[413] 26. ›vyatireko, gandhavat‹
›ein Darüber-hinaus-Reichen, wie bei dem Geruche.‹

›Ähnlich wie der Geruch, obwohl er nur eine Qualität ist, über die den Geruch hervorbringende Substanz hinaus sich bethätigt, indem man z.B., auch wenn die den Duft hervorbringenden Blumen nicht zugegen sind, dennoch den Blumenduft wahrnimmt, – ebenso könnte auch bei der minimalen Seele ein Hinausreichen ihrer Qualität der Geistigkeit über dieselbe stattfinden; somit wäre der Satz nicht allgemein gültig, dass eine Lostrennung der Qualität, z.B. der Farbe u.s.w., von ihrem Träger unstatthaft sei; denn bei dem Geruche, der doch auch nur eine Qualität ist, zeigt sich diese Lostrennung derselben von ihrem Träger. Meint ihr etwa, dass hierbei eine Lostrennung des Geruches mitsamt seinem Träger anzunehmen sei, so bestreiten wir das, weil die ursprüngliche Substanz, von welcher die Lostrennung geschieht, | sonst durch dieselbe schwinden müsste; dass sie aber nicht schwindet, ersieht man daraus, dass sie in dem vorhergehenden Zustande verharrt; denn wenn sie schwände, so müsste sie ihrer früheren Zustände, des Gewichtes u.s.w., verlustig gehen.‹ – Aber lösen sich nicht vielleicht dennoch Teilchen als die Träger des Geruches von ihr los, nur dass diese Loslösung wegen ihrer Geringfügigkeit sich nicht bemerkbar macht, indem nur ganz feine Geruchsatome nach allen Seiten hin ausströmen und, wenn sie in die Nasenhöhlen gelangen, die Empfindung des Geruches erzeugen? – ›Diese Annahme ist nicht zulässig, weil die Atome nicht sinnlich wahrnehmbar sind, während man den Geruch der Nâgakeçara-Blüten u.s.w. doch wirklich wahrnimmt. Auch ist ja die allgemeine Annahme nicht, dass man die den Geruch hervorbringende Substanz rieche, sondern es ist vielmehr nur der Geruch, welchen man riecht, wie dies alle Welt annimmt. Meint ihr etwa, deswegen, weil bei der Farbe und andern Sinneseindrücken ein Hinausreichen der Qualität über die Substanz nicht stattfinde, deswegen sei auch beim Geruche ein solches Hinausreichen nicht anzunehmen, so bestreiten wir das, weil hier, wo die Wahrnehmung[413] spricht, eine Schlussfolgerung nicht am Platze ist. Denn je nachdem die Erfahrung eine Sache an die Hand giebt, dem entsprechend und nicht anders müssen die Betrachter ihre Folgerung einrichten; und weil z.B. die Qualität des Geschmackes mit der Zunge wahrgenommen wird, deswegen darf man doch nicht schliessen, dass auch die andern Qualitäten, z.B. die der Sichtbarkeit, notwendigerweise durch die Zunge wahrgenommen werden müssten.‹

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 413-414.
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