[507] [Tiefere Erfassung der hier vorgetragenen Seynslehre. – Alles, was aus dem blossen Daseyn, als solchem, folge, durch die Benennung der Form zusammengefasst: – sey in der Wirklichkeit das Seyn von der Form schlechthin unabtrennlich, und das Daseyn der letzteren sey selbst in der inneren Nothwendigkeit des göttlichen Wesens gegründet. Erläuterung dieses Satzes an dem einen Theile der Form, der Unendlichkeit. Anwendung desselben auf den zweiten Theil derselben Form, die Fünffachheit. Diese giebt ein freies und selbstständiges Ich, als den organischen Einheitspunct der ganzen Form. – Belehrung über das Wesen der Freiheit. – Affect des Ich für seine Selbstständigkeit, der da nothwendig verschwinde, sobald, durch vollendete Freiheit, die einzelnen Standpuncte bloss möglicher Freiheit vernichtet werden; und so Beben denn die Anwesenheit oder Abwesenheit jener Liebe des Selbst zwei durchaus entgegengesetzte Hauptweisen, die Welt anzusehen und zu geniessen, Aus der ersten stamme zuvörderst der Trieb nach sinnlichem Genusse als die Liebe zu einem, auf eine gewisse Weise durch die Objecte bestimmten Selbst: sodann, in der Denkart der Gesetzmässigkeit, die Liebe zu bloss formaler Freiheit, nach aufgegebener Liebe objectiver Selbstbestimmung. Charakteristik der Liebe, aus der ein kategorischer Imperativ entspringt. Durch die Vernichtung jener Liebe des Selbst falle der Wille des Ich zusammen mit dem Leben Gottes; und es entstehe daraus zuvörderst der, oben als dritter aufgestellte, Standpunct der höheren Moralität. Verhältniss dieser Denkart zu den äusserlichen Umgebungen, besonders im Gegensalze mit der Superstition der sinnlichen Bedürftigkeit.]
Ehrwürdige Versammlung.
Der gesammte Zweck und Inhalt dieser ganzen Vorlesungen liesse sich kurz also angeben. dass sie eine Beschreibung des wahren und eigentlichen, und eben darum seligen Lebens enthielten. Jede gute Beschreibung aber soll genetisch seyn, und sie muss das zu beschreibende allmählig vor den Augen des Zuschauers entstehen lassen. Einer solchen genetischen Beschreibung ist nun das eigentliche geistige Leben sehr wohl empfänglich; denn es entwickelt sich, wie wir schon vor einiger Zeit, bildlich wie es schien, woraus aber hinterher sehr buchstäblicher Ernst geworden ist, sagten – es entwickelt sich dieses Leben in der Regel nur allmählig und nach und nach, und hält seine bestimmten Stationen. Als diese Stationen des geistigen Lebens haben wir fünf Hauptstandpuncte der möglichen Weltansicht kennen gelernt, und durch diese das Leben, anfangs nur als kalte und uninteressirte Ansicht heraufgesteigert; in der vorigen Stunde aber haben wir diese blosse Ansicht mit ihrem Affecte, ihrer Liebe und ihrem Selbstgenusse versetzt, und dadurch die Form des Lebens erst vollendet. Dieses also bestimmte Leben haben wir in der vorigen Rede durch den Zustand der Nullität, des blossen Sinnengenusses, der strengen Rechtlichkeit und Gesetzmässigkeit hindurchgeleitet.
Wie eine solche Beschreibung des geistigen Lebens zu höheren Stufen hinaufsteigt, wird sie begreiflicherweise für die Majorität eines gesunkenen Zeitalters dunkler und schwerer zu verstehen, weil sie nun eintritt in derselben fremde, weder durch eigene geistige Erfahrung, noch durch Hörensagen[507] bekannte Regionen. Dies leget dem, der es einmal unternommen über solche Gegenstände zu reden, die Pflicht auf, wenigstens, falls er auch die Hoffnung aufgeben müsste, von allen positiv verstanden zu werden, doch wenigstens vor jedem selbstveranlassten Misverständnisse sich zu verwahren; und wenn er auch nicht an alle das Wahre bringen könnte, dennoch zu verhüten, dass durch seine Schuld keiner etwas Falsches erhalte; und wenigstens diejenigen, die das Vermögen wohl hätten, ihn ganz zu fassen, also auszurüsten, dass sie selbst wieder in ihren Cirkeln Rede und Antwort geben und Umdeutungen berichtigen können. Dies hat mich zu dem Entschlusse gebracht, einen Theil dieser Stunde dazu anzuwenden, um die hier zu behandelnde, und in der letzten Stunde auf ihrem Culminationspuncte stehen gelassene Materie in ihrer Tiefe zu erschöpfen.
