[381] 3. ›gauṇî, asambhavât‹
›uneigentlich, wegen der Unmöglichkeit‹.

›Eine Entstehung des Äthers ist nicht anzunehmen und zwar eben weil [in der Stelle Chând. 6, 2] »das Schriftzeugnis dafür fehlt«; und wenn nun doch wieder eine andere Schriftstelle sich anführen lässt, welche von einer Entstehung des Äthers redet, so muss dieselbe »uneigentlich« aufgefasst werden; warum? »wegen der Unmöglichkeit«, d.h. weil es nicht möglich ist, sich eine Entstehung des Raumes (Äthers) vorzustellen, wie wenigstens diejenigen annehmen, welche in den Meinungen des erlauchten Kaṇâda wandeln. Diese nämlich bestreiten die Entstehung des Raumes, weil er aus ihrem Vorrate von Ursachen sich nicht ableiten lässt. Alles nämlich, so lehren sie, was entsteht, muss hervorgehen aus der [die Wirkung] inhärierend-habenden, der [sie] nicht-inhärierend-habenden und der bewirkenden Ursache. Für eine Substanz nun liegt die inhärierend-habende Ursache in einer andern Substanz, welche mit ihr gleichartig und dabei vielheitlich ist [wie z.B. die Erdatome es sind, denen die Erde als Substanz inhäriert]. Für den Raum aber giebt es keine ihn bedingende, mit ihm gleichartige und dabei vielheitliche Substanz, aus welcher als inhärierend-habender Ursache und aus deren Verbindung als nicht-inhärierend-habender Ursache der Raum hervorgehen könnte. Fehlt es aber an diesen beiden, | so kann noch viel weniger von einer dieselben voraussetzenden bewirkenden Ursache für den Raum die Rede sein. – Hierzu kommt, dass für alles, was eine Entstehung hat, z.B. für das Feuer u.s.w., sich ein Unterschied vorstellen lässt zwischen der Zeit vor und der nach dem Entstehen, derart, dass[381] vor dem Entstehen die entsprechenden Wirkungen, z.B. das Leuchten (lies: prakâça) u.s.w., nicht da waren, und dass sie nun hinterher da sind. Für den Raum nun also kann man sich einen derartigen Unterschied zwischen der Zeit vor und der nach seinem Entstehen nicht vorstellen. Denn könnte man sich wohl dabei beruhigen, anzunehmen, dass vor der Weltschöpfung kein freier Raum, keine Weite, kein Offenes gewesen wäre? – Ferner auch darum, weil der Raum von der Erde und den übrigen [wirklich aus den Atomen entstandenen Substanzen] wesensverschieden ist, sofern er [im Gegensatze zu ihnen] Allgegenwart u.s.w. besitzt, ist zu schliessen, dass der Raum nicht entstanden sein kann. – Somit muss man annehmen, dass, so wie in den Redensarten, »mache Raum«, »es ist Raum geworden«, die Worte »machen« und »werden« bildlich zu nehmen sind, – oder wie man auch von dem Raum eines Gefässes, dem Raum eines Kruges, dem Raum eines Hauses redet, wobei trotz der Einheit des Raumes von einer Vielheit von Räumen gesprochen wird, – wie es ja auch im Veda heisst: »die wilden Tiere sollen sie in den Zwischenräumen opfern« (vgl. Çatap. br. 13, 5, 1, 15), – dass in ähnlicher Weise die Schriftstelle von der Entstehung des Raumes »uneigentlich« zu nehmen ist.‹

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 381-382.
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