Erste Gruppe (1-10.)

[4] Lieder an Agni.


Agni, das Feuer, bildet den eigentlichen Mittelpunkt des Opfers. Dreifach ist seine Stätte, im Himmel, seiner Heimat, in der Gewitterwolke als Blitz, auf der Erde im Feuer des Herdes und der Opferstätte; daher auch dreifach sein Ursprung, er ist aus sich selbsterzeugt (tanūnapāt), aus eigener Kraft oder durch die Kraft, mit der die Holzstücke aneinander gerieben werden (Sohn der Kraft 36, 5. 6.), und als Blitz aus den Wassern der Gewitterwolke geboren (apām napāt), endlich auf der Erde wird er stets aufs neue erzeugt durch gegenseitiges Reiben eines harten und weichen Holzstücks gegeneinander, so erscheinen diese beiden Reibhölzer als seine Aeltern, namentlich das weichere als seine Mutter, in deren Mutterleib er wie in dunkler Kammer schlummert, bis er daraus durch Reiben geweckt, plötzlich in hellem Glanze hervorbricht. In diesem Sinne wird er auch Matariçvan d.h. der in der Mutter sich bildende (263, 11) genannt; doch wird noch gewöhnlicher mit diesem Namen ein, ursprünglich in dem andern Reibholze verborgen gedachtes, göttliches Wesen bezeichnet, welches durch Reiben den Agni vom Himmel herablockt, und ihn dem Manu, dem Stammvater der Menschen, oder den Bhrigu's, einem Geschlecht von Halbgöttern übergibt, die dann den Menschen die Kunst lehren, ihn, den ewigen, durch Reiben stets aufs neue, als den jüngsten Agni zu erzeugen und so den Agni als Opferer einsetzen in die Häuser der Menschen.[4]

In erster Morgenfrühe wird er bei der Opferfeier als der Buhle der Morgenröthen durch den Feuerentzünder (agnidh) angezündet, indem dieser ein brennendes Holzstück (samidh) an den aufgeschichteten Holzstoss legt. Sobald er hell entflammt ist, steigen die Gebete zu den Göttern empor; die Priester gehen mit langgestielten, mit Butter gefüllten Löffeln (sruc) um ihn her und giessen die geschmolzene Butter in ihn als Opfertrank der Götter hinein. Er wird aufgefordert, den Göttern diese Speise zu überbringen, und sie selbst mit seinen feurigen Rossen auf seinem Flammenwagen herbeizufahren, damit sie auf der aus heiligem Grase bereiteten Streu Platz nehmen und hier die Somatränke geniessen können. In mannichfachen Bildern wird des Agni Flamme geschildert, als Schar langgeschweifter oder mähniger Rosse; als leuchtendes Banner, das er zum Himmel erhebt, sein Rauch als die schwarze Bahn, als die dunkle Wolke, durch die er wie die Sonne durch Gewölk hindurchblickt, sein Knistern und Rauschen als Gesang und Gebet. Mit seiner Zunge geniessen die Götter die ins Feuer gegossenen Speisen und werden dadurch günstig gestimmt, um zum Opfer zu kommen. So erscheint Agni als der beste Opferer und Verehrer der Götter, als der erste und höchste Priester, der für den Menschen alle Werke des Gottesdienstes verrichtet, als unablässiger Vermittler zwischen Göttern und Menschen, als der Bote der hin- und hergeht zwischen Himmel und Erde.

Aber auch mit geistigen Zügen ist das Bild Agni's reichlich ausgestattet. Er versteht sich nicht nur auf diese seine Werke, sondern wird als der allweise Wesenkenner (456, 13) geschildert, als der Männerhort, der alle Menschen wie ein Vater die Söhne liebt und hegt, ihnen allen eng verbunden (vēçvānara), ihr Ruhm und Preis (narāçaṅsa), ihr lieber Gast, ihr Hausfreund, ihr reicher Stammesherr und Gebieter, der sie beschützt und mit allen Gaben des Glücks beschenkt. Daher erscheint er mit allen Eigenschaften der andern Götter ausgerüstet und wird oft mit ihnen verglichen, so wird er in dem zunächst folgenden Liede gleichgesetzt dem Weltgebieter Indra, dem weitschreitenden Vischnu, der die Welt in drei Schritten durchschreitet und auf seinen drei Fussspuren Segen zurücklässt, dem Herrn des Gebets (3), den mächtig waltenden Aditisöhnen: Varuna, Mitra, Arjaman, Ança (Vertheiler) (4), dem Götterkünstler Tvaschtar (5), dem glänzenden Rudra und seinen Söhnen, den im Gewitter einherstürmenden Maruts, dem durch das Licht der Sonne segnenden und behütenden Puschan (6), den Reichthumgebern: dem allbelebenden Gotte Savitar und dem Gut vertheilenden Bhaga (7), dem kunstreichen[5] Ribhu (10), den Göttinnen: Aditi (der unbeschränkten Mutter der grossen Götter), Hotra (Anrufung), Bharati (Darbringung), Ida (Gebetsergiessung) und der stromreichen Sarasvati (ursprünglich Name eines Flusses, vielleicht des Indus selbst, hier aber in dem Sinne der Andachtergiessung aufgefasst [11].)

Hier ist schliesslich noch eine eigenthümliche Art liturgischer Lieder zu erwähnen, denen man später den Namen der Aprī-Lieder beigelegt hat und welche den Apri-Liedern beigefügt sind (194, 238, 359, 518, ferner aus den drei andern Büchern 13, 142, 188, 717, 896, 936.) Dass diese Lieder nach der spätern Auffassung die sühnenden Thieropfer einleiten sollten, widerspricht ihrem Inhalte im Rigveda durchaus. Hier scheinen sie vielmehr ein in grösserm Maassstabe angelegtes, nach strengem Ritual angeordnetes Agni-Opfer einzuleiten, bei welchem, wie auch sonst, die Schmelzbutter (ghṙta) die Opferspeise ist. In früher Morgenstunde wird Agni entzündet, und ihm als dem entzündeten (V. 1), dann in einigen Liedern als dem aus sich selbst entsprossenen, dann als dem Männerpreis (V. 2), dann als dem angeflehten (īdita) (V. 3) oder dem Opferer des Labetrunks (238, 3), gehuldigt. Jetzt wird die Streu, die selbst als Gott angerufen wird, zum Sitze für die Götter bereitet (V. 4), und die Thore des Heiligthums weitgeöffnet, um die Götter und die Opferheere mit ihren Gaben und Wagen hereinzulassen (V. 5.) Dann werden die Gottheiten angerufen, welche als durch die Thore schreitend gedacht werden, namentlich Nacht und Morgenröthe (V. 6), die beiden Götterpriester (dēvjā hotārā), die als besondere Repräsentanten Agni's erscheinen (V. 7), dann die drei Göttinnen der Andachtsergiessung: Sarasvati, Ida, Bharati (oder dafür auch Mahi, die grosse, reiche in 13, 359 [V. 8]), und Tvaschtar der hier als Bildner der Leibesfrucht und als Segner und Beschützer der Familie und der Heerden aufgefasst wird (V. 9.) Dann wird ein zugehauener Baumstamm, Waldesherr (vánaspati) genannt, mit Butter dreimal bestrichen und durch Hülfe von Riemen, an dem Feuer als Pfosten aufgerichtet, sodass Agni ihn nun mit seiner Flamme ergreift und die geschmolzene Butterspeise den Göttern zuführt (V. 10), Heilsrufe schliessen diese einleitende Feier (V. 11.)

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 4-6.
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