Diejenigen unter den Anwesenden, welche in die Speculation schon eingeweihet sind, sollen bei dieser Gelegenheit in den organischen Einheitspunct aller Speculation also hineinversetzt werden, wie es, meines Wissens, noch niemals und nirgends geschehen. Die übrigen, welche mit uns philosophiren entweder nicht können oder nicht wollen, können die Veranlassung, dass vor ihren Augen philosophirt wird, wenigstens dazu gebrauchen, um sich einen allgemeinen Begriff von der Sache zu verschaffen, und um zu ersehen, dass, wenn es nur recht gemacht wird, es dabei nicht so wunderbar und künstlich, als man gewöhnlich glaubt, sondern ganz einfach und natürlich hergehe, und nicht mehr dazu gehöre, als nur das Vermögen einer anhaltenden Aufmerksamkeit. Jedoch wird nöthig seyn, dass auch die von der letzteren Klasse das zu sagende wenigstens historisch fassen, weil noch vor dem Schlusse dieser Stunde etwas kommen wird, welches alle zu verstehen begehren werden; das aber nicht verstanden werden kann, wenn man das erstere nicht einmal historisch gefasst und als eine mögliche Hypothese gesetzt hat.
Wir haben eingesehen: das Seyn ist – schlechthin, und es ist nie geworden, noch ist etwas in ihm geworden. Dieses Seyn ist ferner, wie sich nur finden, keinesweges aber genetisch[508] begreifen lässt, auch äusserlich da; und nachdem es einmal als daseyend gefunden ist, so lässt sich nun wohl auch begreifen, dass auch dieses Daseyn nicht geworden, sondern in der innern Nothwendigkeit des Seyns gegründet, und durch diese absolut gesetzt ist. Vermittelst dieses Daseyens nun, und in diesem Daseyn, wird das Seyn, wie dies alles, als aus dem Daseyn nothwendig erfolgend, sich einsehen lässt, zu einem Bewusstseyn, und zu einem auf mannigfaltige Weise gespalteten Bewusstseyn.
Alles, was an dem Seyn aus dem Daseyn folgt, zusammengefasst, wollen wir, lediglich um nicht immer dieselbe Reihe von Worten zu wiederholen, die Form nennen: welches Wort nun eben alles dasjenige bedeutet, was wir schon vorher als – folgend aus dem Daseyn eingesehen haben müssen. (So verhält es sich – dies erinnere ich für die nicht mitphilosophirenden – mit aller philosophischen Terminologie; die Ausdrücke derselben sind lediglich Redeabkürzungen, um an etwas schon vorher in unmittelbarer Anschauung erblicktes in der Kürze zu erinnern; und wer dieser Anschauung nicht theilhaftig geworden, für den, für ihn aber auch allein, sind sie leere und nichts bedeutende Formeln.)
Wir haben sonach die beiden Stücke; – das Seyn, wie es innerlich und in sich ist, und die Form, welche das erstere dadurch, dass es da ist, annimmt. – Wie haben wir uns ausgedrückt? Was ist es, das eine Form annimmt? Antwort: Das Seyn, wie es in sich selber ist, ohne die mindeste Veränderung seines innern Wesens – darauf eben kommt es mir an. Was also ist – in dem Daseyn? Antwort: Durchaus nichts anderes, als das Eine, ewige und unveränderliche Seyn, ausser welchem gar nichts zu seyn vermag. Wiederum vermag denn dieses ewige Seyn dazuseyn, ausser gerade in dieser Form. Wie wäre es doch möglich, da diese Form nichts anderes ist, als das Daseyn selbst; somit die Behauptung: das Seyn könne auch in einer andern Form daseyn, heissen würde: das Seyn könne daseyn, ohne doch dazuseyn. Nennen Sie das Seyn A, und die Form, die gesammte Form versteht sich, in ihrer Einheit gedacht, B so ist das wirkliche Daseyn A x B und B x A.[509]
A bestimmt durch B, und gegenseitig. – Bestimmt, sage ich, mit dem Accente, so dass Sie mit Ihrem Denken nicht von einem der Endpuncte, sondern vom Mittelpuncte ausgehen, und sich so verstehen; beide sind in der Wirklichkeit verwachsen und gegenseitig von einander durchdrungen, so dass sie in der Wirklichkeit, und ohne dass die Wirklichkeit des Daseyns vernichtet werde, nicht wieder getrennt werden können. – Dieses nun ists, worauf mir alles ankommt; dies der organische Einheitspunct aller Speculation; und wer in diesen eindringt, dem ist das letzte Licht aufgegangen.
Um es noch zu verstärken – Gott selbst, d. i. das innere Wesen des Absoluten, welches nur unsere Beschränktheit von seinem äusseren Daseyn unterscheidet, kann jene absolute Verschmelzung des Wesens mit der Form nicht aufheben; denn selbst sein Daseyn, was nur dem ersten lediglich factischen Blicke als factisch und zufällig erscheint, ist ja für das allein entscheidende wahrhaftige Denken nicht zufällig, sondern, da es ist, und es ausserdem nicht seyn könnte, es muss notwendig folgen aus dem inneren Wesen. Zufolge Gottes innerem Wesen demnach ist dieses innere Wesen mit der Form unabtrennlich verbunden und durch sich selber eingetreten in die Form; welches für die, die es zu fassen vermögen, die vom Anfange der Welt bis auf den heutigen Tag obgewaltete höchste Schwierigkeit der Speculation leicht auflöst, und unsern schon früher gelieferten Commentar der Johanneischen Worte verstärkt: der Worte: Im Anfange, schlechthin unabhängig von aller Möglichkeit des Gegentheils, aller Willkür, allem Zufalle, und darum aller Zeit, gegründet in der inneren Nothwendigkeit des göttlichen Wesens selber, war die Form; und diese war bei Gott, liegend eben und gegründet in – und ihr Daseyn hervorgehend aus der innern Bestimmtheit des göttlichen Wesens, und die Form war selbst Gott, Gott trat in ihr also heraus, wie er in ihm selber ist.
