoren, wenn sie Thoren unterweisen, diese um beide Welten; darum soll ein verständiger Mann nimmer Thoren, sondern nur Gebildeten Dienste leisten.

[168] 3037. Was ist zweisilbig der Tod, dreisilbig aber das ewige Leben (Brahman)? Das zweisilbige Ganja (Schlacht) ist der Tod, das dreisilbige Sauģanja (Leutseligkeit) das ewige Leben (Brahman).

3038. (4235.) Wenn mein Vermögen verloren ging, so ging so viel verloren wie der Staub von meinen Füssen; wenn mein Land verloren ging, so frage ich, was durch dieses Bischen verloren ging; das aber verletzt mich tief, dass die jetzigen vielen reichen Herren, wenn sie die Armen (ihre Schuldner) herrechnen, mich unter der Zahl derselben aufführen.

3039. (1285.) Es verlässt nothwendig, o König, entweder der Mensch das Geld, oder aber das Geld den Menschen: wer möchte, wenn er solches weiss, sich betrüben?

3040. (4236.) Verlust des Vermögens, der Tadel Gebildeter, Abfall vom guten Wandel und Druck von Seiten der Verwandten trifft diejenigen Männer, deren Herz am Glücksspiel hängt.

3041. (1286.) Vieles Geld kannst du leicht gewinnen, auf der Reise wirst du dich behaglich fühlen und mir droht keine Lebensgefahr und dennoch, Liebster, reise nicht!

3042. (1287.) Beim Vorschiessen von Geld oder Getraide, beim Erlernen[169] einer Wissenschaft, beim Essen und beim Handel soll man stets die Scham bei Seite lassen.

3043. (4237.) Beim Verlust des Vermögens halte ich dieses für einen bedeutenden Schmerz, der grösser als alle andern ist, dass Verwandte und Freunde den um sein Vermögen Gekommenen geringschätzen.

3044. (1288.) Reichthümer sind zunächst schwer zu erwerben; sind sie erworben, so ist es schwer sie zu hüten; der Verlust des Erworbenen ist wie der Tod: darum denke man nicht an Reichthümer.

3045. (1289.) Zunächst hast du mit Mühe und Noth dir Reichthümer erworben; nichtsdestoweniger musst du in beiden Fällen, sei es, dass sie verloren gingen oder dass du stürbest – und Eines von Beiden muss doch nothwendig erfolgen –, dich von ihnen trennen. Sage, ob es besser wäre, wenn sie gar nicht gekommen wären, oder ob es erspriesslicher sei, dass sie dahin schwinden. Der Verlust des Erworbenen (so dünkt mich) schmerzt mehr als das Nichterwerben.

3046. Bedürftigen verleiht die Tugend Reichthtümer, denen, die Wünsche haben, gewährt sie alle Wünsche; die Tugend ist es, die nach und nach die letzte Erlösung zu Wege bringt.

3047. (4238.) Reichthümer sollst du erwerben, o Kâkutstha! Reichthümer[170] bilden die Wurzel der Welt; keinen Unterschied finde ich zwischen einem Armen und einem Todten.

3048. (1290.) Handel treiben heisst so viel als »es ist Vermögen da«, den Acker bebauen so viel als »es ist Etwas da«, Dienste thun so viel als »es ist Nichts da«, auf verwegene Abenteuer ausgehen so viel als »mit mir ist es aus«.

3049. (4239.) Um des Geldes wegen tödten Räuber vor unseren Augen einen Menschen, um des Geldes wegen quält man ihn mit allerlei Geldbussen und hält ihn in beständiger Angst.

3050. Reichthum erklärt man für das höchste Gut, da Alles auf dem Reichthum beruht; Reiche leben in Wirklichkeit, arme Menschen dagegen sind todt.

3051. Diejenigen, welche, Gewalt anwendend, einen Mann vom Reichthum abziehen, richten das Gute, das Nützliche und das Angenehme zu Grunde und auch den Menschen.

3052. (1291.) Der Geldgierige ist ja unzufrieden, hat den Geist nicht in der Gewalt und kann der Sinne nicht Herr werden: alles Unglück wird dem zu Theil, dessen Herz sich nicht zufrieden giebt.

3053. (1292.) Du blähst dich ja auf, wenn du Geld hast; warum geräthst[171] du ferner in Verzweiflung, wenn dein Vermögen verloren geht? Die Menschen fallen und steigen ja wie der Spielball in der Hand.

3054. (4240.) Ein Reicher wird von Zorn und Habsucht heimgesucht, hat seine Besinnung verloren, blickt zur Seite, hat ein vertrocknetes Gesicht, ist schlecht, zieht die Brauen zusammen,

3055. (4241.) beisst sich in die Lippen, ist zornig und spricht fürchterliche Worte: wer möchte ihn anblicken, wenn er im Begriff stände die Erde zu verschenken?

3056. (1293.) Jeder Reiche ist überall und immer mächtig in der Welt: auch der Könige Macht wurzelt ja im Reichthum.

3057. (4242.) Wer des Geldes ermangelt, dem mangelt es noch nicht, der ist sicher noch ein reicher Mann; wer aber der Perle des Wissens ermangelt, dem mangelt es in allen Dingen.

3058. (1294.) Wer sich des Geldes wegen abmüht, der thäte besser sich gar nicht abzumühen: der Nachtheil, den der Reichthum bringt, ist grösser als der Segen, der auf ihm ruht.

3059. (1295.) Bei Zufluss von Geld giebt sich der Männer Herz noch ärgerer Gier hin: in der heissen Jahreszeit pflegt Hagel gehörige Kälte zu bringen.

[172] 3060. Reichthum, Ansehen am Hofe des Fürsten, eine willige Gattin, ein wohlerzogener Sohn, Sinn für Tugenden und Umgang mit vorzüglichen Menschen sind die sechs Himmel auf dieser Erde.

3061. Durch Reichthum wird ein Geschlecht mächtig, durch Reichthum wächst moralisches Verdienst: ein Armer wird, o Bester der Männer, weder dieser, noch jener Welt theilhaftig.

3062. (1296.) Wenn hier Thoren in Erwartung von Freuden unter Reichen Qualen empfinden, so ist es, als wenn sie, von der Sonnenhitze gepeinigt, sich zum Feuer begäben, um Kühlung zu suchen.

3063. (1297.) Der Kluge gebe Reichthümer und Leben für einen Andern dahin: da Beides doch einst nothwendig zu Grunde geht, so ist es besser, dass es für eine gute Sache geopfert werde.

3064. (1298.) Wen brächte wohl die Gier nach Reichthümern nicht um alle Macht? Der in der Luft fliegende Vogel wird für seine Gier nach Beute von fern her in der Schlinge gefangen.

[173] 3065. (1299.) Das Verlangen nach Reichthümern und nach Erhaltung des Lebens ist bei den Menschen stets heftig, doch ist einem Alten die junge Gattin noch theurer als das Leben.

3066. (1300.) Wer reich und doch nicht toll vor Hochmuth, wer jung und doch nicht leichtsinnig, wer ein grosser Herr und doch nicht fahrlässig ist, der besitzt die wahre Grösse.

3067. (1301.) Was nützen Reichthümer, die man nicht spendet und nicht geniesst? Was nützt Macht, wenn man sie nicht gebraucht, den Feind zu verjagen? Was nützt Wissen, wenn man es nicht gebraucht, Tugend zu üben? Was nützt der Geist, wenn er nicht die Sinne zügelt und sich selbst in der Gewalt hat?

3068. (1302.) Durch Geld ist man stark, durch Geld wird man klug: sieh, wie diese Maus, nachdem sie ihren Schatz eingebüsst hat, ganz wie Andere ihres Geschlechts geworden ist!

3069. (4243.) Mit Geld, Kleidern, Liebe, Vertrauen und nektarsüssen Reden erfreue man stets die Gattin und thue ihr nimmer ein Leid an.

[174] 3070. (4244.) Ein Loch, das mit unrechtmässig erworbenem Gelde verstopft wird, bleibt unbedeckt und darauf thut sich ein neues Loch auf.

3071. (1303.) Alle Menschen, die an Reichthümern, an Lebenszeit, an Weibern und am Essen nicht genug haben konnten, sind zu Grunde gegangen, werden zu Grunde gehen und gehen zu Grunde.

3072. (1304.) Wegen seiner Reichthümer, nicht wegen seines edlen Geschlechts und seiner guten Sitten wird der Mann ein Gegenstand der Aufmerksamkeit: ein Mann ohne Vermögen wird ja von der eigenen Gattin im Stich gelassen, wie viel eher von Fremden?

3073. (1305.) Durch Geld werden Leute aus niedrigem Geschlechte zu Adelichen, durch Geld kommen die Menschen über Unfälle hinweg, keinen bessern Freund giebt es als das Geld: Geld, Geld sollt ihr erwerben.

3074. (1306.) Was nützt dem Manne, der in der Welt des Geldes verlustigt[175] ging, das Leben, so frage ich gleich zunächst, da dadurch, dass aller Widerstand von seiner Seite vergeblich ist, sein Zorn und seine Gnade wirkungslos werden?

3075. Glücklich fürwahr sind die Hochbegabten, die den Zorn, der sich in ihnen erhebt, mit dem Verstande hemmen, wie man brennendes Feuer mit Wasser hemmt.

3076. (4245.) Auf dem Meere der Welt ist die Priesterschaft ein glückbringendes Schiff, auf dem es umgekehrt hergeht: alle die untergehen (sich vor den Priestern verbeugen), gelangen glücklich hinüber; die da oben bleiben (sich über die Priester erheben), gehen unter.

3077. (1307.) Vögel sitzen furchtlos auf dem Schoosse der Glücklichen, die, in Bergeshöhlen wohnend, mit ihren Gedanken in das höchste Licht (das Brahman) sich vertieft haben, und schlürfen die durch die höchste Wonne erzeugten Thränentropfen; uns dagegen schwindet nur das Leben dahin im Genuss von Palästen, Teichufern, Lusthainen, Spielen und Festlichkeiten, die die Phantasie uns vorzaubert.

3078. (1308.) Glücklich fürwahr ist das Leben derjenigen, die die feuchten, vom Regen erstarrten Glieder der in das Haus gekommenen geliebten Mädchen an ihre Glieder schmiegen.

[176] 3079. Glücklich ist in der Welt die Mutter, glücklich auch der Vater, glücklich und reich der Gatte, in deren Hause eine treue Gattin weilt.

3080. (1309.) Glücklich bist du, die du auch in der Gesellschaft des Geliebten in den Pausen des Minnespiels Hunderte von vertraulichen Liebesworten redest; streckt dagegen mein Geliebter nur die Hand nach dem Schurze aus, so habe ich, das schwöre ich euch, o Freundinnen, Alles vergessen (was ich sagen wollte).

3081. (1310.) Glücklich sind nur diejenigen, deren Herz nicht aufwallt beim Anblick der Gestalt von Schönen mit beweglichen langen Augen, mit der Jugend entsprechendem vollen, prallen, strotzenden Busen und mit den drei sich schlängelnden Falten, die auf dem magern Leibe prangen.

3082. (1311.) Glücklich sind jene vorzüglichen Menschen, die den Zorn, der sich in ihnen erhebt und entzündet, mit dem Verstande dämpfen, gleichwie man brennendes Feuer mit Wasser dämpft.

3083. Glücklich die Fürsten, welche in der Nacht ruhig schlafen, wenn sie die Städter, als ständen Söhne vor ihnen, vollkommen zufrieden sehen.

[177] 3084. (1312.) Glücklich sind diejenigen, die nicht des Landes Verfall sehen, nicht der Familie Untergang, nicht das Weib in fremden Händen und nicht den Freund in schlimmer Lage.

3085. (1313.) Glücklich sind diejenigen, welche, frei von aller Leidenschaft, an des Lehrers Worten sich erfreuend, allem Hange zur Welt entsagend, in der Erkenntniss des heiligen Wortes ganz aufgehend, ihre Jugend in einem Waldesdickicht des besten der Berge verbringen; glücklich sind aber auch diejenigen, welche am Schlusse des Tages, die Geliebte, deren Körper von der Last der hohen strotzenden Brüste-Urnen erschöpft ist, fest an sich drückend, auf weichem Lager ruhen.

3086. Glücklich sind Sarasvatî, Skanda und Buddha, diese drei in der Welt, die den Liebesgott wie einen am Saume des Gewandes hängenden Grashalm abschüttelten.

3087. (4246.) Es giebt, o Draupadî, für diejenigen, die zum Himmel gehen, keine andere Fähre als die Tugend; sie gleicht dem Schiffe des Kaufmanns, der über's Meer zu gehen gedenkt.

[178] 3088. Verlässt wohl die Glücksgöttin jemals das Haus derer, bei denen stets nur ihr eigenes moralisches Verdienst der Bürge für ihr Erscheinen vor Gericht war?

3089. (4247.) Das verletzte Recht verletzt, das geschützte Recht schützt; darum dürfen wir das Recht nicht verletzen, auf dass es nicht, von uns verletzt, uns verletze.

3090. (4248.) Man häufe, indem man keinem Geschöpfe ein Leid zufügt, allmählich Tugend an, wie Termiten einen Haufen, damit man einen Gefährten auf dem Gange zur anderen Welt habe.

3091. Tugend, Annehmlichkeit, Himmel, Freude, Zorn, Gelehrsamkeit und Selbstbeherrschung, alle diese gehen, o Fürst, aus dem Reichthum hervor.

3092. Die Tugend ist ausgezogen, die Kasteiungen sind auf Reisen gegangen[179] und die Wahrheit hat sich weit wegbegeben, das Land ist arm an Früchten, die Fürsten sind hinterlistig, die Brahmanen leben vom Waffenhandwerk, die Welt hängt an den Weibern, die Weiber sind leichtfertig, die Menschen fröhnen der Gier, dem Guten geht es schlecht und der Bösewicht schwimmt oben auf: aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Zeitalter Kali eingetreten.

3093. (1314.) Das Recht soll (ein Fürst) zuerst bedenken, die Denkweise der Minister soll er stets zu ergründen suchen, er soll über den Gehorsam des Volkes sich Gewissheit verschaffen, das Reich mit seinen Augen, d.i. mittels vorzüglicher Späher, genau erforschen, Liebe und Zorn verbergen, Milde und Strenge zu rechter Zett anwenden, sein eigenes Selbst sorgfältig hüten, an der Spitze der Schlacht aber auch dieses nicht weiter berücksichtigen.

3094. Wenn ein Mann, strengte er sich auch nach Kräften an, eine Obliegenheit der Pflicht nicht erfüllt, so wird er doch, darüber herrscht bei mir kein Zweifel, des Lohnes dieser guten That theilhaftig.

3095. Aus der Tugend entspringt die ganze Reihe des Glückes, aus der Tugend entspringt alles Wohlbehagen und Wohlergehen, aus der Tugend entspringt fleckenloser Ruhm; darum soll man nur Tugend üben.

3096. (4249.) Man wisse, dass derjenige die Weise der Katze befolgt,[180] der die Tugend zum blossen Aushängeschild braucht, stets gierig ist, sich verstellt, die Leute hintergeht, Andern Schaden zufügt und Jedermann betrügt.

3097. Wer beständig die Pflicht vor Augen hat, ruhigen Gemüthes ist und stets auf die Förderung seiner Obliegenheiten bedacht ist, der richtet den Sinn nicht auf Unrecht und giebt sich nicht Bösem hin.

3098. Wer zu rechter Zeit dem Guten, dem Nützlichen und dem Angenehmen nachgeht und stets, o Held, mit den Seinigen theilt, der ist, o Bester der Affen, ein wahrer Fürst.

3099. Wer aber, das Gute und Nützliche hintansetzend, dem Angenehmen nachgeht, dem ergeht es wie jenem, der auf einem Baumwipfel ein schlief: wenn er erwacht, liegt er auf dem Boden.

3100. (4250.) Wenn ein Fürst Gerechtigkeit übt, die Gute von jeher geübt haben, dann gewinnt sein mit Gütern gefülltes Reich an Umfang, seine Wohlfahrt mehrend.

3101. (4251.) Wenn er dagegen die Gerechtigkeit aufgiebt und Unrecht übt, dann schrumpft sein Land zusammen, wie ein Fell, das man am Feuer hält.

3102. (4252.) Gerechte pflegen ja, o Râma, über die Maassen betrübt zu sein, und ungerechte Menschen sieht man fürwahr froh.

[181] 3103. (1315.) Des Fürsten Beisitzer im Gericht müssen mit den Gesetzbüchern vertraut sein, aus gutem Geschlecht stammen, die Wahrheit reden und gegen Feind und Freund sich gleich benehmen.

3104. (4253.) Wem die Angelegenheiten des Krieges und der Bündnisse übertragen werden, der muss die Gesetzbücher genau kennen, klug und fest sein, Ehrgefühl besitzen und Geheimnisse verschweigen können.

3105. Die Tugend ist der schönste Stein der Weisen, die Tugend ist der beste Wunderbaum, die Tugend ist die alle Wünsche befriedigende Wunderkuh, die Tugend verschafft uns alle Freuden.

3106. Gelingt das Gute, so gelingt sicher auch das Nützliche und Angenehme: ist man im Besitz von Milch, so kommen Quark und Butter leicht zu Stande.

3107. Den Lohn des Guten mögen die Menschen, nicht aber das Gute selbst; den Lohn des Bösen mögen sie nicht, vollbringen aber das Böse nach Kräften.

3108. (4254.) Wenn die Gesinnung, die man bei der Auseinandersetzung[182] der Pflichten, auf der Leichenstätte und auf dem Krankenlager hat, immer da wäre, wer würde dann nicht von den Banden erlöst werden?

3109. (4255.) Ob seiner Gerechtigkeit regierte König Paigavana lange sein Land und ob seiner Ungerechtigkeit fuhr Nahusha zur Unterwelt.

3110. (4121.) Darum soll ein Fürst, die Gerechtigkeit voranstellend, dem Besitz nachgehen: durch Gerechtigkeit gedeiht die Herrschaft und die süsse Frucht dieser ist der Reichthum.

3111. Wer einen Böses im Sinne führenden Mann, dessen Art und Weise zu sein vom rechten Wege abwich, fahren lässt, wie eine Schlange aus der Hand, der wird des Glückes theilhaftig.

3112. (4256.) Gerechte, die durch gutes Betragen und durch Opfer mit reichen Opfergaben ihre Sünden abschüttelten, sind in den von ihren Ahnen bewohnten Himmel eingegangen.

3113. (4257.) Aus der Gerechtigkeit geht der Reichthum hervor; aus der Gerechtigkeit gehen die Freuden hervor; durch Gerechtigkeit wird Alles erreicht; Gerechtigkeit ist das Beste in der Welt.

3114. Den Nutzen von Recht oder Unrecht hat hier auf Erden noch Niemand jemals erfahren: nur Macht suche man zu gewinnen, da Alles in der Gewalt des Mächtigen steht.

[183] 3115. Wenn es gilt den Weg der Tugend einzuschlagen, eine Schuld abzutragen, eine Tochter zu verheirathen, Geld zu verdienen, einem Feinde entgegenzutreten, Wissen einzusammeln und sich vor Feuer und Krankheit zu schützen, dann verliere man keine Zeit.

3116. (4258.) Wenn auch denjenigen, die sich der Pflicht wegen abmühen, bisweilen durch des Schicksals Fügung hier Unglücksfälle zustossen, so müssen Verständige, damit diese aufhören, nur um so mehr Klugheit an den Tag legen, da in Bezug hierauf folgendes Sprichwort in der ganzen Welt gang und gäbe geworden ist: denen, die sich am Feuer verbrannten, ist ja ein Ueberguss von heissem Wasser heilsam.

3117. (1316.) Gar nicht nach Reichthümern zu streben ist noch besser als frommer Zwecke wegen nach ihnen zu streben: ist es doch besser, wenn die Menschen den Schmutz gar nicht berühren, als wenn sie sich denselben abwaschen.

3118. (1317.) Das Sammeln von Reichthümern zu frommen Zwecken wird von Einigen hoch angeschlagen, aber das Sammeln asketischer Werke ist besser denn das Sammeln von Reichthümern.

[184] 3119. (4259.) Wenn es sich um Pflicht, Nutzen oder Annehmlichkeiten handelt, so ist die Gattin des Gatten Gefährtin; zieht er in die Fremde, so weiss sie ihm Vertrauen einzuflössen.

3120. (1318.) Wer sich weder um das Gute, noch um das Nützliche, noch um das Angenehme, noch um die Erlösung kümmert, dessen Dasein ist nutzlos wie das der Brüste (der Wamme) am Halse des Ziegenbocks.

3121. (1319.) Das Leben ist die Bedingung für das Bestehen des Guten, des Nützlichen, des Angenehmen und der Erlösung. Was hat der nicht vernichtet, der jenes vernichtet? Was hat der nicht bewahrt, der jenes bewahrt?

3122. (1320.) Die Beschäftigung mit guten dichterischen Werken macht uns geschickt für das Gute, Nützliche, Angenehme und für die Erlösung, so wie auch für die Künste, und bringt uns Ruhm und Freude.

3123. (1321.) Ein Fürst, dessen Schatz zu frommen Zwecken erschöpft wurde, nimmt sich auch in seiner Dürftigkeit (Magerkeit) gut aus, gerade wie der herbstliche Mond, dessen Nektar die Götter bis auf einen kleinen Rest austranken.

[185] 3124. Der Besitzlose strebe nicht nach Besitz, auch nicht frommer Zwecke oder des Lebensunterhalts wegen: das Nichtstreben gewährt dem Nichtstrebenden, wie auch einer grossen Schlange, den Lebensunterhalt.

3125. (4260.) Wer, Pflicht und Nutzen aufgebend, seinen Sinnen nachgeht, der kommt bald um Glück, Leben, Vermögen und Weib.

3126. Durch Gerechtigkeit gelangt man zu Besitz und Reich, durch Gerechtigkeit zu Sieg und Wohlfahrt, durch Gerechtigkeit zu erwünschten Gütern, durch Gerechtigkeit zu Freude und zu Ruhm.

3127. (4261.) Auf gerechte Weise gelange man zur Herrschaft und auf gerechte Weise hüte man sie: wird man eines Glückes theilhaftig, das in der Gerechtigkeit wurzelt, so giebt man es nicht auf und kommt auch nicht darum.

3128. Moralisches Verdienst macht Krankheit, böse Dämonen und Feinde zu Nichte; durch moralisches Verdienst wird Einem Alles zu Theil.

[186] 3129. (4262.) Liebe zur Gerechtigkeit, Süsse im Munde (in den Worten), grosse Bereitwilligkeit zum Spenden, Ehrlichkeit einem Freunde gegenüber, Bescheidenheit dem Lehrer gegenüber, ausserordentliche Tiefe des Geistes, Reinheit des Wandels, Sinn für Vorzüge, vollkommene Kenntniss der Lehrbücher, Schönheit der Gestalt, gläubige Verehrung Çiva's (!), alles dieses findet man bei dir, o Râma!

3130. An der Gerechtigkeit halten sich die Unterthanen, die Gerechtigkeit aber hält sich am Fürsten: wenn ein Fürst dieselbe gut handhabt, dann ist er ein wahrer Fürst, ein wahrer Herr des Landes.

3131. (1322.) Richtet, stets zum Werke bereit, eure Gedanken auf die Tugend, da ja sie allein des Heimgegangenen Freundin ist. Reichthümer und Weiber werden, sollten ihnen auch gewandte Leute nachgehen, nie Vertraute, nie beständig sein.

3132. Nach der Gerechtigkeit verlangen, über das Gehörte nachdenken, sich ganz der Freigebigkeit widmen und gleichgiltig gegen die Sinnenwelt sein heisst den Lohn des Lebens empfangen.

3133. Gedeiht die Gerechtigkeit, so gedeihen stets alle Unterthanen; schrumpft jene zusammen, so nehmen diese Schaden. Darum soll (ein Fürst) nicht gegen die Gerechtigkeit fehlen.

[187] 3134. Die Tugend ist der Menschen Freund, die Tugend ist der schönste Schmuck, die Tugend ist ein unvergängliches Gut, die Tugend erscheint überall als Retterin.

3135. Wer Tugend, Ruhm, Lebensklugheit, Fleiss, herzentzückende Aussprüche und andere Vorzüge als Perlen einsammelt, der geräth niemals in Verlegenheit.

3136. Wenn die Gerechtigkeit, von der Ungerechtigkeit verwundet, vor Gericht erscheint und die Beisitzer des Gerichts ihr nicht die Pfeilspitze ausschneiden, dann werden diese selbst verwundet.

3137. (1323.) Wer hier, sei es aus Furcht oder Gewinnsucht, eine seinem Geschlecht von einem Fremden angethane Beleidigung ruhig hinnimmt, den erkenne man für den niedrigsten Menschen.

3138. Der Mond macht die ganze Welt der Lebenden hell und klar, seinen eigenen Fleck aber abzuwaschen fällt ihm nicht ein: es sei zu wissen[188] gethan, dass gute Leute, die sich am Wohl Anderer erfreuen, in der Regel sich um ihre eigenen Angelegenheiten nicht kümmern.

3139. (1324.) Weisse Sonnenschirme, schöne Rosse und auch stets brünstige Elephanten werden uns zu Theil, wenn der Fürst gnädig ist.

3140. Es ist, o lieber Schöpfer, dieses nur deine Schuld, dass nämlich der Moschus im Nabel von Grasfressern, die in grossen Wäldern leben, ihnen den Tod bringt.

3141. (1325.) Selbst der Schöpfer ist in der Regel nicht im Stande die leichtfertigen Weiber zu hüten: wer vermöchte einem aufgeregten Strome und einem aufgeregten Weibe Zügel anzulegen?

3142. (1326.) Brahman hat nur an der Erschaffung des Weltalls seine Freude; dem Zerstörer des Opfers des Daksha (d.i. Çiva) rollen, obgleich er ein Gott ist, die Augen hin und her vor Wonne über die Umarmung der Gaurî; der Daitja-Feind (d.i. Vishṇu) trägt auf seiner Brust Spuren von den farbigen Zeichen auf den Wangen der Lakshmî und schläft im Meere. Wie kann da bei gewöhnlichen Menschen wohl noch von vollkommener Gemüthsruhe die Rede sein?

3143. (1327.) Wie aus dem Erze Gold, wie durch das Quirlen Butter[189] gewonnen wird, so geht sicher die Frucht aus dem Entschluss hervor, wenn Verstand und Bemühung denselben begleiten.

3144. (1328.) Getraide aufzuspeichern ist, o Fürst, besser als jedes andere Aufspeichern: eine Perle, die man in den Mund steckt, vermag ja nicht das Leben zu erhalten.

3145. (1329.) Einen König, der gerecht ist, der sich angelegen sein lässt Schutz zu gewähren und der feindliche Städte erobert, lieben, wie es sich gebührt, die Unterthanen, wie die Geschöpfe den Herrn der Geschöpfe.

3146. (1330.) Wenn ein gerechter (Fürst) angegriffen wird, so kämpft ja Jedermann für ihn; wegen der Liebe der Unterthanen und wegen seiner Gerechtigkeit ist es ja schwer den Gerechten zu Grunde zu richten.

3147. (4263.) Pfui rufe ich sicherlich über das Leben des Mannes, der einen Bedrängten, gehörte dieser auch zur Partei des Feindes, nicht aufnimmt, wenn er, um Schutz bittend, zu ihm kommt.

3148. (4264.) Pfui rufe ich über das Leben des Mannes, der seinen Freunden, wenn sie ihm einen Dienst erweisen, es nicht vergilt und doch der Meinung ist, er lebe.

[190] 3149. Pfui rufe ich über die Dichtkunst des Dichters von geringem Verstande, der ein Frauenantlitz und den Mond einander gleichstellt: wann sieht man denn beim Monde ein Verziehen der Brauen, Buhlkünste, Seitenblicke und ein Lächeln des Zornes und der Gnade?

3150. (1331.) Pfui über dieses Leben in der Welt, das nichtig und eitel, die Wurzel der Leiden, von Andern abhängig und über die Maassen mit Unliebem gesegnet ist.

3151. Pfui rufe ich über das Leben des Mannes, der nur durch den Vater in der Welt bekannt ist; wer durch den Sohn berühmt wird, der ist edel geboren.

3152. Glücklich ist der, welcher durch sich selbst bekannt ist; mittelmässig derjenige, der es durch Vater und Grossväter ist; der niedrigste Mann ist derjenige, der durch Verwandte der Mutter und durch die Mutter berühmt wird.

3153. (4265.) Pfui, pfui rufe ich über diese, die sich in Nichts von Würmern unterscheiden: obgleich die grossen Zauberkräfte in ihnen sich[191] laut ankünden und ihre Ruhe unbeweglich geworden ist, stecken sie dennoch im Gefängnisse der Kasteiungen. Den Weisen loben wir hier, der gleichen Geschmack findet an erbetteltem Reise und Gemüse, die er in der hohlen Hand hält, und an dem Honig des Antlitzlotuses eines Weibes.

3154. (1332.) Pfui über die Wolke, die dem Ḱâtaka, der andere Wasserbehälter meidet, den Durst nicht stillt; pfui aber auch über diesen Ḱâtaka, dass er, mag er auch durstig sein, mit Hintansetzung aller Scham einen solchen Gesellen angeht!

3155. (1333.) Pfui über die Fürsten, die aller Ueberlegung ermangeln: sind sie bei ihrem bösen Herzen über Etwas erfreut, so wird uns ein leeres Lob zu Theil; haben sie dagegen Schaden genommen, so trifft uns Verlust an Leib und Gut.

3156. (4266.) Weil man einem Fürsten nur durch einen hohen Grad von Einsicht, Muth und andern Vorzügen Dienste erweist, darum hält er, wenn er zu Glück gelangt ist, seinen Wohlthäter für gefährlich.

3157. (1334.) Wer verständig, mit Willenskraft versehen und mit eines Gebieters Macht ausgestattet ist, zu dem strömt das Glück vorzugsweise, wie zum grossen Meere die Gewässer.

[192] 3158. (1335.) Ein Reisender, der um Mitternacht den tiefen Ton einer ihr Wasser entsendenden Wolke vernahm, dachte lange unter tiefem Seufzen und mit Thränen im Auge an die Geliebte in der Ferne und heulte die ganze Nacht aus vollem Halse dermaassen, dass die Dorfbewohner dem wandernden Manne das Uebernachten in ihrem Dorfe untersagten.

3159. Götter schützen kluge, willensstarke und von ihrer Pflicht nicht weichende Männer und fördern ihre Wünsche.

3160. Die Göttin des Reichthums fürchtet sich stets vor allzu Klugen (vor Fischern), sucht gewöhnlich Schutz bei Dummen (im Wasser) und flieht vor Männern mit Vorzügen (mit Netzen) aus Furcht gefangen zu werden wie der Fisch Çapharî.

3161. (1336.) Was ist für Männer von edler Gesinnung, die mit Verstand, Muth und Ausdauer ausgestattet sind, schwer zu erreichen? Wer in der Welt ist denen feind, die seinem Willen folgen und freundliche Reden im Munde führen?

3162. (4267.) Das Aufziehen einer Wolke erzeugt aus überaus schmutzigem Rauche (dem sie ihren Ursprung verdankt) reines Wasser; sehr scharfes Eisen kommt aus einem Berge, der aus einer langen Reihe stumpfer Steine gebildet ist; so entsteht auch das leuchtende Feuer aus gar kaltem Wasser: die Natur Grosser richtet sich fürwahr nicht nach den Grenzen der Herkunft.

[193] 3163. (4268.) Blutsverwandte sind, o Dhṛtarâshṭra, Bester der Bharatiden, wie Feuerbrände: sind sie getrennt, so rauchen sie; sind sie vereint, so flammen sie.

3164. Wie Rauch in der Gewalt des Windes steht, so richtet sich die Gerechtigkeit nach der Macht; die Gerechtigkeit hängt sich, ihrer selbst nicht mächtig, an die Macht, wie eine Schlingpflanze an einen Baum.

3165. Was man einem Schelme, einem Lobsänger, einem Freunde, einem schlechten Arzte, einem Spieler, einem Falschen, einem Soldaten, einem umherziehenden Schauspieler oder einem Diebe giebt, bringt keinen Segen.

3166. (1337.) Von Gaunern, Sinne genannt, die das Verlangen nach der Sinnenwelt herbeiführten, um selbst den Genuss zu haben, ist unsere Seele um die Hoffnung Freuden zu finden, wie man weiss, betrogen worden: nachdem sie ihr Ziel erreicht haben, kümmern sie sich nicht weiter um das Uebrige; die Seele aber, die dem Geheiss des Schicksals folgen muss, wird jetzt (in Folge dessen) durch andere Werke in Banden gehalten.

3167. (1338.) Zufriedenheit, Gemüthsruhe, Selbstbeherrschung, Lauterkeit, Mitleid, freundliche Worte und Nichtkränkung von Freunden sind die sieben Holzscheite, welche die Glücksflamme unterhalten.

[194] 3168. Eine Milchkuh gehört dem Kalbe, dem Hirten, ihrem Herrn und auch dem, der sie stiehlt, in Wirklichkeit aber nur dem, der ihre Milch trinkt; so steht es fest.

3169. (1339.) Sage Freund, wovor soll ein der Beschaulichkeit lebender Asket sich fürchten, da er ja die besten Hausgenossen hat: als Vater die Klugheit, als Mutter die Nachsicht, als langjährige Hausfrau die Ruhe des Gemüths, als Sohn die Wahrheit, als Schwester das Mitleid, als Bruder die Zügelung des Herzens, als Ruhebett den Erdboden, als Kleid die Weltgegenden, als Speise die Götterkost des Wissens?

3170. (1340.) Muth sollen grosse Männer stets an den Tag legen, selbst in schwieriger Lage, selbst im Jammer, selbst in der grössten Noth; diejenigen, die durch Muth sich erheben und wissen, was zu thun ist, kommen ohne Schwierigkeiten über Schwierigkeiten hinweg.

3171. Im Unglück den Muth nicht zu verlieren, nicht zwei Mal dasselbe zu sagen und die Wahrheit zu sprechen, wer hat diese schwierige Weise – fürwahr das Stehen auf der Schneide eines Schwertes – Edle gelehrt?

[195] 3172. Ein stets mit gutem Muthe ausgerüsteter Körper fällt nicht auseinander; Sorgenlosigkeit schafft Freude und auch die allerbeste Gesundheit.

3173. Es behüte euch der Heilige der Buddhisten, der einst von den Weibern des Versuchers also neidisch angeredet wurde: an welche Jungfrau denkst du, wenn du Vertiefung heuchelst und für einen Augenblick dein Auge aufschlägst? Sieh, obgleich man dich Erlöser nennt, rettest du uns nicht, die wir durch des Liebesgottes Pfeile verwundet sind. Mit Unrecht nennt man dich den Barmherzigen; wie könnte ein anderer Mann wohl grausamer als du sein?

3174. Verrichte das beste der Brandopfer im Feuer Vertiefung, das in der Höhlung Seele ruht, vom Winde Selbstbeherrschung angefacht wird und das Brennholz Sünde verzehrt.

3175. (1341.) So lange auch nur ein Feind besteht, wie kann da Behagen sein? Vor den Augen der Asura-Feinde quält der Si hikâ Sohn (d.i. Râhu) den Mond.

3176. Sicher ist ein aufrichtiger Freund einem hoch in Ehren stehenden Manne von Nutzen: erhält ein in den Mund genommener Grashalm Einem etwa nicht das Leben?

[196] 3177. (4269.) Als du, o Schlanke, in's Wasser stiegst um zu baden, hat sicherlich die weisse Wasserlilie dir die Anmuth des Lachens gestohlen, die blaue Wasserlilie die Anmuth der Augen und die am Abend sich schliessende Wasserrose die Anmuth des Antlitzes.

3178. (4270.) Sicher werden Meere, Erde, Berge und Flüsse zu Grunde gehen, wie viel eher wird also der Tod die Menschen treffen, die schwach sind wie zerbrechliches Gras? Dennoch versengt gar heftig das Herz ein nicht in Worte zu fassendes, grässliches, den Verstand zerstörendes Feuer des Grames, das durch ein Angehörige treffendes Unglück erzeugt wird.

3179. Sicher wird sich ein Wind erheben, auch wenn ihn Niemand erregen sollte; so wird auch eine Schwangere sicher gebären; es schwindet mit Tagesanbruch sicher die Nacht und mit Anbruch der Nacht sicher der Tag.

3180. (4271.) Weder hart, noch scharf ist das Geschoss des Liebesgottes und dennoch hat er die Dreiwelt besiegt.

3181. (4272.) Wie viele Millionen von Vätern, Gattinnen, Söhnen, Oheimen und Grossvätern sind in diesem deinem langen, wie ein Strom dahinfliessenden Leben nicht schon hingegangen? Darum vergegenwärtige dir alsbald und immer und immer wieder, dass hier auf Erden die Zusammenkünfte mit Freunden wie fallende Blitze aufleuchten und nur einen Augenblick währen, und werde froh!

[197] 3182. (1342.) Niemand ist Thäter irgend einer That, auch vermag Niemand einen Andern dazu anzutreiben: die Welt folgt ihrer eigenen Natur und diese wird durch die allmächtige Zeit bestimmt.

3183. (4273.) Weder durch Arbeit, noch durch Opfer erlangt man Etwas; auch giebt es keinen Andern, der dem Menschen Etwas gäbe: was der Schöpfer in einer bestimmten Reihenfolge festgesetzt hat, das Alles erlangt der Mensch im Laufe der Zeit.

3184. (1343.) Niemanden betrachten Fürsten, die von heftigem Zorn ergriffen zu werden pflegen, als den Ihrigen: das Feuer verbrennt sogar den opfernden Priester, wenn er es berührt.

3185. Es entgeht ja kein Mensch je dem Alter und dem Tode, gewänne er auch diese ganze meerumgürtete Erde.

3186. (4274.) Niemand ist (von Hause aus) eines Andern Freund, Niemand eines Andern Feind: der Vortheil schafft uns Freunde wie Feinde.

[198] 3187. (1344.) Niemand ist (von Hause aus) eines Andern Freund, Niemand eines Andern Feind: nur in Folge einer Veranlassung entstehen sowohl Freunde als Feinde.

3188. (1344.) Niemand ist (von Hause aus) eines Andern Freund, Niemand eines andern Feind: bei einer bestimmten Veranlassung lernt man ja Freunde wie Feinde kennen.

3189. (1344.) Niemand ist (von Hause aus) eines Andern Freund, Niemand eines Andern Feind: durch den Verkehr entstehen Freunde wie Feinde.

3190. (1345.) Niemand weiss, was diesem oder jenem morgen zustossen kann; darum soll der Verständige schon heute thun, was zu thun ist.

3191. (1346.) Niemand wird hier von Hause aus von irgend Jemanden für edel oder schlecht gehalten: die eigenen Thaten erst führen den Menschen dazu, dass er in der Welt geachtet oder verachtet wird.

3192. (4275.) Man hänge nicht an Genüssen, da die Freude an Genüssen ein Leiden ist; hat man Reichthümer erlangt, so übe man fromme Werke, die Genüsse aber gebe man auf.

[199] 3193. (1347.) Die allmächtige Zeit (das Schicksal) versäumt nimmer die Zeit, die allmächtige Zeit bleibt nimmer aus und Nichts entrinnt ihr, indem Alles seiner eigenen Natur treu bleibt.

3194. (4276.) Niemand ist der Zeit lieb, Niemand ihr auch verhasst, o Bester der Kuru! Die Zeit ist auch nimmer gleichgiltig: Jedermann rafft die Zeit hinweg.

3195. (1349.) Für die allmächtige Zeit (das Schicksal) giebt es keine Verwandtschaft, keinen Grund, kein heldenmüthiges Auftreten, keine Verbindung mit Freunden und Blutsverwandten und ihr gegenüber vermag der eigene Wille Nichts.

3196. (1348.) Die allmächtige Zeit (das Schicksal) erhebt nicht den Stock und schlägt Niemanden das Haupt ab: die ganze Macht der Zeit offenbart sich darin, dass sie uns Verkehrtes vorspiegelt.

3197. (1350.) Nicht im Holze steckt der Gott, nicht im Steine, nicht im Thongebilde: im Herzen steckt der Gott, das Herz also ist sein Ursprung.

[200] 3198. (1351.) Es giebt durchaus Nichts hier auf Erden, das Kluge nicht zu Stande zu bringen vermöchten: undurchdringliches Eisen wird durch die rechten Mittel in flüssigen Zustand versetzt.

3199. (4277.) Wer sich auf Geschäfte versteht, darf nie und nimmer irgend ein Geschäft in der Uebereilung vollbringen: handelt man erst nach reiflicher Ueberlegung, dann hat man das Glück in seiner Hand.

3200. (1352.) Was gäbe ein Mann nicht hin und was thäte er nicht, wenn ihn die Weiber darum bitten, da man sogar, ohne ein Pferd zu sein, wiehert und das Haupt an einem Werkeltage sich scheert?

3201. (1353.) Man begehre nicht eines Andern Weib und hüte sich Frauen sein Vertrauen zu schenken: der Zehnköpfige (Râvana) fand den Tod der Sîtâ wegen und Vidûratha verlor sein Leben durch seine Gattin.

3202. (1354.) Wer mit des Fürsten Frauen keinen Umgang pflegt, sie nicht tadelt und mit ihnen nicht zankt, der ist des Königs Liebling.

3203. (4278.) Wem gutes Betragen abgeht, dessen vornehmes Geschlecht hat, so ist meine Ansicht, Nichts zu bedeuten; gutes Betragen ist mehr werth als alles Andere, selbst bei solchen, die von den Niedrigsten erzeugt wurden.

[201] 3204. (4279.) Nicht edle Herkunft, nicht Wohlthaten, nicht Wissen, nicht Geschenke, nicht freundliche Behandlung halten der Weiber Herz fest, da diese unbeständigen Herzens sind.

3205. Zwischen der vollbrachten That (dem Beleidigten) und dem Thäter (Beleidiger) stellt sich keine Freundschaft wieder her: das Herz gedenkt in einem solchen Falle sowohl des Thäters als auch der That.

3206. Niemand vermag, o bester Brahmane, selbst Etwas zu gewinnen: hier auf Erden sieht man ja nur früher vollbrachte Werke sich erfüllen.

3207. (1355.) Wer, wenn er die Gier erweckt hatte, ward nicht von Fürsten, wie Ameisen von Stachelschweinen, mit ihrer klebrigen, langen Zunge verschlungen?

3208. (1356.) Nicht nur über die Menschen, auch über die Götter übt[202] das Schicksal seine Macht aus: Çiva ist, obgleich der Gott des Reichthums sein Freund ist, in ein Fell gehüllt.

3209. (1357.) Der Reiher hat weder den lieblichen Gesang des Kokila, noch den leichten, nicht tanzenden Gang des Flamingo, noch das bunte Gefieder des Pfaues; dennoch ist ihm ein Vorzug eigen – das nach ihm benannte asketische Wesen.

3210. (1358.) Ein Fürst hört auf die Worte der Räthe, trotz ihrer Erfahrenheit, trotz ihrer Freundschaft, nicht eher, bis er in Unglück und Kummer geräth.

3211. (1359.) Ein Krokodil zieht, wenn es in seinem Gebiet ist, sogar einen mächtigen Elephanten mit sich fort; hat es sich aber von seinem Gebiet entfernt, so wird es sogar von einem Hunde überwältigt.

3212. (1360.) Der Nakshatra (Mondstationen) Schmuck ist der Mond, der Frauen Schmuck der Gatte, der Erde Schmuck der König, die Wissenschaft ist ein Schmuck für Jedermann.

[203] 3213. (1361.) Wer nicht von Hunger, niemals auch von Schläfrigkeit, auch nicht von Kälte, Hitze und andern Dingen sich quälen lässt, der ist ein der Fürsten würdiger Diener.

3214. (1362.) Thieren mit Krallen, Flüssen, Thieren mit Hörnern und Männern mit Waffen in der Hand soll man nicht trauen, eben so wenig Weibern und Fürsten.

3215. (1363.) Nicht durch tausend Elephanten, nicht durch hunderttausend Rosse gelingen die Sachen so wie durch eine Festung.

3216. (1364.) Man gehe nicht an der Spitze eines Haufens: gelingt die Sache, so ist der Lohn für Alle gleich; misslingt sie, so wird der Rädelsführer am Leben bestraft.

3217. (1365.) Diese vom Liebesgott herrührende Besessenheit kann nicht durch Zaubersprüche geheilt werden, ist kein günstiges Feld für Heilmittel[204] und weicht auch nicht hundert verschiedenen Besänftigungsmitteln; dadurch, dass ein Schwindel in den Leib fährt, verleiht sie diesem einen gewissen unvergleichlichen Reiz, auch bewirkt sie, dass das Auge umherschweift und hin und her rollt.

3218. (1366.) Solchen Frauen, denen der Gatte lieb ist, er lebe in der Stadt oder im Walde, sei böse oder gut, werden Welten zu Theil, in denen sie grosses Glück erwartet.

3219. (1367.) Wer durch Ehrenbezeugungen nicht hochmüthig wird und durch Geringschätzung sich nicht niederdrücken lässt, sondern stets sein natürliches Wesen bewahrt, der ist ein der Fürsten würdiger Diener.

3220. (1368.) Man sagt, dass nicht ein Haus das Haus mache; eine Hausfrau macht, so heisst es, das Haus, da ein Haus ohne Hausfrau, so meint man, einer Wildniss gleicht.

3221. Nicht Häuser, nicht Kleider, nicht Mauer, nicht Scheltworte, eben[205] so wenig vom Fürsten kommende Ehrenbezeugungen, sondern guter Wandel ist des Weibes Schirm und Schutz.

3222. (1369.) Nicht die Schenkung einer Kuh, nicht die Schenkung von Land, nicht die Schenkung von Speise steht ja so hoch, wie, nach der Meinung der Weisen, unter allen Schenkungen die Schenkung der Sicherheit vor aller Gefahr.

3223. (1370.) Nicht hat der Wind mit der Jasminblüthe gebuhlt, nicht die Biene ihren Saft gekostet: verdeckt durch einen rauhen Zweig, ist sie verblüht.

3224. Ohne Blösse gelangt ein Feind, selbst wenn er der Götter Einer ist, nicht zum Ziel: Indra zerstückelte die Leibesfrucht der Diti erst, nachdem er eine Blösse an ihr entdeckt hatte.

3225. (1371.) Nicht vor dem Monde, nicht vor einem (leuchtenden) Kraute, nicht vor der Sonne, nicht vor dem Feuer, nur vor der Milde weicht das vom Feinde kommende Dunkel.

[206] 3226. (1372.) Guten Menschen erwiesene Freundlichkeit ist nicht vergeblich, auch geht bei ihnen kein Geld und keine Ehrenbezeugung verloren. Weil dieses nothwendig und stets bei Guten der Fall ist, darum pflegen Gute Andere zu schützen.

3227. Nicht wird in der Welt der Lebenden derjenige, welcher sich der Arbeit enthält, eines Lohnes theilhaftig; nicht führt das Schicksal einen auf Abwege Gerathenen auf den rechten Weg, da es keine Macht besitzt: wie (ein Schüler) nach dem Lehrer, so richtet sich das Schicksal nach der früher vollbrachten That; die (im vorangegangenen Leben) eingesammelten eigenen Werke führen den Menschen hierhin und dorthin.

3228. (1373.) Es giebt gegen Leiden aller Art keine Arzenei, welche die Aerzte für so heilkräftig wie die Gattin hielten: das schwöre ich dir.

3229. (4280.) Nicht Mutter, nicht Vater, nicht der leibliche Bruder gehen mit (nach dem Tode); die bösen und guten Werke aber gehen mit uns, wie die Kühe mit dem Kalbe.

3230. (4281.) Unbehaglich, wie in einem Hause mit Schlangen, schläft in der Nacht der Schuldvolle, der einen ihm nahe stehenden schuldlosen Mann in Zorn versetzt.

[207] 3234. (1374.) Es giebt keinen Freund, der dem Wissen gleich käme; keinen Feind, der einer Krankheit gleich käme; keine Liebe, die der zum Kinde gleich käme; keine Macht, die grösser als das Schicksal wäre.

3232. (4282.) Ein Starker darf selbst einen schwachen Feind nicht geringschätzen, da auch ein kleines Feuer brennt und auch weniges Gift Schaden bringt.

3233. Auch erlischt, o Krshna, Feindschaft nimmer durch Feindschaft, flammt vielmehr noch heftiger auf, wie Feuer durch Butter.

3234. (1375.) Wir dürfen nicht in der Nähe eines grollenden mächtigen Feindes weilen: er könnte uns, wie eine heftige Strömung einen (am Ufer stehenden) Baum, mit der Wurzel niederwerfen.

3235. (4283.) Der Mann, der in ihre (der Weiber) Hände gerathen ist, kommt nicht wieder los; wie die Kühe stets nach frischem Grase, so greifen sie stets nach einem frischen Manne.

[208] 3236. (4284.) Wenn Uebelthäter, Grausame, von der Welt Verabscheute die Herrschaft erlangen, halten sie sich nur kurze Zeit, wie Bäume mit zerhauenen Wurzeln.

3237. (1376.) Nur kurze Zeit wird deine Reise mir Kummer bereiten (da ich vor Gram bald sterben werde): wenn du also reisen willst, so reise und lass alle Bedenken fahren.

3238. (4285.) Gar bald verspürt man, o Nachtwandler (Râkshasa), in der Welt die Folgen böser Thaten, wie die vergifteter Speisen, die man genoss.

3239. (4286.) Der Nektar der Wissenschaft, den die Männer trinken, kann von keinem Diebe, keinem Fürsten, keinem Bruder und keinem Verwandten geraubt werden, ist ein Freund in der Heimath und ein Angehöriger in der Fremde.

3240. Der Wissensschatz, den die Männer mit sich führen, steht höher als alle übrigen Schätze, da er von keinem Diebe und keinem Fürsten geraubt werden kann und da er auf Reisen keine drückende Last ist.

