I. Bark'he soukt (Purusha-sûktam).

[829] Dieser Text befasst das Purushalied (Ṛigveda 10,90 = Vâj. Samh. 31,1-16) nebst seiner Fortsetzung als Uttaranârâyaṇam (Vâj. Samh. 31,17-22). Indem wir zur Erklärung auf unsere Bearbeitung dieser Stücke (Allg. Gesch. d. Phil. I, 150-158. 288-291) verweisen, beschränken wir uns hier darauf, die dort gegebene Übersetzung zu wiederholen.


Ṛigveda 10,90.


1. Der Purusha mit tausendfachen Häuptern,

Mit tausendfachen Augen, tausend Füssen

Bedeckt ringsum die Erde allerorten,

Zehn Finger hoch noch drüber hin zu fliessen.


2. Nur Purusha ist diese ganze Welt,

Und was da war, und was zukünftig währt,

Herr ist er über die Unsterblichkeit, –

Diejenige, die sich durch Speise nährt.


3. So gross ist diese, seine Majestät,

Doch ist er grösser noch als sie erhoben;

Ein Viertel von ihm alle Wesen sind,

Drei Viertel von ihm sind unsterblich droben.


4. Drei Viertel von ihm schwangen sich empor,

Ein Viertel wuchs heran in dieser Welt,

Um auszubreiten sich als alles, was

Durch Nahrung sich und ohne sie erhält.


5. Aus ihm, dem Purusha, ist die Virâj,

Aus der Virâj der Purusha geworden;

Geboren überragte er die Welt

Nach vorn, nach hinten und an allen Orten.


6. Als mit dem Purusha als Darbringung

Ein Opfer Götter angerichtet haben,[830]

Da ward der Frühling Opferschmalz, der Sommer

Zum Brennholz und der Herbst zu Opfergaben.


7. Als Opfertier ward auf der Streu geweiht

Der Purusha, der vorher war entstanden,

Den opferten da Götter, Selige

Und Weise, die sich dort zusammenfanden.


8. Aus ihm als ganz verbranntem Opfertier

Floss ab mit Schmalz gemischter Opferseim,

Daraus schuf man die Tiere in der Luft

Und die im Walde leben und daheim.


9. Aus ihm als ganz verbranntem Opfertier

Die Hymnen und Gesänge sind entstanden,

Aus ihm auch die Prunklieder allesamt,

Und was an Opfersprüchen ist vorhanden.


10. Aus ihm entstammt das Ross, und was noch sonst

Mit Schneidezähnen ist auf beiden Seiten,

Aus ihm entstanden sind die Kuhgeschlechter,

Der Ziegen und der Schafe Sonderheiten.


11. In wieviel Teile ward er umgewandelt,

Als sie zerstückelten den Purusha?

Was ward sein Mund, was wurden seine Arme,

Was seine Schenkel, seine Füsse da?


12. Zum Brâhmaṇa ist da sein Mund geworden,

Die Arme zum Râjanya sind gemacht,

Der Vaiçya aus den Schenkeln, aus den Füssen

Der Çûdra damals ward hervorgebracht.


13. Aus seinem Manas ist der Mond geworden,

Das Auge ist als Sonne jetzt zu sehn,

Aus seinem Mund entstand Indra und Agni,

Vâyu, der Wind, aus seines Odems Wehn.


14. Das Reich des Luftraums ward aus seinem Nabel,

Der Himmel aus dem Haupt hervorgebracht,

Die Erde aus den Füssen, aus dem Ohre

Die Pole, so die Welten sind gemacht.


15. Als Einschlusshölzer dienten ihnen sieben,

Und dreimal sieben als Brennhölzer da,[831]

Als, jenes Opfer zurüstend, die Götter

Banden als Opfertier den Purusha.


16. Die Götter, opfernd, huldigten dem Opfer,

Und dieses war der Opferwerke erstes;

Sie drangen mächt'gen Wesens auf zum Himmel,

Da wo die alten, seligen Götter weilen.


Vâjasaneyi-Samhitâ 31,17-21.


17. Aus Wassern und der Erde Saft geschaffen,

Ging er hervor als Viçvakarman anfangs;

Tvashṭar kommt, auszubilden die Gestalt ihm;

So ist des Menschen erster Ursprung Gottheit.


18. Ich kenne jenen Purusha, den grossen,

Jenseits der Dunkelheit wie Sonnen leuchtend;

Nur wer ihn kennt, entrinnt dem Reich des Todes,

Nicht gibt es einen andern Weg zum Gehen.


19. Prajâpati wirket im Mutterleibe,

Der Ungebor'ne vielfach wird geboren;

Wie er entsprungen, sehen nur die Weisen,

In ihm gegründet sind die Wesen alle.


20. Verehrung ihm, der wärmend strahlt

Den Göttern, der ihr Priester ist,

Der vor ihnen entstanden war,

Dem leuchtenden, von Brahmanart.


21. Den leuchtenden, von Brahmanart

Zeugend, sprachen die Götter dann:

»Dem Priester, der dich also weiss,

Seien die Götter untertan!«


22. Schönheit und Glück sind deine Gattinnen, Tag und Nacht deine Seiten, die Gestirne dein Leib, die Açvin's dein Rachen. Fördernd fördere, jene [Welt] für mich fördere, die Allwelt für mich fördere.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 829-832.
Lizenz:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon