Vierzehntes Kapitel

[124] Der Unmöglichkeits-Beweis unterscheidet sich von dem direkten Beweis dadurch, dass jener einen Satz annimmt, den er widerlegen will, indem er daraus ein anerkannt Falsches ableitet; dagegen geht der direkte Beweis von als wahr zugestandenen Vordersätzen aus. Beide nehmen zwei zugestandene Vordersätze an; allein der direkte Beweis nimmt diese so an, dass aus ihnen der zu beweisende Satz als Schluss gezogen wird; der Beweis durch das Unmögliche nimmt aber nur einen davon und als den anderen den widersprechenden Gegensatz des Schlusssatzes. Ferner braucht beim direkten Beweis der Schlusssatz nicht bekannt zu sein und man braucht nicht im Voraus anzunehmen, dass der Schlusssatz so sei oder nicht so sei; aber bei dem Schluss aufs Unmögliche muss man etwas annehmen, was nicht so ist, wie der Satz, welcher bewiesen werden soll. Dagegen unterscheiden sie sich nicht darin, ob der Schlusssatz bejahend oder verneinend lautet, sondern hier verhalten sich beide gleich. Jedes direkt Bewiesene kann auch durch den Unmöglichkeits-Beweis bewiesen werden und das durch diesen Bewiesene kann auch direkt durch dieselben Begriffe, aber nicht in denselben Figuren bewiesen werden. Geschieht nämlich der Unmöglich keitsschluss in der ersten Figur, so erfolgt der direkte Beweis dafür in der zweiten oder dritten Figur; der verneinende Satz wird dann in der zweiten und der bejahende in der dritten Figur bewiesen. Wird aber der Unmöglichkeits-Beweis in der zweiten Figur geführt, so erfolgt der direkte Beweis dafür in der ersten Figur und zwar für alle Arten von aufzustellenden Sätzen.[124]

Geschieht der Unmöglichkeits-Schluss in der dritten Figur, so erfolgt der direkte Beweis in der ersten und zweiten Figur, nämlich für die bejahenden Sätze in der ersten, für die verneinenden in der zweiten Figur.

So soll in der ersten Figur durch den Unmöglichkeitsschluss bewiesen sein, dass A keinem B oder nicht allen B zukomme. Hier wurde nun, um diesen Satz durch einen Unmöglichkeitsschluss zu beweisen, angenommen, dass A in einigen B enthalten sei. Dann war dabei angenommen, dass C in allen A enthalten sei, aber in keinem B; denn so entstand der Schluss und ergab sich das Unmögliche. Nun ist dies aber die zweite Figur, wenn man setzt, dass C in allen A und in keinem B enthalten sei und es ergiebt sich daraus, dass A in keinem B enthalten ist. Aehnlich wird verfahren, wenn direkt bewiesen worden ist, dass A nicht in allen B enthalten ist. Hier lautet die Gegenannahme, dass A in allen B enthalten, aber von C war gesetzt, dass es in allen A enthalten sei, aber nicht in allen B. Auch wenn der Satz C A verneinend genommen wird, ist es ebenso, denn auch dann geschieht der Schluss in der zweiten Figur.

Ferner soll bewiesen sein, dass A in einigen B enthalten. Hier lautet die Gegenannahme, dass A in keinem B enthalten; von dem B war aber angenommen, dass es entweder in allen C oder in einigen C enthalten sei; denn so ergiebt sich das Unmögliche. Nun ist es die dritte Figur, wenn A und B beide in dem ganzen C enthalten sind, und es ergiebt sich mittelst derselben, dass A in einigen B enthalten sein muss. Ebenso ist es, wenn angenommen wird, dass B oder A in einigen C enthalten ist.

Es sei nun weiter in der zweiten Figur bewiesen, dass A in allen B enthalten. Hier war die Gegenannahme, dass A nicht in allen B enthalten sei, dabei war aber gesetzt worden, dass A allen C und C allen B zukomme; denn so ergiebt sich das Unmögliche. Dasselbe ergiebt sich in der ersten Figur, wenn A in allen C und C in allen B gesetzt wurde. Ebenso ist es, wenn bewiesen worden, dass A in einigen B enthalten ist. Der anzunehmende Gegensatz war hier, dass A in keinem B enthalten sei, es war aber gesetzt, dass A in[125] allen C und C in einigen B enthalten sei. Lautet aber der Schluss verneinend, so lautet die entsprechende Gegenannahme, dass A in einigen B enthalten sei. Nun war aber in dem direkten Schluss gesetzt, dass A in keinem C und C in allen B enthalten sei, und so ergiebt sich die erste Figur.

Lautet der Schluss nicht allgemein und ist bewiesen, dass A in einigen B nicht enthalten, so ist es ebenso; denn die Gegenannahme lautet dann, dass A in allen B enthalten; nun ist aber im direkten Beweis angenommen worden, dass A in keinem C und das C in einigen B enthalten sei, denn so ist die erste Figur vorhanden.

Es sei weiter in er dritten Figur gezeigt worden, dass A in allen B enthalten. Hier war die Gegenannahme, dass A nicht in allen B enthalten sei; es ist aber angenommen worden, dass C in allen B und A in allen C; denn so ergiebt sich das Unmögliche und das ist die erste Figur. Dasselbe gilt, wenn der Beweis nur dahin gegangen ist, dass A in einigen B enthalten; denn hier lautet die Gegenannahme, dass A in keinem B enthalten, aber es ist angenommen worden, dass C in einigen B und A in allen C enthalten sei.

Lautet aber der Schluss verneinend, so lautet die Gegenannahme, dass A in einigen B enthalten; es ist aber angenommen, dass C in keinem A, aber in allen B enthalten sei und das ist die zweite Figur. Ebenso verhält es sich, wenn der Beweis nicht allgemein erfolgt ist. Denn dann lautet die Gegenannahme dahin, dass A in allen B enthalten ist; es ist aber angenommen worden, dass C in keinem A und in einigen B enthalten und dies ist die zweite Figur.

Hieraus erhellt, dass man mittelst derselben Begriffe jeden aufgestellten Satz sowohl direkt, als durch die Unmöglichkeit des Gegensatzes beweisen kann. Ebenso kann man auch, wenn der Schlusssatz direkt abgeleitet worden, den Unmöglichkeits-Beweis mittelst derselben Begriffe führen, wenn man den widersprechenden Gegensatz des Schlusssatzes als Vordersatz nimmt. Es bilden sich dann dieselben Schlüsse, wie bei der Umkehrung der Schlüsse und man kann somit auch sofort die Figuren erfahren, in welchen jeder Schluss sich vollzieht.

Somit ist klar, dass jeder aufgestellte Satz sich auf[126] beide Arten beweisen lässt, sowohl vermittelst des Unmöglichen wie direkt und man kann die eine Art von der andern nicht trennen.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 124-127.
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