[209] 3241. (1377.) Das Verlangen wird durch den Genuss der Dinge, nach denen man verlangt, nimmer gestillt: es wächst nur noch stärker an, wie Feuer durch Butter.

3242. (1378.) Ein Kluger wird trotz des Friedens, der mit ihm abgeschlossen wurde, kein Vertrauen zeigen: vor Zeiten brachte Indra den Vrtra um, obgleich er ihm Urfehde geschworen hatte.

3243. (1868.) Was nützt ein Sohn, wenn sein Glanz den Glanz Glanzvoller niemals verdunkelt? Er ist umsonst geboren, hat nur der Mutter die Jugend geraubt!

3244. Ein lässiger Fürst vermag nie und nimmer die Unterthanen zu beschützen: das Regieren ist ja eine grosse Last und in der That eine gar schwierige Sache.

3245. (4287.) Der Einzelne darf sich über einen Schmerz, der das ganze Land betrifft, nicht betrüben; er suche ihn aber, ohne sich zu betrüben, abzuwenden, wenn er ein Mittel kennt.

[210] 3246. (1379.) Steht der Geliebte vor mir und spricht er liebe Worte, so weiss ich nicht, ob alle meine Glieder zu Augen oder zu Ohren werden.

3247. Weder kommt Etwas zur Welt, noch stirbt Etwas irgendwo oder irgendwann: es thut sich nur das Brahman auf, indem es sich zur Welt der Erscheinungen entfaltet.

3248. Ein Spornflügler schreitet nicht wie ein Flamingo einher, eine Krähe singt nicht wie ein Kokila und aus gesäeter Gerste wird kein Reis: gerade so lässt auch ein niedriger Mensch nicht von seiner Art.

3249. (1380.) Nicht durch Waffen, nicht durch mächtige Elephanten, nicht durch Rosse (Reiter) und nicht durch Fussvolk kommt eine Sache so zu Stande, wie sie durch Klugheit zu Stande gebracht wird.

3250. (1381.) Das nenne ich nicht Wasser, was nicht prächtige Lotusblumen hat; das nenne ich nicht Lotusblume, was keine Bienen in sich birgt; das nenne ich nicht Biene, was nicht lieblich summte; das nenne ich kein Gesumme, was nicht das Herz fortriss.

[211] 3251. Kein scharfes Schwert, keine mit dem Fusse angestossene Schlange und auch kein stets zürnender Feind möchte solches Uebel stiften wie ein nicht im Zaun gehaltener Geist.

3252. (1382.) Das heisst nicht übersetzen, wenn man nicht das andere Ufer erreicht; das heisst nicht entwenden, wenn es der Andere wieder an sich bringt; das heisst nicht graben, wenn man nicht die Wurzel mit herauszieht; das heisst nicht tödten, wenn man nicht den Kopf abhaut.

3253. (1383.) Thue nicht einem Andern, was dir selbst nicht gefallen würde (wenn man es dir thäte): das ist die Summe des Gesetzes, jedes andere Gesetz gilt nach Belieben.

3254. (1384.) Nicht der Bruder, nicht der Vater, auch kein anderer Mann harrt da aus, wo ein edler Freund ausharrt, nämlich wo es gilt dem Unglück der Menschen zu steuern.

3255. Selbst im Himmel, der so reizend ist durch die prachtvollen Gegenstände, mit denen man in unmittelbare Berührung kommt, wird den Menschen nicht solches Wohlbehagen zu Theil wie an dem Orte, sei dieser noch so elend, an dem man geboren ward.

3256. Ein Mann, der durch Pfeile, die in die empfindlichsten Theile seines Körpers drangen, verwundet ward, empfindet nicht den Schmerz, welchen ihm die in's innerste Mark dringenden verletzenden Worte böser Menschen verursachen.

[212] 3257. (1385.) Ein Mann, der von Hause aus arm ist, leidet in der Welt nicht in dem Maasse wie derjenige, der seine Reichthtümer verliert, nachdem er zuvor im Besitz erworbener Schätze glücklich gelebt hat.

3258. Kein Feind, keine Waffe, kein Gift, keine schreckliche und gefährliche Krankheit regen einen Menschen dermaassen auf, wie beissende Worte.

3259. Weil es den Leuten um's Mäkeln zu thun ist, kommt es ihnen weniger darauf an von den trefflichen Eigenschaften eines Menschen, als von seinen Mängeln zu reden.

3260. Kein Mond, kein Wasser, keine Sandeltinctur, kein kühler Schatten erquicken einen Mann dermaassen, wie süsse Worte.

3261. (1386.) Ein Stein wird mittels der Hände nicht so leicht aufgehoben, wie mittels eines Hebels: mit kleinen Mitteln Grosses zu Stande zu bringen ist die grosse Frucht der Berathung.

[213] 3262. (1387.) Es giebt Nichts in der Welt, was sich nicht mit Geld machen liesse: der Verständige, der dieser Wahrheit sich bewusst geworden ist, soll darum nur Geld machen.

3263. (4288.) Das heisst nicht Kraft, was mit der Milde im Widerspruch steht; fein ist ja die Pflicht und muss rasch geübt werden. Vergänglich ist das mit Rohheit gepaarte Glück, das mit Milde reichlich gesegnete aber geht auf Kinder und Kindeskinder über.

3264. (1388.) Das heisst nicht speisen, wenn nicht Fleisch genossen wird; das heisst nicht trinken, wenn nicht Milch von der Büffelkuh geschlürft wird; das heisst nicht schlafen, wenn nicht ein Weib dabei ist: das heisst nicht lustwandeln, wenn Wasser fehlt.

3265. (1645.) Nicht der ist ein Freund, vor dessen Zorn man sich fürchtet; auch nicht der, dem man ängstlich den Hof machen muss: der ist ein Freund, zu dem man Vertrauen hat wie zu einem Vater; was man sonst Freunde nennt, sind zufällig Zusammengetroffene.

3266. (1389.) Es giebt nicht so viele Reichthümer in der Welt, dass sie die Welt sättigten: der Mensch gleicht dem Meere, indem er niemals genug hat.

[214] 3267. Wer einen erschrockenen, bei ihm Zuflucht suchenden Mann dem Feinde überliefert, dem geht der Same zur Zeit, da er aufgehen sollte, nicht auf, dem fehlt der Regen zur Regenzeit und der findet keinen Schützer, wenn er nach Schutz verlangt.

3268. (1390.) Selbst im Himmel wird den Menschen kein solches Wohlbehagen zu Theil, wie sie es, auch bei Armuth, im Heimathlande, in der Vaterstadt, im eigenen Hause haben.

3269. (1391.) Das Behagen, welches ein Weib fühlt, wenn es auf einem prächtigen Polster nach Herzenslust (oder: bei dem eigenen Gatten) ruht, lässt sich nicht mit der Wonne vergleichen, die es auf dem nur mit Dûrvâ oder anderem Grase bedeckten Erdboden empfindet, wenn es mit einem fremden Manne in Berührung kommt.

3270. (4289.) Nach dem Himmel Strebende gelangen durch den Besuch heiliger Badeorte, Kasteiungen und Hunderte von reichen Spenden nicht zu den Welten, zu welchen in Schlachten Beherzte im Augenblick gelangen, wenn sie, als Wohlgeartete, ihr Leben hingeben.

3271. (4290.) Diese (die Weiber) vermag kein Mann zu hüten auf irgend eine Weise, nicht einmal der Weltschöpfer, wie viel weniger die Männer hier auf Erden.

[215] 3272. (4291.) Mit der Erlangung des Erwünschten tritt noch keine Befriedigung ein: durch Wasser wird der Durst nicht gestillt, er flammt vielmehr noch stärker auf, wie Feuer durch (zugelegtes) Holz.

3273. Ein gewöhnlicher Mensch kann nie genug Reichthümer sammeln, ein Gelehrter nie genug schöne Aussprüche hören, das Meer nie genug Wasser haben und das Auge nie genug Liebes sehen.

3274. Ein Glanzvoller vermag den hervorbrechenden Glanz Anderer nicht zu ertragen und diese seine Art zu sein ist ungekünstelt, weil sie von Hause aus so bestimmt wurde: lässt der Feuerstein wie ein Gedemüthigter etwa seine Gluth fahren, wenn der Gott, der den Tag macht, mit seinen Strahlen unermüdlich brennt?

3275. (1392.) Man wird nicht dadurch alt (ehrwürdig), dass das Haupt weiss gefärbt ist: auch einen Jüngling erklären die Götter für einen Mann von Jahren, wenn er den Studien obliegt.

[216] 3276. (1392.) Man wird nicht dadurch alt (ehrwürdig), dass das Haupt weiss gefärbt wird: auch einen Knaben erklären die Götter für einen Mann von Jahren, wenn er die richtige Erkenntniss hat.

3277. (4292.) Es giebt keine Vorzüglicheren, als diejenigen, die nach der Art vorzüglicher Menschen einen Elenden retten, der im Schlamm der Leiden versank.

3278. (4293.) Nicht verlangt man aber, dass man sich selbst hingebe, wie man Geld und Juwelen hingiebt, da die eigene Person in allen Fällen gerettet werden muss, sogar mit Aufopferung der Gattin und des Geldes.

3279. Niemals soll der Mensch sich selbst geringachten, da es für den, der sich selbst geringschätzt, kein glänzendes Glück giebt.

3280. (4294.) Der schlechte Mensch, welcher kein Zeugniss abgiebt, obwohl er die Sache weiss, ist an Verbrechen und an Strafe den falschen Zeugen gleich zu stellen.

Stenzler.

3281. (4295.) Der Arme ist nicht des Reichen und der Ungelehrte nicht des Gelehrten Freund, und so ist auch der Feigling nicht des Helden Freund. Wozu bestehst du auf Freundschaft?

[217] 3282. Der Geizhals vermag seine Reichthümer weder zu spenden, noch zu geniessen, befühlt sie aber mit der Hand, wie der Eunuch ein Weib.

3283. (1393.) Nicht mit Geschenken, nicht mit Ehrenbezeigungen, nicht mit Offenheit, nicht mit liebenswürdiger Aufmerksamkeit, nicht mit Dolchen, nicht mit Lehren (sind sie zu bändigen): die Weiber sind immerdar widerspänstig.

3284. Kein Ruhm ohne Spenden, keine Spenden ohne Reichthümer, kein wahrer Reichthum ohne Spenden, wie auch kein gutes Werk ohne Barmherzigkeit.

3285. (1394.) Nicht durch Spenden wird ein Weib rein, auch nicht durch hundertfaches Fasten; sie wird aber, auch ohne frommen Brauch, rein, wenn ihr Herz ganz dem Gatten zugewandt ist.

3286. (4296.) Nicht durch Spenden, auch nicht durch hundertfaches Fasten, auch nicht durch den Besuch von Wallfahrtsorten wird ein Weib so rein, wie durch des Gatten Fusswasser.

3287. (4297.) Dem Schicksal vermag kein Wesen zu entgehen: das Schicksal halte ich für sicher, die Arbeit des Menschen aber für nutzlos.

[218] 3288. (4298.) Wer diesen Körper verlässt, entweder wie ein Baum ein Flussufer (d.i. gezwungen), oder wie ein Vogel einen Baum (d.i. freiwillig), befreit sich von einem argen Ungeheuer.

3289. (1395.) Bäume, die am Flussufer stehen, Geld, das in andere Hände kommt, und eine Angelegenheit, bei welcher Weiber schalten, bringen keine Frucht.

3290. (4299.) Bäume, die am Flussufer stehen, eine Geliebte in fremdem Hause und Fürsten ohne Minister gehen ohne Zweifel schnell zu Grunde.

3291. (4300.) Bäume, die am Flussufer stehen, eine Frau ohne Schutz und ein Fürst ohne Minister leben nicht lange.

3292. Ueber Flüsse, Geschlechter, hochherzige Asketen und über das schlechte Betragen der Weiber darf man keine Untersuchung anstellen.

[219] 3293. Wer um sein Heil besorgt ist, darf Flüssen, Weibern, Fürsten, gemeinen Leuten, Sängern, Mönchen und Thieren mit Krallen nicht trauen.

3294. (1396.) Ein Fürst, der keine weitsichtigen, angeerbten Minister hat, kommt sicherlich bald in's Verderben.

3295. (4301.) Aus einem bösen Menschen wird nimmer ein guter, behandelte man ihn auch auf diese oder jene Weise: ein Nimba-Baum wird nicht süss, begösse man ihn auch von der Wurzel an mit Milch und geschmolzener Butter.

3296. (1397.) Den Bösewicht verdriesst es nicht, wenn es an's Hadern geht; desgleichen hat der Gute nie genug an edlen Thaten. Beide erkennt man ja an ihrem angeborenen Wesen, wie Zuckerrohr und den (bittern) Nimba an ihrem Geschmack.

3297. (4302.) Wind wird nicht verunreinigt, auch nicht Feuer, nicht Gold, auch nicht das Meer, auch nicht Nektar dadurch, dass ein Unsterblicher es trinkt, auch nicht eine Milchkuh dadurch, dass ein Kalb an ihr saugt.

[220] 3298. Die Weisen wissen von keiner anderen Welt, die man schon mit eigenen Augen gesehen hätte, aber dennoch soll der, dem es um sein Wohl zu thun ist, die Ueberlieferung nicht in den Wind schlagen und daran glauben.

3299. (1398.) Andere Vögel trinken Wasser auch aus Flüssen und Seen, des Ḱâtaka Halt und Stütze aber bist nur du, o Wolke!

3300. (4303.) Dieses Mädchen ist weder eine Jungfrau göttlichen Stammes, noch entspringt sie aus dem Geschlecht der Gandharva, und dennoch vermag sie sogar Brahman's Kasteiungen zu unterbrechen.

3301. Nicht durch Götter und Wallfahrten, nicht durch Heldenmuth, nicht durch Zaubersprüche und Formeln, nicht durch Spenden von Gold, auch nicht durch die Zauberkuh, den Stein der Weisen oder den Wunderbaum wird Einem das Erwünschte zu Theil, wenn nicht eigenes Verdienst hinzutritt.

3302. (4304.) Die Götter schützen nicht nach Art der Hirten, indem sie etwa den Stab ergreifen; wen sie aber zu schützen gewillt sind, den bedenken sie mit Verstand.

3303. (1399.) Keinem Gotte, keinem Brahmanen, nicht den Angehörigen und auch nicht ihm selbst kommt das Geld des Geizhalses zu Gute: es verschwindet durch Feuer, durch Diebe und durch den Fürsten.

[221] 3304. Die Götter tödten nicht nach Art eines Feindes, indem sie etwa im Zorn einen Dolch ergreifen; wem sie aber ein Leid zuzufügen gewillt sind, den berauben sie des Verstandes.

3305. Nicht durch Götter, nicht durch Spenden, nicht durch Kasteiungen oder Anderes werden Menschen, die einem lebenden Wesen ein Leid zufügtet, eines glücklichen Loses theilhaftig.

3306. (1400.) Man gebe nicht die eigene Arbeit auf, bei sich denkend »das Schicksal wird es thun«: wer vermöchte ohne Arbeit Oel aus Sesamkörnern zu gewinnen?

3307. (1401.) »Weder ist dem Schicksal irgend eine Arbeit zu schwer, noch vermag man ihm zu entgehen«, indem ich so bei mir denke, warte ich, bis das Schicksal wieder kommt.

[222] 3308. (4305.) An Flüssen, im Gebirge, in Wäldern und an andern schwierigen Stellen, überall wo Gefahr droht, ziehe der Feldherr mit geordnetem Heere.

3309. (1402.) Flüsse und Frauen sind von gleicher Macht, die Ufer dort und die Häuser hier haben gleiches Schicksal: durch Wasser und Laster werden sie zum Sturz gebracht, die Ufer durch die Flüsse, die Häuser durch die Frauen.

3310. (1403.) Wie eines Flusses Strömung, wenn ihre Schnelle durch den engen Durchgang zwischen unebenen Felsen gehemmt war, nachher hundert Mal stärker wird, so auch die Liebe, wenn der Freude der Vereinigung Hindernisse in den. Weg gelegt werden.

3311. (4306.) Weil jener Flamingo die ganze Erde durchwandert, alle Wasserbehälter betrachtet und gefunden hat, dass die Flüsse dem Niedrigen zustreben, das Wasser in Brunnen schwer zu erreichen ist, die Meere salzig und die Ufer an Teichen und Seen mit bösen Reihern besetzt sind, ist er, deiner, o See Mânasa, gedenkend, zu dir wieder zurückgekehrt.

3312. (4307.) Es kommt nimmer vor, dass Einem zum zweiten Male der Kopf oder zum dritten Male eine Hand abgeschnitten würde: was nicht ist, davor fürchtet man sich auch nicht.

[223] 3313. (4308.) Sogar Steine werden zu Göttern, weil sie nicht hassen, nicht betteln, sich nicht um Andere kümmern und nicht eher kommen, bis man sie herbeiführt.

3314. (4309.) Nicht durch Reichthum, nicht durch Herrschaft und auch nicht durch schwere Kasteiungen kommen die an den Mutterleib gebundenen Menschen über ihr angeborenes Wesen hinweg.

3315. Wer dem Zorn ergeben ist, dem geht die Tugend ab; auch gelangt der Zornige nicht zu Besitz, und auch das Angenehme, dessen diejenigen, deren Herz vom Zorn beherrscht wird, theilhaftig werden, genügt noch nicht zum Glück.

3316. (1404.) Daraus, dass ein böser Mensch die Gesetzbücher liest oder den Veda studirt, folgt noch Nichts: nur das angeborene Wesen waltet hier vor, wie ja auch die Milch der Kühe von Natur süss ist.

3317. Diejenigen, welche über lautere Menschen spotten, indem sie meinen, es gebe keine Tugend, gehen, darüber herrscht kein Zweifel, zu Grunde, weil sie an Tugend nicht glauben.

[224] 3318. (1405.) Wir haben nicht auf gehörige Weise auf Çiva's Stätte unsere Gedanken gerichtet, wodurch der Kreislauf des Lebens (die Wiedergeburt) aufgehoben wird; auch haben wir keine guten Werke eingesammelt, die geeignet sind die Flügel des Himmelsthores aufzureissen; auch haben wir selbst nicht im Traume die vollen Brüste und Hüften eines Weibes umfangen: wir sind Nichts als die Axt, welche den Baum der Jugend unserer Mutter niederhieb.

3319. (1406.) Wir sind keine Tänzer, keine Schmarotzer, keine Lobsänger, verstehen uns nicht auf unanständige Unterhaltungen, auch sind wir keine Frauen, die sich ob der Last der Brüste neigen: wie hätten wir also ein Anrecht darauf den Fürsten zu schauen?

3320. (1407.) Der Mensch ist, o Fürst, nicht des Menschen, sondern des Geldes Sclave: ob man hoch angesehen oder gering geschätzt wird, hängt davon ab, ob man Geld hat oder nicht.

3321. Ein im Scherz gesprochenes Wort verletzt nicht, eben so wenig ein Wort, das man, o Fürst, vor Weibern spricht, so auch bei Hochzeiten, in Lebensgefahr und wenn Einem sämmtliche Habe geraubt werden soll: bei diesen fünf Gelegenheiten ist ein unwahres Wort kein Verbrechen.

[225] 3322. (1408.) Ein von Feinden umringter Fürst lässt, indem er auf einen gelegenen Zeitpunkt wartet, seine Hinterlist nicht sehen, wie auch ein Stachelschwein seinen Leib nicht zeigt.

3323. Nicht immer hat man Leiden, nicht immer hat man Freuden: der Körper ist ja der Sitz der Leiden und auch der Freuden.

3324. (1409.) Eine goldene Gazelle ward nie erschaffen, auch hat man nicht gehört, dass Jemand eine solche früher gesehen hätte: dessenungeachtet trug der Mann aus Raghu's Geschlechte (d.i. Râma) ein Verlangen (nach einem derartigen Unding): im Augenblick des Unterganges verkehrt sich der Verstand.

3325. (1410.) Mit einem bösen Verbrecher hat ja Niemand Mitleid: wohl preist man jeden bösen Mann, wenn er im Glücke schwelgt, nicht aber, wenn er im Unglück ist.

[226] 3326. (4310.) Ḱânakja tödtete den Nanda mittels eines feinen Abgesandten; darum soll ein Fürst, von seinen Mannen umgeben, einen Gesandten in einer gewissen Entfernung empfangen.

3327. (1411.) Die Menschen freuen sich, wenn die Sonne aufgeht, und auch, wenn der Tag zur Neige geht, und werden nicht gewahr, dass dabei auch ihr Leben hinschwindet.

3328. (1412.) Man wende doch die Aufmerksamkeit auf sich, entsage vollständig den Süssigkeiten der Welt, trenne sich von den Angehörigen, halte sich beständig am Ufer des Götterflusses (der Gañgâ) auf, entschliesse sich zum Betteln, sammle täglich gute Werke ein, thue Vishnu in's Herz und richte seine Gedanken auf das höchste Brahman.

3329. (1413.) Wer hat dich doch, o Gift Kâlakûta, gelehrt, in der Art Andern dich anzuschliessen, dass deine Stellung stets höher und höher wird? Zuerst wohntest du im Herzen des Meeres, dann in Çiva's Kehle, jetzt aber auf der Bösen Zunge.

[227] 3330. (1414.) Ein weiser Mann erzürnt nicht, hängt an Nichts, lässt den Muth nicht sinken, giebt sich nicht der Freude hin, betrübt sich auch nicht in grossen Nöthen und im Unglück: er verharrt in dem ihm eigenen Zustande, unbeweglich wie der Himavant.

3331. (4311.) Kluge pflegen sich nicht zu übereilen; hören sie auch Etwas, so wägen sie zuvor die Wahrheit ab; haben sie die Wahrheit herausgebracht, so gehen sie an's Werk; dabei betreiben sie sowohl ihre eigene Sache, als auch die des Andern.

3332. Niemand ladet das von andern bösen Menschen verübte Böse auf sich; seinen Verpflichtungen aber komme man nach, da der gute Wandel der Guten Schmuck ist. (Niemand hat für Andere zu verantworten, aber wohl dafür zu sorgen, dass er selbst nichts Böses thut.)

3333. (1415.) Auf die Aussage eines Andern soll man über Andere keine Strafe verhängen; erst dann, wenn man diese Nachricht untersucht hat, soll man jene einsperren oder freilassen.

[228] 3334. Ein Tiger mag kein Fleisch fressen, das ein Anderer herbeigebracht hat, und so verschmäht auch ein Tiger unter den Männern (d.i. ein Fürst) das, was ein Anderer beleckt hat.

3335. (1416.) Auf dem Gipfel eines Berges wächst keine Wasserrose, Esel ziehen nicht die Last eines Pferdes fort, aus gesäeter Gerste wird kein Reis und eben so wenig sind Huren keusch.

3336. (4312.) Der Blindgeborene, der vor Liebe Blinde, der von Hochmuthswahn Ergriffene und der Bettler werden der Fehler nicht gewahr.

3337. (4313.) Nicht der Vater, nicht der Sohn, nicht die eigene Person, nicht die Mutter, nicht die Freundinnen, sondern nur der Gatte allein ist der Frauen Zuflucht hier auf Erden und auch jenseits.

3338. (4314.) Weder wird der Vater durch des Sohnes Handlung, noch der Sohn durch des Vaters Handlung der Freuden oder der Leiden theilhaftig, wohl aber werden sie geboren, wie ihre eigenen Handlungen waren.

[229] 3339. (1417.) Weil wir das Herz für ein Neutrum (einen Eunuchen) hielten, sandten wir es als Boten zur Liebsten; es ist aber dort geblieben und buhlt mit ihr: Pânini (der Grammatiker) hat uns in's Verderben gestürzt.

3340. (1418.) Ein Sohn hasst nimmer den Vater in Folge der Natur seines Samens; einen Sohn, der seinen Vater hasst, erkenne man als von anderem Samen stammend.

3341. (1419.) Darum, dass man Jemandes Sohn ist, wird man nicht geehrt; durch Vorzüge erlangt man die Stellung: der Sonne Amt übernimmt die Lampe, nicht aber Saturn (der Sonne Sohn).

3342. (4315.) Wo ein Gatte ist, da giebt es für die Gattin keinen Sohn und keinen Vater, aber gewöhnliche Frauen pflegen dieses nicht zu erkennen.

3343. (4316.) Keiner, weder ein Lieber, noch ein Verhasster, ist wieder aufgelebt, wenn er dem Gesetze der Zeit verfallen war (d.i. gestorben war): dies ist der Menschen Los.

3344. (1420.) Wer aus Hochmuth des Fürsten Diener nicht nach Gebühr ehrt, der geht wie Dantila seiner Stellung beim Fürsten verlustig.

[230] 3345. (1421.) Diejenigen, die Ehrwürdige nicht ehren und Achtungswerthe nicht achten, werden verachtet, so lange sie leben, und gehen, wenn sie gestorben sind, nicht in den Himmel ein.

3346. »Nicht habe ich genug des Guten, des Angenehmen, des Nützlichen, des Verstandes und der Freunde«, so denke stets ein Fürst.

3347. (1422.) Manu hat erklärt, dass man am Ende eines Opfers für alle Götter und bei einem Todtenopfer einen Gast nicht nach Schule, Namen, Kenntnissen und Familie zu fragen habe.

3348. Nicht mit Liebe, nicht mit Geld, nicht mit Lob, nicht mit Huldigungen und nicht mit der Hingabe des Lebens bekommt man eine feile Dirne in seine Gewalt und wäre es auch nur für einen Augenblick.

3349. Nicht Liebe, nicht Arzenei, nicht Befehle, nicht Huldigung, nicht Vorzüge, nicht Verstand, nicht Familie, nicht Gewalt, nicht Segenswünsche vermögen einen Bösewicht zur Ruhe zu bringen.

3350. (4317.) Die Brauen hatte er noch nicht zusammengezogen, seine Lippe war noch nicht erzittert, seine Augen noch nicht geröthet, und der Feinde Heer hatte er schon besiegt.

[231] 3351. (4318.) Man sagt, dass nicht der Krieger die Macht besitze, sondern dass die Priester mächtiger seien; der Priester Macht ist, o Priester, himmlischen Ursprungs und gewaltiger als die der Krieger.

3352. Wer sich vor einem Kampfe nicht fürchtet, in der Schlacht nicht den Rücken kehrt oder in einem gerechten Kampfe den Tod findet, der hat die drei Welten erobert.

3353. (1424.) Verstand führt noch nicht zum Geldgewinn, Dummheit noch nicht zur Dürftigkeit: die Art und Weise, wie in der Welt Alles auf einander folgt, kennt der Weise, nicht der gewöhnliche Mensch.

3354. (4319.) Wenn die Zeit nicht gekommen ist, vermögen die Menschen weder durch Einsicht noch durch Studium der Lehrbücher einen Vorsprung vor Andern zu gewinnen; auch ein Thor gelangt bisweilen zu Reichthümern, da die Zeit in Bezug auf das Ziel einer Handlung keinen Unterschied kennt

3355. (1425.) Obgleich meine Schuld offen zu Tage liegt, so spricht die Geliebte doch kein hartes Wort, zeigt keine gerunzelten Brauen, wirft nicht vom Ohr den Schmuck zur Erde, richtet nur die thränenvollen Augen auf das Antlitz der Freundin, die draussen die Augen auf die Fensteröffnung im Schlafgemach geheftet hat.

[232] 3356. (1426.) Wenn es nicht aus Furcht, aus Verlockung oder aus irgend einer Veranlassung geschieht, aus Liebe erweist kein Mensch einem Andern etwas Liebes.

3357. (4320.) Das Weib bleibt nimmer treu beim Gatten, weder aus Furcht, noch aus Mitgefühl, noch des Vortheils wegen, noch aus Rücksicht auf die Verbindungen mit Blutsverwandten und der Familie.

3358. (4321.) Nicht vor Gefahren, nicht vor Bösewichtern, nicht vor dem Fürsten empfindet Furcht derjenige Mann, der hier im Leben an der Gañgâ weilt, bis sein Leib zusammenstürzt.

3359. (1427.) Als sie am Himmel die Pracht der aufgethürmten Wolken erblickte, brachte sie mit Mühe die Hälfte ihrer Rede hervor, die Worte »Glück auf! wenn du, o Liebster reisest«; darauf klammerte sie sich an mein Gewand und ergänzte von dort an, wo ihre Rede gestockt hatte, dieselbe durch Zeichen, die sie in den Erdboden kratzte.

3360. (1428.) O Wolke, mag dein Wasserstrom zuvörderst noch ausbleiben,[233] aber der Ḱâtaka, der am Himmelszelt, das ihm keine Stütze bietet, lange Zeit schmachtet und dessen nach oben gerichteter offener Schnabel dir zugewandt ist, hat noch nicht ein Mal deinen lieblichen Schall vernommen.

3361. (4322.) In keinem Falle soll man die Gattin schlagen, sie vielmehr stets wie eine Mutter schützen; auch soll man sie, wenn sie treu und dem Gatten ergeben ist, selbst im grössten Elend nicht im Stich lassen.

3362. (1429.) Erbettelte Speise ist für mich nicht schwer zu erlangen auf dem Wege, den der grosse Râma gewandelt ist; auch ist die Erde voller Früchte und ein schönes Gazellenfell giebt die Kleidung; die Folgen der vorangegangenen Thaten bleiben sich stets gleich, es handle sich um Freuden oder um Leiden. Wer giebt den dreiäugigen Gott (Çiva) auf und verbeugt sich vor einem Manne, den der Dünkel ob seinem Bischen Reichthum blind macht?

3363. (4323.) Des Himmels Schmuck ist die Sonne, des Lotushaines Schmuck die Biene, der Rede Schmuck die Wahrheit, des grossen Reichthums Schmuck das Spenden, des Herzens Schmuck die Freundschaft, des Frühlings Schmuck die Liebe, der Gesellschaft Schmuck Beredsamkeit, aller Vorzüge Schmuck aber ist die Bescheidenheit.

[234] 3364. (4325.) Am Menschen giebt es keinen Vorzug mit Ausnahme des Reichthums und der Gesundheit (es ergehe dir wohl!), da Kranke Todten gleichen.

3365. (4324.) Es beugen sich fruchtbeladene Bäume, es beugen sich tugendhafte Menschen; trockenes Holz dagegen und ein Narr lassen sich brechen, aber nicht beugen.

3366. (1430.) Ein Löwe tödtet sogar dann, wenn er sich neigt (zum Sprunge); eine Schlange sogar dann, wenn sie uns umfängt; ein Vetâla sogar dann, wenn er lacht; ein Fürst sogar dann, wenn er uns lobt.

3367. (1431.) Wir verbeugen uns vor den Göttern; aber auch sie stehen in der Gewalt des abscheulichen Schicksals. Dann muss das Schicksal verehrt werden; aber auch dieses giebt nur den Lohn für dieses oder jenes bestimmte Werk. Wenn der Lohn von den Werken abhängt, was nützen uns dann Götter und Schicksal? Ehre also den Werken, über die sogar das Schicksal Nichts vermag!

[235] 3368. Hat, o Brahmane, ein böser Mann im Geheimen eine böse That vollbracht, so darf er sich nicht mit dem Gedanken, dass ihn Niemand bemerkt habe, beruhigen;

3369. da der Mann, der im Geheimen Böses verübt, stets von den Jahreszeiten, wie auch vom Tage und von der Nacht gesehen wird.

3370. (1432.) Nicht zur Mutter, nicht zur Gattin, nicht zum Bruder und auch nicht zum Sohne hegen die Männer ein solches Vertrauen wie zu einem treuen Freunde.

3371. (1433.) Eine Mutter verflucht nicht ihren Sohn, die Erde ladet keine Schuld auf sich, der Gute thut Niemanden Etwas zu Leide, ein Gott vernichtet nicht seine Schöpfung.

3372. (4326.) Nicht Mutter, nicht Sohn, nicht Verwandte, nicht der Bekannte und nicht der liebe Freund gehen dem auf schwierigem Pfade allein Wandelnden nach;

3373. (4327.) nur die früher vollbrachte That, sie sei gut oder böse, pflegt, o Sohn, den zur andern Welt Gehenden auf der Reise zu begleiten.

3374. (4328.) So heftig ist das Verlangen zu leben bei Fürsten, dass sie nicht Ehre, nicht Ruhm, nicht Reichthümer, nicht Gattin, nicht Angehörige, nicht das Recht, nicht die Söhne schonen.

[236] 3375. (4330.) Dein Antlitzmond heisst nicht die am Tage blühenden Wasserrosen sich schliessen, steigt auch nicht am Himmel auf, hat nichts Anderes zu thun, als meine Lebensgeister zu entführen. (Worte, die ein Geliebter an seine schmollende Geliebte richtet.)

3376. Wie Çiva mit dem Gifte, so verfährt ein guter Mensch mit einem Fehler (seines Nächsten): er speit ihn nicht zum Munde hinaus, sondern lässt ihn hinunter in's Herz gleiten und verdaut ihn darinnen.

3377. (4331.) Niemand vermag ja mit Gewalt das heranrückende Heer des Todesgottes zurückzuschlagen; die Wahrheit allein vermag es, da auf der Wahrheit die Unsterblichkeit beruht.

3378. Das Schweigen beredter Leute, die mit der Redekunst vertraut sind, wird nicht gepriesen: ein Kokila, der nicht singt, gilt in der Welt für einen Haben.

3379. (1434.) Die sich erheben, indem sie sich beugen; die ihre eigenen[237] Tugenden verkünden, indem sie die Tugenden Anderer preisen; die ihre eigene Sache ausführen, indem sie auf das Eifrigste darauf bedacht sind, für Andere Grosses zu unternehmen; die, welche Lästerer, deren Mund sich in Schmähungen und harten Worten ergiesst, durch biosse Nachsicht brandmarken: wer ginge solche treffliche, in der Welt hoch geachtete Männer von wunderbarem Wandel nicht gern mit einer Bitte an?

3380. (4332.) Niemand stürbe, Niemand alterte, Jedermann würde aller seiner Wünsche theilhaftig und Niemand erlebte etwas Unangenehmes, wenn Willensfreiheit bestände.

3381. (4333.) Niemand stürbe, Niemand alterte, Jedermann würde aller seiner Wünsche theilhaftig und Niemand erlebte etwas Unangenehmes, wenn eine Vergeltung der Anstrengung bestände.

3382. (4334.) Nicht durch Opfer mit reichen Opfergaben und auch nicht durch irgend eine andere Handlung erwerben Brahmanen sich ein so grosses Verdienst wie durch Beobachtung der Wahrheit.

3383. (1435.) Selbst Opferer nicht und auch nicht der Beschaulichkeit lebende Asketen erreichen im künftigen Leben die Stellung, zu der ausgezeichnete Diener gelangen, die das Leben für ihren Herrn hingeben.

3384. (1436.) Wo weder gute Worte noch Geschenke angebracht werden können, da säe man Zwietracht, sintemal diese zur Unterwerfung führt.

[238] 3385. (1437.) Wohin der Wind und der Sonne Strahlen den Weg nicht, finden, selbst dahin dringt schnell der Verstand der Verständigen.

3386. (4335.) Ein Fürst, der, schliefe er auch mit den leiblichen Augen, mit dem Auge der Weisheit wacht und Zorn und Gnade (am rechten Orte) offenbart, wird von den Unterthanen in Ehren gehalten.

3387. (1438.) Ein Verständiger, der um sein Wohl besorgt ist, darf dem nicht trauen, dessen Treiben, Geschlecht und Muth er nicht kennt.

3388. (4336.) Wenn ein Fürst in seiner Weisheit beständig wacht, dann schlafen, frei von allen Sorgen, seine Unterthanen süss; schläft er dagegen unachtsamen Geistes, so fährt die Welt aus dem Schlafe, sobald er in Folge einer drohenden Gefahr erwacht.

3389. Ein Führer ohne Klugheit, ein Schüler ohne Bescheidenheit, ein Asket ohne guten Lebenswandel, ein Guter ohne Gemüthsruhe, ein Leib ohne Seele, ein Mann ohne gute Thaten und ein Hausvater ohne Vermögen sind traurige Erscheinungen.

[239] 3390. (1439.) Von Klugheit begleiteter Heldenmuth führt zum Siege, nicht aber blosser Heldenmuth: Gift, in Verbindung mit etwas Anderem genossen, ist heilsam, sonst aber der Tod.

3391. (1440.) Hundert Joģana sind keine grosse Entfernung für den, der von der Gier gejagt wird; der Zufriedene dagegen achtet nicht einmal auf das, was schon in seiner Hand ist.

3392. Wenn ein Fürst nicht gerecht ist, endet seine Herrschaft mit der Hölle; ein gerechter Fürst dagegen besitzt die volle Gewalt und wird hier und jenseits aller Freuden theilhaftig.

3393. (1441.) Steht dein Sinn nach der Hölle, so versieh ein Jahr lang das Amt eines Hauspriesters oder stehe, um Anderes zu übergehen, drei Tage einem Kloster vor.

3394. (1442.) In der Welt als Mensch geboren zu werden, ist schwer, Wissenschaft daselbst zu erlangen – überaus schwer, Dichter daselbst zu werden – schwer, Macht daselbst zu erlangen – überaus schwer.

3395. (4337. 1504.) Die Weiber haben keine Kriegswagen, keine Elephanten, keine Reiterei und kein Fussvolk; schon durch ihren Seitenblick werden die drei Welten erobert.

[240] 3396. (1443.) Wer des Fürsten Wohl betreibt, macht sich beim Volke verhasst; wer des Volkes Wohl betreibt, wird von den Fürsten im Stich gelassen. Da ein so grosser, auf beiden Seiten gleicher Widerstreit besteht, so ist ein Mann, der des Fürsten und des Volkes Sache zugleich betreibt, schwer zu finden.

3397. (4338.) Des Mannes Zierde ist eine schöne Gestalt, die Zierde einer schönen Gestalt ist Tugend, der Tugend Zierde das Wissen, des Wissens Zierde die Nachsicht.

3398. Ein Mann freut sich, würde er von buhlerischen Weibern auch aufgezehrt: ein Schwert wird scharf und glänzend trotz alles Reibens auf einem Wetzstein.

3399. (1444.) Der Umstand, dass wir das Königthum erlangt haben, berechtigt uns nicht uns ungebührlich zu betragen: wie das Alter die schönste Gestalt, so richtet ungesittetes Betragen eine hohe Stellung zu Grunde.

3400. (1445.) Unter den Menschen ist der Barbier der Schelm, unter[241] den Vögeln die Krähe, unter den Thieren mit Fangzähnen der Schakal, unter den Büssern der weissgekleidete Bettler.

3401. (1446.) Fürsten, die gemeinen Leuten folgen und nicht auf dem von den Weisen vorgezeichneten Pfade wandeln, gerathen in Folge dessen in einen Unglückskäfig mit allseitig dichtem Gitter, aus dem es schwer hält herauszukommen.

3402. (1447.) Schliesst der Fürst die Augen, so schliesst sie auch die ganze Welt; wie die bei Tage blühende Wasserrose beim Sonnenaufgang, so erwacht auch sie, wenn er erwacht.

3403. (1448.) Nicht Scham, nicht Sittsamkeit, nicht zarte Rücksichten, nicht Aengstlichkeit, nur dass Niemand das Weib begehrt, ist der Grund seiner Treue.

3404. (1449.) Ohne Anstrengung erreichen die Menschen nicht den Sitz der Wohlfahrt: die Götter tranken den Nektar erst dann, als sie das Wogen des Milchmeeres wahrgenommen hatten.

[242] 3405. (4339.) Wasser auf dem Blatte einer Lotuspflanze ist überaus beweglich; gerade so ist das Leben über die Maassen flüchtig. Wisse, dass die ganze Welt durch Krankheiten, wie durch Raubthiere, aufgezehrt und durch Kummer niedergedrückt wird.

3406. Was ist so beweglich wie Wasser auf dem Blatte einer Lotuspflanze? Jugend, Besitz und Lebensdauer. Wer gleicht dem Strahlenreichthum des Mondes? Gute Menschen.

3407. (4340.) Das Leben ist über die Maassen flüchtig, eben so beweglich wie Wasser auf dem Blatte einer Lotuspflanze. Der Verkehr mit Guten, der hier auf Erden nur einen Augenblick währt, ist das einzige Schiff, mit dem wir über das Meer der Welt gelangen können.

3408. (1450.) Wie Wasserrosen durch reichliches Wasser, so wird (eines Fürsten) Machtglanz durch Verstand bewahrt; durch Anstrengung und Unternehmungsgeist wird er noch erweitert.

3409. (4341.) Die Schlankgliederige ist eine Lotuspflanze und ich eine Biene, die sich durch unablässiges Saugen an einer Lotusblüthe, ihrem Munde, erfreut hat.

3410. (1451.) Ein neues Kleid, ein neuer Sonnenschirm, eine Neuvermählte, ein neues Haus: allerwärts ist das Neue gut, doch preist man alte Diener und alten Reis.

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Moris Schmidt.

3412. (1423.) Selbst Schwache werden ja, wenn sie nicht trauen, durch Starke nicht bezwungen, und selbst Starke werden, wenn sie trauen, von Schwachen leicht bezwungen.

3413. (1452.) Den Theil des Körpers, der frische Nägelspuren trägt, verbirgst du mit dem Gewande; die von den Zähnen zerbissene Lippe verhüllst du immer wieder mit der Hand; womit lässt sich aber der Verräther deines Umganges mit einem fremden Weibe, der nach allen Richtungen sich verbreitende Duft frischer Wohlgerüche, verdecken?

3414. (1453.) Des Brahmanen Herz ist weich wie Butter, in seiner[244] Rede aber ist ein gewetztes Scheermesser mit scharfer Schneide; beim Krieger ist Beides umgekehrt: seine Rede ist weich wie Butter, sein Herz aber hat eine scharfe Schneide.

3415. (1454.) Wenn man seine Rede weich wie Butter, sein Herz aber ganz mitleidslos sein lässt, dann wird der Feind auf die Weise aus dem Schlafe geweckt, dass er mitsammt seinem Geschlecht untergeht.

3416. (4342.) Mit Worten Unternehmungen zu vollbringen, ist, o Schlechtester der Unholde, nicht schwer: wer durch die That Unternehmungen vollbringt, der ist klug.

3417. (4343.) Sogar im vertraulichen Verhältniss soll man kein Wort sprechen, das den Andern verletzen könnte: nie soll man Jemanden ein Leid zufügen und stets die Unbeständigkeit aller Dinge sich im Geiste vergegenwärtigen.

3418. (1455.) Der Wind wird nicht (verunreinigt) durch das, was er berührt; das Feuer nicht durch das, was, es verbrennt; das Wasser nicht durch Harn und Koth, ein Bettelmönch nicht durch Speise.

3419. Die einem Wochentage, insbesondere einem Dienstag, Sonnabend und Sonntag anhaftenden Uebel vermögen Nichts über die Nacht, wie auch die von Geliebten gegen einen blinden Gatten abgeschossenen Pfeile, ihre Seitenblicke, ohne Wirkung bleiben.

[245] 3420. (1456.) Nicht die Berührung von Kleiderstoffen, nicht die von reizenden Frauen, nicht die von Wasser ist so angenehm, wie die Berührung eines Söhnchens, das wir in unsere Arme schliessen.

3421. (1457.) Der Verständige zeige Niemanden seinen Reichthum, sei dieser auch noch so gering, da sogar eines Weisen Herz beim Anblick desselben um seine Ruhe gebracht wird.

3422. (4344.) Nicht durch Geld, nicht durch harte Worte, nicht durch Güte und nicht durch Unterweisung erlischt des Zornes Feuer, o König, eben so wenig wie das unter dem Wasser brennende Feuer im Meere.

3423. (4345.) Nicht durch blosses Wissen, noch auch durch blosse Busse entsteht Würdigkeit; derjenige, in welchem das rechte Thun und jene beiden sich finden, wird als würdig gepriesen.

Stenzler.

3424. (1458.) Ein böser Mensch hat keine Freude, wenn er nicht Andern etwas Böses nachsagen kann: eine Krähe fühlt sich, wenn sie auch alle Speisen durchkostet, nicht eher befriedigt, bis sie etwas Unreines verzehrt.

[246] 3425. (1459.) Kein Fürst ohne Diener, kein Diener ohne Fürsten und auch dieses ihr Verhältniss beruht auf Gegenseitigkeit.

3426. (1460.) Ohne Trennung (der Liebenden) erreicht der Liebesgenuss nicht seinen Höhepunkt: wenn Kleiderstoffe und andere Dinge Flecken erhalten, tritt ja die Grundfarbe nur noch stärker hervor.

3427. (1461.) Unansehnliche Leute ohne Vermögen bemerken wir gar nicht, auch wenn sie vor unsern Augen wohnen: wie die Blasen im Wasser erscheinen sie beständig, verschwinden aber auch gleich wieder.

3428. (1463.) Man traue nicht einem Feinde, mit dem man früher in Streit gelegen hat und der nachher Freund geworden ist: sieh, wie die mit Eulen angefüllte Höhle durch Feuer, das die Krähen hineinbrachten, versengt worden ist.

3429. (1464.) Man traue nicht einem Feinde, man traue aber auch nicht einem Freunde: eine Gefahr, die aus Vertrauen erwächst, zerhaut sogar die Wurzeln (vernichtet bis auf den Grund).

[247] 3430. (1465.) Man traue nicht dem, der uns nicht traut, man traue aber auch nicht einem Freunde: ein erzürnter Freund könnte ein Mal eine geheime Schwäche verrathen.

3431. (4346.) Man traue nicht dem, der uns nicht traut, man traue aber auch nicht allzu sehr dem, der uns traut: stets soll man Andere dazu bringen, dass sie uns trauen, nimmer aber soll man Andern trauen.

3432. (1466.) Man traue nicht dem, der uns nicht traut, man traue aber auch nicht allzu sehr dem, der uns vertraut: aus Vertrauen entspringt Gefahr; man traue nicht, bevor man sich umgesehen hat.

3433. (1467.) Man traue nicht dem, der uns nicht traut, man traue aber auch nicht allzu sehr dem, der uns vertraut: eine Gefahr, die aus Vertrauen erwächst, zerhaut sogar die Wurzeln (vernichtet bis auf den Grund).

3434. Darum sollen Kluge einem schlechten Weibe niemals trauen; auch giebt es hier auf Erden keinen ärgern Feind für die Männer als schlechte Frauen.

[248] 3435. (1468.) Ohne das Vertrauen (gewonnen zu haben) gelangt ein Feind, selbst wenn er der Götter Einer ist, nicht zum Ziel: weil die Diti traute, wurde ihre Leibesfrucht vom Götterfürsten (Indra) zerstückelt.

3436. (4347.) Ein vernünftiger Mann geht nimmer, Andern trauend, am Abend in eines Fremden Haus; auch steht er nicht in der Nacht versteckt an einem Orte, wo viele Wege münden; so wirbt er auch nicht um ein Weib, das dem Fürsten gefällt.

3437. (1469.) Nicht Gift nennt man Gift, eines Brahmanen Besitz (den man sich unrechtmässiger Weise zueignet) heisst Gift: Gift tödtet einen Einzelnen, eines Brahmanen Besitz Söhne und der Söhne Kinder.

3438. (1470.) Aus Gift kann man keinen Nektar bereiten, wendete man auch hundertfache Mühe an: der Nimba giebt seinen scharfen Geschmack nicht auf, stände er auch an einem Milchteich.

3439. (1471.) Der Verständige geniesse kein Gift, spiele nicht mit Schlangen, verspotte nicht Gruppen beschaulicher Asketen und feinde nicht Brahmanen an.

[249] 3440. (1472.) Man gebe sich nicht der Verzagtheit hin; die Verzagtheit ist ein ungeheures Gift: sie tödtet den Unvernünftigen, wie eine erzürnte Schlange einen thörichten Knaben.

3441. (1473.) Nicht aus Gift, nicht aus scharfen Waffen, nicht aus Feuer, nicht aus Tod, aus Weibern nur sind Weiber entstanden, da gegen ihr unwirsches Wesen kein Mittel hilft.

3442. Es giebt keinen andern Gott als den Leidenschaftlosen, keine andere Kasteiung als Keuschheit, keine grössere Gabe als die Gewährung vollkommener Sicherheit, keinen andern Würdigen als den, der einen guten Lebenswandel führt.

3443. (4348.) Bei einem Manne von Ehre, dem das Jammern noch etwas Neues war, entspann sich, als er bettelte, zwischen Wort und Leben ein Kampf darüber, welchem von Beiden beim Hinausfahren (aus der Kehle) der Vortritt gebühre.

3444. (1474.) Ein Gewinn ist nicht hoch anzuschlagen, wenn er (schliesslich) Verlust bringt; selbst ein Verlust aber ist hoch anzuschlagen, wenn er (schliesslich) Gewinn bringt.

3445. (4349.) Dass Jemand, der eines Andern ausserordentliche Vorzüge nicht kennt, diesen beständig tadelt, ist gar kein Wunder, wie ja ein Kirâta-Weib eine, aus einer Elephantenstirn gewonnene Perle liegen lässt und statt deren eine Guńģâ Beere trägt.

[250] 3446. Wenn man dem Bösewicht nicht wehrt, können Brahmanen nicht ihrem Gelübde gemäss die heilige Schrift lesen und nicht als Priester Opfer ausführen.

3447. (4350.) Kluge begeben sich nicht in den Dienst eines Herrn, der um seinen Reichthum kam; man begebe sich zu dem in Dienst, dem es wohlgeht, und bleibe nicht in einem Hause, wo der Reichthum schwand.

3448. (4351.) Entzweite thun nicht ihre Pflicht, Entzweite gelangen nicht zur Freude, Entzweite gelangen nicht zu Ansehen, Entzweite finden keinen Gefallen an der Ruhe.

3449. (4352.) Ihnen mundet nicht das heilsame Wort, das man spricht; sicherer Besitz wird ihnen nicht zu Theil; für Entzweite giebt es, o Fürst, nichts Höheres als Untergang.

3450. Ehrenglanz und Weisheit finden sich niemals beisammen: dem Ehrenglanz fällt ja, wie man weiss, diese Welt, der Weisheit aber jene Welt anheim.

3451. (4353.) Wer eine erloschene Feindschaft nicht wieder anfacht, wer sich nicht dem Uebermuth hingiebt auf das hin, was er besitzt, und wer[251] nicht aus Rücksicht darauf, dass es ihm schlimm geht, Etwas thut, was er nicht thun sollte, den nennen Ehrenhafte einen Mann von überaus ehrenhaftem Charakter.

3452. (1475.) Es giebt kein höheres Glück als die Entsagung, keinen andern Freund als eine richtige Erkenntniss, keinen andern Retter als Vishnu, keinen ärgern Feind als das Leben.

3453. (4354.) Diejenigen, die keine Feindschaften kennen, Vorzüge nicht für Fehler ansehen und in keinen Streit sich einlassen, sind vorzügliche Menschen.

3454. Wer sich nicht mit der überlieferten Lehre vertraut gemacht oder nicht die Alten geehrt hat, ist nicht im Stande, käme er auch dem Bṛhaspati (an Einsicht) gleich, das Gute und Nützliche zu kennen.

3455. (4355.) Nicht geniesse man selbst das, was man dem Gaste vorenthält: Reichthum, Ruhm, langes Leben und himmlische Seligkeit bringt die dem Gast erwiesene Ehre.

3456. (4356.) Weder Krankheiten, noch der Todesgott warten auf die Ankunft der guten Werke: thue Gutes, so lange du noch gesund bist.

3457. (4357.) Nicht Krankheit, nicht Gift, nicht Hitze oder irgend etwas[252] Anderes auf Erden verursacht solchen Schmerz, wie diese aus ihnen selbst hervorgehende Thorheit der Menschen.

3458. (1476.) Es ist dies keine Regel ohne Ausnahme, dass von einem Vorzüglichen durchaus ein Vorzüglicher erzeugt werde: Sandelholz, das durch Feuer verzehrt wird, ist wohlriechend, nimmer aber die Asche davon.

3459. (4358.) Den gedankenschnellen Wind im Luftraume kann man nicht mit Stricken fesseln und auch die reinen Flammen eines lodernden Feuers nicht mit den Händen fassen.

3460. Sogar nach hundert Jahren schwindet der Geschlechtstrieb nicht; die Männer stehen aus Unvermögen von ihm ab, die Frauen aber aus Besonnenheit.

3461. (4359.) Sogar einen schwachen Feind soll ein Mächtiger nicht gering achten, selbst den nicht, der an seinen Sitz gebannt ist, wie viel weniger den, der im Kampfe Stand zu halten vermag.

3462. (1477.) Man soll es nicht machen wie eine Herbstwolke, die ganz vergebens donnert; auch verräth ein hochstehender Mann einem Andern weder seinen Vortheil, noch seinen Schaden.

3463. Nicht durch Lehren und auch nicht durch Lehrer bekommt man[253] Gott zu schauen: nur durch das eigene Selbst und durch den eigenen im wahren Wesen sich bewegenden Geist bekommt man die Weltseele zu schauen.

3464. (1478.) Ein Fürst aber, der auf seines Ministers Worte nicht hört, wird vom Sturm falscher Staatskunst in's Meer der Geschäfte geschleudert und geht darin unter.

3465. Wer anstatt auf den Rath guter, auf den schlechter Menschen hört, der empfindet alsbald Reue, indem er in's Unglück geräth.

3466. Auf dem Gipfel eines Berges wächst keine Wasserrose, ein Bösewicht gelangt nimmer zu Glück, gute Menschen wechseln bei keiner Gelegenheit ihre Gesinnung und aus gesäeter Gerste wird kein Reis.

3467. (4360.) Man fliehe oder kämpfe, das Leben währt doch nur so lange, auf wie lange es der Schöpfer vorher angelegt hat, nicht so lange, wie das Herz es wünscht.

3468. (1479.) Vorzüge vorzüglicher Menschen verschwinden bei Menschen, die selbst keine Vorzüge besitzen, gleich wie die Strahlen des Mondes, die in den Nächten auf die Gipfel des Gebirges Anģana fallen.

[254] 3469. (4361.) Wer, sich selbst misstrauend, auch von Andern nichts Gutes erwartet, und seine Freunde zurückstösst, der ist der allerniedrigste Mensch.

3470. Das Herz hat nimmer genug an Glück, das Höllenfeuer nimmer genug an Wasser, die Erde nimmer genug an Staub und so hat auch ein untreues Weib nimmer genug an Männern.

3471. (1480.) Verloren ist, was in's Meer fiel; verloren ist die Rede bei dem, der nicht hört; verloren ist die Lehre bei dem, der keinen Verstand hat; verloren ist das Opfer, das nicht in's Feuer fiel.

3472. (1481.) Verloren ist eine Gabe, die man einem Unwürdigen reicht; verloren ein guter Rath, den man einem Manne trägen Verstandes und träger Erkenntniss giebt; verloren eine Wohlthat, die man einem Undankbaren erweist; verloren ein rücksichtsvolles Benehmen gegen den, der es nicht zu schätzen versteht.

3473. (1482.) Verlorenes, Verstorbenes und Vergangenes beklagen Verständige nicht, da, wie es heisst, hierin der Unterschied zwischen Verständigen und Thoren besteht.

3474. (4362.) Wer beim Verlust von Geld oder beim Tode der Gattin,[255] eines Sohnes oder des Vaters sich dem Schmerz hingiebt, der vermehrt noch den Schmerz.

3475. (1483.) Ein Mann, der sich nicht in Gefahr begiebt, bekommt kein Glück zu schauen; begiebt er sich dagegen in Gefahr, so bekommt er dasselbe zu schauen, wenn er am Leben bleibt.

3476. (1484.) Keine im Leben zur Erscheinung gekommene That halte ich für erspriesslich; die Folgen guter Werke erwecken bei mir, wenn ich es wohl er wäge, Furcht und die grossen Sinnengenüsse, deren man für eine grosse Menge guter Werke nach langer Zeit theilhaftig wird, erfolgen um denen, die den Sinnengenüssen fröhnen, so zu sagen Unglück zu bringen.

3477. (1485.) Der Verlust ist, o grosser König, kein Verlust, der (schliesslich) Gewinn bringt; für Verlust aber ist hier das anzusehen, durch dessen Gewinn man (schliesslich) Vieles einbüsst.

3478. (1486.) Keines Menschen Freundschaft ist in der Welt jemals so beschaffen, dass sie nicht alterte: entweder entreisst die Zeit (der Tod) den Freund, oder der Zorn entführt ihn.

[256] 3479. Nicht Wahrhaftigkeit, nicht Spenden, nicht Ehren, noch ein Opfer mit reichlichen Geschenken verleihen, wie man meint, soviel Macht, o Sîtâ, wie einem Vater geleistete Dienste.

3480. Ueber das, was hier erfolgen muss, vermögen die Menschen auf keine Weise je hinüberzuspringen, eben so wenig wie über den eigenen Schatten.

3481. (4363.) Ein Himmelsbewohner, der alle Gegenstände seiner Wünsche geniesst, empfindet nicht die überaus grosse Freude, die den Menschen auf einer Sandbank der Gañgâ zu Theil wird.

3482. (1488.) Alles rühmen Bedürftige Reichen nach: Wissen, gute Gemüthsart, Freigebigkeit, jegliche Kunst und Ausdauer.

3483. (1489.) Das ist keine Rathsversammlung, wo keine Alten sind;[257] das sind keine Alten, die nicht Recht sprechen; das ist kein Recht, wo kein Wahrheit ist; das ist keine Wahrheit, wozu sich Lug gesellt.

3484. (1487.) Die verdient ja nicht Frau genannt zu werden, an der der Gatte keine Freude hat; hat der Gatte Freude an seiner Gattin, so sind alle Gottheiten zufriedengestellt.

3485. (1490.) Wer einzig nur an unbesonnener Hast Gefallen findet und wer sich durch Widerwärtigkeiten abschrecken lässt, der kann nicht zu grosser Wohlfahrt gelangen: Glück kehrt bei der Klugheit und beim Heldenmuth ein.

3486. (4364.) Geriethe man ob der Gerechtigkeit auch in Noth, so soll man dennoch, die rasche Wendung im Schicksal der Ungerechten und Bösen im Auge habend, seine Gedanken nicht auf die Ungerechtigkeit richten.

3487. (1491.) Nicht Freuden, nur Leiden bestehen: weil man diese[258] empfindet, so giebt man dem, was einem von Leiden Geplagten Linderung schafft, den Namen von Freuden.

3488. (4365.) Nicht durch Söhne, nicht durch Reichthümer und auch nicht durch ein heiliges Werk erlangt ein Mensch den ausserordentlichen Vortheil, dessen er theilhaftig wird, wenn er zur Gañgâ gelangt.

3489. Nicht nach Gold, nicht nach Juwelen, nicht nach der Herrscherwürde verlangen verliebte Weiber in dem Maasse, wie nach einem ihnen zusagenden Geliebten.

3490. (1492.) Es giebt keinen Diener, der nicht Verlangen trüge nach der hohen Stellung von Fürsten; nur Schwache umlagern, zum Dienste bereit, überall den Fürsten.

3491. (1493.) Es giebt keinen Diener, der nicht Verlangen trüge nach der hohen Stellung von Fürsten; so lange man keine Macht hat, so lange dient man einem Andern.

3492. (1494.) Es giebt keinen Diener, der nicht Verlangen trüge nach[259] der hohen Stellung von Fürsten: wer blickt nicht mit Begehren nach der jungen Gattin eines Andern?

3493. (4366.) Das beste von allen Opfern ist das, was man in des Priesters Mund opfert: es fällt nicht vorbei, geht nicht fehl und auch nimmer verloren.

3494. (4367.) Niemals wirst du, o Fürst, ob deiner Freigebigkeit gepriesen, weil die Armen dein Geld für das ihrige halten und es nehmen.

3495. (1495.) Man sei kein Thor und lasse sich nicht vom Weibe beherrschen, indem man sich einer heftigen Leidenschaft gefangen giebt: Daçaratha, von seinem Weibe beherrscht, gab aus Kummer über seinen Sohn seinen Geist auf.

3496. (1496.) Den Weibern ist Niemand unlieb, aber auch Niemand lieb: wie die Kühe im Walde stets nach neuem Grase, so begehren sie stets nach einem neuen Manne.

3497. Es giebt nichts Schlimmeres als die Weiber, da sie die Wurzel aller Uebel sind und dieses weisst du (o Nârada) ja auch.

[260] 3498. (1497.) Mit gemeinen Menschen soll man auch nicht einen Augenblick zusammen wohnen oder gehen: in der Hand einer Schenkwirthin halten die Leute sogar Wasser für Branntwein.

3499. (1498.) Mit einem schlechten Menschen soll man auch nicht einen Augenblick zusammen wohnen oder gehen: der Umgang mit Schlechten ist Tod, der Verkehr mit Guten Arzenei.

3500. (1499.) Mit einem schlechten Menschen soll man niemals zusammen wohnen oder gehen: durch den Umgang mit einer Krähe kam ein Flamingo um's Leben, weil er mit ihr wohnte, und eine Wachtel, weil sie mit ihr ging.

3501. (1500.) (Ein Brahmane) bade sich nicht unmittelbar nach dem Essen, nicht, wenn er krank ist, nicht mitten in der Nacht, nicht in seinen Kleidern, nicht zu oft nach einander und nicht in einem ihm unbekannten Wasser.

3502. Nicht durch Liebe, nicht durch Wissen, nicht durch Verstand, nicht durch Schönheit oder Heldenmuth, auch nicht durch Eifersucht, Schmeichelworte, Furcht, Geldgeschenke, gesittetes Betragen, Zorn, Geduld oder Sanftmuth, eben so wenig durch Scham, Jugend, Genüsse, Wahrheit, Mitleid, Muth oder andere Vorzüge und auch nicht durch Reichthümer sind Weiber zu fesseln, da sie bösen Herzens sind.

[261] 3503. (4368.) Die Hand eines übermenschlichen Wesens berührt niemals eine Waffe, auch nicht eines Weibes Busen und ist dennoch, wie man weiss, nicht der Früchte baar. (Hand eines übermenschlichen Wesens so v.a. Gandharvahasta, Gandharva-Hand d.i. Ricinus communis).

3504. (1501.) Durch Schlafen überwindet man nicht die Schläfrigkeit, durch Befriedigung des sinnlichen Triebes sättigt man nicht die Weiber, durch Holz nicht das Feuer und durch Trinken wird man nicht des Branntweins Meister.

3505. (1502.) Wer sich scheut Etwas muthig anzugreifen, dem bringt ja ein ganzer Schatz von Kenntnissen auch nicht den allergeringsten Vortheil: erhellt wohl eine Lampe Etwas dem Blinden, selbst wenn sie auf seiner Hand steht?

3506. (1503.) Ein verständiger Mann opfert nicht Vieles für Weniges: darin besteht ja eben die Klugheit, dass man durch ein Opfer von Wenigem Vieles bewahrt.

3507. (4369.) Wer weder über sein Glück, noch über das Unglück eines Andern sich freut, und wer, wenn er Etwas fortgegeben hat, hinterher keine Reue empfindet, den nennt man einen edlen Menschen von ehrenwerther Sinnesart.

[262] 3508. (1505.) Nicht durch Jahre, nicht durch graue Haare, nicht durch Reichthum und nicht durch Verwandte (wird man gross): der Unterrichtete ist in unseren Augen gross, so lautet das Gesetz, das die alten Weisen gemacht haben.

3509. Nicht nach den Jahren, nicht nach den grauen Haaren, nicht nach dem Reichthum und nicht nach den Verwandten darf man, o Kuruide, den Heldenmuth eines Kriegers schätzen.

3510. (4370.) Man thue keinem Geschöpf ein Leid an, lege Wohlwollen an den Tag und lebe um dieses Lebens Willen mit Niemanden in Feindschaft.

3511. (4371.) Niemand ist ja den Weibern, die nur für die eigenen Wünsche Sinn haben, in Wahrheit lieb: um ihres Vortheils wegen tödten sie selbst oder lassen durch Andere tödten den Gatten, den Sohn oder den Bruder.

3512. (4372.) Niemand in den drei Welten ist (von Hause aus) dem Andern lieb oder unlieb: zu einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Zweckes wegen ist Jedermann dem Andern unlieb oder lieb.

[263] 3513. (1506.) Der Vorrang liegt nicht in der Geburt, den Vorrang setzt man in die Vorzüge: durch Vorzüge gelangt man zu Ansehen; so geht es der sauren Milch, der süssen Milch und der Butter.

3514. (1507.) Giebt es doch Nichts, was sich nicht durch Geld machen liesse; darum soll der Verständige alles Ernstes darauf bedacht sein, einzig nur Geld zu machen.

3515. Im Geschlecht dessen, den ein Schwacher versengte, schiesst ja Nichts mehr auf. Hüte dich einem Schwachen zu nahe zu treten, da er Alles bis auf die Wurzeln versengt.

3516. (4373.) Nicht durch das Schicksal allein kommen ja, o Bester, die Sachen zu Stande, auch nicht durch die Anstrengung allein, wohl aber erfolgt durch die Vereinigung Beider das Gelingen.

3517. (1508.) Das Weibervolk gewahrt ja, wenn es vom Liebesgott, wie ein Ross vom Reiter, zum vollen Lauf angetrieben wird, wie dieses weder die Anhöhe, noch die Grube vor sich.

3518. Nichts ist ja hier in der Welt der Lebenden für die Menschen[264] verderblicher als die Fahrlässigkeit: den fahrlässigen Mann verlassen ja allseits die Vortheile und die Nachtheile finden sich bei ihm zusammen.

3519. (1509.) Was nicht kommen soll, kommt ja auch nicht, und was kommen soll, das kommt auch ohne Anstrengung von deiner Seite; was aber nicht kommen soll, das entwischt dir, läge es dir auch schon auf der Hand.

3520. Kein Reichthum ohne Gunst des Geschicks, kein Wissen ohne Fleiss, kein Wohlbehagen ohne Genügsamkeit, keine Erlösung ohne Ruhe des Gemüths.

3521. (1510.) Man soll nicht einem gemeinen Menschen trauen, der aus Heuchelei Kasteiungen übt; man sieht ja sogar an heiligen Badeplätzen Büsser, die nur für die Kehle leben.

3522. Ein aufloderndes Feuer der Feindschaft und eine angethane Beleidigung erlöschen, o Fürst, nicht eher, bis Einer der beiden (Streitenden) verbrannt und zu Grunde gerichtet ist.

3523. Feindschaften und Unglücksfälle kommen ja in einem Geschlecht nimmer zum Abschluss; auch finden sich Erzähler und Jemand (an dem man sich rächen kann) bleibt wohl im Geschlecht am Leben.

3524. Diesen beschwichtigt man zuvörderst, o Fürst, wenn man die[265] Feindschaft wieder aufnimmt, zerschmettert ihn aber darauf, wie einen vollen Krug an einem Steine.

3525. Es giebt ja, mein Sohn, nichts Schlimmeres als die Weiber: sie sind ja, o Mächtiger, brennendes Feuer und die von Maja geschaffenen Trugbilder.

3526. (1511.) Ein Fürst, dem es um sein eigenes Wohl zu thun ist, darf nicht einen Armen drücken: ein Armer, der gedrückt wird, tödtet ja durch seinen Groll den Fürsten.

3527. (1512.) Es giebt ja nichts Anderes in den drei Welten, was die Herzen der Menschen so gewönne wie Mitleid, Wohlwollen gegen die Geschöpfe, Freigebigkeit und eine freundliche Rede.

3528. (4374.) Es giebt ja nichts Anderes in der Welt, was das Leben so verkürzte wie dieses, dass ein Mann dem Weibe eines Andern beiwohnt.

3529. (1513.) Wer sich nicht freut, wenn man ihm Ehre erweist, und sich nicht grämt, wenn man ihn geringschätzt, indem er wie ein mit Gañgâ-Wasser gefüllter Teich unerregbar ist, der gilt für weise.

[266] 3530. (4375.) Es ist ja, wie ich meine, in allen drei Welten Nichts schwerer als dieses, dass ein um sein Glück Gekommener das strahlende Glück seines Nebenbuhlers ruhig ansieht.

3531. Weder das Wasser der heiligen Badeorte, noch aus Lehm und Stein geformte Götterbilder (halten einen Vergleich mit Guten aus): jene reinigen uns erst nach langer Zeit, die Guten schon durch den Anblick.

3532. (1514.) Dem, dessen Charakter man nicht kennt, darf man keine Zufluchtsstätte gewähren: durch der Wanze Schuld fand ja die Laus »Langsam-kriechend« den Tod.

3533. (1515.) Ohne eine Sache vorher genau erforscht zu haben, soll (ein Fürst) sich nimmer dem Zorn hingeben: denjenigen, der seinen Groll gegen Schuldlose auslässt, achten die Leute einer Schlange gleich.

3534. (4376.) Für kein Geschöpf, das geboren ward, kehren die (durchlebten) Tage, Monate, Jahre, Wochen und Nächte zurück.

3535. (1516.) Da die Mutter der Çâṇḍilî nicht für Nichts und wieder[267] Nichts ausgehülsten Sesam gegen unausgehülsten vertauscht, so wird wohl ein Grund dazu sein.

3536. (4.) Nicht für Nichts und wieder Nichts zieht die junge Frau den alten Gatten an den Haaren zu sich, umarmt ihn heftig und küsst ihn: hierzu wird wohl ein Grund sein.

3537. Unzählbar ist die Zahl derjenigen, die ohne Grund grollen; zu zählen sind diejenigen, welche mit Grund zürnen; deren aber, die trotz eines Grundes sich nicht vom Zorn hinreissen lassen, giebt es in der Welt fünf oder sechs.

3538. Ohne eine bestimmte Miene anzunehmen, ohne zu prahlen und ohne die Absicht des Gebens zu verrathen spendest du herrliche Früchte: deine Gnade, o Fürst, gewahrt man wie den lautlosen Regen einer Wolke nur an der Frucht.

3539. (4377.) Ausser der Zeit tritt die Sonne in kein Sternbild, ausser der Zeit begiebt sie sich nicht zum Berge des Untergangs, ausser der Zeit wachsen und schwinden weder der Mond noch das mit hohen Wogen bekränzte Meer.

3540. (4378.) Ausser der Zeit stirbt man nicht und wird auch nicht geboren, ausser der Zeit fängt das Kind nicht an zu sprechen, ausser der Zeit tritt es nicht in's Jünglingsalter, ausser der Zeit geht der gesäete Same nicht auf.

[268] 3541. (4379.) Ausser der Zeit sind in der Welt nimmer brünstig die Vögel, Schlangen, Gazellen, Elephanten und Steinböcke; ausser der Zeit bildet sich nicht im Weibe die Frucht, ausser der Zeit kommen nicht Winter, Sommer und Regenzeit.

3542. (4380.) Man schmähe nicht, schätze den Nächsten nicht gering, übe keinen Verrath an Freunden, huldige nicht Niedrigen, sei nicht hochmüthig, führe keinen schlechten Wandel und vermeide ein hartes, verletzendes Wort.

3543. Einen bevorstehenden Schaden vermögen ja die Menschen durch keinerlei Widerstand, es sei denn durch die Macht des Verstandes, abzuwehren.

3544. Ein Mann ohne Vorzüge versteht nicht einen Mann mit Vorzügen und ein Mann mit Vorzügen sieht den, der solche gleichfalls besitzt, mit neidischen Augen an; eine seltene Erscheinung ist ein gerader Mann, der selbst Vorzüge besitzt und zugleich an den Vorzügen Anderer seine Freude hat.

3545. (1518.) Der Brunstsaft ist die Zierde des Elephanten, Wasserrosen[269] sind die Zierde des Wassers, der Vollmond die Zierde der Nacht, eine gute Gemüthsart die Zierde des Weibes, Geschwindigkeit die Zierde des Bosses, beständige Feste die Zierde eines Hauses, grammatische Richtigkeit die Zierde einer Rede, Flamingo-Pärchen die Zierde von Flüssen, Gelehrte die Zierde einer Gesellschaft, ein guter Sohn die Zierde eines Geschlechts, ein Fürst die Zierde eines Landes, Tugendhafte sind die Zierde der drei Welten.

3546. (1519.) Feuer soll man nicht mit dem Munde anblasen, es nicht (mit der Flamme) hinunterhalten und nicht darüber springen, nichts Unreines soll man in's Feuer werfen und auch nicht die Füsse daran wärmen.

3547. (1520.) Noch so viel Holz macht Feuer nicht satt, noch so viele Flüsse machen das Meer nicht satt, alle Geschöpfe nicht den Todesgott, noch so viele Männer nicht eine Schönäugige.

3548. Keine Veden ohne Brandopfer, keine heilige Handlung ohne Spenden, kein Gelingen ohne ein ergebenes Gemüth; demnach ist ein ergebenes Gemüth die Grundbedingung von Allem.

3549. (1521.) Gelehrsamkeit ohne Tugend ist nutzlos wie des Hundes Ruthe, die weder die Schamtheile verdeckt, noch Bremsen und Mücken abwehrt.

[270] 3550. (1543.) Wer nicht in die empfindlichsten Stellen eines Feindes einschneidet, keine grausame That vollbringt und nicht, wie ein Fischer, mordet, der gelangt zu keiner hohen Stellung.

3551. (1522.) An Leute, deren Kraft und Heldenmuth man nicht kennt, verwende man keine Mühe; denn das, was man an sie verwendet, prallt wirkungslos ab, wie das Mondlicht, das auf das Schneegebirge fällt.

3552. (1523.) Eine Laute ohne Saiten giebt keinen Klang, ein Wagen ohne Räder rollt nicht und einer Frau ohne Gatten erginge es nicht wohl, hätte sie auch hundert Söhne.

3553. (4381.) Nichts Anderes ist segensreicher und in so hohem Grade förderlich, o Lieber, als eines Mächtigen Nachsicht gegen Jedermann und zu jeder Zeit.

[271] 3554. Sechsen giebt man eine Tochter nicht zur Frau: einem zu weit und einem zu nahe Wohnenden, einem Reichen, einem allzu Schwächlichen, einem Kranken und einem, dem ein Glied fehlt.

3555. Wer sein Ziel zu erreichen wünscht, darf sich weder zu sehr bücken, noch zu sehr erheben: ein Krug, der bei geringer Neigung sein Wasser einnahm, ist ganz voll geworden.

3556. (1524.) Man hänge nicht zu sehr an den Weibern und gebe es nicht zu, dass ihre Macht wächst, da sie mit gar zu verliebten Männern spielen wie mit Krähen, denen die Flügel beschnitten wurden.

3557. (4382.) Für das Schicksal ist keine Arbeit zu schwer, während bei der menschlichen Anstrengung die Einsicht auf Fesseln stösst: wenn Schicksal und menschliche Anstrengung sich verbinden, dann gelangt man stets zum Ziel.

3558. Man darf nicht zu milde sein, da ein Milder bei jeder Gelegenheit gedrückt wird: wer ist, wenn er einen schwachen Pisang erblickt, nicht alsbald bereit ihn niederzuhauen?

3559. (1525.) Ein Kranker fügt sich nicht in den Willen des Arztes,[272] wenn dieser ihm widerspricht; wohl aber fügt er sich, wenn dieser ihm nach dem Sinne spricht und ihn mit Freundlichkeit behandelt.

3560. (4383.) Ich kenne keinen bessern Angehörigen einer sittsamen Frau als ihn (den Gatten): der Gatte ist ihr Freund, der Gatte ist ihr Gebieter, Gott und Lehrer.

3561. (4384.) Es giebt keine selbstbestimmte That: der Mensch hier ist nicht Herr über sich, sondern es zieht ihn das Schicksal bald hierhin, bald dorthin.

3562. (4385.) Man habe wegen vorangegangener misslungener Versuche keine zu geringe Meinung von sich, sondern gehe vielmehr bis zum Tode der Wohlfahrt nach und halte solche nicht für schwer zu erreichen.

3563. (4386.) Wer nicht entsagt, gelangt nicht zur Freude; wer nicht entsagt, findet nicht das Höchste; wer nicht entsagt, schläft nicht ohne Furcht: darum entsage Allem und werde froh.

3564. (4387.) Man soll nicht allzu gerade sein; geh und sieh dir einen Wald an: da werden die geraden Bäume gefällt und die krummen bleiben stehen.

[273] 3565. (1526.) Man belästige, von Habsucht getrieben, die Leute nicht gar zu sehr mit seinem Begehren nach Geld: als das Meer, nachdem es das prachtvolle Pferd und die Çrî hergegeben hatte, noch weiter gequirlt wurde, spie es Gift aus.

3566. (4388.) Kein Mensch hier auf Erden entgeht dem vorher bestimmten Schicksal; darum fehlt alle Berechtigung über das Schicksal eines Verstorbenen zu trauern.

3567. »Im Monde fliegen nicht von Jägern geschleuderte Pfeile, dort giebt es nicht ringsum Waldbrand, keine flüchtige Gefahr dieser oder jener Art und auch keine zerreissbare Schlinge«, unter solchen Betrachtungen begab sich eine eingeschüchterte Gazelle ohne langes Bedenken in den Mond. Wer weiss, welche Wunde ihm dort das Schicksal durch Râhu's Zahn beibringen wird?

3568. (1527.) Obgleich der Gott Nârâjaṇa, dem man im Geiste dienen[274] muss, da ist, so gehen wir Thoren und elenden Wichte dennoch, o Weh, einem Menschen nach um diesem zu dienen. Dort ist es der Beschützer, der Erhabene, der hoch über allen Menschen Stehende (der höchste Geist), hier irgend Einer aus der Hefe der Menschen; dort der Alleinherrscher über die drei Welten, hier der Besitzer einiger Dörfer; dort der Verleiher seiner eigenen Stätte, hier der Geber eines Lumpengeldes.

3569. Dem Kargen, dem Unmännlichen, dem allzu Unthätigen, dem Trägen, dem Feigen und dem Unfrommen fallen keine Reichthümer zu.

3570. Ohne Sonne kein Tag, ohne Vollmond kein Mondschein, ohne Sohn keine Familie, ohne Wurzel kein Baum, ohne Besitz keine Freuden, ohne Wissen keine Wahrheit, ohne Studium keine Gelehrsamkeit und ohne Spenden kein Ruhm.

3571. (4389.) Männer, die kein göttliches Wesen an sich haben, unverständig und kurzsichtig sind und der Tugend ermangeln, bleiben nimmer dem Geheiss des Vaters treu.

3572. (1528.) Keine Mühe, die auf einen ungeeigneten Gegenstand gewandt wird, pflegt Früchte zu tragen: einen Reiher kann man nicht dazu bringen, dass er wie ein Papagei sprechen lernt, machte man auch hundert Mal den Versuch.

[275] 3573. (4390.) Der Besitzlose erfüllt nicht die Pflichten des Gesetzes, wie es sich gebührt: aus dem Reichthum fliesst das Recht, wie aus dem Gebirge der Fluss.

3574. (1529.) Das Unrecht, das man in der Welt begeht, trägt, wie ein Acker, nicht sogleich Früchte; es kommt aber allmählich heran und schneidet dem Thäter die Wurzeln ab (d.i. vernichtet den Thäter bis auf den Grund).

3575. (1530.) Nicht habe ich die Grammatik studirt, die mit ihren verständlichen Worten fleckenlos dasteht und den Grund, das Wesen und die Bedeutung von Allem angiebt; auch habe ich keine Gazellenäugige gehätschelt, die ob der Wucht der Hüften die Glieder träge bewegt und ob der Schwere des Busens sich neigt; auch habe ich nicht den Brahmanen gespendet, nicht im Feuer geopfert, nicht den Gott Çiva verehrt: o Weh! welche Gnade soll ich Armer, dem Tode Verfallener, mir erbitten?

3576. Ein Mensch sättigt sich in aller Ewigkeit nicht an den Genüssen, wie sie Menschen, Göttern und den Feinden der Götter zu Theil werden, eben so wenig wie das Meer am Wasser der Flüsse.

[276] 3577. (4391.) Wer einen Unglücklichen nicht tröstet, wer nur dann giebt, wenn er es versprochen hat, und wer eines Andern Blössen kennt, der ist ein mittelmässiger Mensch.

3578. (1531.) Holz, das sich nicht biegen lässt, pflegt man auch nicht zu biegen, und Steine bearbeitet man nicht mit dem Scheermesser: komme, o Sûḱîmukha, zur Erkenntniss, dass man den nicht unterweist, der sich nicht belehren lässt.

3579. (1532.) Nicht der Gott des Windes, nicht der des Feuers, nicht Varuna, auch nicht die übrigen unter den dreiunddreissig Göttern sind, o Brahmane, den Weibern so lieb wie der Liebesgott: die Wollust ist ja der Frauen Natur.

3580. (1533.) Ein Diener unternehme kein Werk, ohne vorher den Fürsten davon benachrichtigt zu haben, es sei denn, dass es sich darum handelte, einem dem Fürsten drohenden Unfall entgegenzuarbeiten.

3581. (4392.) Wer seine Angelegenheiten nicht besorgt und bei Gefahren keine Furcht kennt, der kommt hier bald um seine Herrschaft, geräth in eine schlimme Lage und wird einem Grashalm gleich.

[277] 3582. (4393.) An's Ende aller Wünsche ist bis jetzt noch Niemand gelangt: das Verlangen nach Leib und Leben wächst beim Thoren.

3583. (4394.) Keine Gabe kommt der Gabe von Speise und Wasser gleich, kein Tag kommt dem Zwölften eines Halbmonates gleich, keine Hymne steht über der Gâjatrî, keine höhere Gottheit giebt es als eine Mutter.

3584. (1534.) Nichts Anderes kennt man in der Welt, was selbst Göttern lieber wäre als Gesang: Râvaṇa fesselte den Dreiäugigen (Çiva), weil dieser am Tone getrockneter Därme Freude hatte.

3585. Nichts erscheint mir in der Welt schmerzlicher, als dass ein besitzloser Mann von Andern geringgeschätzt wird.

3586. Man zeige keine Verlegenheit, wenn man gefragt wird, spreche nicht mit unvernehmbarer Stimme, eile nicht und murre nicht: so gewinnt man einen Andern.

3587. (4395.) Für das Ungemach giebt es keine Grenze, keine Anzeichen und keinen Grund; wohl aber theilt der Gott der Gerechtigkeit den Lohn zu sowohl für gute als auch für böse Werke.

3588. (4396.) (Ein Fürst) verhänge keine Strafe ohne vorangegangene[278] Untersuchung, plaudere einen berathenen Plan nicht aus, sei nicht freigebig gegen Habsüchtige und traue nicht dem, der ihn beleidigte.

3589. (4397.) Im Hause eines Barbiers sich rasiren zu lassen, auf einen Stein Wohlgerüche aufzutragen und seine Gestalt im Wasser zu betrachten, könnte selbst Indra die Herrlichkeit rauben.

3590. (1535.) Beamte verhalten sich ja, o Fürst, in der Regel wie böse Geschwüre: wenn man sie nicht stark drückt, geben sie ihren Inhalt (den Eiter und das eingesteckte Geld) nicht heraus.

3591. (1536.) Nur der Sohn einer Buhldirne ist schlecht geartet, nur der Verräther ist in beständiger Besorgniss, nur der Prahler ist ein Lügner, nur ein Schreiber ist undankbaren Herzens,

3592. (1537.) nur der im Hause eines Freigebigen Geborene ist habsüchtig, nur der Neidische ist beständig missmüthig, nur der von der Frau Beherrschte ist Gegenstand des Gelächters für Jedermann, nur der Alte führt zärtliche Reden im Munde,

3593. (1538.) nur der unächte Sohn hasst den Vater, nur der Verliebte ist schamlos, nur der Mann von geringem Wissen ist wirklich böse: dies ist der Kern des wahren Sachverhalts.

[279] 3594. (1539.) Ungefragt sage man Niemanden Etwas, auch antworte man nicht dem, der nicht in der gehörigen Weise frägt: der Verständige, wenn er auch Kunde hat, benimmt sich in der Welt, als wäre er stumm.

3595. (1517.) Ein Mensch, dessen Stunde noch nicht gekommen ist, stirbt nicht, auch wenn hundert Pfeile ihn durchbohren; derjenige aber, dessen Stunde gekommen ist, bleibt nicht am Leben, wenn ihn auch nur die Spitze eines Grashalmes berührt.

3596. (1540.) Männer von klugem Verstande verlangen nicht Unerreichbares, denken nicht daran Verlorenes zu betrauern und behalten im Unglück ihre Besonnenheit.

3597. (1541.) Nichts entsteht ohne Samen, ohne Samen giebt es keine Frucht, aus dem Samen geht der Same hervor, nur aus dem Samen, so lehrt man, kommt die Frucht.

3598. (1542.) Nicht esse der Verständige das, was zu essen verboten ist, steckten ihm die Lebensgeister auch schon in der Kehle (so v.a. sollte er auch nahe daran sein, vor Hunger zu sterben), zumal da auch Weniges davon genossen beide Welten für ihn zu Nichte macht.

3599. Wem Etwas nicht zu Theil werden soll, der wird des Besitzes[280] nicht theilhaftig, wäre er auch gar mächtig; wem dagegen das Schicksal es bestimmt hat, der gelangt in den Besitz von Reichthümern, wäre er auch schwach und einfältig.

3600. Man freue sich nicht auf den Tod, man freue sich aber auch nicht über das Leben: man erwarte ruhig den Augenblick, wie ein Diener einen Befehl.

3601. (1544.) Der Löwe wird von den Thieren des Waldes weder besprengt, noch geweiht: ihm, der das Königthum durch seinen Heldenmuth erwirbt, fällt die Herrschaft über die Thiere von selbst zu.

3602. (4398.) Ist die glückliche Stunde nicht da, so tragen weder Handwerke, noch Zaubersprüche, noch Arzeneien irgend welche Frucht; gesellt sich aber zu diesen die rechte Zeit, so schlagen sie ein und gedeihen zur glücklichen Stunde.

3603. (1545.) Nicht haben wir hier auf Erden die Gebildeten wohlanstehende Wissenschaft gelernt, die der Worthelden Schar im Zaum gehalten hätte; nicht haben wir unsern Ruhm zum Himmel erhoben durch Sehwertspitzen, die das Stirnbein beim Elephanten gespalten hätten; nicht[281] haben wir bei Mondesaufgang das Nass zarter Lippenknospen der Geliebten geschlürft: unsere Jugend ist, o Weh, schon fruchtlos verstrichen, gleich einer Lampe in einem leeren Hause.

3604. (1546.) Wo man dir nicht freundlich entgegenkommt, wo keine lieblich klingenden Gespräche geführt werden und wo von Vorzügen und Mängeln gar nicht die Rede ist, in das Haus gehe du nicht.

3605. (4399.) Der Fürst begnüge sich mit dem blossen Titel und mit dem Sonnenschirm, schenke den Dienern Geld und nehme nicht Alles für sich allein.

3606. (1547.) Schon der blosse Name »Weib« ist erfrischend und stimmt das Gemüth um; wie viel mehr, wenn man ihrer ansichtig wird, wie sie bei ihrem gefallsüchtigen Gebaren die Brauen tanzen lässt?

3607. (1548.) Nicht Vater, nicht Mutter bleiben ja bei ihm als Gefährten auf dem Gange in's Jenseits, nicht Söhne und Gattin, nicht die Verwandten; die Tugend allein bleibt bei ihm.

3608. (1549.) Es giebt keinen andern Nektar und kein anderes Gift als allein die Schönhüftige: ist sie uns gewogen, so ist sie eine Nektarliane; ist sie uns abgeneigt, so ist sie eine Giftranke.

[282] 3609. (4400.) Der Anführer gehe voran, umgeben von den tapfersten Truppen; in der Mitte die Frauen, der Gebieter und die schwachen Truppen;

3610. (4401.) zu beiden Seiten die Reiterei, zu den Seiten der Reiterei die Wagen, zu den Seiten der Wagen die Elephanten und zu den Seiten dieser das Heer der Waldbewohner.

3611. (4402.) Hinter allen Andern, ganz hinten, gehe der erfahrene Oberfeldherr selbst mit geschlossener Heeresmacht, die Ermüdeten von Zeit zu Zeit aufmunternd.

3612. (1550.) »Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt für dich! Ich sage dir Etwas im Vertrauen: jetzt schläft der Herr; nicht wirst du ihn zu Gesicht bekommen, auch wenn du bliebest; ich halte Wache beim Gebieter.« An deren Pforten solche Rede gesprochen wird, die meide, o Herz, und begieb dich in die Wohnung des Gottes, der Herr über Alles ist: dort kennt man keine unbarmherzigen, rauhen Reden von Thürhütern, das Haus verleiht dir grenzenloses Glück.

[283] 3613. (1551.) Niemanden wird es jemals zu Theil, dass er beständig mit einem Andern zusammenbleibt, nicht einmal mit dem eigenen Leibe, geschweige denn mit irgend einem andern.

3614. (4403.) Nicht durch Wälder, nicht durch beliebte Sinnengenüsse, nicht durch Söhne, nicht durch gewonnene Reichthümer wird Einem eine solche Heiterkeit des Gemüths zu Theil, wie durch den Anblick der Gañgâ.

3615. (4404.) Man gehe nicht an eine eigene Sache darauf hin, dass ein Anderer ihr gewachsen ist, da, o Sprössling des Kuru, Zweie nicht gleiche Einsicht in eine Sache haben.

3616. (4405.) In einem Lande ohne Fürsten pflügen Feldbauer, von Furcht gequält, nicht das Land; auch giebt es nimmer Viehherden in einem Reiche ohne Fürsten.

3617. (4406.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine mit Gold geschmückten Jungfrauen gemeinschaftlich in Lustgärten gehen, um dort am Abend zu spielen.

[284] 3618. (4407.) In einem Lande ohne Fürsten kommt keine Sache zu Stande, giebt es keinen Handel und keine von guten Menschen beobachtete Pflicht.

3619. (4408.) In einem Lande ohne Fürsten veranstalten Männer keine Gesellschaft und legen nicht frohen Herzens reizende Lustgärten und Wohlthätigkeitsanstalten an.

3620. (4409.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine mit Sandel und Aloe bestreuten Prinzen, wie Bäume im Frühling, prangen.

3621. (4410.) In einem Lande ohne Fürsten wandelt kein einsam wandernder, seine Sinne in der Gewalt habender Asket, im Geiste über den Geist nachdenkend und dort seine Wohnung aufschlagend, wo ihn der Abend ereilt.

3622. (4411.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine reichen Familienväter unbesorgt und ohne Furcht bei offenen Thüren schlafen.

[285] 3623. (4412.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine reichen, von Ackerbau und Viehzucht lebenden Männer, wohlgehütet bei offenen Thüren schlafen.

3624. (4413.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine mit den Wissenschaften vertrauten Männer in Hainen und Gärten zusammenstehen und sich unterhalten.

3625. (4414.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine vom Verkauf mannichfacher Waaren lebenden Kaufleute mit ihren Waaren von Ort zu Ort ziehen, weil sie von Furcht geplagt werden.

3626. (4415.) In einem Lande ohne Fürsten giebt es weder Feste mit heitern Schauspielern und Tänzern, noch Versammlungen, die des Reiches Wohlfahrt fördern.

3627. (4416.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine sechszigjährigen Elephanten mit grossen Fangzähnen auf den Hauptstrassen mit angehängten Glocken einherziehen.

[286] 3628. (4417.) In einem Lande ohne Fürsten wird keine Handvoll Samen ausgesäet; in einem Lande ohne Fürsten gehorcht nicht der Sohn dem Vater und nicht die Gattin (dem Gatten).

3629. (4418.) In einem Lande ohne Fürsten spenden keine reichen Brahmanen bei grossen Opfern reichliche Opfergaben dem Opferer.

3630. (4419.) In einem Lande ohne Fürsten werden keine als Gaben beim Gottesdienst verwendeten Kränze und Kuchen von eigens dazu bestimmten Leuten bereitet.

3631. (4420.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine an Opfer gewöhnten, zweimalgeborenen, gezügelten, ihre Gelübde streng erfüllenden Brahmanen mit Opfern beschäftigt.

3632. (4421.) In einem Lande ohne Fürsten giebt es keinen sichern Besitz; so vermag auch in einem Lande ohne Fürsten kein Heer den Feinden im Kampfe zu widerstehen.

3633. (4422.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man nicht in weite Fernen ziehende Kaufleute, mit vielen Waaren versehen, auf sichern Wegen reisen.

[287] 3634. (4423.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man keine verliebten Männer mit ihren Frauen auf schnellfahrenden Wagen in die Wälder hinausfahren.

3635. (4424.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man nicht Liebhaber mit ihren Geliebten frei von Furcht an Vergnügungsplätzen und in Lustgärten sich ergehen.

3636. (4425.) In einem Lande ohne Fürsten beregnet nicht der blitzbekränzte, laut donnernde Regengott die Erde mit himmlischem Nass.

3637. (4426.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man nicht aufgeputzte Mädchen aus guten Familien unbesorgt auf der Hauptstrasse spielen und lustwandeln.

3638. (4427.) In einem Lande ohne Fürsten hört man nicht das durch das Anprallen der Bogensehne an den Handschuh entstehende Geräusch bei den Schiessübungen unermüdlicher Schützen.

3639. (4428.) In einem Lande ohne Fürsten werden nicht nach glücklich beendetem Geschäft an Erzählungen gewöhnte Geschäftsleute von Freunden des Erzählens durch Erzählungen erfreut.

[288] 3640. (4429.) In einem Lande ohne Fürsten besteht durchaus kein Eigenthum, da die Starken mit Gewalt der Schwachen Eigenthum wegnehmen.

3641. (4430.) In einem Lande ohne Fürsten hat Niemand einen eigenen Besitz, da sich die Menschen dort wie Fische stets einander aufessen.

3642. (4431.) In einem Lande ohne Fürsten sieht man nicht Männer auf muntern schönen Pferden und auf geschmückten Wagen in raschem Laufe dahineilen.

3643. (4432.) In einem Lande ohne Fürsten folgt nicht die Gattin dem Gatten, wie es sich gebührt; in einem Lande ohne Fürsten hört der Schüler gewiss nicht auf die heilsamen Worte des Lehrers.

3644. (1552.) Gute Menschen erscheinen ja wie Kokosnüsse (rauh von aussen, süss von innen); die andern dagegen sind, wie Brustbeeren, nur von aussen reizend.

3645. (1553.) Man soll Niemanden einen Schmerz bereiten, selbst wenn[289] man beleidigt worden wäre; man soll keine Feindschaft gegen den Nächsten an den Tag legen, weder durch die That, noch in Gedanken; man soll kein Wort aussprechen, vor dem der Andere zurückschrecken könnte, da ein solches Wort zur Hölle führt.

3646. (1554.) Man soll Niemanden einen Schmerz bereiten und auch nicht boshaft reden; wenn man Mangel leidet, darf man sich nicht fremdes Gut aneignen; man soll kein verletzendes Wort sprechen, vor dem der Andere zurückschrecken könnte, da ein solches Wort zur Hölle führt.

3647. Nicht unter unendlichen Beschwerden erworbene Reichthümer, nicht ein Vater, nicht eine zärtliche Mutter, nicht eine Gattin von unvergleichlicher Jugend, nicht leibliche Brüder und auch nicht mannichfache Freunde, die nur für Vertrauen Sinn haben und deren Thun und Treiben uns ganz entspricht, vermögen in der Stunde des Todes diesem unserm Leben einen Schutz und Halt zu gewähren.

3648. Wer Etwas braucht, wendet sich nicht an den, der sich in gleicher Lage befindet; mit dem, der sein Ziel erreicht hat, schliesst man Freundschaft. Darum lasse man Alles, was man zu vollbringen hat, mehr oder weniger unvollendet.

[290] 3649. (4433.) Nicht Nutzen, nicht Verdienst, nicht Ruhm wird dem zu Theil, der über Vergangenes trauert; gäbe er auch sein Leben dahin, es kehrte für ihn doch nicht zurück.

3650. (1555.) Weiber rauben mit Gewalt, o Schlanke, einen Liebhaber und lassen sich nicht zurückhalten; warum härmst du dich also ab und warum weinst du? Erweise ihnen nicht unnöthiger Weise einen Gefallen! Dein Geliebter hat Sinn für's Liebesspiel, ist jung und empfindungsvoll: warum packst du nicht, Kleinmüthige, einen solchen Gatten und verkaufst ihn um Hunderte dir werther Sachen von aller Art?

3651. (4434.) Freunde führen noch nicht zum Glück und Feinde noch nicht zum Unglück; so führt auch Verstand noch nicht zu Reichthümern und Geld noch nicht zum Glück.

3652. (1556.) Träge gelangen nicht zu Reichthümern, auch nicht Feiglinge, Hochmüthige, solche, die sich vor dem Gerede der Leute fürchten, und diejenigen, die ewig warten.

[291] 3653. Ist der Augenblick Etwas zu erlangen nicht gekommen, so erlangt man Nichts trotz aller Anstrengung; ist dagegen der Augenblick Etwas zu erlangen da, so erlangt man grosse Reichthümer auch ohne Anstrengung.

3654. (4435.) Männer hohen Geistes gehen an nichts Unbedeutendes, da ihre Wünsche, auch wenn sie die Erde gewännen, noch grenzenlos sind.

3655. (4436.) Niemand darf je eine Gabe mit Geringschätzung reichen, da mit Geringschätzung Gereichtes dem Geber Schaden zu bringen pflegt.

3656. (4437.) Nicht von der Geringschätzung, nicht von der Dummheit, nein, von der Majestät des Meeres zeugt es, dass grosse Perlen am Ufer im Schlamm versunken liegen.

3657. (4438.) Selbst einen schwachen Feind soll man, mein Lieber, nicht gering achten: selbst ein kleines Feuer versengt einen ganzen Wald, indem es bei ihm eine Zuflucht sucht.

3658. (4439.) Es ist nicht möglich, zu Schiffe auf dem Festlande umherzufahren, und so kann man auch nicht zu Wagen auf dem Wasser fahren.

[292] 3659. (1557.) Man soll einen Mann, der mit einer Bitte naht, nicht mit Geringschätzung behandeln und ihn auf keinen Fall wegtreiben: sogar eine Gabe, die man einem Pariah oder einem Hunde reicht, geht nicht verloren.

3660. (1558.) Ein gemeiner Mensch versteht nur eines Andern Sache zu verderben, nicht aber sie zu fördern: eine Maus vermag nur einen Speisekorb umzuwerfen, nicht aber ihn aufzurichten.

3661. (4440.) Bisweilen finden beide Theile im Kampfe ihren Untergang: sind nicht Sunda und Upasunda, die von gleicher Manneskraft waren, Einer durch den Andern erschlagen worden?

3662. (1559.) Aus Diensteifer isst er nicht nach eigenem Gutdünken, wacht auf, ehe er ausgeschlafen hat, spricht kein Wort ohne Besorgniss: und dabei lebt ein Diener doch weiter!

[293] 3663. (4441.) Das Lebensstadium, in welchem sich ein Brahmane befindet, ist noch kein Beweis für die Tugend, da diese erst dann besteht, wenn sie geübt wird. Deshalb soll man das, was Einem selbst nicht förderlich ist, auch Andern nicht thun.

3664. (4442.) Diejenigen vergiessen keine Thränen, die in ihrem Geiste den Zusammenhang der Dinge in der Welt erkannt haben; für den, der Alles richtig ansieht, giebt es kein Thränenvergiessen.

3665. (4443.) Ein Ungelehrter ist nicht eines Gelehrten Freund; wer keinen Wagen hat, ist nicht ein Freund dessen, der einen solchen hat; wer nicht Fürst ist, ist nicht eines Fürsten Freund: wozu bestehst du also auf Freundschaft?

3666. (1560.) Ein Ungelehrter ist nicht eines Gelehrten Freund; wer keinen Wagen hat, ist nicht ein Freund dessen, der einen solchen hat: bei gleichen Verhältnissen bildet sich ja Freundschaft, bei ungleichen kommt sie nicht vor.

3667. (4444.) Wenn man an irgend ein Werk geht, so thue man dieses nicht schlecht, da ja auch ein schlecht ausgezogener Dorn für lange Zeit Eiterung verursacht.

[294] 3668. (1561.) Keinen giebt es, dem sie (die Weiber) sich nicht nähern sollten; auch halten sie nicht auf ein bestimmtes Alter: sie geniessen den Hässlichen und den Schönen, indem sie bei sich denken »es ist ja ein Mann«.

3669. (4445.) Der Mann, der nicht zur Verwegenheit greift, bekommt kein Glück zu Gesicht; wer aber in allen Sachen verwegen ist, der ist das beste Gefäss für's Glück (d.i. den sucht das Glück vor allen Andern auf).

3670. (4446.) Keine Krankheit kommt der Liebe gleich, kein Feind dem Irrthum, kein Feuer dem Zorne, keine Freude dem Wissen.

3671. (1562.) Von Hause aus giebt es ja keinen Feind und eben so wenig auch einen Freund: in Rücksicht auf den Nutzen entstehen sowohl Freunde, als auch Feinde!

3672. (4447.) Der Tugend kommt kein Freund gleich, keine heilige Handlung und auch kein Gott; fürwahr, ich spreche die Wahrheit.

3673. (1563.) Es giebt keinen Freund, der dem Gatten gleich käme;[295] es giebt keine Zuflucht, die dem Gatten gleich käme; es giebt für die Frauen kein anderes Unglück, das dem Wittwenstande gleich käme.

3674. (1564.) Es giebt keinen Beschützer, der dem Gatten gleich käme; es giebt kein Glück, das dem Gatten gleich käme: der Gatte giebt sein ganzes Vermögen hin um sein Weib zu erhalten.

3675. (4448.) Kein Freund kommt einer Gattin gleich, keine Zuflucht kommt einer Gattin gleich, kein Gehilfe beim Einsammeln guter Werke kommt in der Welt einer Gattin gleich.

3676. (4449.) Kein Wasser kommt dem der Wolke gleich, keine Kraft kommt der eigenen Kraft gleich, kein Glanz kommt dem des Auges gleich, Nichts ist uns so lieb wie Getraide.

3677. (4450.) Keine Freundschaft giebt es mit Fürsten, keine Freundschaft mit Bösen, keine Freundschaft mit Thoren und kein Spiel mit Schlangen.

3678. (4451.) Nicht ist ja Freundschaft von Bestand und auch Feindschaft ist nicht dauernd; wohl aber entstehen in Rücksicht auf den Nutzen sowohl Freunde, als auch Feinde.

3679. (1565.) Für (Frauen) giebt es keine Art von Opfer, kein Todtenmahl und keine Fasten: Gehorsam, den sie dem Gatten erweisen, bilden ihr Verdienst und durch diesen Gehorsam gewinnen sie den Himmel.

[296] 3680. (4452.) Kein Auge kommt dem Wissen gleich, keine Kasteiung der Wahrhaftigkeit, kein Schmerz der Begierde, keine Freude der Entsagung.

3681. (4453.) Von Hause aus giebt es, o Fürst, keinen Feind für den Menschen: mit wem wir einen gleichen Lebensunterhalt haben, der und kein Anderer ist unser Feind.

3682. (1566.) Es giebt keine Tugend, die der Wahrhaftigkeit gleich käme; etwas Höheres als die Wahrhaftigkeit findet man nicht; dagegen findet man hier nichts Schrecklicheres als die Lüge.

3683. (4454.) Es giebt keine höhere Tugend als die Wahrheit und keine schlimmere Sünde als die Lüge. Weil die Wahrheit die heilige Schrift und das Gesetz ist, darum soll man die Wahrheit nicht verletzen.

3684. Es giebt keine Stadt ohne Teich und ohne Wolken und wo man nicht ein Weib und einen vollen Busen erblickte.

3685. Es besteht das Gesetz, dass eine an Frauen vollzogene Cerimonie[297] nicht von vedischen Sprüchen begleitet sein dürfe, da es ausgemacht ist, dass die gebrechlichen und der vedischen Sprüche unkundigen Frauen die Lüge selbst sind.

3686. (4455.) Es giebt kein besonderes Opfer für Frauen, auch kein Gelübde, auch keine Fasten: dafür, dass das Weib dem Gatten gehorsam ist, geniesst es die Seligkeit im Himmel.

3687. (1567.) Es giebt durchaus kein anderes Weib, das in so glücklicher Ehe lebte wie die Gier, da diese sogar im Augenblick, wo sie dem Gatten das Leben raubt, noch über die Maassen geliebt wird.

3688. Einen Fürsten, der über seine Unterthanen auf gerechte Weise herrscht, trifft weder Sünde noch Unehre; bevor aber Fürsten ihre Macht erwogen haben, dürfen sie keinen Krieg beginnen.

3689. Keine Tugend kommt der Schonung alles Lebenden gleich, kein Gelübde der Genügsamkeit, keine Lauterkeit der Wahrhaftigkeit und kein Schmuck der guten Gemüthsart.

3690. (1568.) Es giebt keinen Freund, der der Gesundheit gleich käme; keinen Feind, der einer Krankheit gleich käme; keine Liebe, die der zu den Kindern gleich käme; keinen Schmerz, der dem Hunger gleich käme.

[298] 3691. (4456.) Was Jemand vorhat, das dürfen weder Freunde noch Feinde erfahren; was aber schon begonnen und auch was glücklich zu Ende gebracht worden ist, das können sie sehen.

3692. (1569.) Der Feind darf seine (des Fürsten) Blössen nicht kennen, dieser kenne aber des Feindes Blössen; wie eine Schildkröte verstecke er die Glieder und hüte seine offene Seite.

3693. (1570.) Der Stier im Tempel vermag keine Last mehr zu tragen und es fehlt ihm auch durchaus die Eigenschaft eines Zugthiers; dennoch speist er prächtig.

3694. Nicht verlangt es mich nach dem Genusse der Früchte im Himmel, nicht habe ich dich darum gebeten, auch bin ich zufrieden, wenn ich Gras verspeise; nicht ziemt es dir also, mein Guter, mich zu tödten. Wenn die von dir beim Opfer geschlachteten Thiere sicher in den Himmel kommen, warum opferst du denn nicht Mütter und Väter, Söhne und Angehörige? (Worte eines Opferthiers.)

[299] 3695. (4457.) Nicht an die Nahrung denkt der Weise, nur an die Tugend denkt er, da ja die Nahrung für die Menschen zugleich mit ihrer Geburt erzeugt wird (als Muttermilch).

3696. (4458.) Wer, o Bester der Bharatiden, das in einem Tage oder in Monaten nicht zu befriedigende, ja das überhaupt nicht zu befriedigende Verlangen zu befriedigen bestrebt ist, der wird dieses nicht zu thun vermögen, auch wenn er das ganze Leben dazu verwendete.

3697. (1571.) Wenn Menschen die Gañgâ nicht verehren, obgleich sie die Sünden abwäscht, so kommt es daher, dass die Welt den, der in ihrer Nähe steht, nicht achtet, wäre er auch ein Mann von Gewicht.

3698. (1572.) Denjenigen, deren Herz allzusehr an dem Anschauen des Antlitzes der Geliebten hängt, zerrinnt, während ihnen die Thränen rinnen, mit der Jugend das Glück.

3699. (4459.) Des Grames fürchterliches Feuer mit seiner auflodernden Flamme zerreisst mir, ich möchte sagen, die Gelenke, dörrt mir gleichsam den Leib aus und versengt mir beinahe das Herz.

3700. (1573.) Geräth ein Werthgegenstand in's Haus eines Gildemeisters, um hier aufbewahrt zu werden, so preist dieser seinen Gott und spricht: »Möge der Besitzer dieses mir anvertrauten Gutes bald sterben, dann gebe ich dir, was du verlangst.«

[300] 3701. (1574.) Beleuchte, o Vollmond, den Erdkreis mit der ganzen Fülle deiner Strahlen! Das böse Schicksal leidet es, wie du weisst, nicht, dass es Einem hier gar zu lange wohlgeht.

3702. (1575.) Eine Blumenleserin, die durch den Wiederschein der eigenen Augen im Wasser häufig getäuscht wurde, bedenkt sich auch an eine wirkliche blaue Wasserrose die Hand zu legen.

3703. (1576.) Wer auf Kosten seines eigenen Wohlbehagens Reichthümer zu erwerben trachtet, ist ja wie jener, der für Andere Lasten trägt, nur ein Gefäss für Leiden.

3704. (1577.) Ein Mann, der an seinem Platze steht, vermag auch allein hundert und zwar mächtige Feinde zu bekämpfen; darum soll man seinen Platz nicht verlassen.

3705. (4460.) Wer die in ihm selbst wohnenden fünf Feinde (die Sinne), die fünf verschiedene Zwecke verfolgen, aus Unverstand nicht bezwingt, wenn sie sich erheben, den Mann verschlingt das Ungemach.

[301] 3706. Ein Fürst, der stets nützlichen Sachen sich widmet, stets an das Gute denkt und nur zu Zeiten dem Angenehmen huldigt, ist der Herrschaft würdig.

3707. Wenn dagegen ein Fürst das Gute und Nützliche aufgiebt und nur an das Angenehme denkt, dann ergeht es ihm wie jenem, der auf einem Baumwipfel einschlief: wenn er erwacht, liegt er auf dem Boden.

3708. Sogar der Meru schwindet dahin, weil er beständig sein Gold verschwendet; ein Mann wird einer Kohle gleich, wenn sein Feuer, das Geld, erlischt.

3709. (4461.) Die Kasteiungen hüte man vor Zorn, die Wohlfahrt hüte man vor Neid, das Wissen vor Stolz und Geringschätzung, sich selbst aber vor Fahrlässigkeit.

3710. (4462.) Beständiges Abreissen von Gras, das Kratzen in der Erde mit den Nägeln, das Nichtverehren der Füsse (des Lehrers), das Nichtputzen der Zähne, Unreinlichkeit der Kleider, Struppigkeit der Haare, das Schlafen zur Zeit der beiden Dämmerungen, das Schlafen ohne Bekleidung, übermässiges Schlingen und Lachen, so wie das Musiciren auf dem eigenen Körper und auf einem Stuhle rauben sogar einem reichen Krshna die Glücksgöttin.

[302] 3711. (1578.) Im Palast eines Fürsten muss man stets misstrauisch sein; wem es um Wissen zu thun ist, der muss im Hause des Lehrers bescheiden sein. Mit Leuten, die sich schlecht benehmen, geht es rasch zu Ende, wie mit den mangelhaft gefüllten (abendlichen) Lampen in den Häusern der Armen.

3712. (4463.) Ein kluger (Fürst) lässt, wenn es gilt an schwierigen Durchgängen Hindernisse wegzuräumen, oder wenn er des Feindes Land betritt, stets ein Heer von Waldbewohnern vorangehen.

3713. (4464.) Der Fürst stehe stets mit erhobenem Scepter, entfalte stets seine Macht, verhülle stets das zu Verhüllende und verfolge stets die Blössen des Feindes.

3714. (4465.) Vor dem, der stets mit erhobenem Scepter steht, zittert die ganze Welt; darum soll er alle Geschöpfe durch das Scepter in Ordnung halten.

3715. (4466.) Beim Verständigen wächst stets auch der Besitz, sei dieser[303] auch noch so gering; wer dagegen seine Sache nicht mit Fleiss betreibt, bei dem erhält sich derselbe mit genauer Noth im bisherigen Zustande.

3716. Wie Asketen stets des heiligen Wortes, wie Flamingo des Sees Mânasa sich erinnern und wie Elephanten der Revâ gedenken, deren Ufer mit Wäldern von Sphuṭavalkalî besetzt sind, so erinnere ich, den es nach deinem Anblick verlangt, mich täglich deiner: der Tag (ach kennte ich ihn schon), an dem wir hier auf Erden zusammenkommen, wird ein glücklicher sein!

3717. (4467.) Der Fürst erfreue die Welt stets durch herzraubende Worte; wer rohe Reden führt, jagt den Geschöpfen Furcht ein, wäre er auch freigebig.

3718. (4468.) Die Tugend lebt ewig, Freude und Leid aber sind vergänglich; die Seele lebt ewig, die Bedingung aber zu ihrer Erscheinung (der Körper) ist vergänglich. Darum entsage dem Vergänglichen und begieb dich zum Ewigen; sei zufrieden, da Zufriedenheit der beste Gewinn ist.

[304] 3719. (1579.) »Er schläft, er badet sich, er speist, er lustwandelt, er trocknet sich das starke Haupthaar, er sitzt im Frauengemach, er würfelt; es ist dies nicht der Augenblick mit ihm zu reden; komme wieder, geh jetzt.« Uns Arme, die wir zu wiederholten Malen mit solchen Worten am Thore grosser Herren von den mit erhobenen Stöcken stehenden Dienern abgewiesen wurden, mögest du, o Tochter des Meeres (Glücksgöttin), anschauen mit den uns wohlbekannten Aussenwinkeln deiner lotusblauen Augen.

3720. Wie kämen, o meine Gute, diejenigen zum Schlafe, die von einer schweren Krankheit gepeinigt werden, ungehorsame Weiber haben und ihre Feinde nicht besiegten?

3721. Entsaget, o ihr Leute, diesem Schlafe, der mächtigen Verblendung des Geistes, und erfüllet die ewige und wahrhafte Obliegenheit. Sehet, es fallen ohne Unterlass unter dem Scheine verrinnender Stunden die Aexte, welche die dichten Wurzeln des Baumes, den wir Lebensdauer nennen, durchhauen.

3722. (1580.) Dem Manne, der, Feindschaft im Herzen bergend, freundliche Worte spricht, kommt ein Verständiger nicht nahe, eben so wenig wie eine Gazelle einem Jäger.

[305] 3723. (1581.) Kenner der Lebensklugheit mögen sie tadeln oder loben; das Glück kehre bei ihnen ein oder ziehe von dannen, wohin es ihm beliebt; der Tod komme schon heute oder erst in der folgenden Generation: charakterfeste Männer weichen keinen Schritt vom rechten Pfade.

3724. (1582.) Wer über einen Guten Tadel ergehen lässt, der besudelt sich selbst: wer hinauf in die Luft Asche wirft, dem fällt diese auf den Kopf.

3725. (1583.) Die Weiber allein sind hier zu tadeln, nimmer die Männer, da diese den Beruf haben, Recht und Unrecht zu prüfen.

3726. (1584.) Man falle vom Gipfel eines Berges, sinke in's Meer, stürze sich in's Feuer, spiele mit Schlangen sogar: ist die Zeit nicht gekommen, so findet Niemand den Tod.

[306] 3727. (1585.) Wie die Frösche in den Graben und die Fische in den vollen Teich kommen, so alles Glück zu dem strebsamen Menschen, es mag wollen oder nicht.

3728. (4469.) Die Lust (unter Menschen) im Dorfe zu wohnen ist ein fesselnder Strick, den Gute zerschneiden um fortzuziehen (in den Wald); Böse zerschneiden ihn nicht.

3729. (1586.) Die dem Menschen zugemessene Lebenszeit schützt seine verwundbaren Stellen, mag er in's Meer sinken, vom Berge stürzen oder gar vom Schlangendämon Takshaka gebissen werden.

3730. (1587.) Wer aus irgend einem Grunde in Zorn geräth, der wird, sobald jener weicht, bestimmt wieder heiterer Laune; wessen Herz aber ohne alle Veranlassung hasst, wie sollte den Jemand zufriedenzustellen vermögen?

3731. (1588.) Damit die am Tage blühenden Wasserrosen ihren Blumenkelch[307] schliessen, damit die kleinen Lichter aufgehen und damit die Finsterniss Platz greifen könne, geht, o Weh, die Sonne unter.

3732. (4470.) Das Leben steht ja in seinem Laufe auch nicht einen Augenblick still; warum sollte man seine Gedanken beständig auf die Leiber richten, die keinen Bestand haben?

3733. (1589.) Was bedarf es, o Nimba, vieler Worte? Deine Früchte sind nutzlos; sobald sie reif sind, kommen diese Krähen hier und verzehren sie bis auf den letzten Rest.

3734. (1590.) In der Regel bleibt man innerhalb der bestimmten Schranken nur deshalb, weil Strafe geübt wird, da in dieser unfreien Welt ein braver Mann selten anzutreffen ist; so giebt sich auch nur aus Furcht vor Strafe ein Mädchen aus guter Familie einem abgemagerten, verkrüppelten, kranken oder armen Gatten bin.

3735. (1591.) Das Schicksal ist die Ursache von Allem in der Welt; das Schicksal macht es, dass Werke zu Stande kommen; das Schicksal ist die Ursache, dass hier jeglichem Geschöpfe seine Arbeit angewiesen wird.

[308] 3736. (1592.) Ein leichtsinniges Weib kann auch durch Bewachung nicht gezügelt werden: wird wohl je eine Windsbraut mit den Armen festgehalten?

3737. (1593.) Ohne Beamte, aus dem Fürsten allein, kann ja keine Regierung bestehen; darum sollen jene eingesetzt und alles Ernstes geschützt werden.

3738. (1594.) Thörichte Fürsten, die die Bürde der Regierung in die Hände von Beamten legen und selbst vor Allem Vergnügungen jeglicher Art nachgehen, kommen mir vor, als wenn sie Töpfe mit Milch einer Schar von Katzen vorsetzten und sich dann schlafen legten.

3739. (1595.) Wenn Fürsten die Beamten stets prüfen, so ist dieses ein Mittel das (einkommende) Geld von ihnen zu erhalten; wenn sie ihnen dagegen Ehren erweisen, so ist dieses ein verkehrtes Thun.

3740. (1596.) Die Weisen lehren, eine Mutter geniesse deshalb ein so überaus hohes Ansehen, weil sie eine Leibesfrucht trägt, die einst sogar bei grossen Männern in hohem Ansehen stehen könnte.

[309] 3741. (1597.) Thut sich im Herzen ein Verlangen nach ununterbrochenem Glücke kund, so fasse man einen festen Entschluss und verehre den Gatten der Bhavânî (Çiva).

3742. (1598.) Diener dürfen es nie so weit kommen lassen, dass ihr Herr Nichts mehr von ihnen erwartet: einem Diener, der es so weit kommen lässt, dass sein Herr Nichts mehr von ihm erwartet, ergeht es wie der Katze Dadhikarṇa.

3743. (1600.) Unnütz ist das Leben der am Tage blühenden Wasserrose verstrichen, da sie die Scheibe des Mondes nicht gesehen hat; fruchtlos war auch des Mondes Geburt, da er die am Tage blühende Wasserrose nicht hat blühen sehen.

3744. (1601.) Der Verständige meide unnützen Hader, dem Thoren gern nachgehen; so erlaugt er Ruhm in der Welt und nimmt keinen Schaden.

3745. (4471.) Was schadet es, wenn tadellose Verse einem schutzlos Dastehenden angehören? Verliert etwa ein Zuckerrohrstengel seinen Geschmack, wenn er unter die Achsel eines Bettlers gesteckt wird?

[310] 3746. (1599.) Möge kein Weib einen Sohn zur Welt bringen, der sich Alles gefallen liesse, keine Ausdauer zeigte, ein Schwächling und der Feinde Freude wäre.

3747. (1602.) In dieser blinden Welt bleiben ja Gelehrte nicht an dem Orte, wo ein ächter Edelstein und ein Glasstück gleich viel gelten.

3748. (1603.) Eine Wolke, die mit ihren Augen, den Blitzen, in der Nacht das Antlitz einer zum Geliebten eilenden Schönen erblickte, fragte sich, ob es nicht der Mond sei, den sie zugleich mit dem Regengusse ausgeworfen hätte, und stöhnte (donnerte) bei diesem Gedanken überaus kläglich.

3749. Dem, der frei von aller Begierde ist, enthüllt die Erde ihre Schätze: so verhüllt auch eine Frau nicht ihren Leib vor ihren Kindern.

3750. (1604.) Wenn der Geist in Banden gehalten wird, werden auch alle Sinne in Banden gehalten: wenn die Sonne durch Wolken, verhüllt wird, werden auch ihre Strahlen verhüllt.

3751. (4472.) Ein Wert Hochstehender kehrt, wenn es hinausgegangen ist, nicht wieder zurück, wie des Elephanten Hauer (der im Baume stecken bleibt); ein Wort Niedriger dagegen geht und kommt wieder, wie der Schildkröte Hals.

[311] 3752. Gute pflegen einen ihnen Ergebenen, wenn er sich in ihren Schutz begab, nicht zu verlassen, ermangelte er auch der Vorzüge: der Mond lässt sogar seinen Fleck an seiner Zu- und Abnahme Theil nehmen.

3753. Der aller Vorzüge baare Körper, der mit jedem Augenblicke seinem Tode entgegen geht, ist im Besitz eines grossen Vorzugs, welcher heisst: Andern erwiesene Hilfe.

3754. (4473.) Dem, der der Vorzüge ermangelt, ist Schönheit von keinem Nutzen; dem, der böse Neigungen hat, ist das edle Geschlecht von keinem Nutzen; dem Unreifen ist Wissen von keinem Nutzen; von keinem Nutzen ist Reichthum, wenn er nicht genossen wird.

3755. (1605.) Gute üben Mitleid auch gegen Geschöpfe, die keine Vorzüge besitzen: der Mond entzieht ja nicht sein Licht der Hütte des Pariah.

3756. (1606.) Durch Schlüsse kann man, o Schönhüftige, herausbringen, dass du eine Taille hast, da sonst die aufrechte Stellung deines schweren Busens eine Unmöglichkeit wäre.

[312] 3757. Ein Elephant ohne Fangzähne, ein Ross ohne schnellen Lauf, eine Nacht ohne Mond, eine Blume ohne Wohlgeruch, ein See ohne Wasser, ein Baum ohne Schatten, eine schöne Gestalt ohne Anmuth, ein Sohn ohne Vorzüge, ein Asket ohne guten Lebenswandel, die Welt ohne Götter und ein Mensch ohne Tugend sind traurige Erscheinungen.

3758. Hartherzigkeit, Selbstsucht, Gier, Grobheit und Gefallen an gemeinen Personen sind die fünf Gefährten des Wohlstandes.

3759. (4474.) Der Groll, den Feindschaft zwischen Blutsverwandten erzeugt, versengt das ganze Geschlecht, wie einen Wald Feuer, welches durch Aneinanderreihen schöner Bäume entsteht, die ein heftiger Wind in Bewegung setzte.

3760. (1607.) Einen Reichen, wenn er auch schuldlos ist, verstrickt der Fürst in Schuld; ein Armer, wenn er auch Etwas verschuldet hat, kommt überall mit heiler Haut davon.

3761. (4475.) Eine Buhldirne verlässt einen verarmten Mann, Unterthanen verlassen einen geschlagenen Fürsten, Vögel einen Baum, der seine Früchte verlor, Gäste verlassen ein Haus, sobald sie ihre Mahlzeit gehalten haben.

[313] 3762. Man wohne nicht in einem Lande, wo Niemand, ein Kind, ein Weib oder Viele das Regiment führen.

3763. Wie sollte ein Schwacher zu Selbstgefühl, wie ein Mann ohne Selbstgefühl zu Ruhm gelangen? Einem Manne ohne Ruhm aber ist der Tod erwünschter als das Leben.

3764. Ein Mann, der keine Schranken kennt und schlechten Sitten fröhnt, erntet keine Ehre bei Guten, da schon sein Aeusseres verräth, dass sein guter Wandel zu Schanden geworden ist.

3765. (1608.) Diese Lotusäugige hier ist ein Meisterstück der Schöpfung Brahman's, Mondschein für die Augen der Welt, ein Lustgeraach des Liebesgottes.

3766. (1609.) Ein Tiger ohne Wald (so v.a. der sich auf freiem Felde bewegt) wird getödtet und ein Wald ohne Tiger wird niedergehauen; darum hütet der Tiger den Wald und schützt der Wald den Tiger.

[314] 3767. (1610.) Was nützt es Oel zuzugiessen, wenn die Lampe verlöscht ist? Oder was nützt das Aufpassen, wenn der Dieb davongelaufen ist? Was nützen die verliebten Gebärden eines Weibes, wenn die Jugend dahin ist? Was nützt der Bau eines Dammes, wenn das Wasser sich verlaufen hat?

3768. Schon ein gewöhnliches Weib mag in der Regel keinen dummen Mann, wie viel weniger diese Glücksgöttin, die Gattin Vishṇu's.

3769. (1612.) Wenn ein Herr ohne allen Unterschied auf gleiche Weise gegen seine Diener verfährt, dann vergeht den Arbeitsfähigen der Muth zum Schaffen.

3770. (1613.) Eine Schlange muss, auch wenn sie kein Gift hat, ihre Haube hoch erheben: es mag Gift da sein oder nicht, schon die angeschwollene Haube erregt Furcht.

[315] 3771. (1614.) Wie selbst eine giftlose Schlange Furcht erregt, wenn sie ihre Haube aufbläst, so wird ein Fürst, der viel Lärm macht, von seinen Feinden nicht gering geschätzt.

3772. (1615.) Das Verlangen nach Genüssen ist geschwunden, die Achtung der Leute ist dahin, die Altersgenossen sind zum Himmel eingegangen und bald sind auch die Freunde, die uns so lieb wie das Leben sind, nicht mehr da: nur langsam erheben wir uns mit Hilfe des Stabes, die Augen sind in dichte Finsterniss gehüllt, der Körper ist, o Weh, zusammengefallen und dennoch zittert er vor dem Eintritt des Todes.

3773. (4476.) Die Perle der Nacht ist der Mond, die Perle auf einem Lager ist eine Mondantlitzige, die Perle einer Gesellschaft ist der Gebildete, die Perle für das Ohr ist eine Erzählung von Vishnu, die Perle der Künste ist der Gesang, die Perle unter den Wanderern am Himmel ist die Sonne, die Perle der Perlen ist, wie mir sogleich einfällt, Fürst Narasi ha.

3774. Ich staune über die Verblendung der Fürsten, dass auch sie hier eine Macht über sich anerkennen, indem in der Nacht die Frauen, am Tage die Minister trotz ihres genau bestimmten Berufes sie beherrschen.

[316] 3775. Wer, wenn er Etwas beschlossen hat, zur That schreitet, nicht inmitten der Arbeit stecken bleibt, die Zeit nicht fruchtlos verstreichen lässt und sich selbst in der Gewalt hat, der wird weise genannt.

3776. (1616.) Wen Männer, die sich für klug halten, mit der allergrössten Entschiedenheit für untauglich erklären, dem gerade beschert das Schicksal etwas Schönes, gleichsam um seine Uebermacht zu zeigen.

3777. (1617.) Von deinen Brüsten ist der Sandel vollständig verschwunden, von deinen Lippen ist die Farbe abgewischt, an deinen Augen ist durchaus keine Salbe mehr zu sehen, es rieselt die Haut an deinem schlanken Leibe. O du falsch berichtende Liebesbotin, die du nicht wusstest, dass über die Freundin (d.i. mich) Schmerz kommen würde! Du gingst von hier zum Teich um dich zu baden, nicht aber zu jenem Nichtswürdigen! (Die Sprechende weiss recht gut, dass nicht das Bad, sondern die Zärtlichkeiten ihres Geliebten jene Erscheinungen bewirkt haben; darum nennt sie diesen nichtswürdig.)

3778. (1618.) Besser denn mit bösen Menschen giebt man sich mit Schlangen ab, deren Mäuler vom Rauch des Feuers, das ihr Athem ausspeit, grau gefärbt sind.

3779. Wenn Jemand Löblichem nachgeht, Tadelnswerthes unterlässt, fromm und gläubig ist, so sind das Merkmale eines Weisen.

[317] 3780. (1619.) Erzeugen etwa die Schluchten keine Wurzeln mehr, oder ist an den Bäumen die Rinde verschwunden, oder sind die Flüsse, deren Wellen über grosse Blöcke hervorspringender Felsen stürzen, ausgetrocknet, dass selbst Gelehrte Tag für Tag sich ehrerbietig erheben um hierhin und dorthin zu grüssen, und mit emporgerichtetem Halse, die Blicke gegen die Thore von Fürsten gewendet, da sitzen?

3781. (1620.) Der Verständige unternehme kein Werk, das fruchtlos, mit vielen Beschwerden verbunden, von zweifelhaftem Nutzen ist oder grosse Feindschaft nach sich zieht.

3782. (1621.) Wer ist im Stande die von Natur leichtfertigen Weiber zu bändigen, oder was erreichte man durch die Bändigung, das da verdiente von den Weisen erwähnt zu werden?

3783. (1622.) Das Herz lasse man ein Schwert, die Rede süss wie Zuckerrohrsaft, sein, bedenke sich nicht lange und tödte den Beleidiger.

3784. (1623.) In einem Hause, in dem gar keine oder gefangen gehaltene Schlangen sind, schläft es sich angenehm; in einem Hause dagegen, in dem man beständig Schlangen gewahr wird, kommt man schwer zum Schlaf.

[318] 3785. (1624.) Werthlose Dinge pflegen grossen Lärm zu machen: vom Gold kommt kein solcher Klang wie vom Messing.

3786. (1625.) Wer keine Wünsche hat, bekleidet kein Amt; wer nicht verliebt ist, hat keine Freude am Putz; wer nicht gewandt ist, sagt nichts Liebenswürdiges; wer gerade heraus spricht, ist kein Betrüger.

3787. Buhldirnen verlassen einen verarmten Mann, Unterthanen einen machtlosen Pursten, Ausstudirte ihren Lehrer, Opferpriester den Opferer, wenn dieser ihnen den Lohn ausgezahlt hat,

3788. Vögel einen Baum, der keine Früchte mehr hat, Gäste ein Haus, nachdem sie gespeist haben, Gazellen einen niedergebrannten Wald, ein Buhle das an ihm Gefallen findende Weib, nachdem er mit ihm der Liebe gepflogen hat.

3789. Wer Nichts hat, wünscht sich Geld; wer Geld hat, wünscht sich die Königswürde; ein König wünscht sich noch Indra's Stellung: so verfallen alle Menschen dem Tode, bevor sie das Ende ihrer heissen Wünsche erreicht haben.

[319] 3790. Ein guter Mensch, besässe er auch Nichts, eignet sich besser zum Umgange als ein gemeiner Mensch, wäre dieser auch reich: mit einem abgemagerten Rosse kann man noch Staat machen, nimmer aber mit einem fetten Esel.

3791. (1626.) Wer Nichts hat, wünscht Hundert zu haben; wer Hundert besitzt, Tausend; wer Tausend besitzt, hundert Tausend; wer hundert Tausend besitzt, strebt nach der Königswürde; wer König ist, nach der Weltherrscherwürde; wer Weltherrscher ist, nach Indra's Stellung; der Fürst der Götter verlangt nach Brahman's Stellung, Brahman nach Vishṇu's Stellung Vishnu nach Çiva's Stellung: wer hat je das Ziel seiner Wünsche erreicht?

3792. (4477.) Wenn man annimmt, dass ein bei einem Opfer geschlachtetes Thier in den Himmel gelangt, warum schlachtet dann nicht der Opferer seinen Vater?

3793. (1627.) Die Glücksgöttin sucht einen Gemeinen auf, die Göttin der Rede einen Mann niedriger Herkunft, ein Weib liebt einen Unwürdigen, Indra entsendet den Regen auf einen Berg.

[320] 3794. (1628.) Wenn ein Gemeiner eine ehrenvolle Stellung erreicht hat, sucht er über seinen Herrn herzufallen: er gleicht hierin der Maus, die daran ging den Heiligen umzubringen, nachdem sie durch ihn Tiger geworden war.

3795. (4478.) Der Verkehr mit Niedrigen nimmt den Menschen stets das Ansehen; der Verkehr mit Vorzüglichen dagegen vermehrt das Ansehen auf Erden.

3796. (4479.) Der Mann, der eine durch die Geringachtung Niederer verunreinigte Wohlfahrt geniesst, trägt eine mit Knoblauch vermischte Kampfersalbe auf seinen Körper auf.

3797. Nimmer soll man sich Niedrigen, wohl aber Grossen anschliessen: durch des Löwen Gunst ward eine Ziege auf den Kopf eines Elephanten gehoben.

3798. (1629.) Eine Biene, die ihr Leben in einem jungen Lotushaine zugebracht, Honig nach Herzenslust gesogen, in den Blüthen der Jasminstaude stets zwanglos ihr Liebesspiel getrieben hat, besucht, da ihr Herz durch den Honiggeruch lüstern gemacht ist, diesen Guńģâ-Strauch. Pfui rufe ich über die That des Schicksals! In welche Lage gerieth nicht diese Biene?

[321] 3799. (1630.) Die Klugheitsregel, dass der Feind im Unglück anzugreifen sei, erregt beim Stolzen Scham, wie denn der Mond nur, wenn er voll ist, dem Râhu ein Fest bereitet.

3800. (1631.) Der Fürsten Schmuck ist die Klugheit, derer, die Vorzüge besitzen, Schmuck ist die Demuth, der Weiber Schmuck die Scham, der Eheleute Schmuck der Beischlaf, des Hauses Schmuck die Kinder, des Verstandes Schmuck die Dichtergabe, der Rede Schmuck die Klarheit, des Körpers Schmuck die Anmuth, des Gelehrten Schmuck das Gedächtniss, des Brahmanen Schmuck die Seelenruhe, des Mächtigen Schmuck die Nachsicht, der Haushalter Schmuck die Habe, der Gelehrten Schmuck die Unabhängigkeit.

3801. (1632.) Es blasen jetzt die winterlichen Winde, die den überaus wohlriechenden, die Bienen entzückenden Blüthenstaub des Jasmins in die Höhe wirbeln und ihn hier, wo er sich mit den herabfallenden Schneeflocken vereinigt, massenhaft nach allen Himmelsgegenden zerstreuen; es sind dies die Winde, die, durch das Anprallen an die mit Safran überzogenen Busen-Urnen der gazellenäugigen Mädchen aufwärts streichend, an ihrem bebenden Munde trinken.

3802. (1633.) Es gefallen uns die Früchte der Baumwollenstaude, obgleich[322] sie geschmacklos sind, weil ihre faserige (tugendhafte) Beschaffenheit dazu dient die Blössen Anderer zu verhüllen.

3803. (1634.) Sicherlich ist das Weib aus Nektar und Gift gebildet worden: ist sie uns zugeneigt, so ist sie ja Nektar; ist sie uns abgeneigt, so ist sie reines Gift.

3804. (1635.) Sicherlich haben jene ausgezeichneten Dichter eine verkehrte Einsicht, wenn sie stets behaupten, liebende Mädchen seien schwach (Weiber): wie sollten die schwach sein, welche durch den Blick ihrer Augen mit den beweglichen Sternen sogar Indra und andere Götter besiegt haben?

3805. (4480.) Dein Herz, o Gier, ist sicherlich so hart, als wenn es aus Demant wäre, da es, von Hunderten von Unfällen betroffen, nicht in hundert Stücke zerspringt.

3806. (1636.) Sicherlich sind Beide, der Gute und der Bösewicht, bei der Quirlung des Milchmeers zum Vorschein gekommen; nur ist der Erste ein Bruder des Mondes, der Letzte ein Bruder des Giftes Kâlakûta.

3807. (1637.) Sicherlich ist der Liebesgott ein Diener, der thun muss, was diese Schönbrauige ihm befiehlt, da er sich dort bewegt, wo der Gang ihrer Augen es ihm anweist.

[323] 3808. (1638.) Ein Fürst, der seinen Neigungen fröhnt, achtet nicht auf seine Obliegenheiten und sein Wohl; seinem eigenen Willen folgend, stürzt er sich wie ein brünstiger Elephant hierhin und dorthin, wohin es ihm gerade beliebt. Wenn aber der von Hochmuth Aufgeblasene darauf in tiefen Kummer verfällt, dann schiebt er die Schuld auf den Minister und ist des eigenen schlechten Benehmens sich nicht bewusst.

3809. (1639.) Obgleich ein Fürst von seinen Unterthanen das Geld an sich zieht, wie eine Lampe das Oel, so wird dieses doch Niemand gewahr wegen der glänzenden inneren Vorzüge (Fäden des Dochtes) des Fürsten (der Lampe).

3810. (1640.) Diejenigen gelten ja für des Fürsten Freunde und für seine Lehrer, die sich nicht abhalten lassen ihn zurückzuhalten, wenn er auf Abwege geräth.

3811. (1641.) Fürsten und gewöhnliche Menschen haben nur die äussere Gestalt mit einander gemein; was aber jene über diese erhebt, ist: Nachsicht, Ausdauer, Autorität, Freigebigkeit und Heldenmuth.

[324] 3812. (1642.) Ein Fürst, der Recht und Nutzen gründlich kennt, wird nicht überall und stets nur mitleidig sein, da der allzu Nachsichtige ja nicht einmal das zu bewahren im Stande ist, was schon in seiner Hand ist.

3813. (4481.) Wenn ein Fürst von seinem Minister, dem er Alles zu übertragen gewohnt war, wie ein Säugling von der Mutterbrust fortgerissen wird, dann ist er, weil sein Geist in dem ihm unbekannten Treiben der Welt sich nicht zurechtzufinden weiss, nicht im Stande auch nur einen Augenblick zu bestehen.

3814. Thoren mögen nicht das Gewöhnliche, eben so wenig wie eine Fliege den Sandel, ein Schwein mit Milch gekochten Reis oder Eulen das Sonnenlicht.

3815. (1643.) Indra, der Bṛhaspati zum Anführer, den Donnerkeil zur Waffe, die Götter zu Streitern, den Himmel zur Burg, den Vishṇu, wie man weiss, zum Beistand und den Airâvata zum Reitthier hatte, wurde, obgleich er mit dieser wunderbaren Macht ausgerüstet war, im Kampfe von den Feinden geschlagen. Ist also nicht offenbar das Schicksal unsere Zuflucht? Weh, weh, vergebens ist menschliche Anstrengung!

[325] 3816. Wenn die Berührung des Auges mit einer Farbe und des Ohres mit einem Laute keine Sünde ist, wie sollte da die Berührung des Körpers mit dem Körper eines fremden Weibes eine Sünde sein?

3817. Wer mit kranken Augen gegen den Wind sieht, der zieht sich sicher eine heftige Augenentzündung zu.

3818. (1644.) Auf Schritt und Tritt entfalteten die Teiche ihre Pracht: in den blauen Wasserlilien als Augen, in den Tag-Wasserrosen als Gesichtern, in den Ḱakravâka-Pärchen als Busen der Schönen.

3819. Es bleibt hier Niemand jemals mit einem Andern beständig zusammen, nicht einmal, o Fürst, mit dem eigenen Leibe, geschweige denn mit Frau, Kind und andern Lieben.

3820. Freunde, die verschiedenen Beschäftigungen nachgehen, bleiben nicht, wie es ihnen wohl lieb wäre, an einem Orte zusammen: es ergeht ihnen wie auf dem Wasser schwimmenden Gegenständen, welche die Strömung des Flusses wegführt.

3821. (1646.) Diese (die Weiber) achten nicht des Vaters, nicht der Familie, nicht der Mutter, nicht der Brüder, nicht des Gatten, nicht der Söhne, nicht der Schwäger.

[326] 3822. (1647.) Diese (die Weiber) prüfen die Gestalt nicht näher, auch halten sie nicht auf ein bestimmtes Alter: sie geniessen den Schönen und den Hässlichen, indem sie bei sich denken »es ist ja ein Mann«.

3823. Den Hinterlistigen, der mit Trug zu Werke geht, retten nicht die heiligen Lieder von der Sünde: wie Vögel ihr Nest verlassen, sobald ihnen die Flügel gewachsen sind, so lassen die heiligen Lieder ihn in der Stunde des Todes im Stich.

3824. Nicht Gattin, nicht Vieh, nicht Feld, nicht Wohnung würde man bei den Menschen erblicken, wenn der Böse die Macht besässe.

3825. (1648.) Nicht eine schöne Gestalt, nicht ein hohes Geschlecht, nicht eine edle Gemüthsart, nicht Wissen und auch nicht einmal mit Eifer versehener Dienst tragen Früchte: das Schicksal, das man durch vorangegangene Kasteiungen sich bereitet hat, trägt, wie man weiss, nach Art eines Baumes dem Menschen Früchte zu seiner Zeit.

[327] 3826. Niemand wird dir angehören und auch du gehörst Niemanden an: Gattin, Angehörige und Freunde sind nur zufällig mit dir auf der Strasse zusammengetroffen.

3827. Ueber den, der keine Reichthümer zu verschenken hat und keine Wünsche kennt, haben Feuer, Unfälle, Tod und Räuber keine Macht.

3828. Das ist ja kein Weib, das ein in beiden Welten rühmenswerther verständiger Gatte in der Welt versöhnen muss.

3829. Niemand leidet einen Hochstehenden und Vorrang stiftet Feindschaft; selbst dem Reinen und dem, der auf seiner Hut ist, wird ja eine Schuld angehängt.

3830. (1649.) Man schüchtere die Menschen nicht ein durch rauhe Reden, sondern spreche freundliche Worte: dem, der sich freundlich benimmt, sei er auch arm, dient man ja gern.

3831. (1650.) Nie und nimmer zeigt Jemand Zuneigung, wenn ihm nicht zuvor ein Dienst erwiesen worden ist, wie ja auch die Götter erst dann das Gewünschte gewähren, wenn man ihre Forderung erfüllt hat.

[328] 3832. (1651.) Einem Thoren, der einen verkehrten Weg geht, soll man keine Unterweisung ertheilen: es würde solches nur Spott hervorrufen, wie wenn man einen Abtritt schmückte.

3833. (1652.) Ein Greis kann die Sinnenwelt nicht geniessen, aber auch nicht fahren lassen: er gleicht einem zahnlosen Hunde, der einen Knochen nur beleckt.

3834. Niemand sammelt auf die Länge Reichthümer, die nur zum Genuss bestimmt sind: legen Mäuse die Schmucksachen, welche sie herbeischleppen, etwa an?

3835. (4482.) Gehütete Reichthümer verleihen, wenn man sie auch nicht geniesst, nicht spendet und auch nicht Angehörige davon unterhält, dennoch den Menschen Ansehen.

3836. Reichthümer habe ich nicht erworben, die Künste nicht beachtet, keinen Freund mir gewonnen, keine Wissenschaft erlernt, kein Gelübde erfüllt, mit Pferden nicht gespielt, die Wonne, von den Armlianen einer Geliebten umfangen zu werden, nicht einmal im Traume gekostet: O Weh! ich habe der Mutter bei meiner Geburt nur Schmerzen bereitet.

[329] 3837. (1653.) Kluge dürfen selbst über einen geringen Feind nicht geringschätzig hinwegsehen: auch ein kleines Feuer wird gross und legt dann einen Wald in Asche.

3838. (1654.) Nicht hat sich in Wirklichkeit der Mond hier in ein Gesicht umgewandelt, nicht sind zwei blaue Wasserrosen zu Augen geworden und eben so wenig ist der schlanke Leib aus Goldlianen gebildet; die dummen Menschen aber huldigen, obgleich sie das wahre Verhältniss kennen, dem aus Haut, Fleisch und Knochen bestehenden Körper der Gazellenäugigen, weil die Dichter auf jene Weise ihren Geist irre geführt haben.

3839. (4483.) Ein Schiff und der Bösen Zunge, die beide abstossen und die Leute nur in die Irre führen, von wem und aus welchem harten Stoffe wurden sie gebildet?

3840. (1655.) Man demüthige sich vor dem, der aus dem Wege zu[330] räumen ist, und huldige ihm; hat man aber die Macht, so bringe man ihn um, da, wenn er nicht umgebracht wird, bald Gefahr von seiner Seite eintritt.

3841. (1656.) Wie ein feines Fäserchen eines Feigenbaumes, wenn es auf guten Boden geräth, sich mächtig ausbreitet, so die Gabe, die in eines Würdigen Hände kommt.

3842. (1657.) Wer vernünftig redet, beim Begonnenen beharrt, behende, arbeitsam, wohlgemuth und nicht zum Zorn geneigt ist, der Mann ist ein Gefäss fürs Glück.

3843. (1658.) Man wisse, dass mit rechtmässig zugeflossenem Reichthum zweierlei Missgriffe sich ereignen können: dass man ihn nämlich einem Unwürdigen zukommen lässt und einem Würdigen vorenthält.

3844. Ein Herrscher, der, o Râvaṇa, die fürstlichen Angelegenheiten auf die rechte Weise vollführt, indem er sich zuvor eine feste Meinung über die Sache bildet, empfindet hinterher keine Reue.

3845. (1659.) Auf rechtmässige Weise Reichthümer erwerben, dieselben bewahren, mehren und an Würdige vertheilen, ist der vierfache Beruf eines Fürsten.

[331] 3846. (4484.) Auf rechtmässige Weise Reichthümer erwerben, dieselben mehren, bewahren, an Würdige vertheilen und schliesslich geniessen (so lautet die Vorschrift).

3847. (1660.) Von keinem Bestand sind Reichthümer, die Kaufleuten durch Veruntreuung eines ihnen anvertrauten Gutes, Buhldirnen durch Hintergehung Verliebter, Fürsten durch Bedrückungen zu Theil wurden.

3848. (1661.) Wie die Schüssel mit Reis, so sind, o Fürst, die Weiber Allen gemeinsam; der Kluge traut ihnen nicht, weder in der Ferne noch in der Nähe.

3849. (1662.) Wie ein flügellahmer Vogel, wie ein verdorrter Baum, wie ein wasserloser Teich und wie eine Schlange mit ausgebrochenen Zähnen ist ein Armer in der Welt.

3850. (4485.) Unter den Vögeln ist die Krähe der Ḱâṇḍâla, unter den vierfüssigen Thieren der Hund, unter den Muni ist der Zornige der unter allen Ḱâṇḍâla verrufene Ḱâṇḍâla.

3851. (1663.) Obgleich du, o Tag-Wasserrose, (wie ein Asket) im Wasser wohnst, an Bienen Gefallen findest und mit Dornen (Feinden) dich umgeben hast, so fällt doch dieses an dir auf, dass du über den Aufgang der Sonne (das Glück des Freundes) dich freust.

[332] 3852. Keinen Mann in dieser Welt verschmähen, o grosser Weiser (Nârada), die Weiber, wäre er auch lahm, o göttlicher Weiser, oder mit irgend einem andern Makel behaftet.

3853. (1664.) Fünfe werden dir nachgehen, wohin du auch gehen magst: die Freunde, die Feinde, die Gleichgiltigen, diejenigen, von denen du lebst, und diejenigen, die von dir leben.

3854. (1667.) Wenn der fünffach zusammengesetzte Körper durch die aus dem Körper selbst entspringenden Handlungen sich in die fünf Elemente auflöst, was soll da die Klage?

Stenzler.

3855. Fünf Dinge schwinden, darüber herrscht, o Lotusäugige, kein Zweifel, bei dem von Hunger Gequälten: die Thatkraft, die Scham, die Einsicht, der Stolz und fünftens die Grösse.

3856. (1665.) Wer ein falsches Zeugniss ablegt in Betreff eines Opferthiers, richtet fünf (Verwandte) zu Grunde, zehn, wer ein solches in Betreff einer Kuh, hundert, wer ein solches in Betreff eines Pferdes, tausend, wer ein solches in Betreff eines Menschen ablegt.

[333] 3857. (1666.) Mancher begiebt sich für fünf Silberlinge in Knechtschaft, ein Anderer ist erst durch hunderttausend zufriedengestellt, wieder ein Anderer wird auch nicht durch hunderttausend gewonnen.

3858. (1668.) Welchen Grund haben wir darüber zu jammern, dass der aus fünf Elementen zusammengefügte Körper wieder in diese fünf Elemente zerfällt und zu den einzelnen Geburtsstätten, aus denen er hervorging, zurückkehrt?

3859. (1669.) Der fünfte, neunte, sechste, vierzehnte und so auch der achte eines Halbmonats sind für den, der (von einer Schlange) gebissen wurde, schlimme, todbringende Tage.

3860. Wer nur jeden fünften oder sechsten Tag in seinem eigenen Hause sich Gemüse kocht, keine Schulden hat und nicht die Heimath verlässt, der lebt, o Wasserbewohner, in Freuden.

3861. (1670.) Man schlage nicht seinen Wohnsitz da auf, wo diese fünf[334] fehlen: ein reicher Mann, ein mit dem Veda vertrauter Brahmane, ein König, ein Fluss und fünftens ein Arzt.

3862. (2679.) Wo diese fünf Dinge: Lebensunterhalt, Sicherheit, Scham, rücksichtsvolles Benehmen und Freigebigkeit nicht zu finden sind, dort schlage man nicht seinen Wohnsitz auf.

3863. (4486.) Fürsten, deren Kraft unermesslich ist, haben fünf Naturen: die des Feuergottes, die des Indra, die des Soma, die des Jama und die des Varuṇa.

3864. (1671.) Fünf (heilige) Feuer soll, o Trefflichster der Bharatiden, der Mensch sorgfältig pflegen: den Vater, die Mutter, das Feuer, sich selbst und den Lehrer.

3865. (4487.) Draupadî, die Tochter des Fürsten der Pańḱâla, war Gattin der fünf Päṇḍu-Söhne und stand dennoch unter den treuen Frauen oben an, weil die Götter es so bestimmt hatten.

[335] 3866. (1672.) Der Hund da, den ich, um einen Löwen zu bezwingen, täglich mit vielem Kuhfleisch, mit saurer Milch und Reis und auch mit andern Milchspeisen genährt hatte, floh, als er das Gebrüll des Löwen vernahm, von Furcht verwirrt, eiligst in seine Höhle. Meine Hoffnung ist, o Weh, zu Nichte geworden! Der einzige Gewinn für mich Unglücklichen ist ein an einer Kuh verübter Mord!

3867. (1673.) Wird bei uns Sterblichen, die wir mit fünf Sinnen begabt sind, ein einziger Sinn leck, so fliesst die Erkenntniss weg, wie Wasser aus dem Beine eines als Schlauch dienenden Felles.

3868. (1674.) Lauter Ruhm erlangt man, wenn man Fünfe in der Welt ehrt: Götter, Manen, Menschen (Brahmanen), Bettler und Gäste.

