IV, 1. [297.] An Agni.

[107] Die ersten drei Verse sondern sich von den übrigen durch ihr Versmass ab und scheinen Fragment eines eigenen Liedes zu sein. Die Grundlage für das Mass dieser drei Verse bilden je vier zwölfsilbige Zeilen, von denen jedoch im zweiten Verse eine fehlt. Die Verse sind dann durch Wiederholungen erweitert, die kaum dem ursprünglichen Gedichte angehört haben mögen und hier in Klammern gesetzt sind. Der Stier in Vers 11. 12 ist Agni selbst, die Väter in 13-16 die Angirasen, die den Regen aus der dunkeln Wolke strömen lassen und Licht schaffen; sie heissen in Vers 12 die sieben Freunde Agni's.


1. Dich Agni haben als den Opferbringer stets

den Gott die Götter eines Sinnes eingesetzt

(so dich mit Weisheit eingesetzt);

Bei Sterblichen verehret den Unsterblichen,

erzeugt den Gott, den weisheitsvollen Götterfreund

(erzeugt den steten weisheitsvollen Götterfreund.)

2.75 Und führ, o Agni, deinen Bruder Varuna

den Göttern zu, mit Huld den opferliebenden,

(den besten, opferliebenden);

Den heiligen Aditja, der die Menschen schützt

(den König, der die Menschen schützt.)

3. Ihn den Genossen wende her, Genosse du,

so wie ein rasches Wagenrad in schnellem Lauf

(uns, herrlicher, in schnellem Lauf)[107]

O Agni schenk' mit Varuna uns Götterhuld,

(mit Marut's, den allglänzenden)

Für Kind und Enkel schaffe Heil, o leuchtender

(uns schaffe Heil, o herrlicher.)


4. Du, der's versteht, o Agni, mögest wenden

hinweg den Zorn uns Varuna's, des Gottes,

Als bester Opfrer und Verehrer strahlend,

mach los von uns die Widersacher alle.

5. Mit Hülfe sei, o Agni, uns der nächste,

der liebste Freund beim Lichte dieses Frühroths;

Besänftige den Varuna uns huldvoll,

verschaff uns Gunst, lass gern von uns dich rufen.

6. Sein Anblick ist der liebste bei den Menschen

von schönstem Glanz, des reichbegabten Gottes;

Erwünscht sein Anblick, wie der Milchkuh Gabe,

wie lichtes Schmalz der Kuh erhitzt am Feuer.

7. Dreifach ist dieses Gottes Agni Ursprung,

der wahre, höchste, der begehrungswerthe;

Im unbegrenzten Raum verhüllet kam er,

mit lichtem Glanz der treue hell erstrahlend.

8. Als Bote strebt er hin zu allen Sitzen,

mit goldnem Wagen, holder Zung' als Priester,

Mit rothen Rossen wunderschön und strahlend,

erfreuend stets wie reich besetzte Tafel.

9. Das Opfer liebend trieb er an die Menschen;

sie leiten vorwärts ihn am grossen Zügel;

Er wohnet segnend in des Menschen Häusern,

es fand der Gott des Sterblichen Gemeinschaft.

10.76 Uns führe Agni, der des Weges kundig,

zu gottertheiltem Schatze, der ihm eigen

Was weisheitsvoll die Götter alle schufen,

gewähre DjausA1 der Vater und Erzeuger.

11. Er ward zuerst geboren in den Häusern,

am Grund des Himmels, in dem Schooss des Luftraums,

Fusslos und kopflos beide Erden bergend,

sich innig schmiegend an des Stieres Lager.

12. Zuerst erhob sich wunderbar der starke

im heil'gen Schoosse in des Stieres Lager,

Der Jüngling lieblich, wunderschön und strahlend,

und sieben Freunde wurden da dem Stiere.

13. Dort sassen unsre Väter, hold den Menschen,

ihm zugewandt, den heiligen entflammend;[108]

Sie führten rufend aus die Morgenröthen,

die reich an Milch in Felsenkluft verschlossnen.

14. Sie schmückten sich, als sie gesprengt den Felsen;

dies Werk der Väter priesen rings die andern;

Die Heerde leitend sangen Jubellied sie;

den Lichtglanz findend flehten sie mit Andacht.

15. Sie thaten auf mit beutelust'gem Sinne

den Fels, der fest die Kühe hielt umschlossen,

Den dicht umhegten, festen Stall der Kühe

die Männer eifrig durch den Spruch der Götter.

16. Sie nahmen wahr der Milchkuh ersten Namen,

die dreimal sieben herrlichsten der Mutter.

Erkennend dies, frohlockten laut die Scharen,

und hell erschien durch Glanz der Kuh das Frühroth

17. Das trübe Dunkel wich, der Himmel glänzte,

aufstieg der Himmelsglanz der Morgenröthe;

Der Sonnengott bestieg die hohen Fluren,

beschauend Recht und Unrecht bei den Menschen.

18. Da erst erwachend leuchteten fortan sie,

da erst erhielten sie den Schatz des Himmels,

Die Götter all' in allen ihren Stätten;

erfüllt die Bitte, Varuna und Mitra.

19. Nun ruf' ich an den strahlenreichen Agni,

der alles nährt, am besten ehrt und opfert,

Auf schloss er, wie der Kühe lichtes Euter,

wie einen Trank, den ausgegossnen Soma.

20.77 Der unerschöpfte Born für alle Götter,

der treugesinnte Gastfreund aller Menschen,

Er, Agni, der der Götter Huld erkoren,

sei gnädig uns, der Kenner aller Wesen.


Fußnoten

A1 der Himmel.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 107-109.
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