Z.B.: Ein Theil der Form war die ins unendliche gehende Fortgestaltung und Charakterisirung des an sich ewig sich gleichbleibenden Seyns = A. Ich stelle, damit Sie hieran sich versuchen, Ihnen die Frage: Was ist denn nun in diesem unendlichen[510] Gestalten und Charakterisiren das realiter und thätig Gestaltende und Charakterisirende selbst? Ist es etwa die Form? Diese ist ja an sich ganz und gar nichts. Nein; das absolut Reale = A ist es, welches – sich gestaltet; sich, sage ich, sich selbst, wie es innerlich ist, – gestaltet, sage ich, nach dem Gesetze einer Unendlichkeit. Es gestaltet sich nicht Nichts, sondern es gestaltet sich das innere göttliche Wesen.
Fassen Sie aus dieser Unendlichkeit, wo Sie wollen, den Inhalt irgend eines bestimmten Moments heraus. Es ist dieser Inhalt, wie sich versteht, durchgängig bestimmt; derjenige, der er ist, und durchaus kein anderer. Ich frage: Warum ist er der, der er ist, und wodurch wird er also bestimmt? Sie können nicht anders antworten, denn also: durch zwei Factoren, zuvörderst dadurch, dass das Absolute in seinem innern Wesen ist, wie es ist, sodann dadurch, dass dieses Absolute ins unendliche sich gestaltet: nach Abzug desjenigen, was vom Inhalte aus dem innern Wesen folgt, ist das übrige in diesem Momente, d.h. das, was in ihm rein und lediglich Gestaltung ist, dasjenige, was aus der übrigen unendlichen Gestaltung für diesen Moment übrig bleibt.
Diese Unendlichkeit der Zerspaltung ist der eine Theil der Form, haben wir gesagt; und dieses Theils bedienten wir uns als Beispiels, um an ihm unsern Grundsatz klarer zu machen. Für unsern gegenwärtigen Zweck aber kommt es auf den zweiten Theil der Form an. auf welchen wir den aufgestellten, und hoffentlich nun eingesehenen Grundsatz bestimmend anwenden wollen; wofür ich Ihre Aufmerksamkeit von neuem in Anspruch nehme.
Dieser zweite Theil der Form ist eine Spaltung in fünf neben einander liegende, und als herrschende Puncte gegenseitig sich ausschliessende Ansichtspuncte der Realität. Neben einander liegende, als herrschend gegenseitig sich ausschließender darauf, dass dies im Auge behalten werde, kommt es hier an. Bewiesen ist es übrigens schon oben; auch leuchtet es unmittelbar und auf den ersten Blick ein. Nochmals: was ist es, das in dieser neuen Spaltung sich spaltet? Offenbar das Absolute, wie es in sich selber ist; welches selbige Absolute in[511] derselben Ungetheiltheit und Einheit der Form sich auch spaltet ins unendliche. Darüber ist kein Zweifel. Aber, wie sind diese Puncte gesetzt: sind sie als wirklich gesetzt, so wie die ganze in der Zeit ablaufende Unendlichkeit? Nein, denn sie schliessen sich gegenseitig als herrschende in einem und demselben Zeitmomente aus: darum sind sie insgesammt, in Beziehung auf Ausfüllung aller Zeitmomente durch einen von ihnen nur als gleich mögliche gesetzt: und das Seyn tritt, in Beziehung auf jeden einzelnen, nicht als nothwendig so zu nehmen, oder als wirklich also genommen, sondern nur als möglicherweise so zu nehmen ein. Specieller: Tritt denn nun das Eine, in eine unendliche Zeit freilich unwiederbringlich gespaltene ein in der Weise von 1, – oder in der von 2, u.s.w.? Schlechthin nicht; sondern es ist dieses Seyn an und durch sich völlig unbestimmt und völlig indifferent in Rücksicht dieses seines Genommenwerdens. Das Reale geht in dieser Beziehung nur bis zur Möglichkeit, und nicht weiter. Es setzt daher durch sein Daseyn eine von ihm in seinem innern Wesen völlig unabhängige Freiheit und Selbstständigkeit seines Genommenwerdens, oder der Weise, wie es reflectirt werde; und nun dasselbe noch schärfer ausgedrückt: das absolute Seyn stellt in diesem seinem Daseyn sich selbst bin, als diese absolute Freiheit und Selbstständigkeit sich selber zu nehmen, und als diese Unabhängigkeit von seinem eignen innern Seyn; es erschafft nicht etwa eine Freiheit ausser sich, sondern es ist selber, in diesem Theile der Form, diese seine eigne Freiheit ausser ihm selber; und es trennt in dieser Rücksicht allerdings sich in seinem Daseyn – von sich in seinem Seyn und stösst sich aus von sich selbst, um lebendig wieder einzukehren in sich selbst. Nun ist die allgemeine Form der Reflexion Ich: demnach ein selbstständiges und freies Ich setzt es; oder auch: ein Ich, – und, was allein ein Ich giebt, ein selbstständiges und freies Ich gehört zur absoluten Form = B, und ist der eigentliche organische Einheitspunct der absoluten Form des absoluten Wesens; indem ja auch die dermalen als zweiter Theil der Form bei Seite gelegte Spaltung ins unendliche, unsrer eignen Ableitung nach, sich auf die Selbstständigkeit[512] der Reflexionsform gründet: und sie ist nach der obigen Bemerkung von der innern Nothwendigkeit des göttlichen Wesens unabtrennlich, so dass sie durch Gott selbst nicht aufgehoben werden kann.