3869. (1675.) Schmiegt sich der Gatte an's Gewand, so neigt die Sittsame ihr Gesicht; begehrt er eine heftige Umarmung, so bewegt sie unbemerkt die Glieder zur Seite; sie richtet den Blick auf die lächelnden Freundinnen, vermag aber Nichts zu sagen: es vergeht die Neuvermählte im Innern vor Scham beim ersten Scherze.

[336] 3870. (1676.) Gewandtheit und Wahrhaftigkeit lernt man im Verlaufe der Unterhaltung kennen, Anspruchlosigkeit und Gesetztheit aber gewahrt man gleich beim ersten Anblick.

3871. (1677.) Wer dem Studium obliegt, dem bleibt Thorheit fern; wer da betet, dem bleibt Sünde fern; wer da schweigt, der kennt keinen Hader; wer da wacht, der kennt keine Gefahr.

3872. (4488.) Die vier Veda liest man und verschiedene Gesetzbücher, kennt aber die Seele eben so wenig, wie ein Löffel den Geschmack einer Brühe.

3873. (4489.) Lies, o Sohn, beständig und nimm stets den Buchstaben dir zu Herzen: ein Fürst wird in seinem Lande geehrt, das Wissen wird überall geehrt.

3874. Eine Wissenschaft studiren und vortragen hören, Eltern und Lehrern dienstbereit nachgehen und Kasteiungen üben: alles dieses ist, wenn es nicht von Mitleid begleitet ist, gleich dem Donnern einer wasserleeren Wolke, von keinem Nutzen.

3875. Wisst ihr nicht, dass der gelehrte Dichter Vjâsa, der es verstand den Pâṇḍava Artigkeiten zu sagen, tadelte, wenn diese tadelten, und lobte, wenn diese lobten?

[337] 3876. (1678.) Beim Gebildeten findet man alle Vorzüge, beim Thoren Nichts als Fehler; deshalb gilt ein Verständiger mehr als tausend Thoren.

3877. (1679.) Wer mit einem Klugen im Hader liegt, beruhige sich nicht mit dem Gedanken, dass er weit weg sei: lang sind die Arme des Verständigen, mit denen er dem ein Leid zufügt, der ihm ein Leid zufügte.

3878. (1680.) Auch ist ein kluger Feind besser als ein dummer Freund: ein (dummer) Affe brachte einen Fürsten (mit dem er es gut meinte) um's Leben und ein Dieb rettete Brahmanen.

3879. (1681.) Wohlgerüche sind die Waare der Waaren – was nützen uns andere Dinge, wie Gold und dergleichen? – da man das, was man von jenen für einen Heller gekauft hat, für hundert wieder absetzt.

[338] 3880. (1682.) Manchmal fällt Wasser vom Himmel in den Graben, doch kommt es auch aus der Unterwelt dahin: das Schicksal ist unergründlich und mächtig, doch ist nicht auch des Menschen Arbeit mächtig?

3881. (1683.) Unaufhörlich stürzt Wasser (vom Himmel) herab und es tanzen die Pfauen: heute wird entweder der Geliebte oder der Tod (wenn der Geliebte ausbleiben sollte) dem Schmerz ein Ende machen.

3882. (1684.) Was thun des Geldes bedürftige Männer nicht Alles, o Schöne? Sie stürzen sich auf die Schneide eines Schwertes, sie lassen sich in das Meer hinab!

3883. Ein Verständiger begiebt sich nicht unter Weiber und in Flüsse, die beide unergründlich sind und den, der in ihre Gewalt gerieth, in den Abgrund ziehen und ihm den Wogendrang (Sehnsucht und Wellen) vor Augen führen.

3884. (4490.) Man betrauert den aus der Kaste Gestossenen und man betrauert auch den Armen: keinen Unterschied finde ich zwischen einem Armen und einem niedrig Stehenden.

[339] 3885. Reine und Tugendhafte (auf eine Schnur Gereihte) meiden eine Berührung Gesunkener schon von Ferne: so spricht der Perlenschmuck und verlässt die (gesunkenen) Brüste alter Frauen.

3886. (1685.) Wenn ein Spielball durch einen Schlag der Hand auch zur Erde fällt, so springt er doch wieder in die Höhe: das Ungemach Wohlgesitteter (hübsch Runder) pflegt nicht von Dauer zu sein.

3887. (1686.) Die Sonne erweckt, steckte sie auch im Rachen des Dämons Râhu, die am Tage blühenden Wasserrosen: grosse Charaktere führen selbst im Ungemach ein übernommenes Werk zu Ende.

3888. Diener werden auch den allerbesten Herrn verlassen, wenn dieser verarmt, und Herren einen angeerbten Diener, wenn diesem ein Unglück zustösst; auch Kühe lässt man im Stich, wenn sie keine Milch mehr geben.

3889. (4491.) Auf das, was ihrem Gatten lieb und heilsam ist, bedacht, wohlgesittet, die Sinne zügelnd, erlangt sie (die Gattin) hier Ruhm und nach dem Tode das höchste Glück (Los).

Stenzler.

[340] 3890. (4492.) Wenn der Gatte der Gattin beiwohnt, wird er zur Leibesfrucht und kommt darauf hier zur Welt; denn darum heisst die Gattin Ģâjâ, weil der Gatte in ihr von Neuem geboren wird (ģâjate).

3891. Des Weibes Zuflucht ist, o Schöne, entweder der Gatte, oder der Vater: befindet sie sich in glücklichen Verhältnissen, so ist der Gatte ihre Zuflucht; im Unglück ist der Vater ihre Zuflucht.

3892. Der Gatte ist ja des Weibes Gottheit, Freund und Lehrer; des halb soll es dem Gatten sogar mit Aufopferung seines Lebens vor Allem Liebes erweisen.

3893. (1687.) Glücklich ist der Mann auf Erden, der ein solches Weib besitzt, das dem Gatten treu ist, den Gatten wie das eigene Leben liebt und seine Freude hat an dem, was dem Gatten lieb und förderlich ist.

3894. (4493.) Eine Frau aber, die den Gatten verloren hat, wird von den Weisen eine arme Wittwe genannt, hätte sie auch Söhne und wäre sie auch reich an Geld und Getraide.

[341] 3895. (1688.) Wenn der Strauch Karîra (Capparis aphylla Roxb.) keine Blätter hat, ist dies die Schuld des Frühlings? Und wenn am Tage die Eule nicht sieht, ist dies die Schuld der Sonne? Wenn keine Tropfen in den Schnabel des Ḱâtaka fallen, ist dies die Schuld der Wolke? Wer vermag das abzuwaschen, was das Schicksal uns vorher auf die Stirn geschrieben hat?

3896. (1689.) Glücklich preise ich wegen ihrer Blätter, Blüthen, Früchte, wegen ihres Schattens, ihrer Wurzeln, ihres Bastes oder ihres Holzes diejenigen Bäume, von denen Bedürftige nicht hoffnungslos abziehen.

3897. (1690.) Deine Blätter sind mit Hunderten von Dornen besetzt, von Honig bei dir hat man nicht einmal reden hören, mit deinem Blüthenstaub verfinsterst du die Luft; deine Mängel, o Ketakî, sind von der Biene, die nur für Wohlgeruch Sinn hat, gar nicht bemerkt worden.

3898. Eine liebende Gattin, ein wohlerzogener Sohn, ein mit Vorzügen geschmückter Bruder, zärtliche Verwandte, ein überaus geschickter Freund, ein stets gnädiger Herr, ein uneigennütziger Diener und meist Geld genug um fremde Leiden zu lindern: ein solcher Verein wird nur diesem oder jenem Einem als Lohn für seine guten Werke zu Theil.

[342] 3899. Im Rausche hält man die Mutter für die Gattin und die Gattin für die Mutter, ein Haus für eine Höhle und einen mit einem losen Steine bedeckten Brunnen für ein Haus, ein kleines Wasser hält man in seiner Verblendung für das Meer und das Meer für Festland, einen Fürsten für seinen Freund, und so giebt es noch vieles Andere, was ein Trunkenbold thut.

3900. (4494.) Eine Gattin, welche ohne Geheiss des Gatten fastet und Gelübde vollbringt, verkürzt des Gatten Leben; eine solche Gattin fährt zur Hölle.

3901. (4495.) Den Gatten zu lieben ist der Frauen Aufgabe, wohlwollend zu sein der Minister Aufgabe, nichts Anderes zu thun als die Unterthanen zu schützen – der Fürsten Aufgabe.

3902. (4496.) Auf die Strasse Gefallenes bleibt liegen, wenn das Schicksal es hütet; im Hause Befindliches geht verloren, wenn das Schicksal es umkommen lässt; ein Schutzloser im Walde bleibt am Leben, wenn das Schicksal nach ihm sieht; selbst ein im Hause Gehüteter kommt um's Leben, wenn das Schicksal ihn verderbt.

[343] 3903. (4497.) Wer aus Dummheit eine gesunde Speise stehen lässt und eine schädliche geniesst ohne die Folgen zu kennen, der büsst dabei sein Leben ein.

3904. (1691.) Steht eine am Tage blühende Wasserrose an ihrem Platze, so sind Varuṇa (so v.a. Wasser) und Sonne ihre Freunde; hat sie aber ihren Platz eingebüsst, so bewirken diese beiden nur Feuchtigkeit und Brand.

3905. (4498.) Das Fussvolk stelle der Fürst im Vordertreffen auf; er belagere den Feind und verwüste dessen Reich.

3906. (4499.) Diejenigen, welche nicht umkehren, wenn auch das Heer geschlagen wird, erreichen denselben Ruhm, welcher durch ein Opfer erreicht wird; die guten Werke derjenigen, welche fliehend getödtet werden, nimmt der König.

Stenzler.

3907. Auf Schritt und Tritt stösst man auf Bösewichter, nicht aber auf gute Menschen: der Krähen giebt es viele, der Vögel, die da sprechen, aber wenige.

3908. Auf Schritt und Tritt Schätze, in der Entfernung eines Joģana[344] ein Brunnen mit Fruchtsäften; vom Schicksal Verlassene sind blind: die Erde birgt viele Juwelen.

3909. (1692.) Die Sonne öffnet die Tag-Wasserrosen, der Mond lässt die Nacht-Wasserrosen blühen, ungebeten spendet auch die Wolke ihr Wasser: Edle richten von selbst ihre Thätigkeit auf das Wohl Anderer.

3910. (1693.) Warum willst du, die du auf einen Sonnenschirm von Wasserrosen erpicht bist, Lotussamen in den Teich thun? Kali ist unser jetziges Zeitalter, diese Welt ist, o Thörichte, nicht dankbar! Hat der Same eine Weile gelegen, so raubt er (als Wasserrose) dir dafür den Zauber des Gesichts.

3911. (4500.) Unter deiner Regierung sieht man nur an Lotusstengeln Stacheln (Feinde); doch nein, auch bei den Umarmungen eines verliebten Pärchens wird man der Stacheln (aufgerichteten Härchen) gewahr.

3912. (4501.) Die Tag-Wasserrosen schlürfen die von den Sonnenstrahlen ausgespienen Feuerfunken ein und geben sie dann gleichsam wieder von sich aus dem Munde, der sie als röthlichen Blütenstaub aushaucht.

3913. Wo Wasserrosen, Flamingos und fromme Asketen sich einfinden, da ist es schön.

[345] 3914. (1694.) Magst du, o Wolke, Wasser spenden oder nicht, der Ḱâtaka hat doch allein auf dich die Ge danken gerichtet. Lieber stirbt er vor grossem Durst, als dass er einem Andern huldigte.

3915. (4502.) Wolken beschränken sich darauf den Geschöpfen die Hitze zu benehmen: der eigene Gewinn Edler besteht ja darin, dass sie die Schmerzen Anderer lindern.

3916. (4503.) Ein heuchlerischer Brahmane, der eines Andern Angelegenheiten hintertreibt, seine eigene Sache aber fördert, der auf eine hinterlistige Weise Andern zu schaden sucht und der bald weich, bald hart ist, heisst eine Katze.

3917. (4504.) Heut zu Tage fördern Dichter und Fürsten ihr Werk durch Raub, jene, indem sie sich eines Andern Dichtung, diese, indem sie sich eines Andern Reichthümer aneignen.

3918. (1695.) Wer einen Andern schmäht wegen eines Fehlers, obgleich er eben so verfährt, und wer dem Zorn sich hingiebt, obgleich er nicht zu gebieten hat, der ist der allerthörichtste Mann.

[346] 3919. (1696.) Ein elender Wicht, der selbst keinen einzigen Vorzug besitzt, welcher Andere erfreuen könnte, versucht bekanntlich gute Menschen dadurch zu erfreuen, dass er die Fehler Anderer zur Sprache bringt.

3920. Nicht Genüsse, nicht Reichthümer begleiten uns auf dem Wege zum Jenseits; ein Freund aber, die guten Werke, verlässt nimmer unsere Spur.

3921. Wenn es heisst, dass man von eines Andern Weibe abstehen müsse, so ist dieses eine Heuchelei, auf die Indra selbst keine Rücksicht nahm, als es ihn verlangte Ahaljâ zu minnen.

3922. (1697.) Auch die Gañgâ sprach einst so: wann kommt wohl, um mich zu reinigen, der Mann, der fern davon ist, eines Andern Weib oder Gut zu begehren, oder seinem Nächsten zu nahe zu treten?

3923. (1699.) Für alle Kasten gilt das Gesetz, dass man dem Weibe eines Andern in keinem Falle beiwohnen darf, da es in den drei Welten Nichts giebt, was das Leben so verkürzte wie dieses.

[347] 3924. (1698.) Man begehre nicht, eines Andern Weib oder Gut, rede nicht Böses vom Andern, lache nicht über den Lehrer und wechsele nicht beständig den Wohnort.

3925. Man begehre nicht eines Andern Weib oder Gut, lache nicht über einen Andern und vermeide es ja in eines Andern Hause zu wohnen.

3926. (1700.) Hört ein von Natur guter Mensch von Leiden eines Andern, so empfindet er, wenn er nicht im Stande ist zu helfen, einen Seelenschmerz.

3927. (4505.) Wenn derjenige, welcher eigene Freuden erstrebt, indem er Andern Leiden verursacht, tugendhaft ist, wer soll dann zur Hölle fahren?

3928. (1701.) Edle Menschen, stets betrübt über die Leiden Anderer, achten nicht der eigenen Freuden, wären diese auch noch so gross: sie haben ihre Freude an dem Wohl aller Geschöpfe.

3929. (4506.) Krähen, elende Wichte und Gazellen, die sich vor den[348] Gefahren in der Fremde fürchten, hinterlistig und unmännlich sind, finden in der Heimath den Tod.

3930. (4507.) Wer fremdes Gut entwendet und einem fremden Weibe huldigt, der geräth hier oder jenseits in's Elend, darüber herrscht kein Zweifel.

3931. (1703.) Ein kluger Mann darf in der Gesellschaft durchaus nichts Böses von Andern sagen; sogar was wahr ist, soll man nicht sagen, wenn es Leid verursachen kann.

3932. Auf Kosten eines fremden Lebens das eigene Leben zu erhalten verstehen alle Geschöpfe; auf Kosten des eigenen Lebens aber ein fremdes zu erhalten vermag Ģûtmûtavâhana allein.

3933. (4508.) Wer auch keine Vorzüge besitzt, pflegt Vorzüge zu erhalten, wenn Andere von seinen Vorzügen reden: sogar Indra wird gering geachtet, weil er seine Vorzüge selbst ausposaunt.

3934. (1704.) Einem einzigen Wesen Nichts als das Leben zu schenken ist mehr werth als tausend Brahmanen Tag für Tag tausend Kühe zu verehren.

[349] 3935. Jedermann ist stets geschickt, wenn es gilt die Fehler Anderer zu bemerken, seine eigenen Fehler aber kennt man nicht, oder wenn man sie kennt, so weiss man sich schon aus der Verlegenheit zu helfen.

3936. Leute geringer Herkunft fühlen sich unangenehm berührt, wenn Andere Geld ausgeben: verdorrt etwa nicht die Mannapflanze, wenn die Wolke ihr Wasser spendet?

3937. (4509.) Wenn ihn ein Anderer durch Pfeile verletzender Worte stark verwundet, so muss er hier im Leben vollkommene Ruhe an den Tag legen; wer, wenn er zum Zorn gereizt wird, dieses durch ein freundliches Gesicht erwiedert, der gelangt in den Besitz der guten Werke des Andern (d.i. des Beleidigers).

3938. Wenn ihn ein Anderer mit scharfen, wie Feuer und Sonne brennenden Pfeilen (verletzender Worte) stark verwundet, dann sei er klug und wisse, werde er auch verwundet und von innerer Gluth verzehrt, dass jener (d.i. der Beleidiger) ihm seine guten Werke übergiebt.

3939. (3272.) Gegenseitig sich kennende, wohlgemuthe, in ihr Schicksal sich fügende und entschlossene Helden reiben, wenn ihrer auch nur fünfzig sind, ein grosses (feindliches) Heer auf.

[350] 3940. (1705.) Gegenseitig sich kennende, wohlgemuthe, das Leben herzugeben bereite, entschlossene, aus edlem Geschlecht stammende und nach Gebühr geehrte (Krieger) besiegen der Feinde Heer.

3941. (4510.) Möge zum Frommen der Gelehrten zwischen den sich gegenseitig bekämpfenden Göttinnen des Reichthums und der Rede eine Freundschaft sich bilden, was nicht leicht ist, da sie alsdann zusammenhalten müssten.

3942. (1706.) Leute, die ihre gegenseitigen Geheimnisse nicht bewahren, gehen in den Tod wie jene Schlange im Ameisenhaufen und jene andere im Leibe (des Prinzen).

3943. (1707.) Da die Menschen, die so verschiedene Wege gehen, einander zur Beute dienen, so würde es, wenn keine Strafe bestände, hergehen wie bei den Fischen: es würde Alles drüber und drunter gehen.

3944. (4511.) Gegenseitige Hilfeleistung, Freundschaft, Verschwägerung[351] und Opferbringen, auch diese vier sind als Veranlassungen zu Bündnissen anzusehen.

3945. (1708.) Der kluge Mann, der nicht, wie es Ḱaturaka im Walde that, schmaust, wenn er dadurch einem Andern ein Leid zufügt, seine eigene Sache aber fördert, ist doch nicht recht bei Verstande.

3946. Den Bösewicht, der sich damit abgiebt fremdes Gut zu rauben und der fremde Weiber berührt, soll man, so sagt man, meiden wie ein brennendes Haus.

3947. (1709.) Wer gesittet ist, wird hoch in Ehren gehalten: edle Sitte ist der Fürsten Schmuck. Der Vorzügliche, dem Gaben entfliessen und dessen Hand mild sich ausstreckt, gefällt allgemein durch seine edle Sitte wie ein Elephant, dem der Brunstsaft entquillt und dessen Rüssel sich ruhig hin und her bewegt.

3948. Die Herrscherwürde eines Feindes, der mit Muth und Gewalt bezwungen wurde, ist leibhaftig eine Hausfrau, die in den Armen eines fremden Mannes einschlief.

[352] 3949. (1710.) Sollte hier das Schicksal auch widerwärtig sein, so muss der Verständige doch seine Pflicht thun, damit er sich selbst von aller Schuld befreie und sein Gemüth zugleich aufrichte.

3950. (1711.) Wenn bei widerwärtigem Schicksal zufälliger Weise Jemand in den Besitz einer Habe gelangt, so nimmt diese, wenn sie wieder fortgeht, wie der Schatz Çañkha, auch das Uebrige mit sich.

3951. (4512.) Diejenigen, die Vishnu von ganzer Seele verehren, gelangen zur höchsten Stellung im Himmel; dorthin aber kommen diejenigen nicht, die Çiva anfeinden.

3952. (1712.) Wer, um seinem Herrn einen Dienst zu erweisen, sich um das Amt eines Andern kümmert, geräth in Verzweiflung wie jener Esel, der für sein Geschrei (das des Hundes Gebell ersetzen sollte) geschlagen wurde.

3953. Lass dir das Leben nicht zu angelegen sein, indem du dir fremdes Brod, das schwer zu erlangen ist, verschaffst: fremdes Brod ist in der Welt schwer zu erlangen, das Leben aber wird dir bei jeder Wiedergeburt zu Theil.

[353] 3954. (4513.) Das Hängen an der eigenen Sache macht einen Fürsten stumpf für das Betreiben der Sache eines Andern; giebt er seine eigene Sache auf, dann ist er sicherlich nicht Herr des Landes im vollen Sinne des Wortes; liegt ihm die Sache eines Andern näher am Herzen als die eigene, dann ist er leider von Andern abhängig; wie sollte aber ein von Andern abhängiger Mann den Geschmack der Freude kennen?

3955. (1713.) Jemand, der bettelarm ist, sehnt sich nach einer Handvoll Gerste; später, wenn er es vollauf hat, achtet er die ganze Erde einem Grashalm gleich. Daher eben, weil der Besitz der Reichen nicht immer und überall denselben Werth hat, kommt es, dass die Verhältnisse die Dinge bald gross, bald klein erscheinen lassen.

3956. (1714.) Wir sollen Gelehrte ehren, auch wenn sie keine weisen Lehren ertheilen, da schon ihre leicht hingeworfenen Reden Lehrbücher sind.

3957. (1937.) Wenn er (der Kaufmann) sehnsüchtig einen bekannten[354] Abnehmer nahen sieht, dann geräth er, gierig nach dessen Gelde, in Entzücken, als wenn ihm ein Sohn geboren wäre.

3958. (4514.) Wenn jeder seinen bestimmten Lohn auf der Schulter heimträgt, dann nennen die mit den Bündnissen vertrauten Männer einen solchen Friedensbund Skandhopaneja (was auf der Schulter heimgetragen wird).

3959. (1715.) Im richtigen Urtheil besteht ja die Weisheit, wenn uns Ungemach trifft: denjenigen, die nicht richtig urtheilen, widerfährt Ungemach auf Schritt und Tritt.

3960. (4515.) Der Mann, der Beides, die Leiden und die Freuden, aufgiebt, geht vollständig in's Brahman ein und den beklagen Weise nicht.

3961. (4516.) Den klugen, an der Erkenntniss sich sättigenden Männern, welche Beides, die Leiden und die Freuden aufgeben, ergeht es wohl.

[355] 3962. (1717.) Wie der Anblick des Vollmondes das Herz erquickt, so der eines Fürsten, unter dem alle Unterthanen glücklich sind: dies heisst die Weise des Mondes.

3963. (1718.) Warum irrst du, o Herz, umsonst umher? So ruhe doch irgendwo aus! Wie Alles sich von selbst gestaltet, so wird es, nicht anders. Des Vergangenen sollst du nicht gedenken und auch über das Zukünftige dir keine Gedanken machen: geniesse hier die Freuden, die unerwartet gehen und kommen.

3964. (1719.) Die Winde sind mit Wohlgerüchen geschwängert, die Aeste mit Millionen junger Knospen geschmückt, der Bienen sehnsüchtiges Gesumme und der Kokila liebliches Geschwätz ertönt, auf der Weiber Antlitzmonde treibt der Liebesgenuss einzeln stehende Schweisstropfen hervor: was ist nicht schöner geworden in der Nacht eines beginnenden Frühlings?

[356] 3965. (1720.) Als ihr Groll im Verrauchen war und sie ihren Antlitzmond in die Hände drückte, als ich alle Mittel schon erschöpft hatte und mir nur noch die eine Zuflucht blieb, mich ihr zu Füssen zu werfen; da verkündete sie mir plötzlich ihre Gunst durch einen Thränenstrom, der, bis dahin in der Höhlung des dichten Augenwimpernsaumes zurückgehalten, jetzt an ihrem Busen zerstob.

3966. Ein Bösewicht, der im Beisein von vielen Menschen Andern Uebles nachredet, verräth seine Fehler, wie eine Schlange ihre aufgeschwollene Haube.

3967. Ein umherwandernder Asket, ein Verliebter und ein Hund fassen einen und denselben weiblichen Körper auf dreierlei Weise auf: der erste als Leichnam, der zweite als Geliebte, der dritte als Frass.

3968. Der Tod verschont nicht den Gelehrten, nicht den schriftkundigen Brahmanen, nicht den mit Gütern und Gold Gesegneten, nicht den auf seiner Arme Stärke Pochenden, nicht den in beständigen Bussübungen Begriffenen, nicht den Glücklichen und auch nicht den Unglücklichen: wie das Feuer im Walde verzehrt der Todesgott Alles.

[357] 3969. (1721.) In einem Lande, wo es keine Kenner giebt, haben die meererzeugten Perlen keinen Werth: in einer Hirtenstation der Abhîra verkaufen, wie man weiss, die Hirten einen Mondstein um drei Otterköpfchen.

3970. (1722.) Das Schicksal vergiebt die Armuth, als wenn sie seine Tochter wäre: wie ein Sachkenner prüft es zuvor genau das edle Geschlecht, die Kenntnisse, die Gemüthsart, den Heldenmuth und die schöne Gestalt.

3971. (1723.) Das Böse, das man Grossen nachsagt, mag wahr oder unwahr sein, immer nimmt das Gerede der Leute Hochstrahlenden die Grösse: ist der Sonnnengott auch glücklich über die Wage (das Zeichen im Thierkreise und zugleich das mit der Wage angestellte Gottesurtheil) hinweggekommen und hat er auch vor Aller Augen die gesammte Finsterniss vernichtet, so ist doch sein Glanz von dem Augenblicke an, dass er zur Jungfrau ging, nicht mehr derselbe.

3972. (1724.) Das Weib hat Tugend, das dem Gatten auch dann ein freundliches Gesicht macht, wenn er es hart anfährt und zornigen Blickes anschaut.

[358] 3973. Giebt es etwas Schlimmeres, als Nichts von Andern zu erhalten oder mit dem Erhaltenen sich nicht zu begnügen, sondern immer mehr zu verlangen?

3974. (1725.) Man enthalte sich der Angeberei, die dem Herrn wohl lieb ist, Andern aber Leiden bereitet: Sonne und Mond wurden wegen ihrer Angeberei eine Speise des Râhu.

3975. (1726.) Wozu begiebst du dich, o Herz, um die Gemüther Anderer durch wiederholtes tägliches Schmeicheln zufrieden zu stellen, in ein Gewirre von Leiden? Bist du nur selbst zufrieden, so treten in deinem geläuterten Willen die Eigenschaften des Zauberjuwels von selbst zu Tage, und welchen deiner Wünsche erfüllte dann nicht dieser Wille?

3976. (1727.) Wer, ohne vorher der Feinde und seine eigene Stärke oder Schwäche zu prüfen, in seiner Verblendung zur That schreitet, den verlangt es nach Missgeschick.

[359] 3977. (1728.) Wenn ein König das Gesetz übertritt, so ergeht es ihm wie dem Löwen, wenn dieser einen Elephanten tödtet: die Feinde ziehen den Nutzen von seiner Herrschaft und er selbst wird zum Gefäss der Sünde.

3978. (4517.) Ein Dummkopf, der Etwas nur darauf hin, dass es Andere sagten, für wahr hält, setzt sich dem Gelächter Anderer aus, wie jener fromme Bettler, der auf einen Ast geklettert war.

3979. (1729.) Einen solchen Freund, der hinter dem Rücken unsere Sache zu hintertreiben sucht, in unserer Gegenwart aber freundlich redet, sollen wir meiden wie einen Krug mit Gift, der auf der Oberfläche Milch zeigt.

3980. (4518.) Ungemach schwindet und Glück zeigt sich auf Schritt und Tritt bei den Edlen, in deren Herzen der Gedanke, Andern zu helfen, wach ist.

3981. (1730.) Wir sollen Andern helfen, selbst wenn die Lebensgeister uns schon in der Kehle stecken (so v.a. selbst wenn wir dem Tode nahe sind): das Verdienst der Hilfeleistung kommt sogar hundert Opfern gleich.

[360] 3982. (1731.) Solche edle Menschen, die daran Gefallen finden Andern zu helfen und die nicht einmal ein Verlangen haben nach den Freuden des Himmels, sind zum Heil der Welt auf Erden erzeugt.

3983. (1732.) Der Mann auf Erden, der sich ganz dem Beruf Andern zu helfen widmet, wird (im künftigen Leben) einer Stellung theilhaftig, die noch über der höchsten steht.

3984. (1733.) Pfui rufe ich über das Leben desjenigen Mannes, der nicht daran denkt Andern Dienste zu leisten; es lebe hoch das Vieh, dessen Fell ja einst uns Dienste leisten wird!

3985. (1734.) Zum Frommen Anderer strömen die Flüsse, zum Frommen Anderer milchen die Kühe, zum Frommen Anderer tragen die Bäume, zum Frommen Anderer ist der Leib.

3986. Hilfeleistung, Wohlwollen, rücksichtsvolles Wesen, freundliche Reden, gute Gemüthsart, Bescheidenheit und Freigebigkeit sind die Vorzüge guter Menschen.

[361] 3987. (1735.) Klug zu sein, wenn es gilt Andere zu unterweisen, ist eine leichte Sache für Jedermann; aber selbst das Gute zu üben ist nur diesem oder jenem grossen Charakter eigen.

3988. (1736.) Selbst ein Fremder ist unser Angehöriger, wenn er uns Nutzen bringt, und selbst ein Angehöriger ist uns ein Fremder, wenn er uns Schaden bringt: eine Krankheit bringt Schaden, obgleich sie in unserm eigenen Leibe erzeugt wird, und eine Arzenei bringt Nutzen, obgleich sie aus dem Walde kommt.

3989. (4519.) Sogar ein Fremder ist ein eigenes Kind, wenn er wie eine Arzenei Nutzen bringt, und sogar ein selbsterzeugter Sohn ist, wenn er Schaden bringt, einer Krankheit gleich. Schneide das Glied ab, das dir Schaden bringt und durch dessen Aufgeben das Uebrige munter fortlebt.

3990. (1737.) Ein Fürst ist wie der Regengott die Stütze der Geschöpfe: lässt es der Regengott auch an Etwas fehlen, so lässt sich's ja noch leben, nicht aber, wenn ein Fürst solches thut.

3991. Welche Frucht bringt der Regengott zu Stande, wenn er auf einen Berg den Regen entsendet, und welche Frucht bringt er nicht zu Stande, wenn er auf ein gepflügtes Feld den Regen entsendet?

[362] 3992. (4520.) Der Regengott ist der Schutzherr des Viehes, die Minister sind die Angehörigen der Fürsten, die Gatten die Angehörigen der Weiber, die Veda die Angehörigen der Brahmanen.

3993. Sogar Gazellen, die schon erschrecken, wenn sie das Geräusch von Blättern vernehmen, werden hier, sieh, von Jägern stets mit Hilfe von sanften Mitteln gefangen.

3994. (1738.) Ein Polster auf einem Ruhebette, einen zugeneigten Gatten und ein schönes Lager achten verliebte Weiber, die nach verstohlenem Liebesgenuss lüstern sind, gering wie einen Grashalm.

3995. Ein Weib ist ja wie das hiesige Leben schliesslich ungeniessbar, jämmerlich, jeden Augenblick wechselnd und ohne beständige Verbindungen.

3996. Da es der Wechsel der Zeiten thut, dass die Menschen geschlagen werden, so giebt es keinen Angreifer; dieses aber ist ein Uebel, dass der Anfeinder sich für den Thäter hält.

3997. (1740.) Ein unwegsames, Grausen erregendes und mit vielen Raubthieren angefülltes Gebirge besteige ein kluger Mann niemals, selbst wenn er in Gefahr sein sollte.

[363] 3998. (1741.) Eine Biene fliegt in den Schnabel eines Papageien, im Wahn es sei eine Palâça- Knospe, und dieser wiederum will die Biene festhalten, im Wahn es sei eine Ģambû-Frucht.

3999. (1742.) Wenn beim Manne sogar graues Haar sich zeigt, wie kann er dann wohl noch Liebhaber sein, da die Weiber ihn für Arzenei halten und ihren Sinn auf Andere richten?

4000. (1743.) Ueberall angebrachte Gelehrsamkeit, erkaufter Liebesgenuss und Brod von fremdem Tische sind drei Sachen, durch die Männer sich lächerlich machen.

4001. Zwischen einem Zweige des alle Wünsche erfüllenden Wunderbaumes und deiner Hand besteht, o Held, folgender Unterschied: jener schmückt das Ohr (Karna), dieser aber stellt (den freigebigen) Karna in Schatten.

4002. (1744.) Wenn das leben heisst, dass man nur den eigenen Bauch ernährt, so lebt ja auch das Vieh: nur dessen Leben aber ist des Preisens werth, der auch für Andere lebt.

[364] 4003. ?? ?αt? ?t????? t??π?? ? ???? t??πε? t?? ???α??α t? ??t? α?t?? ?π??ε?με??? ?st??? ?t? α?t? ? ?t???d?? ?st? s????s?α, ???? π?s? t??? ???t????? ?????π???.

4004. Wenn ein beim Ģjotishṭoma geschlachtetes Opferthier wirklich in den Himmel gelangt, warum legt dann nicht der Opferer bei dieser Gelegenheit die Hand an den eigenen Vater?

4005. Wer ist das Vieh aller Viehe? Der die Wissenschaft erlernt hat und nicht Gutes übt, obgleich er es vermag. Was ist das für ein Gift, das wie Nektar erscheint? Das Weib. Welche Feinde haben das Ansehen von Freunden? Sicherlich die eigenen Kinder.

4006. Was man Einem zu geben verspricht oder durch Andere giebt, das kann dieser erhalten, vielleicht aber auch nicht; was man aber Einem mit eigener Hand giebt, das erhält dieser ohne allen Zweifel.

4007. (1745.) Sieh, die Speise, die das Schicksal sogar zur Essenszeit dir auftischt, gelangt nimmer in deinen Mund, wenn du nicht die Hand erhebst.

4008. (1746.) Achte auf die Allmacht der Freigebigkeit, wie sie alsbald Vertrauen erweckt, da durch sie sogar ein Feind im Augenblick zum Freunde wird.

[365] 4009. (1747.) Weil Kluge schon von fern die im Wege stehenden Hindernisse gewahren, und die zum sichern Ziel führenden Mittel erkennen, deshalb müssen ja die von ihnen ausgedachten Handlungen gerathen.

4010. Da ein König, der mit Fehlern behaftet ist, blind ist, wenn er auch sähe, deshalb behandeln ihn seine Aerzte, die Freunde, mit reinen Salben, die man Unterweisung heisst.

4011. (1748.) Sieh, wenn Fürsten einen Pinsel brauchen, strecken sie ihre Hand sogar nach einem Grashalm aus; wenn dagegen die Umstände es nicht erheischen, legen sie sogar einen aufgereihten (mit Vorzügen ausgestatteten) Perlenschmuck von der Brust.

4012. (1749.) Indem ich bei mir dachte »ich will doch sehen, was sie thun wird«, nahm ich ein ernstes Wesen an; da dachte auch sie bei sich »warum redet doch dieser Falsche nicht mit mir?« und gab sich dem Aerger hin. Während dieses Zustandes, der sich ganz reizend anliess, da die Blicke beiderseits ohne festes Ziel umherschweiften, lachte ich verstellter Weise auf, sie aber entliess einen Thränenstrom, der den festen Willen brach.

[366] 4013. (4521.) Ich sehe die Leiden der habsüchtigen Reichen, wie sie sich nicht zu zügeln vermögen, vor Angst keinen Schlaf haben und sich vor Jedermann fürchten.

4014. (1750.) »?d??, t? ?πε?ß??? t?? π?????? t?? sα?dα???? ????? t?? tα?? πε??ß??α?? ?αtαtεt??μμ???? ? ???t? ???, ? ?ß??μ??ε?α, s????? ?st??.« ??t?? ?μ? ε?? t? st???? ??α?, s?????ε?s?? μ?? t? s??d?? t?? ?ε????? π??sε? t?? ??t??α t? ????? t?? π?d?? ?αß?d? ??? α?t?? ????sα? ?αt???ε? ? πα??????? ?? ?ß???εt?.

4015. Sieh, Bienen verlassen einen prachtvollen Karṇikâra, auch wenn sie schon in seine Nähe kamen, weil er des Wohlgeruchs entbehrt; gerade so machen es Gute mit einem Reichen, wenn dieser von niedriger Art ist.

4016. (4522.) Selbst Staub, den ein Wind aus Kurukshetra aufwirbelt, führt sogar einen Missethäter zur höchsten Stellung (im künftigen Leben).

4017. (1751.) »Wenn nicht heute meine eigenen guten Werke zur Reife gekommen wären, warum sollte er mir dann nicht schon früher die Gabe verabreicht haben? Wenn er nicht selbst meiner bedürfte, warum sollte er dann nicht lieber seine armen Verwandten bedenken? Wenn er nicht vor mir, der ich seine Blössen kenne, Furcht hätte, würde der Habsüchtige dann wohl überhaupt Etwas spenden?« Solche Betrachtungen pflegt ein gemeiner Mensch bei sich anzustellen, wenn ihm eine Wohlthat erwiesen wurde.

[367] 4018. (1752.) Eine mitten im Walde blühende Pâṭalâ verwirrte eine Biene dermaassen, dass diese auch bei einer anderen Blume fest überzeugt war, es sei wieder jene.

4019. (1753.) Bei denen die Hand die Stelle eines reinen Trinkgeschirrs vertritt, durch Umherwandern erhaltene Almosen die Stelle von unversiegbarer Nahrung, die reinen zehn Weltgegenden die Stelle eines weiten Gewandes, der Erdboden die Stelle eines geräumigen Bettes, vollkommene Gleichgiltigkeit gegen Alles die Stelle der Erfüllung eines Versprechens; die sind im Herren zufrieden, die sind glücklich, die haben die Unzahl von Berührungen mit dem Elend aufgegeben und rotten alle Werke aus (verharren in vollständigem Quietismus).

4020. (4523.) Eine tugendhafte Frau, die nach des Gatten Welt Verlangen trägt, soll Nichts thun, was dem Gatten, er sei am Leben oder todt, unlieb sein könnte.

[368] 4021. (1754.) Nur dieser oder jener Sterbliche wird, auch wenn er den Körper noch nicht verlassen hat, das durch Çiva's Gnade uns leicht zu Theil werdende Verlangen nach der Erkenntniss des ungetheilten höchsten Geistes fühlen, das Verlangen jener beschaulichen Asketen, die die Hand als Trinkgeschirr gebrauchen, die sich mit den von Natur reinen Almosen begnügen, die sich niedersetzen, wo es sich gerade trifft, und die stets auf die ganze Welt beinahe nicht anders, als wie auf einen Grashalm schauen.

4022. Bei ausgezeichneten Menschen findet die Gelehrsamkeit erst dann eine Grenze, wenn der Hochmuth gebrochen ist; das Dichten erst dann, wenn Alle befriedigt sind; die Freigebigkeit erst dann, wenn das ganze Vermögen dahin ist; der Andern gewährte Schutz erst dann, wenn der eigene Leib geopfert worden ist; der Diensteifer erst dann, wenn der Herr den Lohn eingeerntet hat; die Entschlossenheit erst dann, wenn das Unternommene erreicht worden ist: der Ruhm erst dann, wenn er sich über den ganzen Erdkreis verbreitet hat; die Liebe aber hat bei ihnen nie und nimmer eine Grenze.

4023. (1755.) Dein bleiches, abgemagertes Gesicht, dein nach Etwas schmachtendes Gemüth und dein matter Körper verrathen, o Freundin, gar sehr ein unheilbares Uebel in deinem Herzen.

4024. (4524.) Du beabsichtigst mich, o Gier, die du schwer zu sättigen bist wie die Unterwelt, mit Leiden zu überhäufen, aber jetzt wird es dir nicht mehr möglich sein, dich meiner zu bemächtigen.

[369] 4025. Dringe in die Unterwelt, wühle mächtig in der Erde, widme dich dem Handel, begieb dich unverzagten Herzens auf's Meer oder in ein anderes Land, versieh mit dem Schwert in der Hand den Dienst an den Höfen von Fürsten: wenn das Schicksal gar zu grausam ist, wird dir, o Freund, der Bauch dennoch nur mit genauer Noth gefüllt.

4026. (1756.) Wegen deiner Unbeständigkeit begiebst du dich, o Herz, hinab in die Unterwelt, erhebst dich hinauf gen Himmel, durchstreichst alle Weltgegenden. Woher kommt es, dass du bei all deinem Umherwandern niemals des reinen, in dir selbst ruhenden Brahman's gedenkst, durch welches du zur inneren Zufriedenheit gelangen würdest?

4027. Was eignet sich wie Nektar zum Schlürfen für gespitzte Ohren? Eine gute Unterweisung. Was ist die Wurzel eines würdevollen Wesens? Doch wohl das, dass man sich alles Bittens enthält.

[370] 4028. (1757.) Wer einen würdigen, rechtschaffenen Gast bekommt und ihn nicht ehrt, dem giebt dieser beim Weggehen seine bösen Werke und nimmt von ihm die guten.

4029. (1758.) Des Lehrers Kunst erreicht noch höhern Grad,

Wenn übertragen sie auf gute Schüler wird,

Der Wolke Wassertropfen gleich, der in

Des Meeres Muschel sich zur lichten Perle formt.

Weber.

4030. (4525.) Je nach der Würdigkeit der Person (der man giebt) und je nach dem Glauben (den man dabei hat) erlangt man für eine Gabe geringen oder grossen Lohn im Jenseits.

4031. (4526.) Zwischen einem würdigen und einem unwürdigen Empfänger besteht derselbe Unterschied, wie zwischen Kuh und Schlange: aus Gras entsteht Milch (bei der Kuh) und aus Milch entsteht Gift (bei der Schlange).

4032. (4527.) An fünf Merkmalen erkennt man den wahren Mann: er spendet Würdigen, findet Geschmack an Vorzügen, geniesst mit seiner Umgebung, kennt die Wissenschaften und kämpft in der Schlacht.

[371] 4033. Auch eine ganz geringe Gabe, die, o Judhishthira, zur rechten Zeit und mit vollkommen reinem Herzen einem Würdigen gereicht wird, bringt, wie man sagt, unendlichen Lohn im künftigen Leben.

4034. Spendet man einem Würdigen, so bewirkt dieses Erlösung; spendet man einem Unwürdigen, so verkündet dieses spätere Klugheit; spendet man einem Freunde, so befördert dieses die Freundschaft; spendet man einem Fürsten, so bringt dieses Ehren und Gaben; spendet man einem Diener, so bringt dieses noch grössere Treue zu Wege; spendet man einem Feinde, so ist dieses geeignet die Feindschaft zu entfernen; spendet man einem Bruder und andern Verwandten, so verschafft dieses Ruhm: das Spenden bleibt traun niemals ohne gute Folgen.

4035. (4528.) Auf's Meer lässt du, o Wolke, dein Wasser strömen! Wozu nützt das? Den von den Sonnenstrahlen gequälten jungen Ḱâtaka dagegen erfreust du nicht!

4036. (1759.) Dieser Mond hier, der seinen Fuss (seine Strahlen) auf[372] das Haupt Sumeru's, des Fürsten der Berge, gesetzt (geworfen) hat, darauf, nach Vernichtung der Finsterniss, das mittlere Gebiet Vishnu's (den Himmelsraum) durchschritten hat, sinkt jetzt mit den wenigen ihm übrig gebliebenen Strahlen vom Himmel herab: allzuhohes Steigen endet auch bei Grossen mit Fallen.

4037. (1760.) Den Bäumen droht Gefahr vom Winde, den Wasserrosen von der Kälte, den Bergen vom Donnerkeile, den Guten vom Bösewicht.

4038. (4529.) Man berühre nicht mit den Füssen Feuer, einen Lehrer, einen Brahmanen, eine Kuh, ein Mädchen, einen Greis und ein Kind.

4039. (1761.) »Was ist das für eine Sprödigkeit von deiner Seite gegen einen Geliebten, der hier so lange zu deinen Füssen liegt? Welches Vergehen hat, o Zürnende, der dich liebende Gatte, der ja auf dem rechten Pfade wandelt, sich zu Schulden kommen lassen?« Als auf solche Worte der Umgebung ihres Zornes Gluth sich legt, da kann plötzlich ihr Thränenquell weder versiegen noch strömen.

4040. (1762.) Besser als der Mensch, der auch bei erlittener Geringschätzung noch ruhig bleibt, ist der Staub, der, wenn er mit Füssen getreten wird, sich erhebt und auf das Haupt (des ihn Tretenden) sich setzt.

[373] 4041. (1763.) Eine Schlange tödtet, auch wenn sie mit Füssen getreten, auch wenn sie mit einem Stocke stark geschlagen wird, wie man weiss, stets nur den, den sie mit ihrem Giftzahne berührt; ganz absonderlich ist aber diese verrätherische und grausige Art des Menschen: Einen berührt er am Ohr (Einem raunt der Verräther Etwas in's Ohr) und einen Andern (den Verrathenen) richtet er dadurch mitsammt der Wurzel zu Grunde.

4042.) Räuchere mir die Füsse; so wurde eine Gattin vom Gatten selbst angewiesen; da räucherte sie ihm nicht (gebeugt) die Füsse und der Befehl des Gatten wurde nicht verletzt.

4043. (1764.) Trunk, Weiber, Jagd, Würfelspiel, Angriff auf fremden Besitz und Härte in Worten und Strafen sind die Laster der Fürsten.

4044. (1765.) Trunk, Umgang mit schlechten Menschen, Trennung vom Gatten, das Umherstreichen, zu vieles Schlafen und das Wohnen in fremden Häusern sind die sechs Dinge, die ein Weib verderben.

[374] 4045. (1766.) Geistige Getränke, Würfel, Weiber, Jagd, Gesang und Musik, diese Dinge soll (ein Fürst) mässig geniessen: der Hang zu ihnen stiftet ja Böses.

4046. (1767.) Einen Fürsten, der beim Trinken, bei den Weibern, beim Würfelspiel oder in einer lustigen Gesellschaft seinen Beruf vergisst, soll die Umgebung an seine Pflichten erinnern durch versteckte Winke aller Art.

4047. (1768.) Wäge ich gegen einander ab, was besser sei: Wasser ohne Anstrengung oder ein Leckerbissen mit Gefahr verbunden, dann sehe ich, dass das Glück dort weilt, wo die innere Zufriedenheit ist.

4048. Gern schlürfte ich, o Lotusäugige, einen Labetrank von dir! Reichst du ihn mir, so weise ich ihn zurück; reichst du ihn nicht, so schlürfe ich ihn (von deinen Lippen).

4049. Des Wassers Würze ist Kühle, einer Mahlzeit Würze Brei, der Weiber Würze schmeckt wie eine Âmra-Frucht, des Reichthums Würze ist das Spenden.

[375] 4050. (1769.) Jetzt (beim beginnenden Frühling) wird der Blüthenstrauss an den Mangobäumen, der die Rede bringt auf das Opfer im Feuer des von den Gattinnen auf Reisen befindlicher Männer empfundenen Trennungsschmerzes von den Kokila-Weibchen sehnsüchtig angeschaut; auch wehen jetzt vom Malaja-Gebirge Winde, die den Jasminstauden eine Menge Duft entwenden und die grosse Abspannung vermindern.

4051. (1770.) Wenn es feststeht, dass die Verbindung mit Vater, Mutter, Freunden, Söhnen, Brüdern und Gattin, wie die von Wanderern auf der Landstrasse, von herabstürzenden Bäumen im Flusse, von Wolken im Luftraum und von Seefahrern im Meere, nur zu vielen Trennungen führt, ist dann für Weise irgend ein Grund zur Trauer da?

4052. (4530.) Ein Mann bösen Rufes, der Böses thut, geniesst nur bösen Lohn; darum thue man nicht Böses und halte treu am Gelübde.

4053. Wer alle möglichen Schriftwerke liest und Nichts davon versteht, gleicht einem Esel, der beständig eine Last Juwelen trägt und diese, wie man weiss, nie geniesst.

[376] 4054. Wenn man es nicht leidet, dass selbst ein lieber Freund Böses verübt, sei es durch That oder Wort, so heisst dieses Fürstenpflicht.

4055. Das Schicksal lässt einen Bösewicht im Stich, hätte er auch alles schwer zu Gewinnende in der Welt erlangt; nicht schützt es den von Habsucht und Unverstand besessenen Mann.

4056. (4531.) Wenn man beständig Böses verübt, so benimmt dieses die Einsicht, und ein Mann, dem die Einsicht benommen ist, unternimmt stets nur Böses.

4057. Die heilige Schrift lehrt, dass nach dem Tode aus Bösem Leiden, aus Gutem Freuden hervorgehen. Der Augenschein zeigt alsbald das umgekehrte Verhältniss (für dieses Leben); darum fordere ich euch auf mir die Stärke (eures) und die Schwäche (meines Beweises) auseinanderzusetzen.

4058. Ein Ehrenwerther soll Mitleid haben mit Bösen wie mit Guten und auch mit denen, die den Tod verdienen, da es Niemanden giebt, der nicht dem Andern ein Leid anthäte.

[377] 4059. (4532.) Welcher Mann möchte wohl eine Handlung vollbringen, die böse Folgen hätte? Sogar der Fürst der Welten, der hehre selbstgeschaffene Gott, vollbrächte eine solche Handlung nicht.

4060. (1771.) Vom Bösen hält er ab, zum Guten hält er an, Geheimnisse hält er geheim, Tugenden macht er offenbar, einen in's Unglück Gerathenen verlässt er nicht und giebt zur rechten Zeit: dieses erklären die Weisen für die Kennzeichen eines guten Freundes.

4061. (4533.) Man verzeihe es einem Schlechtem, einem Bessern und auch einem Gleichen, wenn man bei der Ehre angegriffen, geschlagen oder angeschrien wird: so wird man zur höchsten Glückseligkeit gelangen.

4062. Wer ist böse? Der die falsche Meinung vom Mein hat. Wer ist die Ursache der Verblendung? Einzig nur die Lotusäugige. Wer ist blind geboren? Der Verliebte. Was ist wohl Tod? Die eigene Schande.

[378] 4063. Der Diebe, die unter Schirm und Schutz stehen, vermag man durchaus nicht sich zu erwehren, eben so wenig eines Mannes, der die Unwahrheit redet.

4064. (1772.) Um einen Löwen zu bezwingen, nährst du Thor, wie man weiss, diese fetten Hunde von rauher Stimme sorgfältig mit Kuhfleisch. Auf diese Art aber kann, o Fürst der Kirâta, ein Löwe, der ein Heer brünstiger Elephanten zum Fliehen bringt, nicht bezwungen werden. Der einzige Gewinn ist ein an einer Kuh verübter Mord!

4065. (1773.) Nicht Vater, nicht Lehrer, nicht Freund, nicht Mutter, nicht Gattin, nicht Sohn, nicht Hauspriester darf ein König ungestraft lassen, wenn sie nicht bei ihrer Pflicht verharren.

4066. Mit einem von seinem Weibe beherrschten Manne steht es so, dass sein Vater nicht den Lebensunterhalt von ihm annimmt, dass er selbst nach dem Tode nicht der Erlösung theilhaftig wird und dass hier auf Erden eine Krähe seinen Leichnam nicht fressen mag.

[379] 4067. (1774.) Das Weib darf nicht selbst über sich verfügen: in der Kindheit bewacht es der Vater, in der Jugend der Gatte, im Alter bewachen es die Söhne.

4068. (4534.) Der Muschel, die das Meer, die Fundgrube der Perlen, zum Vater und Lakshmî, die Göttin des Reichthums, zur leiblichen Schwester hat, kann es geschehen, dass sie betteln geht: was Einem das Schicksal verweigert hat, wird Einem auch nicht zu Theil.

4069. (1775.) Wenn Vater, Bruder, Sohn, Gattin oder Freund Jemanden nach dem Leben trachten, dann trifft den, der sie tödtet, keine Sünde.

4070. (4535.) Ein Sohn, der des Vaters Versehen gut macht, heisst ein ächtes Kind; wer aber anders verfährt, ist kein ächtes Kind.

[380] 4071. (4536.) Der Sohn hat ja die oft erwähnten Schulden an die Manen, Götter und Menschen abzutragen, darum giebt ein Sohn seinen Leib nicht hin.

4072. Wenn derjenige, welcher durch seine Energie in den Besitz einer vom Vater und Grossvater ausgeübten Herrschaft gelangt ist, sich unklug benimmt, so lässt er diese Herrschaft zerstieben, wie ein Windstoss eine von ihm erreichte Wolke.

4073. (1776.) Wer Jemanden eine vom Vater und Grossvater überkommene Stellung hier abzugewinnen trachtet, der ist dessen natürlicher Feind und muss aus dem Wege geräumt werden, da er Böses im Schilde führt.

4074. Ein Sohn, den der Vater züchtigt, ein Schüler, den der Lehrer unterrichtet, und Gold, das mit einem Hammer geschlagen wird, werden zum Schmuck der Leute.

4075. Ein Thor denkt in der Kindheit nur an Vater und Mutter, in der Jugend nur an die Geliebte, im Alter nur an die Kinder, an sich selbst aber niemals.

[381] 4076. (4537.) In Folge der guten Werke einer treuen Gattin geniessen drei Personen aus der Familie des Vaters, aus der des Gatten und aus der der Mutter die Freuden des Himmels.

4077. (1777.) Von einem Mädchen, das im Hause des Vaters seine Regeln noch ungetraut erblickt, heisst es, dass es von da an die niedrigste Çûdrâ sei, die man nicht mehr heirathen dürfe.

4078. Ein Vater muss seinen Sohn, wäre dieser auch erwachsen, stets nur anweisen, auf dass derselbe reich an Vorzügen wird und grossen Ruhm erlangt.

4079. (4538.) Eine Frau denke nicht daran sich vom Vater, vom Gatten oder von den Söhnen zu trennen, da sie durch eine Trennung von ihnen beide Familien beschimpfen würde.

4080. Wer ist nicht gleich dabei das vom Vater erworbene Vermögen zu geniessen und zu verschenken? Das mit den eigenen Händen gewonnene Vermögen dagegen wird selten Jemand geniessen oder verschenken wollen.

4081. (1778.) Das Meer zerreibt gleichsam mit seinen Wellen – Spitzen Sandel in der Gestalt von Schaum; diesen nimmt der Mond mit seinen Händen (Strahlen) auf und bestreicht gleichsam damit seine Weiber, die Weltgegenden.

[382] 4082. Flüsse trinken nicht selbst ihr Wasser, Bäume essen nicht ihre süssen Früchte und Wolken verspeisen kein Korn. Der Edlen Reichthum ist dazu da um Andern zu helfen.

4083. (4539.) Sieh, während die Biene in einer aufgeblühten Wasserrose Honig saugt, küsst sie auch eine noch nicht mit Wohlgeruch erfüllte Knospe.

4084. Im verschlossenen Schlafgemach, bei so dichter Finsterniss, dass eine Nadelspitze hineinfahren könnte, und bei geschlossenen Augen steht mir das Gesicht der Geliebten deutlich vor Augen.

4085. Der Pfad Rechtschaffener offenbart seinen ganzen Reiz gerade dann, wenn er verborgen ist: die Brüste Rehäugiger erscheinen am schönsten gerade dann, wenn sie mit einem feinen Schleier versehen sind.

4086. (4540.) Ein Zorniger (Agastja) hat meinen Vater (das Meer) verschluckt, ein Anderer (Bhṛgu) hat in seiner Wuth meinem Liebsten (Vishṇu) einen Schlag mit dem Fusse versetzt, auserwählte Brahmanen tragen meine Nebenbuhlerin (Sarasvatî) von Kindheit an in der Oeffnung ihres Gesichts (d.i. im Munde), meine Wohnung (die Lotusblume; vgl. Kamalâlajâ) haut man Tag für Tag nieder, um den Geliebten der Umâ (Çiva) zu ehren: darum bin ich (Lakshmî) stets betrübt und so ist es wohl ganz angemessen, dass ich die Wohnstätte der Brahmanengeschlechter verlasse (d.i. den Brahmanen den Reichthum entziehe).

[383] 4087. Ich habe stinkendes Wasser getrunken, auch auf einer Streu von jungen Schössen geschlafen, die Trennung von der Geliebten ertragen, aus Furcht vor dem Tode erniedrigende Worte vor Andern gesprochen, ich bin zu Fuss gegangen, habe auch das Meer durchschifft und mich in Lumpen gehüllt: o verdammte Gier, wenn noch etwas Anderes zu thun ist, so melde es mir doch rasch!

4088. (1779.) Der mit seinem Widerschein in den Becher hinabgestiegene und mitsammt dem Wein hinuntergeschlürfte Mond hat gewiss auch das Dunkel des Grolles der Grollenden durchbrochen, da sie plötzlich ein heiteres Gesicht zeigte.

4089. (1780.) Seitdem ich, durch die Liebe durstig gemacht, das reichliche Nass der Lippen dieser Schönen getrunken, hat mein Durst sich verdoppelt: viel Salz (Anmuth) ist da, was für ein Wunder also?

4090. (1781.) Denen, die Zufriedenheit wie Nektar schlürfen, wird die höchste Glückseligkeit zu Theil, ununterbrochenes Leid dagegen den unzufriedenen Menschen.

[384] 4091. Aechte Weiber haben zwei Mal mehr Liebe, acht Mal mehr Schamgefühl und vier Mal mehr Ausdauer als die Männer.

4092. (1782.) Der Zorn ohnmächtiger Menschen schlägt zu ihrem eigenen Unheil aus: ein über die Maassen siedender Kessel verbrennt am ärgsten seine eigenen Wände.

4093. Männern von hoher Denkungsart stehen zwei Arten von Freuden bevor: entweder das Schwinden jeglichen Hanges oder die ausgedehnteste Macht.

4094. Wenn ein Mann Gift und die Sinnengenüsse gegen einander abwägt, so ergiebt sich, dass Gift besser ist als die Sinnengenüsse, die von gar schlimmer Art sind: Gift äussert sich nur in einem Leben als Gift, während die Sinnengenüsse auch in einem andern Leben zu Gift werden.

4095. (4541.) Ein Mann von gutem Rufe, der Gutes thut, gelangt zu einer guten Stellung (im künftigen Leben); darum soll man recht aufmerksam Gutes thun.

[385] 4096. (1783.) Wer an irgend einem heiligen Wasser überaus schwierige Kasteiungen übt, dem wird ein folgsamer, wohlhabender, tugendhafter und kluger Sohn zu Theil.

4097. (4542.) Wenn man beständig Gutes thut, so fördert dieses die Einsicht, und ein Mann, dessen Einsicht gefördert wurde, unternimmt stets nur Gutes.

4098. Das Gute ist die Macht der Guten, der Fürst die Macht der Unterthanen, die Frucht die Macht der Bäume und Wasser die Macht der Meere.

4099. (4543.) Den sechsten Theil der Tugend empfängt er (der Fürst), wenn er den gehörigen Schutz ertheilt, denn die Beschützung der Unterthanen

steht höher als alle Gaben.

Stenzler.

4100. Des moralischen Verdienstes wegen ehrt man einen Gott, eines Sohnes wegen die Gottheit des Geschlechts, des Ruhmes wegen spendet man Gaben, der Erlösung wegen übt man Kasteiungen.

4101. (1784.) Ein geldgieriger Barbier, der in dem Wahne, es werde auch ihm zufallen, was ein Anderer durch seine guten Werke erlangt hatte, einen Bettler erschlug, wurde selbst mit dem Tode bestraft.

[386] 4102. (1785.) Wenn ein vom Hunger gequälter Mann, um das Loch in seinem Magen ein wenig zu stopfen, in einem heiligen Dorfe oder in einem grossen Walde, deren Umgebung vom Rauche, das dem von gut gearteten Brahmanen verehrten Feuer entsteigt, grau gefärbt ist, eine rings mit einem weissen Tuche bedeckte Schüssel haltend, in jede Thür tritt, dann hält er auf Ehre, dann findet er Schutz, nicht aber, wenn er Tag für Tag vor seinen Verwandten sich erniedrigt.

4103. (4544.) Nähre dich jetzt, o Liebster meiner Lieblinge (d.i. das eigene Selbst), von reinen Wurzeln und Früchten und schlage das Lager auf dem Erdboden auf aus kunstlosen Zweigen; erhebe dich, wir gehen in den Wald, wo man niemals sogar den Namen der vornehmen und doch winzigen Herren zu hören bekommt, der Herren, deren Sinn der Unverstand trübt und deren Sprache entstellt wird durch den unnatürlichen Zustand, den die Geldkrankheit erzeugt.

[387] 4104. In Folge von guten Werken gelingt auf Erden den Menschen auch das, was unglaublich erscheint: schwammen nicht Berge von der Höhe des Meru vor Râma's Augen (über's Meer)?

4105. (4545.) Alle Menschen, die an den Söhnen, der Gattin und am Hausgesinde hingen, sind in einem Meere von Kummer versunken, wie alte wilde Elephanten im Schlamme.

4106. Was ist wohl schmerzlicher hier auf Erden als der Verlust eines Sohnes und einer Gattin, von Blutsverwandten und Freunden, und als Abhängigkeit von Andern?

4107. (1786.) Bei Menschen thörichten Verstandes bildet die Welt der Söhne, der Gattin und anderer An gehöriger, bei den Gelehrten die Welt der Bücher das Hinderniss, dass sie nicht der wahren Beschaulichkeit obliegen.

4108. Wer des Sohnes oder der Gattin, der Freuden oder des Vermögens verlustig ging und in arge Noth gerieth, dem ist guter Muth heilsam, o Fürst!

[388] 4109. Man soll, o Sohn, wegen vorangegangener misslungener Versuche keine zu geringe Meinung von sich haben, da ja Glücksgüter, die früher nicht da waren, zum Vorschein kommen, dagegen solche, die früher da waren, zu Grunde gehen.

4110. (4546.) Beim Verlust eines Sohnes, beim Verlust des Vermögens, so wie beim Verlust näherer oder entfernterer Verwandte fühlt man, o Herr, einen gar heftigen Schmerz, der dem einen Wald zerstörenden Feuer gleicht.

4111. (1787.) Wer mit Vorzügen ausgestattet ist, die sich von Sohn zu Enkel vererbt haben, wer die Lehrbücher kennt, schmackhafte Speisen bereitet, muthig und hartherzig ist, der gilt für einen Koch.

4112. (1788.) Die Frau ist da um einen Sonn zu liefern, der Sohn um den Todtenkuchen darzubringen, der Freund um uns zu fördern, das Geld ist zu allen Dingen da.

4113. (4547.) Wer auf feindlicher Seite steht, es sei ein Sohn, ein Freund, ein Bruder, ein Vater oder ein Lehrer, den musst du niedermachen, wenn es dir um dein Wohl zu thun ist.

[389] 4114. (1789.) Wünscht man sich einen Sohn, so ist man betrübt; ist er da, so ist man über seine Erkrankung betrübt; man ist betrübt, dass er in Leid und Noth geräth; man ist betrübt über sein schlechtes Betragen und über seine Thorheit; ist er mit Vorzügen zur Welt gekommen, so denkt man mit Furcht an seinen Tod; stirbt er, so ist man auch betrübt. Möge dieser Feind, der den blossen Schein eines Sohnes annimmt, Niemanden erstehen.

4115. (1790.) Ich glaube mit Bestimmtheit, dass sogar einem unvernünftigen Thiere eine Gabe lieber ist als selbst das eigene Junge, da, merke es wohl, eine Büffelkuh, giebt man ihr auch nur einen Oelkuchen, bekanntlich stets all ihre Milch hergiebt, auch wenn sie ein Kalb hat.

4116. (4548.) Kluge sollen stets ihren Söhnen gute Sitten aller Art beibringen: Lebenskluge und Wohlgesittete stehen bei der Familie in Ansehen.

[390] 4117. (4549.) Wie eine schwer verdauliche Speise im Magen, so bestraft sich sicherlich das Böse, entweder an den Söhnen, oder an den Enkeln, wenn man es nicht schon an sich selbst erlebt.

4118. Ein dummer Sohn, eine verwittwete junge Tochter, ein falscher Freund, eine leichtsinnige Gattin und Armuth, die sogar bis zum Tode währt, diese fünf Dinge versengen den Körper auch ohne Feuer.

4119. (1791.) Ein berühmter Sohn, Kenntnisse, die Geld einbringen, Gesundheit, Umgang mit Freunden und eine wohlgezogene und freundlich redende Gattin sind die fünf Dinge, die den Kummer mit der Wurzel ausreissen.

4120. (1792.) Wer auf sein Glück bedacht ist, muss denjenigen umbringen, der seiner Sache Hindernisse in den Weg legt, mag dieser sein Sohn, sein Bruder, sein Vater oder sein Freund sein.

4121. (1793.) Männer, die immer wieder von Neuem ein wunderbares Werk vollbringen, gehen zur Welt der Götter, des Glückes theilhaftig und mit bezwungenen Sinnen.

[391] 4122. (1794.) Der Wiedervergeltung wegen erweist man Freunden Liebes; welche Sache aber, die den Freund eines Freundes betrifft, hätten Freunde nicht ausgeführt?

4123. Oft hat der Tag gegraut und oft ist die Nacht eingebrochen; oft ist der Mond und oft die Sonne aufgegangen. Wenn aber die Zeit hinfliesst, geht auch das Leben dahin; nichtsdestoweniger ist die Welt nicht auf ihr Heil bedacht.

4124. (1795.) Eine Gattin, Vermögen, ein Acker, eine gute und eine böse That, Alles kann immer und immer wieder ersetzt werden, nicht aber der Leib.

4125. (4550.) Bald stirbt der Mensch, bald wird er wieder geboren; bald schwindet der Mensch dahin, bald erholt er sich wieder; bald bittet der Mensch bei Andern, bald bittet man wieder bei ihm; bald trauert der Mensch um Andere, bald trauert man wieder um ihn.

4126. (4551.) Vermögen, ein Freund, eine Gattin, ein Reich, alles dieses kann man wiedererlangen, nimmer aber den Leib.

[392] 4127. (4552.) Weil ein Sohn den Vater aus der Hölle Put erlöst (trâjate), darum hat der Urschöpfer selbst den Sohn Puttra genannt.

4128. (4553.) Eine wilde und rohe Hexe von Hausfrau zerfleischt wie eine Wölfin bei lebendigem Leibe den in den Abgrund des Unglücks gestürzten Gatten.

4129. (4554.) Eine liebevolle, verständige, edle Gattin dagegen, die wie der Schatten eines am Wege stehenden Baumes dem Gatten die Qualen benimmt, wird nur diesem oder jenem Einen für seine guten Werke zu Theil.

4130. (4555.) Unter übelgesinnten Menschen, die Einen wegen des Wandels und der Abstammung schmähen, soll ein Kluger, dem es um sein Wohl zu thun ist, nicht wohnen.

4131. (4556.) Unter Guten dagegen, die ihn ob seines Wandels oder seiner Abstammung anerkennen, soll er seine Wohnung aufschlagen; dort ist, wie man sagt, der beste Aufenthalt.

[393] 4132. Wenn ein Mann oder ein Weib beim Anblick der Gestalt irgend Jemandes den Kopf schüttelt, so heisst dieses so viel, dass dieser schön sei.

4133. (4557.) Ein kluger Mann wacht vor der Stunde der Gefahr, so dass er nimmer in Leid geräth, wenn die Stunde der Gefahr kommt.

4134. (4558.) Ein Unvernünftiger dagegen, der die Gefahr nicht kommen sieht, verzagt in der Stunde der Gefahr und erntet kein grosses Glück.

4135. Tausende von Indra's und Hunderte von Weltherrschern sind durch die allmächtige Zeit erloschen, wie Lampen durch einen Wind.

4136. (1796.) Ein König soll das Heer vorangehen und unter seinen Augen kämpfen lassen: gebärdet sich nicht sicher auch ein Hund wie ein Löwe, wenn ihm sein Herr zur Seite steht?

4137. (1797.) Als ich vom Schicksal Geschlagener, darüber erschrocken, dass ich in Gegenwart der Schlanken mich im Namen geirrt hatte (den Namen der Nebenbuhlerin genannt hatte), mein Gesicht neigte und in meiner Verlegenheit Etwas (im Sande) zu kratzen begann; da wandelte sich die offenbar aus blossen Strichen bestehende Zeichnung, ich weiss nicht wie, dergestalt um, dass wieder dasselbe Mädchen mit allen seinen Gliedern deutlich hervortrat.

[394] 4138. (1798.) Wenn man in alten Zeiten die Dichter an den Fingern herzählte, dann kam Kâlidâsa auf den kleinen Finger zu stehen; da auch noch heut zu Tage kein ähnlicher Dichter da ist, so führt der namenlose Finger (d.i. der Ringfinger) mit Recht seinen Namen.

4139. (1799.) Aus Furcht vor Hiraṇjakaçipu baute sich in alten Zeiten auf seines Lehrers Geheiss und unter Viçvakarman's mächtigem Beistande Indra eine Burg.

4140. (1800.) Derselbe verlieh folgende Gnade: »Der Fürst, der eine Burg haben wird, soll Sieger sein.« Daher finden sich Burgen zu Tausenden auf Erden.

4141. (4559.) Nicht jedes Dichtwerk ist darum schön, weil es alt ist, und nicht jedes darum tadelhaft, weil es neu ist: Gebildete entscheiden sich, nachdem sie geprüft haben, für das eine oder das andere; des Thoren Urtheil richtet sich nach dem Vertrauen, das er zu Andern hat.

4142. (1801.) Ehemals bildeten wir sicher einen ungetheilten Leib; darauf warst du wohl Geliebter, ich aber eine verzweifelnde Geliebte; jetzt bist du Schutzherr (Gatte), ich Gattin. Was habe ich Weiteres erreicht? Es ist die Folge davon, dass die Lebensgeister hart (unzerstörbar) wie der Donnerkeil sind.

[395] 4143. (1802.) Ehemals diente die Gelehrsamkeit Männern lautern Geistes zur Verscheuchung der Leiden; mit der Zeit diente sie Genussmenschen zur Befriedigung ihrer Sinnengenüsse; jetzt, da sie sieht, dass die Besitzer eines kleinen Lappens Erde aller Wissenschaft abgeneigt sind, sinkt auch sie, o Weh, von Tag zu Tag stets tiefer hinab.

4144. (1803.) Wie sollte man durch das Hervorkramen alter Geschichten dahinter kommen, ob ein Fremder ein uneigennütziger Freund, oder aber ein Verräther sei?

4145. Ein Mann unterlässt später die Liebenswürdigkeiten, welche er Weibern im Geheimen erwies; die Weiber dagegen umschlingen aus Dankbarkeit den entseelten Gatten und besteigen mit ihm den Scheiterhaufen.

[396] 4146. (1804.) Dem hier auf Erden geborenen Mann sind drei Personen besonders ehrwürdig: der Lehrer, o Kâkutstha, der Vater und die Mutter, o Raghuide.

4147. (1805.) Der Vater erzeugt ihn ja, die Mutter zieht ihn gross und der Lehrer giebt ihm die Einsicht; darum heisst dieser der Ehrwürdige.

4148. (1806.) Gewöhnliche Menschen haben mit Fürsten nur die äussere Gestalt gemein: Autorität, Freigebigkeit, Nachsicht, Ausdauer und Heldenmuth gehen gewöhnlichen Menschen ab.

4149. (1807.) »Vor mir die Revâ, am jenseitigen Ufer ein Berg mit äusserst schwer zu erklimmendem Gipfel, hinter mir verfolgt ein vorzüglicher Jäger mit Bogen und Pfeil eine Gazelle, zur Linken ein See, zur Rechten kann ich in den schlimmen Fall kommen in einem brennenden Walde zu verbrennen. Kein Entrinnen, kein Bleiben.« So wehklagt ein Gazellenjunges.

4150. (1808.) Was leichte Körner im Getraide, was Termiten unter den geflügelten Thieren, das sind diejenigen, bei denen nicht die Tugend der Beweggrund der Handlungen ist, unter den Menschen.

[397] 4151. Den Unverständigen, der, in der Meinung, dass es die seinigen seien, Leben, Reichthtümer, Söhne und Anderes auf unrechte Weise fördert, lassen diese im Stich, bevor er noch sein Ziel erreicht hat.

4152. (4560.) Man lese Blume für Blume, haue aber nicht den Baum an der Wurzel ab: wie ein Gärtner im Garten verfahre man, nicht wie ein Köhler.

4153. Der Tod beschleicht den Menschen, bevor dieser noch seine Wünsche erreicht hat, während er, so zu sagen, an Anderes denkend Blumen liest.

4154. (4561.) Wie in der Blume den Geruch, im Sesamkorn das Oel, im Holz das Feuer, in der Milch die Butter und im Zuckerrohr den Zucker, so gewahre mittels deines Verstandes im Körper die Seele.

4155. (1810. 4562.) Was man auf Treu und Glauben aus Büchern, nicht beim Lehrer gelernt hat, hat kein Ansehen in der Gesellschaft, eben so wenig wie ein Kind, das ein Weib von einem Nebenmann empfing.

[398] 4156. (1809.) Wenn die Zeit zum Handeln da ist, dann ist Wissen, das nur im Buche steht, kein Wissen, und Geld, das in fremden Händen sich befindet, kein Geld.

4157. Betelnüsse, wohlriechende Blätter, Flamingo's, Pferde, Löwen, Gebildete und Elephanten stehen in hohem Ansehen, wenn sie ihren Ort verlassen.

4158. Die ehrenwerthen, hoch bevorzugten und reinen Frauen, wahre Leuchten des Hauses, sind des Hauses Glücksgöttinnen genannt worden; darum soll man sie ganz besonders schützen.

4159. Zu dem Manne, der uns früher beleidigte und den wir dann mit Geld und Ehren auszeichneten, hat unser Herz kein Vertrauen mehr, da die (früher vollbrachte) That ihre Macht ausübt und uns Schrecken einjagt.

[399] 4160. (1811.) Dass auch der geehrt wird, der der Ehre nicht werth ist, dass auch der besucht wird, der nicht verdient besucht zu werden, und dass auch der begrüsst wird, der nicht begrüsst werden dürfte, das bewirkt die Macht des Geldes.

4161. (1812.) Derjenige, der eine Sache durchführen will, soll den meiden, der aus Unverstand sogar einer tadellosen Sache abgeneigt ist, sei jener auch ein ehrenwerther Verwandter, ein lieber Sohn, ein Bruder oder ein Freund. Weit verbreitet in der Welt ist ja dieser Spruch, den auch die Weiber hersagen: »Was fängt man mit dem Golde an, das zum Durchlöchern des Ohres gebraucht wird?«

4162. (1813.) Ich vermuthe, dass der Mond hier, um des Oceans Wassermasse zu vermehren, eine ungeheure Menge von Wasser dem Mondstein und auch den Augen der über die Trennung ihrer Geliebten betrübten Ḱakravâka-Weibchen entzieht.

4163. (1814.) Glücklich sind diejenigen, die sich in den Wald zurückziehen, nachdem sie zuvor der Bedürftigen Erwartungen erfüllt, sogar Feinden Liebes erwiesen und den Strom des Wissens überschritten haben.

4164. Das volle Bett der Flüsse, die Blüthen der Bäume und die verschiedenen Phasen des Mondes kehren wieder, wenn sie verschwinden, nicht aber die Jugend der Menschen.

[400] 4165. Hat sich das Wasser in einem Teiche zu stark angesammelt, so hilft man sich damit, dass man es ablaufen lässt; auch das Herz erhält sich, wenn Kummer es erschüttert, durch Wehklagen.

4166. (4563.) Wie sich des Menschen Auge beim Anblick des Vollmondes verklärt, so verklärt es sich beim Anblick der Gañgâ.

4167. (1815.) Hier voll und da knapp zu messen, die Kunden beständig zu betrügen und falsche Preise anzugeben ist der Kirâta Eigenart.

4168. (1816.) Wie der Mensch froh wird beim Anblick des Vollmondes, so auch (beim Anblick eines solchen Fürsten,) unter dem alle Unterthanen zufrieden sind: dieses heisst die Weise des Mondes.

4169. Zuerst Râma's Kasteiungen und sein Abzug in den Wald, wo er eine goldene Gazelle erlegte; der Raub der Sîtâ, der Tod Gatâksha's, das Bündniss mit Sugrîva, die Züchtigung Vâli's, das Hinübersetzen über das Meer, die Verwüstung der Stadt Lañkâ und schliesslich die Tödtung Râvaṇa's und Kumbhakarna's: dieses ist der Inhalt des Râmâjana.

4170. (4564.) Den Ort, an dem es vorher Ehren, nachher Beschimpfung[401] gab, verlässt ein Mann von Charakter, würde er auch vom Feinde geehrt.

4171. (4565.) Der Undankbare, der es seinen Freunden nicht vergilt, wenn diese ihm zuvor einen Dienst erwiesen, darf, o Fürst der Affen, von Jedermann getödtet werden.

4172. (1817.) Die Werke, die man in einem frühern Leben vollbracht hat, heissen Schicksal; darum sollen wir mit der uns eigenen Menschenkraft unverdrossen uns anstrengen.

4173. (4566.) Das im vorangehenden Leben eingesammelte Wissen, die im vorangehenden Leben eingesammelten Reichthümer und die im vorangehenden Leben eingesammelten guten Werke laufen stets vor uns her.

4174. Wahr ist ja der Ausspruch, dass die Orakelstimme zuerst bei den Göttern weilt, dann zu den Menschen gelangt und niemals erschallt, wenn sie nicht dazu angewiesen wird.

4175. (4567.) Eine mit dem frühern Körper vollbrachte That, sie sei gut oder böse, wird, je nachdem sie gewesen ist, einem Klugen, einem Thoren oder einem Helden zu Theil. (Ob Jemand klug, dumm oder heldenmüthig ist, hängt davon ab, was er im vorangehenden Leben gethan hat.)

[402] 4176. (4568.) Wohl ehrte ich ehemals, da die beweglichen Augenwinkel der lotusäugigen Mädchen mein Herz heftig anzogen, die Anmuth der Jugend; jetzt aber ist ein (anderes) unbeschreibliches Gefühl in meinem Herzen, das rein ward durch die Erkenntniss, die ich von dem in mir ruhenden Wahren und Falschen gewann, und durch das Zurückziehen der Sinne von der Sinnenwelt.

4177. (1818.) Welches Wesen sollte grösser als diejenigen (die Brahmanen) sein, die ehemals das Meer austranken, das Vindha-Gebirge zurückhielten und Götter schufen?

4178. (4569.) Auch solche Menschen, die in ihrer Jugend böse Thaten vollbrachten, nachher aber die Gañgâ besuchen, gelangen zur höchsten Stellung (im künftigen Leben).

4179. (4570.) In der ersten Jugend handle man so, dass man im Alter glücklich leben kann, und während des ganzen Lebens handle man so, dass man jenseits glücklich leben kann.

[403] 4180. (347.) Wer in der ersten Jugend zur inneren Ruhe gelangt, der heisst nach meiner Meinung mit Recht beruhigt: wem wird nicht innere Ruhe zu Theil, wenn die Säfte des Körpers zu schwinden beginnen?

4181. Wenn dein Beleidiger dir früher einen Dienst erwies, so musst du ihm sogar eine schwere Beleidigung verzeihen, indem du ihm wieder einen Dienst erweist.

4182. (1819.) Ein kluger Mann soll stets fragen: einst kam ein Brahmane, obgleich ein Râkshasa ihn schon gepackt hatte, (durch eine Frage) wieder los.

4183. Hat der Landmann hier auf Erden sein Land mit dem Pfluge aufgerissen, so säet er den Samen aus; dann wartet er aber ruhig, da von nun an der Regengott Alles macht.

4184. (1820.) Wer zur Einsicht gelangt, dass die mit Edelsteinen angefüllte Erde, dass Gold, Vieh und Weiber, alles dieses zusammengenommen, für Einen nicht genug ist, der wird ruhig in seinem Herzen.

4185. (1821.) Die Erde erhält stets alle Geschöpfe auf gleiche Weise; gerade so soll ein Fürst alle seine Unterthanen erhalten.

[404] 4186. (4571.) Drei Juwelen giebt es auf Erden: Wasser, Reis und schöne Sprüche; Thoren aber zählen die Juwelen an Steinchen her.

4187. Auf der wasserreichen Erde giebt es für den Ḱâtaka nur eine wasserlose Wüste: wahr ist des Weisen Wort, dass man nimmer erlangt, was Einem nicht gegeben (vom Schicksal bestimmt) ward.

4188. (1822.) Der Sonne diene man mit dem Rücken, dem Feuer mit dem Magen, seinem Herrn mit ganzer Seele, der anderen Welt mit Offenheit.

4189. (1823.) Will man über das schwer zu durchschiffende Meer hinüberschiffen, so bietet sich ein Schiff dazu dar; tritt Finsterniss ein, so ist eine Lampe zur Hand; an einem windstillen Orte thut ein Fächer Dienste; um vor Brunst blinden Elephanten den Uebermuth zu dämpfen, dient der Haken. So giebt es Nichts auf Erden, wogegen der Schöpfer nicht ein Mittel erdacht hätte; doch kommt es mir vor, als wenn selbst des Schöpfers Anstrengung vergeblich gewesen wäre, um bösen Menschen ihren Gedankengang zu benehmen.

[405] 4190. Ein thörichter Fürst, der Städter und Landbewohner nicht schützt wie seine Kinder, die ihm lieber als das eigene Leben sind, der wird von den Menschen auf Erden getadelt.

4191. Wer aber die Unterthanen wie seine leiblichen Kinder auf gerechte Weise schützt, der erwirbt sich hier auf Erden den höchsten und jenseits unvergänglichen Ruhm.

4192. Fürstensöhne müssen die Städter von ihren selbstverschuldeten Leiden befreien, nicht aber selbst den Bewohnern der Städte Leiden bereiten.

4193. (1824.) Wie kam es, dass Râvana keine Schuld darin sah, eines Andern Weib zu rauben? Wie kam es ferner, dass dem Râma die Widernatürlichkeit einer goldenen Gazelle nicht zum Bewusstsein kam? Wie kam es endlich, dass Judhishṭhira durch Würfelspiel plötzlich in Missgeschick gerieth? Durch ein nahe bevorstehendes Ungemach pflegt der Menschen Geist sich zu verwirren und die richtige Einsicht zu schwinden.

4194. (1825.) Männer von edler Gesinnung besitzen eine grosse Geschicklichkeit sogar offen zu Tage liegende Fehler Anderer lange geheim zu halten; wenn es dagegen gilt die eigenen Vorzüge zu entfalten, so verrathen sie eine ausserordentliche Unbeholfenheit.

[406] 4195. (4572.) Die Elephanten Sinne, die, Alles niedertretend, im Walde der mannichfachen Sinnesgegenstände umherlaufen, bändige man mit dem Leithaken der Erkenntniss.

4196. (1826.) Wird Männern von Ehre darüber, dass Jemand, dem sie nicht im Stande sind sich zu widersetzen, gegen sie in Zorn geräth, das Herz vom eigenen Feuer versengt, welche andere Zuflucht bleibt ihnen wohl dann als der Tod?

4197. (1827.) Ein vom Fürsten im Stich gelassener Staat ist, sei er noch so blühend, nicht lebensfähig: was nützt selbst der Arzt Dhanvantari dem, dessen Lebenszeit abgelaufen ist?

4198. (4573.) Die niedrigsten Menschen, an denen viele und grosse Schlechtigkeiten (die sie verübten) zehren, und die zur Hölle fahren, bringt die Gañgâ nach dem Tode glücklich hinüber, wenn sie sich zu ihr begeben.

4199. Das Mittel, es sei versteckt oder offen, welches den Feind abwehrt, gilt bei den Waffenkundigen für eine Waffe, nicht aber ein Schneidewerkzeug.

[407] 4200. Zwischen den ob der Kinder, die sie in die Welt setzen, hochbevorzugten, ehrenwerthen Frauen, wahren Leuchten des Hauses, und den Glücksgöttinnen besteht in den Häusern auch nicht der allergeringste Unterschied.

4201. (1828.) Der Fürst behütet die Unterthanen und diese machen den Fürsten mächtig; aber der gewährte Schutz ist besser denn die gewonnene Macht, da, wenn jener aufhört, die andere (die Macht), auch wenn sie da ist, keinen Segen bringt.

4202. (1829.) Des Fürsten Name, der seine Unterthanen nicht durch Schutzverleihung und ähnliche löbliche Eigenschaften zufrieden stellt, ist bedeutungslos wie der der Zitzen (Glöckchen) am Halse der Ziegen.

4203. (1830.) Der Schutz, den ein Fürst seinen Unterthanen in gebührender Weise gewährt, ist die Quelle seines moralischen Verdienstes. Ein Fürst, der keinen Schutz gewährt, fährt zur Hölle; darum soll er die Unterthanen stets schützen.

[408] 4204. (1831.) Die Unterthanen schützen ist des Lobes werth und mehrt des Himmels Schatz; sie quälen führt zum Verlust der guten Werke, zur Sünde und zur Schande.

4205. Brahman ist ein Sohn Praģâpati's, Çiva ein Kind der Seelenruhe und Vishnu Sohn Vasudeva's: wie sollen diese nur eine Person bilden?

4206. (1832.) Das Feuer, welches aus dem Brande der Qual der Unterthanen entsteht, erlischt nicht eher, als bis es des Königs Glück, Stamm und Leben verbrannt hat.

Stenzler.

4207. (4574.) Der Fürst, dessen Unterthanen gedeihen, wie im See die grosse Lotusblume, erlangt alle Früchte und geniesst der Seligkeit im Himmel.

4208. Wer durch allumfassenden Verstand, durch Reichthum oder Macht an der Spitze seines Geschlechts steht, an dem hat die Mutter einen wahren Sohn.

[409] 4209. (4575.) Mit dem Verstande entferne man einen Schmerz der Seele und mit Arzeneien einen körperlichen Schmerz: dieses ist die Macht des Wissens, man mache es also nicht wie die Thoren.

4210. (1833.) Was werden Feinde demjenigen anthun, dessen Leib durch Einsicht geschützt wird? Was vermag ein Regenschauer dem anzuthun, der einen Schirm in der Hand hält?

4211. Ein Mann, der mit dem Auge des Verstandes sieht, giebt sich hier auf Erden nicht der Sünde hin: er entsagt Allem, sobald er will, und lässt nicht von der Tugend.

4212. Ein Mann von geringer Einsicht besteigt nicht die Zinne des Verstandes und sieht nicht, wie ein auf einem Berge Stehender die in der Ebene Stehenden sieht, dass die Leute um nicht zu Betrauernde trauern.

4213. Wer von Einsichtigen Einsicht lernt, der ist ein kluger Mann, da ein Einsichtiger dadurch, dass er zu Tugend und Reichthümern gelangt, glücklich leben kann.

[410] 4214. (4576.) Der verständige und mit der höchsten Einsicht ausgestattete Mann freut sich nicht und betrübt sich auch nicht, weil er weiss, dass Alles, was da kommt, auch wieder geht.

4215. (1834.) Wer einen an Einsicht, Tugenden, Kenntnissen und Jahren überlegenen Verwandten, nachdem er ihm zuvor Ehren erwiesen und ihn günstig gestimmt hat, um das befragt, was zu thun und was zu lassen ist, der kommt nimmer in Verlegenheit.

4216. (4577.) Für den, der mit dem Pfeile des Verstandes verwundet ward, giebt es keine Aerzte und keine Heilkräuter, keine Opfersprüche, keine Amulete, keine Beschwörer und auch keine künstlich zubereiteten Arzeneien.

4217. (1835.) Wer anders als ein Diener ist so thöricht, dass er, um sich zu erhöhen sich erniedrigt, um zu leben das Leben hingiebt, um Freude zu haben Leiden erträgt?

4218. (1836.) Die durch Vertraulichkeit süssen, von Liebe überströmenden, durch Leidenschaft stockenden, süss klingenden, treuherzigen, Freude verkündenden, von Natur lieblichen, Vertrauen verdienenden, Liebe erweckenden zwanglosen Reden gazellenäugiger Mädchen entzücken uns gar sehr an einsamem Orte.

[411] 4219. (1837.) Wer seinen Feinden traut in Folge ihrer Zutraulichkeit oder eines von ihnen geleisteten Dienstes, dem ergeht es wie jenem, der auf einem Baumgipfel einschlief: wenn er erwacht, liegt er auf dem Boden.

4220. (4578.) Auch neige man sich demüthig vor einem stärkern Feinde, wenn es die Zeit erheischt; ist man aber gerüstet, so sei man, indem man selbst auf der Hut ist, auf seine Vernichtung bedacht, wenn er nicht auf der Hut ist.

4221. (4579.) Mit ehrerbietigen Verneigungen, mit Geschenken und in süssen Worten redend warte man sogar einem Feinde auf und lasse ihn niemals Verdacht schöpfen.

4222. (1838.) Um der eigenen Wohlfahrt wegen mache man sich Lehrer und Aeltere durch Ehrerbietigkeit geneigt, Gute durch ein bescheidenes Betragen, die Götter durch gute Handlungen.

4223. (1839.) Wie das Feuer, es mag zu den Altären hingetragen worden sein oder nicht, eine grosse Gottheit ist, so ist auch ein Brahmane, er mag gelehrt oder ungelehrt sein, eine überaus grosse Gottheit.

4224. (1840.) Es vernichtet den Glanz, das Ansehen und die Pracht eines Wintertages – eine Regenwolke, eines Fürsten – seine Habsucht.

[412] 4225. (4580.) Bösewichtern gegenüber entfalte er (der Fürst) stets seinen Machtglanz und sein Feuer, und gegen einen schlechten Nachbar sei er unbarmherzig: dieses nennt man die Weise des Feuergottes.

4226. (1841.) Zeigt sich das Schicksal widerwärtig, so erweist sich auch der Besitz von vielen Hilfsmitteln als unnütz: als der Sonnengott sinken sollte, gewährten ihm selbst seine tausend Hände (Strahlen) keine Stütze.

4227. (1842.) Dass dieser unser Körper mit jedem Augenblick schwindet, merkt man nicht; er gleicht hierin einem im Wasser liegenden ungebrannten Topfe: wenn er wie dieser auseinandergefallen ist, dann wird man es gewahr.

4228. (1843.) Wie des Winters Pracht, die von den Winden des Frühlings getroffen wird, schwindet Tag für Tag auch der Verständigen Verstand durch die Sorgen um die Bürde des Hauswesens.

4229. (4581.) Zärtliche und treue Frauen lieben den Gatten trotz aller[413] Nebenbuhlerinnen: grosse Ströme führen ja Hunderte von andern Flüssen dem Meere zu.

4230. (1716.) Wenn ein Söhnchen, mit Staub bedeckt, heimkehrt und des Vaters Glieder umfängt, so ist dieses wohl der höchste Genuss.

4231. (1844.) Krshna würdigte den Fürsten der Kedi, als dieser ihn schmähte, keiner Erwiederung: ein Löwe antwortet wohl auf das Donnern einer Wolke, nicht aber auf das Geheul eines Schakals.

4232. (4582.) Wenn sich Jemand unter den Menschen findet, der einem Bösewicht wehrt, dann kommt unter allen den vielen Menschen kein Bösewicht vor.

4233. (4583.) Wenn aber ein Bösewicht niemals auf Jemanden stösst, der ihm wehrt, dann verharren viele Menschen bei ihren bösen Thaten.

4234. (1845.) Nicht wider den Strom gezerrt, sondern mit demselben geführt, entrinnt ja ein Mann einer Wasserfluth; so auch seinen bösen Gewohnheiten.

4235. (1846.) Ist ein Feld oder Anderes zehn Jahre hindurch vor den Augen des Eigentümers von einem Andern benutzt worden, so entscheidet über den Besitz desselben der Genuss, nicht Zeuge oder Urkunde.

[414] 4236. (4584.) Man sage Nichts, was Jemanden unlieb sein könnte, weder in's Gesicht noch hinter seinem Rücken; auch lebe man mit Niemanden ohne Grund und Ursache in Hader und streite auch mit Niemanden.

4237. Wer Jemanden in's Gesicht lobt und hinter dem Rücken tadelt, der gleicht einem Hunde und ist für diese und jene Welt verloren.

4238. Lehrer und Aeltere soll man in's Gesicht loben, Freunde und Angehörige hinter dem Rücken, Sclaven und Diener nach vollbrachter Arbeit, Söhne nie, Weiber erst nach dem Tode.

4239. (1847.) Ein Thor lässt sich durch gute Worte beschwichtigen, selbst wenn das Böse vor seinen Augen verübt wurde; ein Wagner trug sein Weib mitsammt dem Buhlen auf dem Kopfe umher.

4240. (1848.) Jeden Tag soll der Mensch seine Handlungsweise prüfen, indem er sich fragt, was er mit dem Vieh und was er mit edlen Menschen gemein hat.

[415] 4241. (1849.) Wo es sich um Versagen oder Geben, um eines Andern Wohl oder Weh, Behagen oder Missbehagen handelt, da gewinnt der Mensch den richtigen Maassstab, sobald er sich selbst in die Lage des Andern versetzt.

4242. (1850.) Wie ein Wind durch den Duft des Brunstsaftes die Nähe eines brünstigen Elephanten, wie ein Blitz mit seinem entfalteten Glanze das bevor stehende Donnern einer Wolke, so verkündet deutlich die Handlungsweise eines Menschen, der die Geschicklichkeit eines Klugen auf den Grund kommt, dessen unwandelbare Denkweise, wie sie durch das vorangegangene Leben gewonnen wurde.

4243. (1851.) Wer einem Andern einen Gegendienst erweist, sei dieser auch noch so gross, kommt dem nicht gleich, der den ersten Dienst erwies: jener thut es ja für Etwas, dieser dagegen für Nichts und wieder Nichts.

4244. (1852.) Gegenwärtiger Freuden sich zu begeben und auf zukünftige Freuden zu hoffen ist nicht der Verständigen Weise.

[416] 4245. (1853.) Grosse Hitze gleich am Anfange ist, wie man weiss, ein Hinderniss für alles Gelingen: durchbricht nicht auch recht kaltes Wasser Berge?

4246. (1854.) Wen du vorher in einer Versammlung für einen braven Mann erklärt hast, dem darfst du später nicht der Schlechtigkeit zeihen, wenn du deinem Worte treu bleiben willst.

4247. (4585.) Das Beginnen des Kampfes, das Hüten des ganzen Heeres und das Reinigen der Wege nach allen Richtungen hin nennt man das Geschäft des Fussvolkes.

4248. (1855.) Eine Gattin, die früher stirbt, erwartet den Gatten jenseits; einem Gatten, der früher stirbt, folgt eine treue Gattin auf dem Fusse nach.

4249. (1856.) Kokusnussbäume, gedenkend des wenigen Wassers, das sie in ihrer ersten Jugend, als eine schwere Last auf ihrem Haupte lag, getrunken[417] haben, geben, so lange sie leben, den Menschen nektarähnliches Nass: es vergessen ja Edle nimmer den Dienst, der ihnen erwiesen wurde.

4250. (4586.) Zuerst richten sich die Gedanken auf die eigene Person, dann auf den Sohn, später auf gute Menschen, zuletzt auf das Einsammeln guter Werke.

4251. (1857.) Auf der ersten Lebensstufe hat man keine Kenntnisse erworben, auf der zweiten kein Vermögen, auf der dritten keine guten Werke; was wird man auf der vierten thun?

4252. Zwischen dem, was gespendet und was verzehrt wird, besteht ein grosser Unterschied: das Gespendete erzeugt Segen, das Verzehrte wird zu Koth.

4253. (1859.) Im Geheimen zu spenden; schnell bei der Hand zu sein,[418] wenn ein Gast in's Haus tritt; eine Gefälligkeit, die man einem Andern erwiesen, nicht auszuplaudern; einen Dienst, den Andere Einem geleistet, in einer Gesellschaft zu verkünden; im Glück sich nicht zu überheben; in Reden über Andere vor Allem das, was diese erniedrigen könnte, zu vermeiden: wer hat diese schwierige Weise – fürwahr das Stehen auf der Schneide eines Schwertes – Edlen angezeigt?

4254. (1860.) Ein Pfad ist (durch die eintretende Finsterniss) am Abend verloren, gefallene Frauen sind verloren, ein mangelhaft besäetes Feld ist verloren, ein Herr ist durch die Schuld eines Dieners verloren.

4255. (1861.) Selbst über den Geist der Gelehrten hat der aus dem Studium der Wissenschaften hervorgehende Verstand nur so lange Macht, als die Augenpfeile lotusäugiger Mädchen nicht auf sie fallen.

4256. (1862.) Wer das Geld, das er der Gunst seines Herrn verdankt, Würdigen zukommen lässt, die (ihm geschenkten) Kleider und Schmucksachen aber auf eigenem Leibe trägt, der ist des Fürsten Liebling.

4257. Das Feuer steht oben an in Betreff des Erhitzens, die Erde in Betreff der Geräumigkeit, die Sonne in Betreff der Helle und der Gast steht unter den Guten oben an.

[419] 4258. Ein ungeduldiger Gebieter, ein überaus falscher Freund, ein grobes Weib, ein hochmüthiger Sohn und eine trotzig antwortende Dienerschaft: eine solche, das Herz versengende Umgebung lässt sich ja ertragen, aber nicht ein Mann, der uns geringschätzig anhört, indem er die Augenwinkel hin und her bewegt.

4259. Einen Gebieter, der gegen das Heilsame eine Abneigung hat und stets dem Schädlichen nachgeht, müssen Kluge meiden, wie Aerzte einen schlechten Patienten.

4260. Gebieter, Erzeuger, Erfreuer, der vorzüglichste Ernährer, Unterweiser im Guten, ja eine leibhaftige Gottheit ist der Vater.

4261. (1863.) Wer ein Werk zu vollbringen gedenkt, es sei gross oder klein, gehe mit aller Kraftanstrengung daran: dieses ist das Eine, das man vom Löwen rühmt.

4262. (1864.) Beim bejahrten Manne tritt Reife des Verstandes ein: am alten Sandelbaum erzeugt sich Wohlgeruch.

[420] 4263. (1865.) Diener können es nicht ertragen, dass ihr Herr seine Gunst einem Andern zuwendet: sie gleichen hierin den Frauen eines Mannes, die sich über eine Nebenbuhlerin ärgern, wäre diese auch schön.

4264. (1866.) Ein Löwe setzt einem brünstigen Elephanten, dem der braune Saft aus den Schläfen trieft, die Tatze auf's Haupt trotz dem, dass sein Gegner an Grösse ihn überragt.

4265. Fahrlässigkeit ist der ärgste Feind, Fahrlässigkeit ist das ärgste Gift, Fahrlässigkeit ist ein Räuber an der Burg der Erlösung, Fahrlässigkeit ist der Weg zur Hölle.

4266. Wer einen erschrockenen, bei ihm Zuflucht suchenden Mann dem Feinde überliefert, dessen Kinder sterben ja vor der Zeit, dessen Väter verlassen ihren Wohnort (den Himmel) und auf den schleudern die Götter mit Indra an der Spitze den Donnerkeil.

[421] 4267. Man sieht Leute des Lohnes nicht theilhaftig werden, obgleich sie sich anstrengten: auf hunderterlei Weise geht Einer den Reichthümern nach (und erlangt sie nicht), während ein Anderer, der ihnen nicht nachgeht, in glücklichen Verhältnissen lebt.

4268. (1867.) Bei gleicher Anstrengung werden nur einige Wenige des Lohnes theilhaftig: durch das Quirlen erlangten die Götter, nicht die Dämonen, den Unsterblichkeitstrank.

4269. (4587.) Diejenigen, o Bhârata, die ihr Augenmerk auf den eigentlichen Zweck, nicht auf die Einzelnheiten richten, halte ich für klug, da die Einzelnheiten nur Nebensache sind.

4270. (4588.) Beim Untergang der Welt durchbrechen, wie man weiss, die Meere ihre Schranken; vorzügliche Menschen aber wünschen sogar beim Untergange der Welt es nicht den Meeren gleich zu thun.

