III. Bd., XXII. Thls.

126. Suttaṃ.

Das Nichtwissen und das Wissen

[938] Zerbrich den Kopf dir nicht zu sehr,

Zerbrich den Willen, Das ist mehr.

Matthias Claudius.


Zu einer Zeit weilte der Erhabene zu Sāvatthī, im Jeta-Waldhaine des Anāthapiṇḍiko. Da nun begab sich ein gewisser Mönch zu dem Erhabenen, begrüsste den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Hierauf nun sprach jener Mönch zu dem Erhabenen also:

»›Das Nichtwissen, das Nichtwissen‹ – so sagt man, o Herr: was ist aber, o Herr, das Nichtwissen, und inwiefern ist man nichtwissend?«

»Da erkennt, o Mönch, ein gewöhnlicher Mensch, der die Wahrheit nicht erfahren hat, den dem Entstehn unterworfenen Körper nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn unterworfen ist der Körper‹; den dem Vergehn unterworfenen Körper erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Vergehn unterworfen ist der Körper‹; den dem Entstehn und Vergehn unterworfenen Körper erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn und Vergehn unterworfen ist der Kör per.‹ – Das dem Entstehn unterworfene Gefühl erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn unterworfen ist das Gefühl‹; das dem Vergehn unterworfene Gefühl erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Vergehn unterworfen ist das Gefühl‹; das dem Entstehn und Vergehn unterworfene Gefühl erkennt er nicht der Wahrheit gemäss; ›Dem Entstehn und Vergehn unterworfen ist das Gefühl.‹ – Die dem Entstehn unterworfene Wahrnehmung erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn unterworfen ist die Wahrnehmung‹; die dem Vergehn unterworfene Wahrnehmung erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Vergehn unterworfen ist die Wahrnehmung‹; die dem Entstehn und Vergehn unterworfene Wahrnehmung erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn und Vergehn unterworfen ist die Wahrnehmung.‹ – Die dem Entstehn unterworfenen Unterscheidungen erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn unterworfen sind die Unterscheidungen‹; die dem Vergehn unterworfenen [939] Unterscheidungen erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Vergehn unterworfen sind die Unterscheidungen‹; die dem Entstehn und Vergehn unterworfenen Unterscheidungen erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn und Vergehn unterworfen sind die Unterscheidungen.‹ – Das dem Entstehn unterworfene Bewusstsein erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn unterworfen ist das Bewusstsein‹; das dem Vergehn unterworfene Bewusstsein erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Vergehn unterworfen ist das Bewusstsein‹; das dem Entstehn und Vergehn unterworfene Bewusstsein erkennt er nicht der Wahrheit gemäss: ›Dem Entstehn und Vergehn unterworfen ist das Bewusstsein.‹

Dies heisst, o Mönch, Nichtwissen, und insofern ist man nichtwissend.«

Auf diese Worte sprach jener Mönch zu dem Erhabenen also:

»›Das Wissen, das Wissen‹ – so sagt man, o Herr: was ist aber, o Herr, das Wissen, und inwiefern ist man wissend?«

»Da erkennt, o Mönch, ein edler Jünger, der die Wahrheit erfahren hat, den dem Entstehn unterworfenen Körper, das dem Entstehn unterworfene Gefühl, die dem Entstehn unterworfene Wahrnehmung, die dem Entstehn unterworfenen Unterscheidungen, das dem Entstehn unterworfene Bewusstsein der Wahrheit gemäss als dem Entstehn unterworfen; den dem Vergehn unterworfenen Körper, das dem Vergehn unterworfene Gefühl, die dem Vergehn unterworfene Wahrnehmung, die dem Vergehn unterworfenen Unterscheidungen, das dem Vergehn unterworfene Bewusstsein erkennt er der Wahrheit gemäss als dem Vergehn unterworfen; den dem Entstehn und Vergehn unterworfenen Körper, das dem Entstehn und Vergehn unterworfene Gefühl, die dem Entstehn und Vergehn unterworfene Wahrnehmung, die dem Entstehn und Vergehn unterworfenen Unterscheidungen, das dem Entstehn und Vergehn unterworfene Bewusstsein erkennt er der Wahrheit gemäss als dem Entstehn und Vergehn unterworfen.

Dies heisst, o Mönch, Wissen, und insofern ist man wissend.«

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 938-940.
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