Es ist leicht, im Vorübergehen folgende Sätze mit anzumerken. – 1) Freiheit ist gewiss und wahrhaftig da, und sie ist selber die Wurzel des Daseyns: doch ist sie nicht unmittelbar real; denn die Realität geht in ihr nur bis zur Möglichkeit. Die Paradoxie des letzteren Zusatzes wird sich von selbst lösen, so wie unsere Untersuchung fortschreiten wird. 2) Freiheit innerhalb der Zeit, und zu selbstständig zu bestimmender Ausfüllung der Zeit, ist nur in Beziehung auf die angegebenen fünf Standpuncte des geistigen Lebens, und inwiefern sie aus diesen erfolgt; aber sie ist keinesweges jenseits dieser fünffachen Spaltung; denn da ist nur das innerlich bestimmte absolute Wesen in der ebenso unabänderlich bestimmten Form der Unendlichkeit und der durch die Realität selbst unmittelbar ausgefüllten Zeit; noch ist sie diesseits dieser Spaltung, und das Ich in einem dieser Puncte ruhend gesetzt, sondern da ist wiederum strenge Nothwendigkeit und Folge aus dem Princip.
Dies im Vorbeigehen wegen seiner anderweitigen Wichtigkeit; auch mit darum, weil es nicht sonderlich bekannt zu seyn scheint. Nicht im Vorbeigehen, sondern unmittelbar zu unserem Zwecke gehörig, sagen wir folgendes, wozu ich von neuem Ihre Aufmerksamkeit auffordere. 1) Da jene Selbstständigkeit und Freiheit des Ich zum Seyn desselben gehört, jedes Seyn aber im unmittelbaren Bewusstseyn seinen Affect hat, so ist, inwiefern ein solches unmittelbares Bewusstseyn der eignen Freiheit stattfindet, nothwendig auch ein Affect für diese Selbstständigkeit, die Liebe derselben und der daraus folgende Glauben daran vorhanden. – Inwiefern ein solches unmittelbares Bewusstseyn der eignen Freiheit stattfindet, sagte ich: denn 2) welches, als die Hauptsache dieser ganzen Untersuchung und das eigentliche Ziel alles vorausgeschicktem, ich Sie wohl zu fassen bitte – denn jene Freiheit und Selbstständigkeit ist ja nichts mehr, denn die blosse Möglichkeit der Standpuncte des Lebens: diese Möglichkeit aber ist ja auf die[513] angezeigten fünf Weisen an der Zahl beschränkt; so daher jemand die Auffassung nach diesem Schema vollendet, so hat er damit die Möglichkeit vollendet und sie zur Wirklichkeit erhoben; er hat sein Vermögen erschöpft, und das Maass seiner Freiheit verbraucht, es ist ihm in der Wurzel seines Daseyns keine Freiheit mehr übrig; mit dem Seyn aber verschwindet nothwendig auch der Affect, und die Liebe und der Glaube, ohne Zweifel, um einer weit heiligeren Liebe und einem weit beseligenderen Glauben Platz zu machen. So lange das Ich noch durch ursprüngliche Selbstthätigkeit an seiner Selbsterschaffung zur vollendeten Form der Realität zu arbeiten hat, bleibet in ihm freilich der Trieb zur Selbstthätigkeit und der unbefriedigte Trieb als der heilsam forttreibende Stachel und das innige Selbstbewusstseyn der Freiheit, welches bei dieser Lage der Sachen absolut wahr ist und ohne Täuschung; wie er sich aber vollendet, fällt dieses Bewusstseyn, das nun allerdings trügen würde, hinweg, und ihm fliesst von nun an die Realität ruhig ab in der einzig übriggebliebenen und unaustilgbaren Form der Unendlichkeit.
Also, was ich als gemeinverständliches Resultat und nicht lediglich für den speculirenden Theil der Anwesenden aufstelle – die Anwesenheit eines Affects, einer Liebe und eines Glaubens an eigne Selbstständigkeit von einer, so wie die Abwesenheit desselben Affectes von der andern Seite, sind die Grundpuncte zweier – wie ich jetzt die bisherige Fünffachheit schärfer zusammenfasse, zweier durchaus entgegengesetzter Ansichten und Genussweisen der Welt.