4271. Wenn ihr einen Theil des Veda für leeres Geschwätz haltet, welchem Unstern habt ihr es zu verdanken, dass ihr nicht auch die lästigen Vorschriften eben so beurtheilt?

[422] 4272. Wenn Männer emporsteigen, treten sie gegen Dreie feindselig auf: gegen die früher erworbenen Freunde, gegen ihre Frauen und gegen ihre Wohnungen.

4273. (1869.) Wie der Wind in alle Geschöpfe dringt und sich hier ergeht, so dringe (der Fürst) mittels der Späher überall ein: dies heisst man die Weise des Windes.

4274. (1870.). Von einem Schatzmeister verlangt man, dass er gewandt, beredt, dem Herrn stets ergeben, nicht habsüchtig und wahrheitsliebend sei.

4275. (4589.) Bei wem die Rede fliesst, wer Allerlei zu erzählen weiss, gut begreift, im Augenblick das Richtige erkennt und schnell den Sinn einer Schrift anzugeben versteht, den nennt man weise.

4276. (4590.) Das Wort »ich reise« ist, o Geliebter, deinem Munde schon entfahren; was hätte ich davon, wenn du jetzt auch nicht gingest, da du mich so wenig liebst?

[423] 4277 (1871.) Ruhe des Gemüths, Nachsicht, Ehrlichkeit und Liebenswürdigkeit, diese Tugenden Edler sind ja in den Augen solcher, die keine Tugenden besitzen, die Folge von Schwäche.

4278. (1872.) Den, der sich selbst preist, den schlechten, dreisten, überall umherlaufenden, Jedermann zu züchtigen bereiten Mann ehrt die Welt.

4279. (4591.) Mein Herz, dessen Unruhe bei dem Nachdenken Über den Sinn der Lehrbücher sich gelegt hat, dessen Interesse an Dichtwerken jeglicher Gattung geschwunden und in dem die Drangsal aller Zweifel gehoben ist, sucht Zuflucht bei Çiva.

4280. (1873.) Der unschuldige Mann erscheint im Gerichtssaal heitern Angesichts und froh, spricht verständliche Worte, hat Zorn im Auge, zeigt kühnes Selbstvertrauen und legt beim Reden Unwillen an den Tag.

4281. (1874.) Freundliche, anmuthreiche und schmiegsame Reden im[424] Munde und eben solche Frauen im Hause sind als Lohn guter Werke nur diesem oder jenem Einen beschieden.

4282. (1875.) Wenn ein Mann Etwas werden soll, so beginnt er in Gedanken ein Werk, seine Lust an demselben steigert sich, seine Berathung, die ihren Stoff selbst sich zuführt (d.i. an der er ganz allein Theil nimmt), wird nicht kund; die ganze Sache gelingt, sein Geist fühlt sich gehoben und er hat seine Freude am löblichen Werk.

4283. (1876.) Wohl vermöchte man aus einer Zahnsprosse im Rachen des Seeungeheuers Makara ein Juwel gewaltsam auszubrechen, auch könnte man wohl das von tanzenden Wellenkränzen erfüllte Meer durchschiffen, auch wird man wohl eine erzürnte Schlange wie eine Blume auf dem Haupte tragen können: nimmer aber wird man den Sinn eines verstockten Thoren zu gewinnen vermögen.

4284. (1877.) Die Gunst des Gebieters bringt wohl Glück, verleiht aber nie den Adel der Geburt: die Schwärze des Giftes Kâlakûta weicht nicht durch die Berührung mit Çiva.

[425] 4285. (1878.) Wessen Gunst nicht nützt und wessen Zorn nicht schadet, den mögen die Leute nicht zum Herrn haben, so wenig wie Weiber einen Eunuchen zum Mann.

4286. (1879.) Empfindest du, o Nacht-Wasserrose, keine Scham darüber, dass du die Schatzkammer (den Kelch) schliessest, wenn der Freund (die Sonne), der die Welt erhellt, die Hand ausstreckt (die ersten Strahlen entsendet)?

4287. (1880.) Wer es versteht seine Rede der Gelegenheit, seine Gefälligkeiten der Natur des Andern und seinen Zorn der eigenen Kraft anzupassen, der ist ein kluger Mann.

4288. (1881.) Auf sind gebrochen die Spangen, und nach gehn liebende Thränen,

Länger nicht bleibet der Muth, Geist ist zu wandern gesinnt.

Alle sie ziehn mit dem ziehenden Freund; und musst du denn reisen,

Lebensgeliebter! verschmäh doch nicht das Freundesgeleit!

Fr. Rückert.

[426] 4289. (1882.) Die Ausschwitzungen des Mondsteines beachtet man so lange, als er auf einer Sandbank des Meeres liegt; eignet darauf dieses ihn sich zu (indem es die Sandbank überschwemmt), so werden die Ausschwitzungen, obgleich sie (nach wie vor) hervorbrechen, im Wasser des Meeres nicht mehr bemerkt. (Was den Kleinen schmückt, verschwindet beim Grossen unter der Menge anderer schöner Dinge, die er besitzt.)

4290. Mit Schweiss und Schmutz bedeckt, ohne Halt und ohne Schutz stehen, o Fürst, Diener am Thor, als wären sie Hoden.

4291. (1883.) »Wirst du, o Gatte, noch heute am Vormittag, oder um Mittagszeit, oder am Nachmittag, oder erst nach Sonnenuntergang heimkehren?« Durch solche von herabstürzenden Thränen begleitete Reden hintertreibt ein junges Weib des Liebsten Abreise, der im Begriff steht in ein hundert Tagereisen entferntes Land zu ziehen.

4292. (4592.) Beabsichtigt man, o Bhârata, Jemanden einen Hieb zu versetzen, dann spreche man Liebes zu ihm; desgleichen, wenn man ihm den[427] Hieb versetzt; hat man ihm aber den Hieb versetzt, so zeige man Mitleid, bedaure und weine.

4293. (4593.) Man haue nicht eher ein, als bis man seiner Sache gewiss ist; hat man seine Feinde getödtet, dann bedauere man sie nicht; ohne Grund zürne man nicht und gegen Beleidiger sei man nicht milde.

4294. (4594.) Was bewirkt ein gemeiner Mensch, er mag loben oder tadeln? Wie eine Krähe im Walde krächzt der Thörichte für Nichts und wieder Nichts.

4295. (1884.) Vor den Augen lässt sie sich zu Füssen nieder, im Rücken sticht sie in's Fleisch, dem Ohr summt sie lieblich und leise etwas Schönes vor, gewahrt sie aber eine Blösse, so dringt sie alsbald furchtlos ein: des Bösewichts ganzes Treiben ahmt die Mücke nach.

4296. Vor der Verbindung mit den Dingen giebt es für die Geschöpfe keinen heftigen Schmerz, nach der Trennung von Allem aber trauert derjenige nicht, der im natürlichen Zustande verbleibt.

4297. (4595.) Wissen bei einem Manne, der des Selbstvertrauens ermangelt, ist wie eine Waffe in der Hand eines Feiglings: es bringt bei ihm keine Befriedigung hervor, eben so wenig wie ein schönes Weib bei einem alten Manne.

[428] 4298. Zunächst besiege ein Fürst sich selbst und seine Minister, darauf seine Diener, darauf die Städter; schliesslich kann er mit seinen Feinden einen Krieg beginnen.

4299. (1885.) ???t?? μ?? d?? t?? »μ? μ?« t?? ?d???? ??d? ??α??st?? t?μ?sα,?πε?tα d? π???? ?ε??με??? ??dε????μ???, ?stε?? d? α?d??? μ?t????, μεt? d? tα?tα ?tt?? ??t?tε????sα, π???? d? t?? ε?st??ε?α? π???εμ???, ?πε?tα d? ???t?? ??μ??sα, ??ε????sα ?????α?? πα?d?α??, ?πα???d?t???, s??d?α??, t???? d? ?dε?? ??tα???t?? t?? ?????? ?μεt??? ?d???? ??dε????μ??? ? π??? ε??ε?? ???α??α s????s?α ?α?? ?st??.

4300. (1886.) Wenn (Venus) durch den Wagen der Rohinî geht, dann nimmt die mit Haaren und Knochenstücken bunt bestreute Erde, als wenn sie eine Sünde begangen hätte, gleichsam die Weise des mit Menschenschädeln sich schmückenden Kâpâlika an (d.i. dann wüthet auf der Erde der Tod).

4301. Unter den Brahmanen ist es nur der Kluge, der Freude hat, nur[429] der Kluge, der unter Vielen schweigt, nur der Kluge, der trotz aller Schwäche stark ist, und nur der Kluge, der sich in keinen Zank einlässt.

4302. Kluge, die würdevoll sind, sehen und reden richtig; wenn sie, o König, geringschätzig behandelt werden, dann fühlen sie sich gedrückt und schweigen.

4303. (1887.) Wenn ein Fürst einen Klugen anstellt, wird ihm dreierlei Gutes zu Theil: Ruhm, der Aufenthalt im Himmel und grosses Einkommen.

4304. (1888.) Wenn ein Fürst einen Thoren anstellt, wird ihm dreierlei Schlimmes zu Theil: Unehre, Verlust des Vermögens und der Gang in die Hölle.

4305. Der Kluge hat seine Freude an der Gerechtigkeit und lebt nur für die Gerechtigkeit; so steht es mit dem Gerechten und heiter wird sein Gemüth.

4306. Einen Freund, der Klugen huldigt, sein Fach kennt, tugendhaft ist, ein angenehmes Aeussere hat, von Freunden umgeben ist und eine schöne Rede führt, soll man warm halten.

4307. (4596.) Der Weise wie der Thor, der Reiche wie der Arme, Jeder geräth, begleitet von seinen guten oder seinen bösen Werken, in die Gewalt des Todesgottes.

[430] 4308. (1889.) Wenn man in der Todesstunde den Freund sieht, so bringt dieses Beiden, dem Ueberlebenden und dem Todten, Glück.

4309. (1890.) Wie das eigene Leben schütze (ein Fürst) seine Diener und wie den eigenen Leib nähre er sie stets um des einen Tages willen, da er mit dem Feinde zusammentrifft.

4310. (1891.) Sich der Tödtung eines Lebens enthalten, dem Raube fremden Gutes entsagen, die Wahrheit reden, zu rechter Zeit nach Kräften spenden, bei Gesprächen über junge Weiber Anderer sich stumm verhalten, den Andrang der Gier brechen, Ehrwürdigen gegenüber bescheiden sein und mit allen Wesen Mitleid haben: diese allen Lehrbüchern gemeinsamen Gebote, denen nirgends widersprochen wird, sind der Weg zum Heil.

4311. (1892.) Die Tödtung eines Lebens, Diebstahl und die Berührung eines fremden Weibes, diese drei Sünden soll der Körper durchaus meiden.

[431] 4312. (1894.) Wozu rede ich, ach, von der Unverwüstlichkeit der Lebensgeister? Haben doch diese selbst sie schon offenbart, da sie nie zugleich mit den beim Betteln ausgestossenen Worten von dannen gehen. Mich selbst will ich verhöhnen, der ich, obgleich ihre Zähigkeit mir bekannt ist, durch die für Nichts und wieder Nichts gefürchtete Trennung von ihnen mich niederschlagen lasse und allerwärts um ein Almosen bitte.

4313. (1895.) Wie dir selbst das Leben lieb ist, so auch den übrigen Geschöpfen: edle Menschen haben mit Jedermann Mitleid, indem sie überall sich selbst sehen.

4314. Wenn man den ganzen Lohn einer guten That einernten will, darf man nie einem lebenden Wesen ein Leid anthun, muss man Nachsicht üben mit denen, die Einen vielfach beleidigten, und solchen spenden, die Einem keinen Dienst erwiesen.

4315. Die uns hier auf Erden noch lieber als das Leben sind und ohne die wir keinen Augenblick eine Freude empfinden, von diesen getrennt zu sein müssen wir ertragen! O wie schwer ist das Dasein in dieser Welt!

[432] 4316. Mit Aufopferung des Lebens sogar für eines Andern Wohl zu leben, nicht zu beleidigen, Falschheit zu meiden und einem Andern Liebes zu erweisen, als wäre er das eigene Selbst, das ist der Freundschaft hohe Art.

4317. (1896.) »Dadurch, dass du immer früh Morgens kommst, raubst du mir den Schlaf der Augen, und dadurch, dass bei mir Einfältigen das Gefühl der eigenen Würde schwand, ist es dahin gekommen, dass ich Nichts mehr bedeute.« »Was habe ich, Schöne, zu thun versäumt?« »Du hältst dich nicht mehr für einen Gatten; gehe!« »Du bist krank!« »Und was ich jetzt zu meiner Heilung thun werde, davon wirst du später hören.«

4318. (4597.) Klugen verstreicht die Zeit auf die Weise, dass sie am Morgen sich mit dem Würfelspiel (von dem im Mahâbhârata die Rede ist), um Mittagszeit mit einem Weibe (der Sîtâ im Râmâjaṇa) und in der Nacht mit Dieben (von denen im Bhâgavata-Purâna erzählt wird) sich beschäftigen.

4319. Am Morgen werden die Menschen von den natürlichen Bedürfnissen gequält, um Mittag von Hunger und Durst, am Abend von der Liebe, in der Nacht vom Schlaf.

[433] 4320. (1897.) Wie viel Ungeziefer kommt nicht aus dem Körper hervor, das man ja alles Ernstes sich vom Leibe schafft? Was ist das nun für ein Unverstand der Welt, dass sie solchem Ungeziefer den Namen »Kinder« beilegt und ihretwegen sich abzehrt?

4321. (1898.) Wer eine Sache, die er schon in Händen hat, aus Unverstand wieder fahren lässt, weil man ihm gute Worte giebt, der Narr ist angeführt wie der Makara vom Affen.

4322. (1899.) Denjenigen, die noch in der Fremde weilen, nachdem sie schon im Besitz einer Wissenschaft, eines Vermögens oder einer Kunst sind, erscheint eine Strecke von hundert Schritten wie hundert Meilen.

4323. (1900.) Was der Mensch erhalten soll, das erhält er auch; selbst ein Gott ist nicht im Stande dieses zu hintertreiben. Darum betrübe ich mich nicht und staune auch nicht: was uns gehört, gehört ja Andern nicht.

4324. Nur das, was man erreichen soll, erreicht man, nur dahin, wohin man gelangen soll, gelangt man, und nur das, was man erlangen soll, erlangt man, es heisse Leid oder Freude.

4325. (1901.) Das Alter ist da und die Jugend verstrichen: seid weise und lasst euch das Aufgehen der höchsten Wahrheit angelegen sein. Dieses ganze Leben ist beinahe dahin, weil die Zeit auf ihrem Gange nimmer ruht.

[434] 4326. (1902.) Das Unterschlagen eingegangener Gelder, das Vertauschen von Kostbarkeiten, Bevorzugung, Nachlässigkeit, Beschränktheit und Wohlleben sind die Fehler eines Ministers.

4327. (1903.) Erlangte man auch Glücksgüter, die alle Wünsche erfüllten, was hätte man davon? Setzte man auch den Fuss auf der Feinde Haupt, was hätte man davon? Beschenkte man auch seine Lieblinge mit Reichthümern, was hätte man davon? Erhielten sich auch die Leiber der Menschen tausend Weltalter, was hätte man davon?

4328. (1904.) Wer hat den Hort in drohender Gefahr, das Gefäss der Liebe und des Vertrauens, diese Perle, das zweisilbige Wort Mitra (Freund) geschaffen?

4329. (4598.) Wenn es sich um eine wichtige Sache handelt, dann muss ein befreundeter Minister das, was (dem Fürsten) lieb sein könnte, ganz bei Seite liegen lassen und stets nur das sagen, was ihm frommt.

[435] 4330. Wäre Jemand auch der höchsten Geburt theilhaftig geworden und hätte er vollkommen gesunde Sinne erlangt, so wäre er doch ein Selbstmörder, wenn er nicht wüsste, was ihm frommt.

4331. (1905.) Einfältige werden alsbald froh, wenn sie Geld erlangt haben, sonst aber nicht: Wolken donnern, wenn sie zu Wasser gekommen sind, nicht, wenn sie leer sind.

4332. Der Mann hohen Sinnes hat seine Feinde besiegt, der, wenn er in's Unglück geräth, sich nicht vom Schmerz hinreissen lässt, sondern mit wachen Sinnen der Arbeit nachgeht und, die Bürde des Lebens ergeben tragend, zu seiner Zeit Leiden duldet.

4333. (1906.) Wenn ein Edler auch fällt, so pflegt er wie ein Spielball zu fallen, indem er sich wieder erhebt; der Unedle fällt aber nach Art eines Erdenklosses.

4334. (1907.) Ein grosser Bösewicht pflegt durch Freundlichkeiten in noch heftigeren Zorn zu gerathen: das Auge wird durch die Berührung mit Oel (Liebe) gar trübe.

[436] 4335. In der Regel wird man hier auf Erden gewahr, dass an den Tag gelegte Arbeit nicht ohne Lohn bleibt; man erlebt aber auch grossen Lohn, ohne schwere Arbeit vollbracht zu haben.

4336. (1908.) Aufgeweckte, nicht Dummköpfe, pflegen der Unterweisung würdig zu sein: der Sesam trägt wohlriechende Blüthen, nimmer die Gerste.

4337. In der Regel hat auch der, der Alles geduldig erträgt, sowohl Freunde als Feinde: im Sommer dörrt die Hitze die Erde aus und die Regenzeit nährt sie mit ihrem Wasser.

4338. (1909.) Gute pflegen durch den Umgang mit Schlechten ihre Natur zu ändern: die Nektar träufelnden Strahlen des Mondes werden durch die grosse Hitze (im Sommer) heiss.

4339. (1910.) Gerade die Reichen haben in der Regel ohne Unterlass eine Gier nach (neuen) Reichthümern: sieh, der Bogen, der schon zwei Koti (das gekrümmte Ende des Bogens und zugleich zehn Millionen) besitzt, biegt sich vor einem Laksha (vor dem Ziele und zugleich vor hundert Tausend).

[437] 4340. (1911.) In der Regel sind Reiche gar nicht im Stande Etwas zu geniessen, während Arme, o Fürst, sogar Holz verdauen.

4341. (1912.) Gewöhnlich tadeln hier auf Erden niedrig Geborene einen hoch Geborenen, Unglückliche einen Günstling des Glücks, Geizige einen Freigebigen, Unredliche Redliche, Arme einen Reichen, Hässliche einen Schönen, Bösewichter einen Tugendhaften und Thoren einen mit mannichfachen Wissenschaften vertrauten Mann.

4342. (1913.) Leute vom niedrigsten Schlage lassen sich aus Furcht vor Hindernissen auf gar keine Unternehmung ein; Leute gewöhnlichen Schlages stehen von ihrem Unternehmen ab, wenn sich ein Hinderniss ihnen in den Weg legt; ausgezeichnete Leute lassen nicht ab vom Unternommenen, wenn auch Hindernisse auf Hindernisse ihnen entgegentreten.

4343. Auch eine Bitte kann ja angebracht werden, wenn dadurch einem Andern geholfen wird; für sich selbst bitten aber heisst, das wisse man, ätzendes Salz in die Wunde streuen.

[438] 4344. (1914.) Welcher Mensch, der das Gute vom Schlechten zu unterscheiden vermag, vertreibt, wenn ein von Hagel begleiteter kalter Morgenwind bläst, sich den Frost durch (kaltes) Wasser?

4345. (1915.) Welcher Makel haftet an der Schwärze einer Wolke in der Regenzeit, da sie uns erwünschten Regen sendet? Wozu nützt, so sage doch, das glänzende Weiss einer Herbstwolke?

4346. Nur der Geber, nicht aber der Besitzer von Habseligkeiten ist den Menschen lieb: gern sehen die Leute die Wasser spendende Wolke nahen, nicht aber den Wasserbehälter, das Meer.

4347. (1916.) So lange mag im Herzen der Jungfrauen in Gegenwart ihrer Geliebten der Groll sich breit machen, als nicht der reine Frühlingswind mit dem Dufte des Sandels zu wehen beginnt.

[439] 4348. (1917.) Pfui über die Diener, unter denen, weil es ihnen um die Freuden des Dienstes, dieses Hundelebens, zu thun ist, der Herr, der die (von ihm beherrschte) Erde wie eine Buhldirne nur für einen Augenblick besitzt, sich auf eine angenehme, aber ungebührliche Weise vergnügt; die hochsinnigen Diener dagegen, die einen auf Abwege gerathenen Fürsten sogar mit Hintansetzung des eigenen Lebens bewahren, haben die Erde geläutert.

4349. (1918.) Nur Angenehmes soll man stets sowohl Edlen als auch Feinden sagen: wem ist der, der Liebes redet, nicht lieb wie der Pfau mit seiner süssen Stimme?

4350. (1919.) Man rede gefällig ohne kläglich zu thun, man sei ein Held ohne zu prahlen, man sei freigebig ohne Unwürdigen zu spenden, man lege Selbstvertrauen an den Tag ohne rauh zu sein.

4351. (1920.) Eines Geliebten Huldigung ohne Zuneigung, wenn auch von angenehmen Worten begleitet, macht auf Frauen einen eben so geringen Eindruck wie auf Kenner ein künstlich gefärbter Edelstein.

4352. (4599.) Das Spenden angenehmer Worte stellt Jedermann zufrieden; darum soll man nur solche reden und an Worten wird man niemals arm sein.

[440] 4353. (1921.) Unser Herz, das innerlich zittert, weil ihm die lange Reihe von Stürzen von des Stockes Spitze – die Unglücksfälle lieber Freunde – wohlbekannt ist, wird vom bösen Schicksal auf eine Scheibe gesteckt, wie Lehm in einen Klumpen verwandelt und von ihm wie von einem tüchtigen Töpfer in die Runde gedreht. Was das Schicksal daraus machen wird, wissen wir nicht.

4354. (1922.) Einen angemessenen Lebensunterhalt lieb zu haben; Schmutziges nicht leicht vollbringen zu können, selbst wenn die Lebensgeister zusammenbrechen wollten; Unedle nicht mit Bitten anzugehen; einen Armen, selbst wenn es ein Freund wäre, nicht um ein Almosen anzusprechen; im Unglück sich oben zu erhalten und in die Fussstapfen Hochgesinnter zu treten: wer hat diese schwierige Weise – fürwahr das Stehen auf der Schneide eines Schwertes – Edlen angezeigt?

4355. (4600.) Nur wenn es gilt den grossen Herrn zu spielen, ist ein angenehmes oder süsses Wort am Platz; gilt es aber die Wohlfahrt zu schützen, dann bilden harte Worte, die die Klugheit eingiebt, die Richtschnur.

4356. (1923.) Mittels solcher, die dem König lieb und auf sein Wohl[441] bedacht sind, vor Allem aber solcher, deren Wort Etwas gilt, soll ein Verständiger an den Fürsten zu kommen suchen, nimmer auf andere Weise.

4357. Ueber etwas Angenehmes soll man sich nicht allzu sehr freuen, über etwas Unangenehmes sich nicht betrüben und bei Widerwärtigkeiten sich nicht dem Schmerz hingeben, wohl aber soll man das Wohl der Menschen vor Augen haben.

4358. Der Eine ist uns lieb wegen seiner Freigebigkeit, der Andere wegen der angenehmen Worte, die er spricht; selten aber trifft man Jemanden an, der etwas Unangenehmes aber Heilsames sagen oder hören möchte.

4359. (1924.) Der Eine ist uns lieb wegen seiner Freigebigkeit, ein Anderer wegen der angenehmen Worte, die er spricht, ein Dritter wegen der Macht seiner Zauberei: wer uns lieb ist, ist uns lieb.

4360. (4601.) Der Eine ist uns lieb wegen seiner Freigebigkeit, ein Anderer wegen der angenehmen Worte, die er spricht, ein Dritter wegen der heiligen Lieder, Opfer und Gebete: irgend eines Zweckes wegen lieben Einen die Menschen.

4361. Ein gerechter und unerschrockener Fürst ist den Unterthanen lieb und zu ihm fassen alle Unterthanen Vertrauen, o Bhârata!

[442] 4362. (1925.) Ein Gast, der am Schluss eines Opfers für alle Götter eintrifft, geleitet dich zum Himmel, er sei Freund oder Feind, ein Dummer oder ein Kluger.

4363. (1926.) Wer den Vater durch gutes Betragen erfreut, der ist ein Sohn; wer auf des Gatten Wohl bedacht ist, die ist ein Eheweib; wer im Unglück und Glück sich gleich benimmt, der ist ein Freund: wer in der Welt Gutes thut, wird dieser drei theilhaftig.

4364. (4602.) Sagt man »ich liebe dich und du liebst mich«, so ist dieses eine herkömmliche Redensart; sagt man »du bist mein Lebenshauch und ich wiederum der deinige«, so sind dieses, sieh, nur leere Worte; sagt man »du bist mein und ich bin dein«, so ist auch dieses, o Râdhâ, nicht schön: wenn wir zu einander reden, ziemt es sich ja weder »du« noch »ich« anzuwenden (d.i. du und ich sind in Eins verschmolzen).

4365. (1927.) Wer auf eine ungereimte Aeusserung seines Gebieters[443] Nichts erwiedert und in seiner Nähe nicht laut lacht, der ist des Fürsten Liebling.

4366. (1928.) Wenn in dieser Jahreszeit, die durch den aufgehenden üppigen Prijañgu Glanz erhält, in der die Bienen in den aufbrechenden Jasminblüthen schwelgen und in der in Folge des vielen Reifes und Windes strotzende Mandâra-Guirlanden zur Blüthe gekommen sind, wenn, so sage ich, in dieser Jahreszeit eine Gazellenäuge mit ihrem vom kalten Nebel erzitternden Busen nicht einmal einen kurzen Augenblick am Halse der Jünglinge hängt, dann verstreicht diesen die lange Nacht so träge wie in Jama's Behausung.

4367. (1929.) Wen die Tugend leicht macht, der schwimmt in der Welt oben auf wie ein Schiff auf dem Wasser; wen aber die Sünde schwer macht, der geht unter wie ein Dolch, der in's Wasser fiel.

4368. (1930.) In jedem Walde hängen Früchte an den Bäumen, die man ohne Mühe nach Herzenslust brechen kann; an jedem Orte findet sich in reinen Strömen kühles und süsses Wasser und ein aus jungen Schossen schöner Lianen gebildetes, weich anzufühlendes Lager: dessenungeachtet ertragen elende Menschen Qualen an der Reichen Thüren!

[444] 4369. (1931.) Wenn auch die Frucht des Kataka (trübes) Wasser klar macht, so wird doch dieses durch die blosse Nennung der Frucht noch nicht klar.

4370. Frucht und Blüthe trägt Mitleid, Reichthum und Glanz bringt des Fürsten Gnade, Wohlstand und Ruhm bewirkt ein guter Sohn, Genuss und Erlösung ein reines Gesetz.

4371. (1933.) Der Tugend Frucht ist der Reichthum, des Reichthums Frucht das Wohlbehagen, des Wohlbehagens Wurzel aber sind die Schlankgliedrigen; woher käme das Wohlbehagen, wenn diese nicht wären?

4372. (1934.) Früchte genügen zum Mahle, süsses Wasser zum Trunke, auf dem Erdboden hat man ein Lager und Bast giebt die Gewänder: nicht vermag ich die Zügellosigkeit der schlechten Menschen zu billigen, denen alle Sinne in Verwirrung gerathen sind vom Genüsse des Weines – des Bischens Geld.

4373. Die Blüthe ist die Ursache der Frucht und die Frucht vernichtet die Blüthe: die guten Werke sind die Ursache des Gesetzes (des wahren Glaubens) und das Gesetz (der wahre Glaube) vernichtet die guten Werke.

[445] 4374. (1935.) Wie Vögel einen dürren Baum verlassen um anderswohin zu ziehen, so Diener einen Fürsten, wäre dieser auch von edlem Stamme und hoher Stellung, wenn er keine Früchte trägt (keinen Lohn zahlt).

4375. (1936.) Ein Fürst, dem es um Früchte zu thun ist, pflege seine Unterthanen, wie ein Gärtner seine jungen Pflanzen, mit dem Wasser, das man Spenden, Ehren und dergleichen mehr nennt.

4376. (4603.) Wenn ein Mensch, der von Früchten, von Wurzeln, von Wasser oder Wind sich nährt, oder auch gar Nichts geniesst, dessen Herz aber von Zuneigung, Hass und andern Leidenschaften bewegt wird, schon ein Heiliger wäre, welcher Unterschied bestände dann, o Çiva, Çiva, zwischen ihm und Affen, Ebern, Fischen, Schlangen und Bergen, die ja dieselbe Lebensweise befolgen?

4377. (4604.) Da der Leib einfach dem Schaume gleicht, da die Seele wie ein Vogel daselbst haust und da das Zusammensein mit Liebem von keinem Bestand ist, wie kommt es dann, o lieber Sohn, dass du schläfst?

4378. (2695.) Wie ein Reiher denke der (Fürst) über seine Angelegenheiten[446] nach, wie ein Löwe trete er muthig auf, wie ein Wolf falle er über seine Beute her und wie ein Hase mache er sich aus dem Staube.

4379. (1938.) Welcher thörichte Mensch stürzt sich von freien Stücken in ein Feuer, das den Weg der Vögel (den Luftraum) versperrt (hoch auflodert), keinen Rauch zeigt und unter allen Umständen grosse Gefahren bietet?

4380. Wer liegt in Fesseln? Der an der Sinnenwelt hängt. Was ist Erlösung? Gleichgiltigkeit gegen die Sinnenwelt. Was ist eine fürchterliche Hölle? Der eigene Leib. Ist (nicht) das Schwinden des Verlangens der Grund, dass man zum Himmel gelangt?

4381. (4606.) Ein Elephant vermag, obgleich er in der Gefangenschaft lebt, Tausende zu ernähren; ein Hund ist, obgleich er frei umherläuft, nicht im Stande seinen eigenen Bauch zu füllen.

4382. (4607.) Es giebt bekanntlich viele Arten von Fesseln; die Liebe nennt man eine Fessel, die so stark ist wie ein Strick: eine Biene, die sogar Holz zu durchbohren versteht, muss im Kelch einer am Tage blühenden Wasserrose (wenn er sich am Abend schliesst) sich der Unthätigkeit überlassen.

[447] 4383. (4608.) Hängt das Herz an der Sinnenwelt, so wird es gefesselt; entsagt es der Sinnenwelt, dann wird es erlöst: das Herz ist die Ursache der Fesselung wie der Erlösung der Menschen.

4384. (1939.) Wer ist wohl ein Freund der Bösen? Wer geräth nicht in Zorn, wenn man ihn zu sehr mit Bitten bestürmt? Wer wird nicht übermüthig durch Reichthum? Wer ist nicht zu schlechten Werken geschickt?

4385. (4609.) Betrachtet man diese drei: das Verlassen eines Freundes, das Verlassen des Körpers (das Sterben) und das Verlassen des Landes, so sind das erste und letzte mit langen Leiden verbunden, das zweite dagegen bereitet nur einen augenblicklichen Schmerz.

4386. Sogar ein Verwandter, der auf Schaden sinnt, ist unser Feind und muss gemieden werden; wer uns dagegen einen Dienst erweist, ist unser Freund, er mag uns zugethan sein oder nicht.

4387. (1940.) Was an seiner Freunde, seines Weibes, seiner Dienerschaft[448] und was an seinem eigenen Verstande und Muthe ist, lernt der Mensch am Probirstein des Unglücks kennen.

4388. (4610.) Der Brahmanen Macht ist Wissen, der Krieger Macht – ein Heer, der Vaiçja Macht – Reichthum, der Çûdra Macht – hohes Alter.

4389. Der Buhldirnen Macht ist der Anzug, der Weiber Macht die Jugend, der Fürsten Macht die Majestät, der Kinder Macht das Weinen.

4390. Bei den Kriegern richtet sich, wie es heisst, der Vorrang nach der Macht, bei den Brahmanen nach (der Kenntniss von) heiligen Liedern, bei den Vaiçja nach dem Besitz, bei den Çûdra aber nach dem Lebensalter.

4391. Der Hausväter Macht ist die Tugend, der Diener Macht Fürstendienst, der Lobenden Macht das Loblied, der Brahmanenschüler Macht die Keuschheit.

4392. (4611.) Auch die Reiterei ist eine Macht unter den Truppen, weil sie eine bewegliche Mauer ist; darum siegt ein an Reiterei überlegener Fürst in einem Kampfe auf festem Lande.

[449] 4393. (4612.) Erfahre von mir, welche fünf Arten von Mächten den Menschen eigenthümlich sind: was die Macht der Arme betrifft, so bezeichnet man diese als die geringste Macht.

4394. (1613.) Die Gewinnung eines Ministers (es ergehe dir wohl) nennt man die zweite Macht; die Gewinnung von Reichthümern aber bezeichnen Weise als dritte Macht.

4395. (4614.) Die Einem angeborene Macht aber, o Fürst, die vom Vater und Grossvater überkommene, ich meine die Macht der edlen Abstammung, wird für die vierte Macht angesehen.

4396. (4615.) Als die Macht aber, o Bhârata, welche alle jene in sich schliesst und die vorzüglichste der Mächte ist, bezeichnet man die Macht des Verstandes.

4397. (1949.) Wenn ein Fürst von einem Mächtigen angegriffen wird, dann soll er, wenn er keinen andern Ausweg hat, in seiner Noth um Frieden anhalten und hierbei Zeit zu gewinnen suchen.

4398. (1941.) Wer einen mächtigen Feind erblickt, muss, wie man weiss, sich verbergen; Mächtige aber sollen wie der Herbstmond ihren Glanz entfalten.

[450] 4399. (1942.) Wer beim Anblick eines mächtigen Feindes sein Land verlässt, gelangt, wenn er am Leben bleibt, wie Judhishṭhira wieder in den Besitz seines Reiches.

4400. (1943.) Wer einen mächtigen Feind erblickt, wahrt ja, wenn er klug ist, sogar mit dem Opfer seiner ganzen Habe das Leben: dadurch, dass er dieses wahrt, kommt auch die Habe zurück.

4401. (1944.) Wem erscheint nicht sogar ein Mächtiger, wenn er nicht seinen Glanz entfaltet, als Gegenstand der Geringschätzung? Sieh, die Leute setzen ohne Bedenken den Fuss auf einen Aschenhaufen.

4402. (4616.) Die mächtigen Sinne werden als Feinde der Menschen betrachtet und von der Wissenschaft weiss man, dass sie, einer Waffe gleich, diese zu bändigen vermag.

4403. (1945.) Thut gewaltsam Böses und dieses soll als von euch nicht gethan angesehen werden, da Manu alle gewaltsam verübten Dinge für nicht gethan erklärt hat.

[451] 4404. (1946.) Auch ein Mächtiger vermag selbst Schwachen Nichts anzuhaben, wenn sie zusammenhalten, eben so wenig wie ein Sturmwind, der Feind der Bäume, diesen, wenn sie zusammenstehen.

4405. Einem (natürlichen) Feinde (d.i. einem unmittelbar angrenzenden Fürsten), der von einem mächtigen Gegner angegriffen wird, soll man, wenn er in Noth ist, Hilfe gewähren, da man sonst den eigenen Untergang befürchten muss.

4406. Wenn nämlich durch die Vernichtung eines (natürlichen Feindes) ein neuer Feind entsteht, dann darf man die Vernichtung jenes Feindes nicht wünschen, sondern muss ihn vielmehr für sich gewinnen.

4407. (4617.) Einen Kampf mit einem Mächtigern heisst man, o Fürst, niemals gut: wie sollte der, welcher sich in einen Kampf mit einem Mächtigern einlässt, zur Herrschaft oder zur Freude gelangen?

4408. (1947.) Dafür dass man mit einem Mächtigern kämpfen müsse, giebt es keinen Beleg: zieht doch eine Wolke niemals gegen den Wind.

[452] 4409. Wer den sechsten Theil als Abgabe erhebt und diese Abgabe geniesst ohne die Unterthanen nach Gebühr zu schützen, der ist ein Räuber von Fürst.

4410. (1950.) Ein Schwacher suche, wenn ihm sein Wohl am Herzen liegt, selbst in Gedanken keinen Streit mit einem Mächtigern: wer wie ein Rohr sich schmiegt, erliegt ja nimmer hier auf Erden, während der zu Grunde geht, der wie eine Lichtmotte verfährt.

4411. (1951.) Von denen, die vor einem Mächtigern sich beugen und zur rechten Zeit dreinschlagen, weicht das Glück nimmer; fliessen doch auch Flüsse nicht bergan.

4412. (4618.) Unter den Truppen eines Fürsten steht der Elephant, wie kein Anderer, oben an: es heisst von ihm, dass er schon an seinen eigenen Körpertheilen (den Füssen, den Fangzähnen, dem Rüssel und der Stirn) acht Waffen habe.

[453] 4413. (4619.) Mit einem an Macht Ueberlegenen, einem Schlechten und keine Schranken Kennenden wird weder Bündniss noch Krieg empfohlen; ein alsbaldiger Angriff ist hier allein am Platz.

4414. (1952.) Ein vernünftiger Mann wird ja, wenn er auch mit Macht ausgerüstet ist, nimmer selbst einen Andern zu Feindseligkeiten antreiben: welcher Verständige möchte wohl in dem Gedanken, dass er einen Arzt hat, ohne Veranlassung Gift verzehren?

4415. (1953.) Wenn sich viele gemeine Geschöpfe, die alle von Hinterlist leben, zusammenthun, so können sie sogar Unrecht zu Recht machen, wie es die Krähe und ihre Genossen mit dem Kamele machten.

4416. (1953.) Wenn viele gierige Thoren, die von Hinterlist leben, sich zusammenthun, können sie einem Schuldlosen, hätte er auch Brhaspati's Einsicht, eine Schuld anhängen.

4417. (4620.) Es sind viele Gute in der Welt, die die rechte Pflicht[454] ausübten, durch die Schuld Anderer mitsammt ihrem Gefolge zu Grunde gegangen.

4418. (1954.) Mit Vielen zugleich soll man sich nicht in einen Streit einlassen, da ein grosser Trupp schwer zu besiegen ist: Ameisen verzehren eine mächtige Schlange, sie mag sich noch so sehr winden.

4419. Ein Reich, in dem viele Führer, die sich alle für klug halten, insgesammt nach der Herrschaft streben, geräth in Noth.

4420. (4621.) Es sind viele Fürsten ob ihres ungesitteten Benehmens mitsammt ihrem Gefolge zu Grunde gegangen, und Waldbewohner haben die Fürstenwürde erlangt in Folge ihres gesitteten Benehmens.

4421. (1955.) Von Klugen ausgedachte und mit Vielen vielfach überlegte und wohl erwogene Anschläge werden nimmer zu Schanden.

4422. (4622.) Mit vielem Verstande Begabte und mit richtigem Urtheile Ausgerüstete können ihnen an Kraft Ueberlegene hintergehen, wie jene Schelme einen Brahmanen um seinen Ziegenbock betrogen.

[455] 4423. (1956.) Viele Scharen von Thoren, die nach Art des Viehes zusammenleben, verdunkeln alles Treffliche, wie Wolken die Sonne.

4424. (4623.) Die Vereinigung vieler (schwacher) Geschöpfe vermag einen (starken) Feind zu besiegen: einer regenschwangeren Wolke wehrt man sogar mit Strohhalmen.

4425. (1957.) Die Vereinigung Vieler, seien sie auch noch so unbedeutend, bringt Kraft: aus Gräsern windet man einen Strick, mit dem man sogar einen Elephanten bindet.

4426. (1958.) Wer viele Feinde hat, ist in grosser Angst wie eine Taube inmitten von Falken: welches Weges er auch gehe, überall stürzt er alsbald in's Verderben.

4427. (1959.) Ein Hund kann viel essen, ist aber auch mit überaus[456] Wenigem zufrieden, schläft gut, kommt schnell zur Besinnung, ist seinem Herrn ergeben und muthig; diese sechs Vorzüge erkenne man beim Hunde an.

4428. Mit einem Pfeilregen überschüttet stehen Fürsten in der Schlacht ohne zu wanken und grosse Asketen können im Kampfe mit den Seitenblicken der Weiber nicht standhaft bleiben!

4429. Wenn es in der Welt allgemein heisst, dass der Liebesgott nur fünf Pfeile habe und dass unzählige Menschen, meist nur von unseres Gleichen (d.i. Männer), deren Ziel bilden, so hat sich dieses jetzt bei dir (o Liebesgott) als umgekehrt erwiesen, da ich Verliebter, von unzähligen Pfeilen getroffen, aller Zuflucht bar durch dich in Fünfe verwandelt worden bin (in die fünf Elemente aufgelöst d.i. getödtet worden bin).

4430. Wenn Frauen lange bei den Verwandten weilen, so bringt ihnen dieses keinen Ruhm; es ist der Verwandten Wunsch, dass die Frau im Hause des Gatten wohnt.

4431. Schon als Knabe soll man Tugend üben, da das Leben, wie man weiss, von keinem Bestand ist: wie reife Früchte sind wir stets in Gefahr zu fallen.

[457] 4432. Der Knabe denkt meist nur an's Vergnügen, der Jüngling meist nur an die Geliebte, der Greis ist meist in Sorgen versunken; darum klammert sich, o Weh, Niemand an die Tugend.

4433. (4624.) Ein Weib, es sei Kind, Jungfrau oder Greisin, darf sogar im Hause keine Angelegenheit eigenmächtig vollbringen.

4434. Freundschaft mit einem Knaben, grundloses Lachen, Streit mit Weibern, Dienst bei schlechten Menschen, das Reiten auf einem Esel und ungebildete Rede, durch diese sechs Dinge kommt ein Mann um sein Ansehen.

4435. (4625.) Der Knabe ist ganz dem Spiel, ergeben, der Jüngling geht ganz in der Liebe zur Jungfrau auf, der Greis ist ganz in Sorgen versunken: an das höchte Brahman hat sich Niemand geklammert.

4436. (1961.) Da ja ein Knabe (auf dem Throne) keine Macht besitzt, so mögen die Unterthanen nicht für denselben kämpfen: wer kämpft wohl für einen Andern, wenn dieser nicht im Stande ist selbst zu kämpfen?

[458] 4437. (1962.) Selbst der jugendlichen (vor Kurzem aufgegangenen) Sonne Füsse (Strahlen) lassen sich auf Fürsten (Berge) nieder: was bedarf es des Alters bei solchen, die schon mit Glanz zur Welt kamen?

4438. (1963.) Nachdem sie Kindern, einer beim Vater wohnenden verheiratheten Tochter, Alten, Schwangeren, Kranken, Jungfrauen, Gästen und Dienern zu essen gegeben, sollen Mann und Frau das Uebrige essen.

Stenzler.

4439. (1964.) Selbst von einem Kinde, so haben die Weisen erklärt, soll man das Rechte annehmen: erhellt die Lampe denn nicht, wenn die Sonne nicht da ist?

4440. Selbst von einem Knaben darf man Gutes annehmen, sogar von einem Unreinen Gold, sogar von einem Niedrigen die höchste Wissenschaft, sogar aus schlechter Familie eine Perle von Weib.

4441. Wer seine Sinne besiegt hat, schaut auf ein junges Mädchen wie auf die Tochter seines Lehrers, auf eine ganz Erwachsene wie auf seine Schwester, auf eine alte Matrone wie auf seine Mutter.

[459] 4442. (4626.) Ein thörichter Mann, der stets sich dem Kleinmuth hingiebt, versinkt willenlos in Trauer, wie ein überladenes Schiff im Wasser.

4443. (1965.) »Mädchen!« »Gebieter!« »Lass fahren den Groll, o Schmollende«! »Was habe ich im Groll begangen?« »Er stimmt mich trübe.« »Du hast mir Nichts zu Leide gethan, alle Beleidigungen kommen auf meinen Theil.« »Warum weinst du denn mit schluchzender Stimme?« »Vor wem weine ich?« »Doch wohl vor mir.« »Was bin ich dir?« »Geliebte.« »Nicht bin ich es, darum weine ich.«

4444. (1966.) Wozu schliessest du, o Mädchen, spielend die Augen und wirfst uns diese schönen Blicke zu? Lass ab, lass ab! Vergeblich ist dieses dein Bemühen! Jetzt sind wir Andere geworden: die Thorheit der Jugend ist dahin, nach dem Walde geht unser Sinnen und Trachten, die Verblendung ist geschwunden, auf das Netz der Welt blicken wir wie auf einen Grashalm.

4445. Wer mit Kindern, Alten, Kranken, Schwachen, des Amtes Entsetzten, Schutzlosen, von Krankheit Heimgesuchten und Zufluchtlosen kein Mitleid hat, der ist kein Mensch.

[460] 4446. (1967.) Einen Fürsten darf man, selbst wenn er noch Kind ist, nicht als gewöhnlichen Menschen betrachten und ihn darum geringschätzen: er ist eine grosse Gottheit in Menschengestalt.

4447. (4627.) Den Lohn für das Gute oder Böse, das man als Knabe, Jüngling oder Greis vollbringt, erlangt man auf derselben Altersstufe (im künftigen Leben).

4448. (1968.) Wer in's Haus tritt, er sei Kind, Greis oder Jüngling, dem muss Ehre erwiesen werden: der Gast ist überall und immer ehrwürdig.

4449. (4628.) Mit einem Knaben (s. Spr. 4436), mit einem Greise und[461] einem Siechen (s. Spr. 1223), mit einem von den Blutsverwandten Verstossenen mit einem Feigling und einem von Feiglingen Umgebenen, mit einem Habsüchtigen und einem von Habsüchtigen Umgebenen,

4450. (4629.) mit einem von den Unterthanen nicht Geliebten und einem an Sinnengenüssen zu sehr Hängenden, mit Einem, der im Rathe viele Meinungen hat (s. Spr. 330), mit einem Verächter der Götter und Brahmanen,

4451. (4630.) und einem vom Schicksal Geschlagenen, mit einem Fatalisten, mit einem der mit Hungersnoth zu kämpfen hat oder dessen Heer sich in Unordnung befindet (s. Spr. 2872),

4452. (4631.) mit Einem, der nicht in seiner Heimath sich befindet (s. Spr. 200), mit Einem, der viele Feinde hat (s. Spr. 4426), mit Einem, der nicht die rechte Zeit benutzt (s. Spr. 22) und mit Einem, der von Wahrheit und Recht gewichen ist, mit diesen zwanzig Personen

4453. (4632.) sollen wir kein Bündniss schliessen, sondern nur kämpfen, da diese, wenn sie bekämpft werden, sicher in kurzer Zeit in unsere Gewalt gelangen.

4454. (1969.) Ein Weib darf nicht über sich selbst verfügen: in der Kindheit steht es in der Gewalt des Vaters, in der Jugend in der des Gatten, nach des Gatten Tode in der der Söhne.

4455. 4456. (4985. 4986.) Hat man dem Feinde eine starke Beleidigung, die einem Siege gleich erachtet wird, erwiedert, wie ein Berg auf eines Brüllers tiefes Gebrülle wiederhallt, dann bringt man mit seinen Thränen[462] den Leiden und Freuden die letzte Spende und verlässt sicher nach erreichtem Ziele ein Leben, das die erlittene Beschimpfung schon vernichtet hatte.

4457. (4633.) Der Arme Kraft ist des Kriegers Macht; ein Brahmane ist mächtig, wenn er den Veda kennt; der Schönheit und der Jugend Anmuth ist der Weiber höchste Macht.

4458. (1970.) Der Schöpfer hat einen reizenden See zum Baden für die durch das Feuer der Pfeile des Liebesgottes Versengten geschaffen: die Arme der Geliebten sind die fasrige Lotuswurzel, ihr Antlitz ist die Lotusblüthe, das Wasser darin erscheint als Anmuth, ihre Lenden sind die zum Wasser führenden Stufen, ihre Augen die Fische Çaphara, ihr aufgewundenes Haar die Vallisneria und ihr Busen das Ḱakravâka-Pärchen.

4459. Leute, die sich (in die Gañgâ) stürzen um nach oben (in den Himmel) zu gelangen, erinnern uns (durch die Stellung der Körpertheile) oben und unten unwillkührlich an einen Ziegenbock, der sich zum Kampf anschickt.

4460. (1971.) Was das Mädchen, den neuen Pfeil, Liebe genannt, den du, o Guter, ihm in's Herz gesenkt hast, tragend, thut, wenn es von dir getrennt[463] ist, mögest du vernehmen: es liegt darnieder, verdorrt, vergeht, schwatzt Allerlei, wird welk, zittert, taumelt, wälzt sich, schwindet dahin, fällt um, kommt wieder zur Besinnung und geht aus den Fugen.

4461. (2831.) Vorher gewahrte man die rothe Flamme, o Schlanke, nur auf deiner Bimba-Lippe, jetzt gewahrt man sie o Gazellenäugige, auch in deinem Herzen.

4462. (1972.) Wenn eine Wolke regnet, keimt der Same, quellen die Flüsse, bricht die Schlingpflanze hervor, schlagen die Bäume aus und freuen sich die Menschen. O Bruder Kâtaka, du musst irgend Etwas, doch wissen wir nicht genau was, verbrochen haben, dass nicht wenigstens zwei, drei Tropfen Wasser in die Höhlung dieses deines Schnabels fallen.

4463. (1973.) Erscheint die Sinnenwelt nicht widerlich und dennoch währt das Verlangen nach ihr, so lange man lebt! Des Körpers Abnahme kommt zum Bewusstsein und dennoch klammert man sich fest an das Haus! Wenn auch im Herzen der Gedanke, dass man das Brahman verehren müsse, auftaucht, so drängt doch eine falsche Vorstellung ihn wieder zurück! Was ist dies doch für eine unbegreifliche und unergründliche Qual, die das Schicksal Edlen auferlegt hat?

[464] 4464. (1974.) »Die Sinnenwelt ist widerlich, der Körper erregt Nichts als Abscheu, die Jugend ist vergänglich, das Zusammentreffen mit Befreundeten hat wie das mit Reisenden auf der Landstrasse Trennung zur Folge: diese durchaus eitele und Einen anwidernde Welt muss man aufgeben.« Solche und ähnliche Gedanken sind wohl in Jedermanns Munde, aber nur bei diesem oder jenem Tugendhaften im Herzen.