Was zuvorderst den Zustand der Anwesenheit des Affectes für die eigne Selbstständigkeit anbelangt, so hat auch dieser wiederum zwei verschiedene Formen (Sie bemerken, dass dieses eine Unterabtheilung in dem ersten Theile der soeben aufgestellten Oberabtheilung ist): – deren erste und niedrigere ich Ihnen also klar mache. Das Ich, als das Subject der Selbstständigkeit, ist, wie Sie wissen, die Reflexion. Diese ist, wie Sie gleichfalls wissen, in ihrer ersten Function, gestaltend, weiter bestimmend, charakterisirend – die Welt. Innerhalb dieser Gestalten und dieses Gestaltens nun ist das hier von uns[514] zu beschreibende besondere Ich ein eignes und selbstständiges Seyn; welches sein bestimmtes Seyn es ebendarum mit Liebe umfasst, und so Trieb und Bedürfniss dieses also bestimmten Seyns erhält. Nochmals: was für ein Seyn war dies? Seyn in einer bestimmten Gestaltung seines Lebens. Woher das Bedürfniss dieser Gestaltung? Aus seiner Selbstliebe in diesem Standpuncte seiner Freiheit. Wenn das Bedürfniss befriedigt würde, was würde dies geben? Genuss. Woraus würde dieser Genuss entstehen? Aus einer gewissen Gestaltung seines Lebens durch die selbst gestaltete, d. i. objective, getheilte und mannigfaltige Welt. Hier liegt der Grundpunct der sinnlichen Begier des Menschen, und dieser ist der eigentliche Schöpfer der Sinnenwelt. Also – es entsteht Begier und Bedürfniss einer gewissen und bestimmten Gestalt – darauf kommt alles an, dieses ist der charakteristische Grundzug. und diesen bitte ich zu bemerken – unseres Lebens. Trieb nach Glückseligkeit in bestimmten und durch bestimmte Objecte. Dass die objective Bestimmung dieses Glückseligkeitstriebes nicht auf nichts, sondern auf die in dieser Form der Selbstständigkeit nun einmal stehen gebliebene Realität sich gründe, versteht sich; ebenso wie dies, dass, da in dieser Form der Fortgestaltung der Welt ein ununterbrochener Wandel stattfindet, auch das Ich fortgehend sich verwandelt, und darum auch dasjenige, worin es seine Glückseligkeit zu setzen genöthigt ist, allmählig, sich verändert, und im Fortgange die ersten Objecte der Begier verschmäht werden und andere ihre Stelle einnehmen. Bei dieser absoluten Ungewissheit nun über das eigentlich beglückseligende Object stellt man zuletzt einen, in dieser Rücksicht völlig leeren und unbestimmten Begriff hin, der jedoch den Grundcharakter beibehält, dass die Glückseligkeit aus irgend einem bestimmten Objecte kommen solle: – den Begriff eines Lebens, in welchem alle unsere Bedürfnisse überhaupt, welche dieses nun auch seyen, auf der Stelle befriedigt werden, einer Abwesenheit alles Schmerzes, aller Mühe und aller Arbeit, – die Inseln der Glückseligen und elysischen Gefilde der Griechen, den Schooss Abrahams der Juden, den Himmel der gewöhnlichen Christen. Die Freiheit und Selbstständigkeit[515] auf dieser Stufe ist material. Die zweite Weise der Anwesenheit des Affects für eigne Freiheit und Selbstständigkeit ist die, da diese Freiheit nur überhaupt, und eben darum rein, leer und formal gefühlt und geliebt wird, ohne durch sich irgend einen bestimmten Zustand zu setzen und anzustreben. Dies giebt den zu Ende der vorigen Stunde beschriebenen Standpunct der Gesetzmässigkeit, den wir, um an Bekanntes zu erinnern, auch den des Stoicismus nannten. Dieser hält sich überhaupt für frei, denn er nimmt an, dass er dem Gesetze auch nicht gehorchen könne; er sondert sonach sich ab und stellt sich, als auch eine für sich bestehende Macht, dem Gesetze oder was das nun eigentlich seyn mag, das ihm als Gesetz erscheint, gegenüber. Er vermag sich, sagte ich, nicht anders zu fassen und anzusehen, denn als einen solchen, der dem Gesetze auch nicht gehorchen gar wohl könne. Jedoch nach seiner ebenso nothwendigen Ansicht soll er ihm gehorchen, und nicht seiner Neigung; für ihn fällt darum allerdings die Berechtigung auf Glückseligkeit, und, wenn die ausgesprochne Ansicht nur wirklich lebendig ist in ihm, auch das Bedürfniss einer Glückseligkeit und eines beglückseligenden Gottes rein weg. Durch jene erste Voraussetzung aber, seines Vermögens auch nicht zu gehorchen, entsteht ihm erst überhaupt ein Gesetz, denn seine Freiheit, beraubt der Neigung, ist nun leer und ohne alle Richtung. Er muss sie wieder binden; und Band für die Freiheit oder Gesetz ist ja ganz dasselbe. Lediglich demnach durch den, nach dem Aufgeben aller Neigung dennoch beibehaltenen Glauben an Freiheit macht er ein Gesetz für sich möglich, und giebt für seine Ansicht dem wahrhaft Realen die Form eines Gesetzes.
Fassen Sie dies in der Tiefe, und darum in der Fülle der Klarheit also. 1) In die sich gegenseitig ausschliessenden Puncte der Freiheit tritt das göttliche Wesen nicht ganz und ungetheilt, sondern es tritt in diese nur einseitig ein: jenseits dieser Puncte aber tritt es unverdeckt durch irgend eine Hülle, welche nur in diesen Puncten gegründet ist, so wie es in sich selber ist, ein; sich fortgestaltend ins Unendliche: in dieser Form des ewig fortfliessenden Lebens, welche unabtrennlich[516] ist von seinem an sich einfachen, innern Leben. Dieser ewige Fortfluss des göttlichen Lebens ist nun die eigentliche innerste und tiefste Wurzel des Daseyns, – der oben genannten absolut unauflöslichen Vereinigung des Wesens mit der Form. Offenbar führt nun dieses Seyn des Daseyns, so wie alles Seyn, bei sich seinen Affect; es ist der stehende, ewige und unveränderliche Wille der absoluten Realität, so sich fort zu entwickeln, wie sie nothwendig sich entwickeln muss. 2) So lange nun aber irgend ein Ich noch in irgend einem Puncte der Freiheit steht, hat es noch ein eigenes Seyn, welches ein einseitiges und mangelhaftes Daseyn des göttlichen Daseyns, mithin eigentlich eine Negation des Seins ist, und ein solches Ich hat auch einen Affect dieses Seyns, und einen dermalen unveränderlichen und stehenden Willen, dieses sein Seyn zu behaupten. Sein immerfort vorhandener Wille ist daher gar nicht Eins mit dem stehenden Affecte und Willen des vollendeten göttlichen Daseyns. 3) Sollte nun ein Ich auf diesem Standpuncte dennoch vermögen, jenem ewigen Willen gemäss zu wollen, so könnte dies schlechthin nicht geschehen durch seinen immer vorhandenen Willen sondern dieses Ich müsste durch ein drittes dazwischentretendes Wollen, das man einen Willensentschluss nennt, diesen Willen sich erst machen. – Ganz genau in diesem Falle befindet sich nun der Mann des Gesetzes; und dadurch eben, dass er in diesem Falle sich befindet, wird er ein Mann des Gesetzes. Indem er, welches die eigentliche Wurzel seiner Denkart ist, bei welcher wir ihn erfassen müssen – indem er bekennt, dass er auch nicht gehorchen könnte – welches, da ja hier vom physischen Vermögen, dessen Abhängigkeit vom Wollen vorausgesetzt wird, nicht die Rede ist, offenbar so viel heisst, dass er auch nicht gehorchen – wollen könnte; – welcher Versicherung, als dem unmittelbaren Ausspruche seines Selbstbewusstseyns, ohne Zweifel auch Glauben beizumessen ist: bekennt er ja, dass es nicht sein herrschender und immer bereiter Wille sey, zu gehorchen; denn wer könnte denn auch gegen seinen Willen, und wer dächte hinaus über seinen stets fertigen und immer bereitwilligen Willen? Keinesweges etwa, dass er dem Gehorchen abgeneigt[517] sey; denn dann müsste doch eine andere, und zwar sinnliche Neigung in ihm walten, welches gegen die Voraussetzung ist, indem er sodann sogar nicht moralisch wäre, sondern durch äussere Zwangsmittel in Zucht und Ordnung, gehalten werden müsste; sondern nur, dass er ihn auch nicht geneigt ist, sondern überhaupt sich indifferent dagegen verhält Durch diese Indifferenz seines eigenen stehenden Willens nun wird ihm jener Wille zu einem fremden, den er sich erst als ein Gesetz für seinen natürlich das nicht wollenden Willen hinstellt; und zu dessen Befolgung er erst durch einen Willensentschluss den natürlich ihm ermangelnden Willen hervorzubringen muss. Und so ist denn die bleibende Indifferenz gegen den ewigen Willen, nach geschehender Verzichtleistung auf den sinnlichen Willen, die Quelle eines kategorischen Imperativs im Gemüthe; so wie ferner der beibehaltene Glaube an unsere, wenigstens formale Selbstständigkeit die Quelle jener Indifferenz ist.
So Wie durch den höchsten Act der Freiheit und durch die Vollendung derselben dieser Glaube schwindet, fällt das gewesene Ich hinein in das reine göttliche Daseyn, und man kann der Strenge nach nicht einmal sagen: dass der Affect, die Liebe und der Wille dieses göttlichen Daseyns die seinigen würden; indem überhaupt gar nicht mehr Zweie, sondern nur Eins, und nicht mehr zwei Willen, sondern überhaupt nur noch Einer und ebenderselbe Wille Alles in Allem ist. So lange der Mensch noch irgend etwas selbst zu seyn begehrt, kommt Gott nicht zu ihm, denn kein Mensch kann Gott werden. Sobald er sich aber rein, ganz und bis in die Wurzel vernichtet, bleibt allein Gott übrig, und ist Alles in Allem. Der Mensch kann sich keinen Gott erzeugen; aber sich selbst, als die eigentliche Negation, kann er vernichten, und sodann versinket er in Gott.