4465. (4634.) Wie sollte der Nahrungssorgen befürchten, welcher Verstand, Macht, Feuer, Muth, Thätigkeit und Entschlossenheit besitzt?

4466. (1975.) Wie dürfen diejenigen, die von ihrer Weisheit leben, auf ihre Klugheit stolz sein? Mit Schmuck, den man Andern abtreten muss, darf man sich nicht brüsten.

4467. (4635.) Einen klugen, einsichtigen, lernbegierigen, nicht murrenden, sanften und seine Sinne zügelnden Mann trifft kein Kummer.

4468. (4636.) Dem, der das Glück hat, wird Freude zu Theil, er sei klug oder thöricht, muthig oder feig, dumm oder weise, schwach oder stark.

[465] 4469. (1976.) »Dieser ist klug, jener zugethan, dieser nicht anhänglich, jener dumm.« Ein Fürst, der auf diese Weise die Diener abzuwägen versteht, hat Diener im Ueberfluss.

4470. (4637.) Kluge, schöne, mit Vorzügen ausgestattete, lange lebende und mit den Wissenschaften vertraute Söhne erlangt Jedermann durch die guten Werke, die er in einem früheren Leben vollbrachte.

4471. (1977.) Bei Furchtsamen liegt die Stärke in der Klugheit, nicht im Muth: ein schüchternes Häschen brachte einst einen muthigen Löwen um's Leben.

4472. (1978.) Ein Fürst ist ein absonderlicher Mensch, der die Einsicht zur Waffe, die verschiedenen Glieder des Staates zu seinen Gliedern, tiefes Geheimniss zum Panzer, Späher zu Augen und einen Abgesandten zum Munde hat.

[466] 4473. (1979.) Durch Umgang mit Niedrigen schwindet die Einsicht, durch Umgang mit Mittelmässigen wird sie mittelmässig und durch Umgang mit den Besten erreicht sie den höchsten Grad.

4474. (4638.) Die Werke des Verstandes sind die besten, die der Arme stehen in der Mitte, die der Beine sind die schlechtesten, aber noch tiefer steht das Tragen von Lasten.

4475. (1980.) Da die Wahrheit ausserhalb des Bereichs des Verstandes liegt, so finden sich keine Worte für sie; die vom Lehrer gepredigte Weisheit über allgemein bekannte Dinge liegt weit von ihr ab: allmählich aber setzt sie sich in dem durch Mitleid und andere Tugenden geläuterten Herzen Gläubiger von selbst fest.

4176. (1981.) Es giebt Nichts in der Welt, was dem Verstande Verständiger nicht erreichbar wäre, da Ḱâṇakja mit seinem Verstande die mit Schwertern bewaffneten Nanda schlug.

[467] 4477. (1982.) Ist der Verstand bei bevorstehendem Untergange getrübt, so weichen die dummen Anschläge, als klug erscheinend, nicht aus dem Sinne.

4478. (1983.) Und Schaden tritt in der Gestalt von Nutzen, und Nutzen in der Gestalt von Schaden hervor zum Verderben des Menschen, und solches gefällt ihm sicher.

4479. Was bleibt noch dem Verstande zu erkennen übrig? Das recht leicht zu erkennende in vollkommener Ruhe bestehende Heil. Was muss man kennen, damit die Welt verstanden werde? Das Alles in sich enthaltende Brahman, die erste Erscheinungsform.

4480. Wenn man es weiss, ziemt es sich nicht, o Fürst, sich still zu verhalten; darum will ich reden: auch unaufgefordert soll man ja reden, wenn es Einem um seines Herrn Wohl zu thun ist.

4481. Wenn ein Thörichter, trotz der Erkenntniss der unbedingten Widerlichkeit der Dinge, seine Gedanken von Neuem auf dieselben richtet, dann ist er kein Mensch, sondern ein Esel.

4482. (1984.) Welche Missethat begeht nicht ein Hungriger? Menschen in Noth kennen kein Mitleid. Sage, o Beste (Eidechse), dem Prijadarçana (der Schlange), dass Gañgadatta (der Frosch) nicht wieder in den Brunnen kommt.

[468] 4483. (1984.) Welche Missethat begeht nicht ein Hungriger? Menschen in Noth kennen kein Mitleid, da all ihr Thun auf die Erhaltung des Lebens gerichtet ist: was Gute nicht billigen, das billigen sie.

4484. Hungrige verspeisen keine Grammatik, Durstige schlürfen nicht den Saft der Poesie und kein Metrum hat ein Geschlecht in die Höhe gebracht: scharre nur Geld zusammen, brodlos sind die Künste.

4485. (1985.) Auch ein Winziger gelangt zum Ziel, wenn er einen mächtigen Gefährten hat: ein Gebirgsbach erreicht das Meer, wenn er sich mit einem grossen Strome vereinigt.

4486. (1986.) Selbst dem Brhaspati schenkt ein Kluger nicht sein Vertrauen, wenn es ihm um Gedeihen, langes Leben und Freuden zu thun ist.

4487. (1987.) Bṛhaspati's Lehrbuch spricht sich entschieden dahin aus,[469] dass man Niemanden trauen dürfe, und so sei (der Fürst) misstrauisch wie ein Geschäftsmann.

4488. (1988.) Die Kenner werden von Neid verzehrt, die Gebieter sind mit Hochmuth befleckt, die Uebrigen mit Dummheit geschlagen: die schönen Worte habe ich im eigenen Leibe verdaut (so v.a. unterdrückt).

4489. (1989.) Von Almosen Lebende betteln nicht, sondern mahnen in jedem Hause daran, dass man dem Bettler Etwas geben müsse, denn dieses ihr Los sei der Lohn des Nichtgebens.

4490. (4639.) Brahmanen, Kshatrija, Vaiçja und Çûdra heissen die Menschen nach der Kaste, in der sie geboren wurden; wenn aber eben diese ihrem Geschlecht entsprechende Vorzüge besitzen, dann sagt man, dass sie von edlem Geschlecht seien.

4491. (1991.) Wenn Männer reines Geistes, die durch die Erkenntniss[470] des Brahman die richtige Einsicht gewonnen haben, ihren Reichthum, obgleich er ihnen zum Genuss verhilft, aufgeben und allen Gelüsten vollständig entsagen, so vollbringen sie fürwahr ein schweres Werk; wir dagegen sind nicht im Stande einen Reichthum fahren zu lassen, den wir weder früher besessen haben, noch im Augenblick besitzen und auf dessen künftigen Besitz wir auch nicht mit Sicherheit bauen können, ja nicht einmal einen solchen Reichthum, der nur in so fern, als wir ihn uns wünschen, unser heissen kann.

4492. (4640.) Brahmanenmord, Branntweintrinken, Diebstahl, Ehebruch mit der Frau des Lehrers und Verkehr mit denen (die jene Sünden begingen) nennt man die grossen Sünden.

4493. Einen Brahmanenmörder, einen Branntweintrinker, einen Dieb und Einen, der das Bett des Lehrers schändet, alle diese insgesammt und jeden Einzelnen erkenne man für Männer, die eine grosse Sünde begehen.

4494. (1992.) Sogar ein Brahmanenmörder wird geehrt, wenn er ein grosses Vermögen besitzt; ein Mann, sei er auch desselben Stammes wie der Mond, wird geringgeschätzt, wenn er arm ist.

4495. Ein Brahmanenmörder, ein Branntweintrinker, ein Dieb und Einer, der das Bett des Lehrers schändet, diese machen sich einer grossen Sünde schuldig, desgleichen auch die Verräther.

[471] 4496. (1993.) Kann ein Fleck Erde in der grossen Welt einen Verständigen in Unruhe versetzen? Geräth das Meer jemals in Aufregung durch die raschen Bewegungen der kleinen Capharî?

4497. (1994.) Ich verbeuge mich vor dem Schicksal, welches Brahman wie einen Töpfer im Topfe, Welt genannt, festhält, welches Vishnu in eine ungeheure Enge geschleudert hat, aus der er wegen der zehn Verkörperungen nicht wieder herauszukommen vermag, welches Çiva gezwungen hat um Almosen zu bitten in die Höhlung seiner Hand mit dem Menschenschädel, welches die Sonne ohne Unterlass am Himmel zu kreisen heisst.

4498. (1995.) Es giebt eine Erkenntniss, die allein die höchte ist und die, wenn sie von selbst aufgegangen ist, sich weiter entfaltet. Wer sich in[472] dieser Erkenntniss befindet, der achtet Brahman und die Schar der andern Götter mit Indra an der Spitze einem Grashaufen gleich; wer sie gekostet hat, dem erscheint alle Macht, wie die Herrschaft über die Dreiwelt und dergleichen, geschmacklos. Finde, o Bester, keinen Gefallen an einem andern schnell vorübergehenden Genuss.

4499. Die Eigenthümlichkeit der Brahmanen ist Nachsicht, die der Krieger – in Noth Gerathene zu schützen, die der nach Erlösung Strebenden – Ruhe des Gemüths, Zank und Streit bezeichnet man als die Eigenthümlichkeit der Râkshasa.

4500. (1996.) Einen Brahmanen, einen Krieger und einen Verwandten empfiehlt man nicht, zu einem Amte: ein Brahmane giebt sogar bereit liegendes Geld, trotz der Mühe, die man sich giebt, nicht heraus;

4501. (1997.) ein Krieger, der beim Geldwesen angestellt ist, zeigt sicherlich das Schwert; ein Verwandter bemächtigt sich in Folge seiner Verwandtschaft alles Geldes und verschlingt es.

4502. (4641.) Ein Brahmane, der unerlaubte, zum Verlust der Kaste führende Handlungen verübt, der ein Heuchler ist und Verstand zu Missethaten besitzt, ist einem Çûdra gleich.

4503. (4642.) Einen Çûdra dagegen, der beständig Selbstbeherrschung, Wahrheit und Gerechtigkeit sich angelegen sein lässt, halte ich für einen Brahmanen, da er seinem Betragen nach ein Zweimalgeborener ist.

[473] 4504. (4643.) Einen zehnjährigen Brahmanen und einen hundertjährigen Fürsten sehe man als Vater und Sohn an, und zwar so, dass der Brahmane unter ihnen der Vater ist.

4505. (4644.) Nur ein Brahmane kennt den Brahmanen, nur ein Gatte die Frau, nur ein Fürst den Minister und nur ein Fürst den Fürsten.

4506. Des Brahmanen Askese ist das Wissen, des Kriegers Askese das Schützen, des Vaiçja Askese das Gewerbe, des Çûdra Askese der Dienst.

4507. (1998.) Eines gleichgiltigen Brahmanen Opferbutter rauben die Raben und eines Tigers leere Hütte zertritt ein gemeiner Schakal.

4508. Brahmanen sind an den Füssen rein, Kühe am Rücken, Ziegen und Pferde am Maule, Weiber aber an allen Theilen des Körpers.

4509. (1999.) Brahmanen soll man nicht geringschätzen, da ihr Fluch schwer zu tragen ist: König Parîkschit gerieth durch eines Brahmanen Zorn in des Schlangendämons Takshaka Feuer.

[474] 4510. (4645.) Gegen die Brahmanen geduldig, gegen Freunde aufrichtig, zornig gegen Feinde sei der König, gegen Diener und Unterthanen wie ein Vater.

Stenzler.

4511. (4646.) Diejenigen, welche Brahmanen, Frauen, Blutsverwandten und Kühen gegenüber als Helden auftreten, kommen, o Dhṛtarâshṭra, zu Fall, wie eine reife Frucht vom Stengel fällt.

4512. (2000.) Der Brahmane ist der beste der Zweifüssler, die Kuh die vorzüglichste der Vierfüssler, der Lehrer der beste der Ehrwürdigen, der Sohn der vorzüglichste unter Allem, was berührt wird.

4513. Das Aufgeben der Liebe und anderer Leidenschaften, Wahrhaftigkeit, Mitleid mit allen Geschöpfen und das Vermeiden unnützen Haders mit seinen Blutsverwandten, auch dieses nennt man Brahmanenthum.

4514. (2001.) Ein edler Mann redet von Tugenden, ein Bösewicht dagegen von Fehlern eines Andern, auch wenn weder die Tugenden, noch die Fehler vorhanden sind: ist die Unwahrheit auch auf beiden Seiten gleich, so geht der Eine doch zum Himmel, der Andere aber zur Hölle.

[475] 4515. (2002.) Einen Zugethanen, Ergebenen, beständig Anhänglichen und Makellosen soll man nicht verstossen: weil Râma die edle Sîtâ verliess, ward er von Kummer heimgesucht.

4516. (2003.) Wem es um sein Heil zu thun ist, der soll einen zugethanen, fähigen und aus guter Familie stammenden Diener nicht geringschätzen, ihn vielmehr wie einen Sohn hegen und pflegen.

4517. (2004.) Zugethanen, gefälligen, mit dem Wohl Anderer eifrig beschäftigten, den Dienst und den Verkehr aus dem Grunde kennenden und auch von Feindseligkeiten sich fern haltenden Dienern droht sicherer Untergang, wenn sie straucheln; ob sie aber zu ihrem Ziele gelangen, wenn sie ihre Sache gut machen, bleibt dahingestellt. Darum ist der Verkehr mit einem Fürsten wie der mit dem Meeresgott stets von Furcht begleitet.

4518. Liebe zu den Ģina, festes Halten an den Aussprüchen der Ģina, Glaube an die Urkunden des Gesetzes, Gefallen an Vorzügen, heftiger Drang zur Freigebigkeit und das Beobachten eines gesitteten Benehmens werden nur dem einen oder andern guten Menschen unbedingt zu Theil.

[476] 4519. (2005.) Liebe zu Çiva, nicht zum Gelde, emsige Beschäftigung mit den Wissenschaften, nicht mit den Liebesgeschossen junger Weiber, Sorge um Ruhm, nicht um den Körper, pflegt man bei grossen Charakteren anzutreffen.

4520. (2006.) Liebe zu Çiva, im Herzen Furcht vor Tod und Wiedergeburt, keine Anhänglichkeit an die Verwandten, keine Liebesregungen und menschenleere Wälder, frei von den Uebeln, die der Verkehr mit Menschen erzeugt; vollkommene Gleichgiltigkeit gegen die Welt ist da, was soll man noch mehr wünschen?

4521. (4647.) Widerwille gegen einen Ergebenen (gegen Speise), Freude an Dummen (Wasser), Gefallen am Beleidigen Ehrwürdiger (an strengen Fasten) und Bitterkeit im Munde findet man stets bei Reichen wie bei Fieberkranken.

4522. (2007.) Zugethan, mit Vorzügen ausgestattet, ehrlich, rührig, entschlossen, keinen schlechten Neigungen fröhnend, geduldig, ein Brahmane, in die geheimen Pläne Anderer eindringend und mit Geistesgegenwart begabt muss ein Abgesandter sein.

[477] 4523. (2008.) Ein Reiher, der viele Fische verzehrt hatte, vorzügliche, gemeine und mittelmässige, fand durch seine Gefrässigkeit den Tod, da er auf einen kleinen Krebs erpicht war.

4524. (2009.) Eine Freundschaft zwischen Zweien, von denen der Eine die Speise, der Andere der Verspeiser ist, führt nur zum Verderben: jene Gazelle (eine Speise), die durch einen Schakal (einen Verspeiser) in eine Schlinge gerieth, ward durch eine Krähe gerettet.

4525. (2010.) Ein Fisch kommt in seiner Gier angeschwommen, verschlingt einen durch eine leckere Speise verdeckten eisernen Haken und achtet nicht auf die Folgen.

4526. Was soll man, o Herrlicher, annehmen? Des Lehrers Wort. Und was soll man meiden? Eine böse That. Wer heisst Lehrer? Der die Wahrheit erforscht hat und stets auf das Wohl der Geschöpfe bedacht ist.

4527. (2011.) Sieh, selbst Sonne und Mond, diese Hocherhabenen, der Welt Augen, gehen doch unter: wer entgeht dem Schicksal?

[478] 4528. (2012.) Einer Schlange, der alle Hoffnung schon geschwunden war, da sie in einem Korbe zusammengepresst lag und die Sinne vor Hunger ihr ermattet waren, fiel in der Nacht eine Maus, die in diesen Korb ein Loch gemacht hatte, von selbst in den Rachen; durch deren Fleisch gesättigt, entwischte sie eiligst auf demselben Wege. Seid gutes Muths! Das Schicksal allein ist ja die Ursache des Gedeihens und Zugrundegehens der Menschen.

4529. (2013.) Ein gekrümmtes Stück vom Nelumbium speciosum, das er sich zum Essen gebrochen hat, mag er nicht geniessen, weil er den Mond darin zu sehen glaubt; Wassertropfen, die auf den Blättern stehen, will er, von Durst gequält, nicht trinken, weil sie das Aussehen von Sternen haben; erblickt er die durch eine Bienenschar in's Dunkle spielende Farbe der Wasserrosen, so hält er, was nicht Abenddämmerung ist, für Abenddämmerung: ja, ein die Trennung von der Geliebten befürchtender Ḱakravâka sieht sogar Tag für Nacht an.

4530. Wer aus Hochmuth sich nicht an die Meinung vernünftig Redender hält, den trifft alsbald Ungemach und verlässt das Glück.

[479] 4531. (2014.) Die Kiokila haben gut gethan, dass sie mit dem Eintritt der Regenzeit verstummt sind: wenn Frösche reden, steht ja Schweigen wohl an.

4532. (2015.) Ein von Furcht ergriffener Mann athmet schnell, schaut nur in's Blaue hinein und kann gar nicht zu sich kommen.

4533. Gewöhnliche Menschen halten schon eine Gefahr für etwas ungewöhnlich Wichtiges, während verwegene Männer, wie es sich gebührt, das Leben nicht höher anschlagen als einen Grashalm: wunderbar ist dieses Verfahren, fürwahr ein Verfahren grosser Männer!

4534. (4648.) Ein Einfältiger sinkt, indem er einer Gefahr aus dem Wege geht und sich in Acht nimmt, zusammen, wie eine durchnässte Matte in der Regenzeit.

4535. (2016.) Menschen, deren Herz von Furcht ergriffen ist, versagen Hände, Füsse und andere Glieder den Dienst, es stockt bei ihnen die Rede und ein gewaltiges Zittern bemächtigt sich ihrer.

[480] 4536. (2017.) Einen Furchtsamen gewinne man durch Einschüchterung für sich, einen Heldenmüthigen durch demüthiges Benehmen, einen Habsüchtigen durch Geldgeschenke, einen Gleichen so wie einen Schwächeren durch energisches Auftreten.

4537. (2018.) Wer im Augenblick der Furcht oder der Freude erst Alles erwägt und nicht voreilig zur That schreitet, der fühlt später keine Reue.

4538. (4649.) Das Ernähren derjenigen, die man zu ernähren verpflichtet ist, wird als ein den Himmel bereitendes Mittel gepriesen und das Peinigen derselben führt zur Hölle; darum soll man jene nach Kräften ernähren.

4539. (2019.) Ein Gatte soll seine Gattin stets ernähren und schützen: für das Gelingen des Guten, Nützlichen und Angenehmen ist eine Gattin ihres Gatten Gehilfin.

4540. (2020.) Ein Gatte, er besitze Vorzüge oder auch nicht, ist, ja, o Fürstin, für Frauen, die die Pflicht erwägen, eine leibhaftige Gottheit.

[481] 4541. (4650.) Der Gatte ist der Gattin Gott, ihr Lehrer, ihr Gesetz, ihr heiliger Badeplatz und ihr Gelübde: darum soll sie Alles aufgeben und nur den Gatten ehren.

4542. (2021.) Der Gatte ist des Weibes höchste Zier auch ohne Zierath, da ja das Weib ohne den Gatten in vollem Schmucke doch schmucklos dasteht.

4543. (4651.) Ein Gatte ist der Frauen Freund, ihre Zuflucht, ihr Lehrer, ihre Gottheit, ihre schönste Einsiedelei und auch ihr heiliger Badeplatz.

4544. (4652.) Eine Gattin, die ihrem Gatten wie der Schatten stets folgt, die da geht, wenn er geht, und steht, wenn er stehen bleibt,

4545. (4653.) die eine Freude daran hat in seinem Herzen zu wohnen und der das Zusammensein mit ihm über Alles geht, folgt auch im Jenseits dem Gatten auf dieselbe Weise wieder nach.

4546. (2022.) Wenn ein (Diener) bei seinem Herrn aufwartet, dann werfe er den Blick auf keinen andern Gegenstand, sondern halte die Augen auf sein Gesicht gerichtet, darauf bedacht, was der Herr wohl thun könne.

[482] 4547. (2023.) Das rechte Betragen von Dienern besteht darin, dass sie dem Willen ihres Herrn willfahren: selbst Unholde bekommt man in seine Gewalt, wenn man beständig ihrem Willen nachgiebt.

4548. (2024.) Durch Gehorsam gegen ihren Gatten gewinnt eine Gattin den höchsten Himmel, selbst dann, wenn sie sich vor keinem Ehrwürdigen verbeugt und die Götter nicht ehrt.

4549. Treue Frauen, die die Liebe zum Gatten als Wagen besteigen, mit dem Panzer der Sittlichkeit sich schützen, die Tugend zum Wagenlenker und die Einsicht zum Wurfgeschoss haben, erringen den Sieg.

4550. (2025.) Eine treue Gattin, die nur dem Gatten lebt, ihn über Alles stellt und seinen Willen thut, erlangt hier auf Erden den höchsten Ruhm und lebt nach dem Tode selig im Himmel.

4551. Warum schelten Gebieter Einen, der sich schlecht aufführt, in ihrem Namen aus? Das, was ihm gebührt, muss nothwendiger Weise seine nächste Umgebung ihm sagen.

[483] 4552. (2026.) Ueberaus schön ist die Erscheinung eines edlen Menschen, wenn er die Vorzüge Anderer aller Welt kund thut: des Mondes Strahlen zeigen doppelten Glanz, wenn er der Nacht-Wasserrosen Kelche öffnet.

4553. (2027.) Irgend etwas Herzentzückendes am Menschen, nicht gerade ein besonderer Vorzug an ihm, ist der Grund, dass wir ihm unsere Liebe zuwenden: woher kommt es, dass im Frühling, der doch den Wald mit jungen Knospen schmückt und durch der Kokila Geschwätz voller Reiz ist, die Jasminstaude nicht blühen will?

4554. (2028.) Lass es dir, o Guter, gesagt sein! Genug der Reden! Gehe! Du trägst auch nicht die geringste Schuld, das Schicksal aber ist uns nicht gewogen. Wenn es mit deiner Zuneigung, die doch so gross war, dahin kam, welchen Schmerz sollte ich dann darüber empfinden, dass ein verpfuschtes Leben, das schon von Hause aus vergänglich ist, von dannen ginge?

4555. (4654.) Der Freude, welche derjenige im Herzen empfindet, in dessen Hause stets Gäste zusammenkommen, wird man sogar im Himmel nicht theilhaftig.

[484] 4556. (2029.) Die Bäume neigen sich unter den angesetzten Früchten, die Wolken senken sich stark ob der neu hinzugekommenen Wasser, edle Menschen tragen das Haupt nicht hoch ob ihrer Reichthümer: dies ist Nichts weiter als das angeborene Wesen derer, die Andern Hilfe erweisen.

4557. (2030.) Die Höllenstrafen entspringen aus der Sünde, die Sünde entsteht aus der Armuth, die Armuth ist eine Folge des Nichtspendens (in einer früheren Geburt); darum sei man vor Allem auf das Spenden bedacht.

4558. (4655.) Wie Schlangen beim Anblick Garuḍa's ihr Gift verlieren, so wird man beim Anblick der Gañgâ von seinen Sünden frei.

4559. (2031.) Ihr seid zuverlässige Lehrer der der Gottesgelahrtheit Beflissenen und wir Jünger redegewandter Dichter; nichtsdestoweniger steht es fest, dass es auf Erden kein höheres Verdienst giebt als die Sorge um das Wohl Anderer, und dass in diesem Leben nichts Anderes reizend ist als ein lotusäugiges Mädchen.

[485] 4560. (2032.) Die Welt ist ein furchtbarer Wald, dieser Körper hier ein Haus mit vielen Spalten, die mächtige Zeit ist sicher ein Dieb und der Unverstand eine dunkle Nacht. Waffnet euch, ihr Leute, mit dem Schwerte des Wissens, dem Schilde der Entsagung und dem Panzer der edlen Sinnesart, habet Acht und wachet unverrückten Auges!

4561. (2033.) Da dieses so geschehen muss, so darfst du darüber nicht trauern: wer vermag das Schicksal selbst durch einen ausgezeichneten Verstand in seinem Laufe aufzuhalten?

4562. (2034.) Was werden soll, das wird, wie z.B. die Milch in der Kokosnuss; auch sagt man: was vergehen soll, das vergeht, wie die Früchte des Kapittha, die der Elephant verzehrt.

4563. Wenn Gott das Leid der Menschen, obgleich dieses die Folge der eigenen Thaten ist, bewirkt, dann wäre er unser Feind ohne alle Veranlassung, während die andern Feinde es in Folge einer Veranlassung sind.

4564. (2035.) Ein Fürst soll einen Späher als Auge benutzen um zu erspähen, was im eigenen und was im fremden Reiche zu thun oder zu lassen ist. Wer keinen Späher hat, der ist blind.

4565. (2036.) In dieser Welt, die vergänglich ist wie der Tanz der[486] vom Winde aufgethürmten Wellen, kommt es vor, dass in Folge von (vorangegangenen) guten Werken Jemand sein Leben für einen Andern hingiebt.

4566. (4656.) Ein Bündniss, das mit Rücksicht auf ein glückliches Gelingen einer gemeinsamen Sache abgeschlossen wird, heisst bei denen, die sich auf Stipulationen verstehen, Stipulation.

4567. (4657.) Messing wird durch Asche rein, Kupfer durch Säuren, ein Weib durch die Regeln, ein Fluss durch die Strömung.

4568. Ist das Glück abhold, so schenkt sogar ein Fürst seinen Dienern kein Geld: wenn eine Wolke auch Tag und Nacht regnet, findet man an einem Palâça dennoch nur drei Blätter.

4569. (2037.) Der Sonnengott hat ein für alle Mal die Rosse angeschirrt (d.i. ruht niemals aus), der Wind wandelt Tag und Nacht, Çesha trägt beständig der Erde Last: solches ist auch die Pflicht dessen, der vom Sechstel lebt (d.i. des Fürsten).

[487] 4570. (2038.) Die Gattin, der Sohn und der Sclave, alle drei gelten für besitzlos: die Habe, die sie erwerben, gehört dem, dem sie gehören.

4571. (4658.) Die Gattin ist die Wurzel des Haushalters, die Gattin ist auch die Wurzel der Freuden, die Gattin hilft zur Gewinnung der Früchte der Gerechtigkeit, die Gattin wird zur Ursache von Nachkommenschaft.

4572. (4659.) Weil ein Gatte, wenn er der Gattin beiwohnt, von Neuem geboren wird (ģâjate), darum heisst nach dem Dafürhalten der alten Weisen die Gattin Ģâjâ.

4573. (4660.) In wessen Hause die Gattin stets einen hohen Grad von Uebermuth zeigt, dessen Glück geht zur Neige, wie der Mond in der dunklen Hälfte eines Monats.

4574. (2039.) Erblickt ein Vater den mit der Gattin gezeugten Sohn, gleichsam das eigene Gesicht im Spiegel, so jubelt er wie der Fromme, der den Himmel gewann.

4575. (2040.) Diejenigen, denen eine Gattin zur Seite steht, vollziehen die religiösen Handlungen, stehen einem eigenen Hauswesen vor, sind guter Dinge und mit Glück gesegnet.

[488] 4576. Häuser ohne eine Gattin gleichen einer Wildniss, Häuser mit einer Gattin sind wahre Häuser. Auch heisst es, dass eine Hausfrau das Haus sei; nicht das Haus selbst nennt man Haus.

4577. (4661.) Von der Gattin heisst es ja, dass sie dem Gatten den grössten Nutzen bringe, da sie ihm, der in dieser Welt keinen Gefährten hat, Gefährtin bei seinem Handel und Wandel sei.

4578. (4662.) Wer den Wunsch hat, dass Alles bestehen möge, und wer nicht daran denkt Etwas zu vernichten, wer die Wahrheit redet, milde und in seinen Leidenschaften gezügelt ist, der heisst ein vorzüglicher Mensch.

4579. (2041.) Reinheit der Gesinnung sollen die Menschen bei allem Thun an den Tag legen: mit andern Gefühlen küsst man eine Geliebte, mit andern eine Tochter.

4580. (2042.) Selbst ein Dienst, den von Herzen Ergebene ihnen erweisen,[489] erregt Missfallen; und selbst ein augenfälliger Schaden, den Andere ihnen zufügen, bereitet Freude: da die den verschiedenartigsten Stimmungen unterworfenen Herzen der Fürsten schwer zu ergründen sind, so sind die Pflichten des Dieners überaus verfänglich und selbst beschaulichen Asketen unverständlich.

4581. »Die Lage, in die ich jetzt gerieth, war etwas Unvermeidliches für mich.« Wer stets so bei sich denkt, der wird sich immer zu helfen wissen.

4582. (4663.) Man wisse, dass das Schicksal gerade das Mittel, welches Kluge zum Verschluss einer nothwendig zu erfolgenden Sache zu wählen pflegen, zum weit geöffneten Thor gemacht hat.

4583. (2043.) Almosen bilden die Speise und zwar keine schmackhafte und nur ein Mal am Tage genossene, der Erdboden das Lager, der eigene Körper die ganze Dienerschaft, ein aus hundert stark abgenutzten Stücken zusammengeflickter Ueberwurf das Kleid. Weh, o Weh, und dennoch steht man nicht ab von der Sinnenwelt!

4584. (2044.) Almosen bilden die Speise, ein Winkel in irgend einem Tempel das Haus, der Erdboden das Lager, des eigenen Körpers Arbeit die Dienerschaft, ein aus alten Lappen zusammengeflickter Ueberwurf das Kleid. Weh, o Weh, und dennoch steht das Herz nicht ab von der Sinnenwelt!

[490] 4585. (2045.) Da steht ein Büsser, der sich von Almosen nährt und inmitten von Menschen keinen Umgang hat; sein Thun hängt stets von ihm selbst ab, er hat seine Freude daran, den Weg derer zu wandeln, die sich sowohl gegen das Geben als das Empfangen gleichgiltig verhalten; er trägt einen Ueberwurf, den er sich aus zerfallenen alten Lappen, die man auf die Strasse warf, zusammengenäht hat; er verräth keinen Stolz und kein Selbstgefühl und hat sein Verlangen einzig auf den Genuss der nektarähnlichen Gemüthsruhe gerichtet.

4586. (2046.) Die Meister unter den beschaulichen Asketen preisen erbettelte Speise, indem sie erklären, sie sei von keinem erniedrigenden Gefühle begleitet, werde ihnen von Niemanden streitig gemacht, halte stets alle Gefahren fern, rotte den bösen Neid, den Dünkel und den Hochmuth aus, mache eine Unzahl von Leiden zu Nichte, sei überall und zu aller Zeit ohne Anstrengung leicht zu bekommen, käme Guten erwünscht, sei rein, sei das Opfer an Çiva, das Niemand zu hindern vermöge, und ein unversiegbarer Schatz.

[491] 4587. Ein genusssüchtiger Bettler, ein armer Liebhaber, ein bejahrter Galan, ein Thor als Asket und eine Buhldirne ohne Schönheit und gefallsüchtiges Gebahren sind die fünf Thorheiten auf Erden.

4588. »He Bettler, isst du gern Fleisch?« »Ohne Wein mache ich mir Nichts daraus.« »Du magst also auch Wein?« »Wohl mag ich ihn in Gesellschaft von Buhldirnen.« »Aber eine Buhlerin verlangt Geld und wo bekommst du dieses her?« »Durch Spiel oder Diebstahl.« »Also auch mit Diebstahl und Spiel giebst du dich ab?« »Welche andere Zuflucht hat ein verlorener Mensch?«

4589. (2047.) Der Löwe spaltet einem mächtigen Elephanten die Grauen erregenden Anschwellungen auf der Stirn, besitzt eine grössere Geschwindigkeit als der Wind und schlägt seinen Sitz in des Gebirges Dickichten auf, ist aber bei alle dem nichts Anderes als ein Vieh.

4590. (2048.) Ein Mann, der etwas Böses vollbracht hat, ist ja erschrocken ob seiner That: Stimme und Gesichtsfarbe sind verändert der Blick scheu, das Feuer dahin.

4591. (4664.) Zu welchem Endzweck denken Aerzte daran, für Kranke[492] Arzeneien zu bereiten? Wenn die Zeit diese zum Sterben reif macht, was nützen dann die Arzeneien?

4592. (2049.) Wie eines Buhlen Hand bei den Frauen schleicht ein Feind anfänglich furchtsam und ganz langsam am Boden hin, später aber thut er sich keinen Zwang mehr an.

4593. (2050.) So lange eine Gefahr noch nicht da ist, soll man wie ein Erschrockener seine Anordnungen treffen; sieht man aber, dass die Gefahr da ist, dann soll man wie ein Unerschrockener einhauen.

4594. (2051.) In den Augen des Mannes, der einen grossen Vorrath an guten Werken aus dem früheren Leben hat, wird ein Grauen erregender Wald zu einer Hauptstadt, Jedermann zum Verwandten und die ganze Erde mit vor ihm liegenden Edelsteinen erfüllt.

4595. (4665.) Ein Feigling geräth, da er dem Kampf entsagt, von selbst in Noth, und feige Knechte lassen ja sogar einen Heldenmüthigen in der Schlacht im Stich.

[493] 4596. (2052.) Wer nach der Mahlzeit sitzt, bekommt einen Schmerbauch; wer nach der Mahlzeit sich schlafen legt, fühlt sich behaglich; wer nach der Mahlzeit umhergeht, dem wird Lebenskraft zu Theil; wer nach der Mahlzeit läuft, den ereilt der Tod.

4597. (4666.) Wir verbeugen uns vor dem von Natur grossen Dichterwerk, ohne dessen Gunst Fürsten nicht ein Mal in der Erinnerung leben würden, jene grossmächtigen Fürsten, unter denen die meerumgrenzte Erde frei von aller Furcht war, weil sie den Schatten des Baumwaldes ihrer Arme genoss.

4598. Wenn man sich nicht gegenseitig ohne allen Zwang besucht, zusammen speist und die Frauen vorführt, dann ist die Freundschaft eine Lüge.

4599. (2053.) Die Brut der Schlangen, die sich vom Winde nährt, nennt man Bhogin (geringelt, Schlange und zugleich Geniesser); Elephanten, die (mit ihren hin und her gehenden Ohren) summende Bienen abwehren, heisst man Vistîrnakarna (breitohrig, Elephant und zugleich die Ohren spitzend); den Baum, in dessen Innerem eine Abart von Gluth sich angesammelt hat, nennt man Çamî (eine Acacia und zugleich beruhigt): die Welt, die auf diese Weise ohne allen Zwang in den Tag hinein schwatzt, hat Alles drunter und drüber gekehrt.

[494] 4600. (4667.) Ein durch Abtretung werthvoller Ländereien erkaufter Friedensschluss heisst UḰḰhinna (geschunden); nimmt aber (der Sieger) die Einkünfte des ganzen Landes für sich, so heisst ein solcher Friedensschluss Paradûshana (den Gegner verderbend).

4601. (2054.) Der Erdboden ist sein Lager, die eigenen Arm-Lianen sind sein Kopfkissen, der blaue Himmel sein Zeltdach, der Mond seine Leuchte, der mit seinem Weibe Entsagung ihm zugefallene Umgang seine Lust, die Himmelsgegenden sind die Jungfrauen, die ihm mit den Winden als Fliegenwedeln von allen Seiten zufächeln: so ruht ein Bettler, obgleich er alle Wünsche aufgegeben hat, wie ein Fürst auf Erden.

4602. Eine von Gespenstern, Planeten und anderen dämonischen Mächten herrührende Gefahr beseitigen Kräuter, eine vom Feinde kommende –[495] Heere, eine von Geschossen herrührende – Panzer, eine Fürsten drohende Gefahr aber, sie komme woher sie wolle, beseitigen durch Einsicht hervorragende Männer.

4603. (4668.) Welcher Mensch möchte nicht die Gañgâ besuchen, da grosse Weise, die das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige kennen, und die Götter mit Indra an der Spitze sich ehrfurchtsvoll zu ihr begeben haben?

4604. (4669.) Wieder ein anderer Mensch, der stets bemüht ist Andern ein Leid zuzufügen und die Welt zu betrügen, wird unter lauter Freuden alt.

4605. (4670.) Das Zusammensein der Geschöpfe hier auf Erden ist, o Tugendhafte, wie das bei einem Brunnen: das Schicksal führt sie zusammen, die eigenen Thaten führen sie auseinander.

4606. (2055.) Für kein Wesen hier auf Erden, das eine Zuflucht sucht, wenn sein Herz von Schmerz gedrückt wird, giebt es eine Zuflucht, die der Gañgâ gleich käme.

4607. (2056.) Wer sich der Geschöpfe, die sich in seinen Schutz begeben, nicht annimmt, dem geht das Vorhandene verloren, wie (dem Könige) die (goldenen) Flamingo im Lotushaine.

[496] 4608. (4671.) Thatsachen werden ja mit Ort und Zeit in Widerspruch gesetzt und schwinden dahin, wie die Finsterniss beim Sonnenaufgange, wenn sie einen befangenen Boten finden.

4609. (4672.) Diejenigen, die durch Nachdenken über die Zustände der Geschöpfe zum Gipfel der Erkenntniss gelangt sind, trauern nicht nach vollbrachter Reise, weil sie das höchste Los vor sich sehen.

4610. (2057.) Mehr als zehn Millionen Brahman, deren Leben doch hundert Kalpa währt, und eben so viele Götter mit Indra an der Spitze. Weise, wie Manu und Andere waren, Erden und Meere sind entstanden und wieder zu Grunde gegangen. Was ist dies nun, o Wunder, für eine ungeheure Verirrung, die mit Trauer im Gefolge bei den Menschen auftaucht, wenn der aus fünf Elementen zusammengesetzte, dem Schaum gleichende Leib eines Angehörigen wieder zu den fünf Elementen zurückkehrt?

[497] 4611. (2058.) Niemand freut sich über die Herrlichkeit eines Fürsten, der sich der Habsucht ergeben hat, eben so wenig wie über eine Blume, die zur Unzeit blüht, da von solcher Pracht keine Frucht zu erwarten steht.

4612. (4673.) Land, guter Name, Ehre und Reichthum fühlen ja ein Verlangen nach dem Menschen, indem sie der Wahrheit nachgehen; darum soll man nur der Wahrheit sich hingeben.

4613. (2059.) Wenn man sagt, dass mit der Einbusse des Landes oder mit dem Verlust eines klugen Dieners ein Fürst verloren sei, so hat man ja mit Unrecht jene zwei gleichgesetzt: auch verlorenes Land ist leicht wiederzuerlangen, nicht so verlorene Diener.

4614. (2060.) Land, ein Bundesgenosse und Gold sind die drei Früchte eines Krieges; wenn man diese mit Bestimmtheit erwarten kann, dann führe man Krieg.

[498] 4615. (2061.) (Fragt man, was schlimmer sei:) der Verlust eines schönen Landstrichs oder der eines klugen Dieners, (so lautet die Antwort:) eines Dieners Verlust ist des Fürsten Tod, auch verlorenes Land ist leicht wiederzuerlangen, nicht so verlorene Diener.

4616. (2062.) Eine Kuh, die sich nicht willig melken lässt, erfährt nur noch mehr Leid; eine Kuh dagegen, die sich willig melken lässt, geisselt man auch nicht.

4617. Wer einmal im Spiele verlor, spielt wieder, weil er eben zu gewinnen wünscht, und gewinnt auch irgendwann sogar mehr, als er verloren hatte. Wenn aber Einer, der im Rausche Unliebes that und hinterher Reue empfand, wieder trinkt, so thut er dieses, so zu sagen, um eine noch grössere Schuld auf sich zu laden.

4618. (2063.) Um Andern zu helfen duldet es die Birke, dass man ihr die Haut abzieht; um Andere in Fesseln zu schlagen ist aber der Hanf da: merket, wie gewaltig hier der Unterschied ist!

4619. (2064.) Ein Lager auf dem Erdboden, Keuschheit, Magerkeit und schmale Kost trifft man beim Diener wie beim Asketen an: der Unterschied aber ist der, dass es dort die Folge von Sünden, hier aber die von Verdiensten ist.

[499] 4620. Nicht dadurch wird ein Gebieter zum Gebieter, dass er Schmuck und andere Sachen gebraucht, sondern ein Mann wie du, dessen Befehle von Andern geachtet werden, wird Gebieter genannt.

4621. (4674.) Auf der Erde, in der Luft und im Himmel wohnende, hohe und niedere Geschöpfe müssen stets in der Gañgâ sich baden, da dieses das beste Werk für Edle ist.

4622. (2065.) Da die Strafe für ein Vergehen des Dieners vom Herrn ausgeht, so ist auch das Schamgefühl des Herrn heftiger als das des Dieners.

4623. (2066.) Man wisse, dass es verschiedene Diener giebt: ausgezeichnete, schlechte und mittelmässige, die man für die drei entsprechenden Arten von Geschäften anstellen muss.

4624. (2067.) Der König selbst, förderte er auch das Wohl der Unterthanen, verbreitet ohne Diener keinen Glanz, eben so wenig wie die Sonne ohne Strahlen trotz aller ihrer Gluth.

[500] 4625. (4675.) Vor dem Fürsten muss man sich fürchten, darauf vor dem Minister, ferner vor dem Liebling des Königs und vor Andern, die im Palast als Speichellecker seine Gunst gewonnen haben. Kluge Leute halten mit Recht für ein Hundeleben den erniedrigenden Dienst dessen, der in seiner Erbärmlichkeit durch Hinaufblicken und Wälzen auf der Erde sich um einen Bissen abquält.

4626. Auch suche ein Fürst das (feindliche) Heer, sei dieses auch noch so schwer zu sprengen, mit Geld zu sprengen, auf dass es mit Leichtigkeit auseinanderfalle wie ein von Insecten durchbohrtes schönes Holzstück.

4627. (4676.) Die beste Arzenei gegen einen Schmerz ist die, dass man nicht mehr an ihn denkt; denn wenn man an ihn denkt, vergeht er nicht und wird nur noch grösser.

4628. (4677.) Man soll stets den festen Vorsatz haben durch menschliche Anstrengung die Glücksgöttin wie eine böse Frau sich zu eigen zu machen; denn nicht soll man sich wie ein Schwächling benehmen.

4629. (2068.) Ein Genuss auf Kosten Anderer schlägt zum Unheil der Menschen aus und ist von keinem Bestand: auch das Blutsaugen der Blutegel führt alsbald zu ihrer eigenen Qual.

[501] 4630. (2069.) Ein Fürst ist dazu da um zu geniessen, nicht aber um den Geschäften nachzugehen; misslingt eine Sache des Fürsten, so befleckt sich der Minister mit der Schuld.

4631. (2070.) Nicht haben wir an den Genüssen der Welt gezehrt, sondern an uns ist gezehrt worden; nicht haben wir Selbstpeinigung geübt, sondern wir sind gepeinigt worden; nicht ist die Zeit dahingegangen, sondern wir sind dahingegangen; nicht die Begierde hat gealtert, sondern wir sind alt geworden.

4632. (2071.) Die mannichfachen Genüsse sind vergänglicher Art und nur durch sie besteht diese Welt. Wozu also irret ihr, o Leute, hier herum? Lasset ab von eurem Treiben! Verdienen unsere Worte Glauben, so richtet den durch das Schwinden der Hunderte von Hoffnungsbanden geläuterten Geist auf seine Wohnstätte, in deren Macht es steht, dass das Erwünschte sich erfüllt.

4633. (2072.) Die Genüsse der Menschen sind unstät wie die in den[502] Wolkenmassen zuckenden Blitze; ihr Leben vergänglich wie das Wasser, das im Wolkenschleier ruht, den der Wind zersprengt; die heissen Wünsche ihrer Jugend sind von keinem Bestand. Habt ihr, Verständige, solches erkannt, so richtet alsbald die Gedanken auf die Versenkung des Geistes, zu der ihr leicht gelangt, wenn euch durch Beharrlichkeit die Andacht gelingt.

4634. (2073.) Die Genüsse sind unstät wie die zusammenbrechenden hohen Wellen, die Lebensgeister vergehen in einem Augenblick, die Freuden der Jugend währen nur wenige Tage, die Lust an dem, was uns lieb ist, hat keinen Bestand. Wenn ihr also, o Verständige, erkannt habt, dass das ganze hiesige Leben eitel und nichtig ist, so sei euer Geist, der geschickt ist den Menschen zu helfen, darauf bedacht diese zur Erkenntniss zu bringen.

4635. (2074.) Fürsten gleichen Schlangen: sie geben sich dem Genuss hin (sind geringelt), stecken in einem Panzer, gehen krumme Wege, sind grausam, überaus böse und lassen sich durch Rath (Zaubersprüche) bezwingen.

4636. (4678.) Durch das Geniessen hört bei denjenigen, die den Genüssen[503] ergeben sind, das Verlangen nach Genüssen nimmer auf: durch ein salziges Frühstück wird Durst erst recht erzeugt.

4037. (2075.) Beim Genuss ist Gefahr vor Krankheit, bei hohem Geschlecht Gefahr vor Fall, bei Vermögen Gefahr vor dem Fürsten, bei hohem Ansehen Gefahr vor Erniedrigung, bei Macht Gefahr vor Feinden, bei schöner Gestalt Gefahr vor einer zarten Jung frau, bei Gelehrsamkeit Gefahr vor Worthelden, bei Vorzügen Gefahr vor bösen Menschen, beim Körper Gefahr vor dem Todesgott: jedes Ding auf Erden ist mit Gefahr verbunden, nur der Menschen völlige Gleichgiltigkeit gegen alles ist frei von aller Gefahr.

4638. Dem Essen, der Bescheidenheit, der Freigebigkeit, dem Frauendienst und der Männlichkeit muss man selber obliegen: hier giebt es keinen Lehrer und keinen Schüler.

4639. (2076.) Ein Verständiger spende den Frauen Speise, Kleider,[504] Schmuck und Anderes, insbesondere zu den Zeiten, die sich zur ehelichen Verbindung eignen, doch pflege er mit ihnen keinen Rath.

4640. (2077.) Zu essen haben und essen können, zu minnen vermögen und vorzügliche Weiber besitzen, Reichthümer haben und zu spenden vermögen ist nicht geringer Kasteiung Lohn.

4641. (4679.) Wenn ein Fürst von Ort zu Ort wandert, dann wird er geehrt; so auch ein Brahmane und ein Mönch; wenn aber ein Weib von Ort zu Ort wandert, dann ist sie verloren.

4642. (2078.) Durch des Schicksals Spiel löst sich eine Perle von eines Fürsten Diadem, fällt zur Erde, wird vom Staub bedeckt und duldet es, dass die Füsse der Leute sie entweihen.

[505] 4643. (2079.) Den Sinn ganz auf das Betteln gerichtet, bin ich umhergestrichen, habe das Wort »gieb« ausgestossen, in fremdem Hause ehrlos und ohne Bedenken wie eine Krähe gespeist und böser Menschen vorwurfsvolles, krauses Antlitz mit zusammengezogenen Brauen und verächtlichem Seitenblick geschaut. O Göttin Gier! Solltest du noch etwas Anderes beabsichtigen, so sind wir auch dazu bereit.

4644. Ich habe Länder mit dichten Wäldern durchstreift, Fürsten gedient, Gebirge überstiegen, mit dem Brunstsafte wilder Elephanten versetztes Wasser getrunken, ich bin über Flüsse gesetzt, deren Wasser mir Mühe machten, auch habe ich beim Essen meine Hand als Schüssel gebraucht. Schwinde, o Gier, oder sage mir, o Freundin, was zu thun mir noch übrig bleibt!

4645. (2080.) Ich habe ein gebirgiges Land mit vielen gefahrvollen Durchgängen durchstreift und keinen Gewinn davongetragen; ich habe den mir gebührenden Stolz auf Rang und Geschlecht hintangesetzt und nutzlose Dienste gethan; ich habe ehrlos und in Angst nach Krähenart in fremden Häusern gespeist. O Gier, die du an schlechten Werken deine Freude hast, du öffnest den Rachen und giebst dich auch heute noch nicht zufrieden!

[506] 4646. (2081.) Die reizenden Brauen, die Seitenblicke mit den zusammengekniffenen Augen, die liebevollen Reden, das verschämte Lächeln, der erkünstelte langsame Gang und darauf das Stillstehen sind der Weiber Schmuck und Waffen zugleich.

4647. (2082.) Während die Schöne noch den Bogen, die Augenbrauen-Ranke spannt, durchbohren die Pfeile, ihre Seitenblicke, schon mein Herz.

4648. (2083.) Wenn auch die Brauen gefurcht werden, so blickt das Auge doch überaus sehnsuchtsvoll; wenn auch die Rede unterdrückt wird, so zeigt dieses betrübte Gesicht doch ein Lächeln; wenn auch das Herz Härte zeigt, so fängt die Haut am Körper doch an zu rieseln: wie wird beim Anblick des Geliebten des Schmollens Ausgang sein?

4649. (2084.) Die Brauen habe ich lange Zeit gefurcht, im Schliessen der Augen mich geübt, das Lachen zu unterdrücken sorgfältig gelernt, im Stillschweigen mich versucht, und, um auch Festigkeit zu zeigen, das Herz einigermaassen zu stählen gestrebt: ich habe Vorbereitungen getroffen Unwillen an den Tag zu legen, das Gelingen aber steht beim Schicksal.[507]

Quelle:
Indische Sprüche. Osnabrück/Wiesbaden 1966. Bd. 2.
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