Diese Selbstvernichtung, ist der Eintritt in das höhere, dem niedern, durch das Daseyns eines Selbst bestimmten Leben, durchaus entgegengesetzte Leben; und nach unserer ersten Weise zu zählen die Besitznehmung vom dritten Standpuncte der Weltansicht; der reinen und höheren Moralität.[518]
Das eigentliche innere Wesen dieser Gesinnung, und die im Mittelpuncte dieser Welt einheimische Seligkeit wollen wir in der künftigen Stunde beschreiben. Jetzt wollen wir nur noch die Beziehung derselben auf die niedere und sinnliche Welt angeben. – – – Ich hoffe oben den Grund so tief gelegt zu haben, dass mir dabei der Nebenzweck, jener üblichen Verwirrung der Seligkeit und Glückseligkeit alle Ausflüchte zu nehmen, gelingen könne. Diese Denkart, welche, falls ein Ernsthafter über sie kommt, lieber nicht gesagt haben möchte, was sie doch ewig fortsagt, liebt sehr ein wohltätiges Helldunkel und eine gewisse Unbestimmtheit der Begriffe; uns dagegen ist es zuträglicher sie an das klare Licht hervorzuziehen, und uns mit der schneidendsten Bestimmtheit von ihr abzusondern. Jene möchten sich gern vertragen; wir wissen es wohl: sie möchten den Geist nicht gern ganz wegwerfen, – wir sind nicht so ungerecht, sie dessen zu beschuldigen; – nur wollen sie auch vom Fleische nichts aufgeben. Wir aber wollen weder, noch können wir uns vertragen; denn diese beiden Dinge sind schlechterdings unvereinbar, und wer das eine will muss das andere lassen.
Die Ansicht seiner selbst, als einer für sich bestehenden umhin einer Sinnenwelt lebenden Person, bleibt dem auf dem dritten Standpuncte befindlichen freilich, weil dieser in der unveränderlichen Form liegt; nur fällt dahin nicht, mehr seine Liebe und sein Affect. Was wird ihm nun diese Person und die ganze sinnliche Selbstthätigkeit? Offenbar nur Mittel für den Zweck das zu thun, was er selber will und über alles liebt, den in ihm sich offenbarenden Willen Gottes. – Ebenso, wie dieselbe Persönlichkeit auch dem Stoiker nur das Mittel ist, um dem Gesetze zu gehorchen, und beide hierin ganz gleich sind und uns für Eins gelten. Dem sinnlichen Menschen dagegen ist seine persönliche sinnliche Existenz letzter und eigentlicher Zweck und alles andere, was er noch ausserdem thut oder glaubt, ist ihm das Mittel für diesen Zweck.
Es ist schlechthin unmöglich und ein absoluter Widerspruch, dass jemand zweierlei liebe, oder zwei Zwecke habe. Die beschriebene Liebe Gottes tilgt schlechthin die persönliche[519] Selbstliebe aus. Denn nur durch die Vernichtung der letzteren kommt man zur ersteren. Wiederum, wo die persönliche Selbstliebe da ist, da ist nicht die Liebe Gottes; denn die letztere duldet keine andere Liebe neben sich.
Dies ist, wie schon oben erinnert worden, der Grundcharakter der sinnlichen Selbstliebe, dass sie ein auf eine bestimmte Weise gestaltetes Leben und ihre Glückseligkeit von irgend einem Objecte begehrt; dagegen die Liebe Gottes alle Gestalt des Lebens und alle Objecte nur als Mittel betrachtet, und weiss, dass durchaus alles, was gegeben wird, das rechte und nothwendige Mittel ist; darum durchaus und schlechthin kein auf irgend eine Weise bestimmtes Object will, sondern alle nur nimmt, wie sie kommen.
Was würde nun der sinnliche, eines objectiven Genusses bedürftige Mensch thun, wenn er auch nur ein Mann wäre, und consequent? Ich sollte glauben, er würde, auf sich selbst gestützt, alle Kraft anstrengen, um sich die Gegenstände seines Genusses zu verschaffen; geniessen, was er hätte, und entbehren, was er müsste. Was aber begegnet ihm, wenn er noch überdies ein abergläubisches Kind ist? Er lässt sich sagen, die Objecte seines Genusses seyen in der Verwahrung eines Gottes, der sie ihm freilich ausliefern werde, der aber für diesen Dienst auch etwas begehre; er lässt sich aufbinden, es sey hierüber ein Contract mit ihm abgeschlossen; er lässt sich eine Sammlung von Schriften als die Urkunde dieses vorgeblichen Contracts aufweisen.
Wenn er nun eingeht in diese Vorstellung, wie steht es denn nun mit ihm? Immer bleibt der Genuss sein eigentlicher Zweck, und der Gehorsam gegen seinen eingebildeten Gott nur das Mittel zum Zwecke. Dies muss zugestanden werden, und es giebt da schlechthin keine Ausflucht. Es seht nicht, dass man sage, wie man wohl zu sagen pflegt: ich will den Willen Gottes um sein selbst willen; ich will die Glückseligkeit nur – nebenbei. Abgesehen einen Augenblick von deinem Nebenbei, gestehst du doch immer, die Glückseligkeit zu wollen, weil sie Glückseligkeit ist, weil du glaubst, dass du dich bei ihr wohlbefinden wirst, und weil du gern dich wohlbefinden[520] möchtest. Dann aber willst du ganz sicher den Willen Gottes um sein selbst willen, denn sodann könntest du die Glückseligkeit gar nicht wollen, indem der erste Wille den zweiten aufhebt und vernichtet, und es schlechthin unmöglich ist, dass das Vernichtete neben seinem Vernichtenden stehe. Willst du nun, wie du sagst, den Willen Gottes auch, so kannst du diesen nur wollen, weil du ausserdem zu dem, was du eigentlich willst, zur Glückseligkeit, nicht kommen zu können glaubst, und weil dieser Wille dir durch den, den du eigentlich hast, aufgelegt wird; du willst daher – den Willen Gottes nur nebenbei, weil du musst; aus eigenem Antriebe aber, und gutwillig, willst du nur die Glückseligkeit. –
Es hilft auch nichts, dass man diese Glückseligkeit recht weit aus den Augen bringe und sie in eine andere Welt jenseits des Grabes verlege; wo man mit leichterer Mühe die Begriffe verwirren zu können glaubt. Was ihr über diesen euren Himmel auch – sagen, oder vielmehr verschweigen möget, damit eure wahre Meinung nicht an den Tag komme: so beweiset doch schon der einzige Umstand, dass ihr ihn von der Zeit abhängig macht und ihn in eine andere Welt verlegt, unwidersprechlich, dass er ein Himmel des sinnlichen Genusses ist. Hier ist der Himmel nicht, sagt ihr: jenseits aber wird er seyn. Ich bitte euch: was ist denn dasjenige, das jenseits anders seyn kann, als es hier ist? Offenbar nur die objective Beschaffenheit der Welt, als der Umgebung unseres Daseyns Die objective Beschaffenheit der gegenwärtigen Welt demnach müsste es eurer Meinung zufolge seyn, welche dieselbe untauglich machte zum Himmel, und die objective Beschaffenheit der zukünftigen das, was sie dazu tauglich machte; und so könnt ihr es denn gar nicht weiter verhohlen, dass eure Seligkeit von der Umgebung abhängt, und also ein sinnlicher Genuss ist. Suchtet ihr die Seligkeit da, wo sie allein zu finden ist, rein in Gott und darin, dass er heraustrete, keinesweges aber in der zufälligen Gestalt, in der er heraustrete; so brauchtet ihr euch nicht auf ein anderes Leben zu verweisen: denn Gott ist schon heute, wie er seyn wird, in alle Ewigkeit. Ich versichere euch, und gedenket dabei einst meiner, wenn es[521] geschieht, – so ihr im zweiten Leben, zu dem ihr allerdings gelangen werdet, euer Glück wiederum von den Umgebungen abhängig machen werdet, werdet ihr euch ebenso schlecht befinden, wie hier; und werdet euch sodann eines dritten Lebens trösten, und im dritten eines vierten, und so ins unendliche – denn Gott kann weder, noch will er durch die Umgebungen selig machen, indem er vielmehr sich selbst, ohne alle Gestalt, uns geben will.
In Summa: diese Denkart, auf die Form eines Gebets gebracht, würde sich also aussprechen: Herr! es geschehe nur mein Wille, und dies zwar in der ganzen, eben deswegen seligen Ewigkeit; und dafür sollst du auch den deinigen haben, in dieser kurzen und mühseligen Zeitlichkeit; – – und dies ist offenbar Unmoralität, thörichter Aberglaube, Irreligiosität und wahrhafte Lästerung des heiligen und beseligenden Willens Gottes.
Dagegen ist der Ausdruck der steten Gesinnung des wahrhaft Moralischen und Religiösen das Gebet: Herr! es geschehe nur, dein Wille, So geschieht eben dadurch der meinige; denn ich habe gar keinen anderen Willen, als den, dass dein Wille geschehe. Dieser göttliche Wille geschieht nun nothwendig immerfort; zunächst in dem inwendigen Leben dieses ihm ergebenen Menschen, wovon in der nächsten Stunde; sodann, was hierher zunächst gehört, in allem, was ihm äusserlich begegnet. Alle diese Begegnisse sind ja nichts anderes, als die nothwendige und unveränderliche äussere Erscheinung des in seinem Inneren sich vollziehenden göttlichen Werks; und er kann nicht wollen, dass irgend etwas in diesen Begegnissen anders sey, als es ist, ohne zu wollen, dass das Innere, was nur also erscheinen kann, anders sey; und ohne dadurch seinen Willen von Gottes Willen abzusondern und ihm entgegenzusetzen. Er kann in diesen Dingen gar nicht weiter eine Auswahl sich vorbehalten, sondern er muss alles gerade so nehmen, wie es kommt; denn alles, was da kommt, ist der Wille Gottes mit ihm, und darum das allerbeste, was da kommen konnte. Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum besten dienen; schlechthin und unmittelbar.
Auch an denjenigen, in denen Gottes Wille innerlich nicht[522] geschieht, weil gar kein Innerliches da ist, sondern sie überhaupt nur Aussendinge sind, geschiehet dennoch äusserlich, wohin allein er zu langen vermag, der zuvörderst ungnädige und strafende, im Grunde aber dennoch höchst gnädige und liebevolle Wille Gottes; indem es ihnen schlimm gehet, und immer schlimmer, und sie in dem vergeblichen Haschen nach einem Gute, das immer vor ihnen schwebt und immer vor ihnen flieht, sich abmatten, und sich verächtlich und lächerlich machen, bis sie dadurch getrieben werden, das Glück da zu suchen, wo es allein zu finden ist. Denen, die Gott nicht lieben, müssen alle Dinge unmittelbar zur Pein und zur Qual dienen, so lange, bis sie mittelbar, durch diese Qual selbst, ihnen zum Heile gereichen.
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Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.
70 Seiten, 5.80 Euro
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro