Dritte Rede

Puṇṇo

[1051] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da nun begab sich der ehrwürdige Puṇṇo gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen [1051] ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Puṇṇo zum Erhabenen also:

»Huldreich, o Herr, möge mir der Erhabene in der Kürze eine Anleitung geben, daß ich, vom Erhabenen recht gewiesen, einsam, abgesondert, unermüdlich, in heißem, innigem Ernste weilen kann.«

»Wohlan denn, Puṇṇo, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiß, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Puṇṇo aufmerksam zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Es gibt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewußtsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. Es gibt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewußtsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewußtsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewußtsein tretende Säfte, durch das Getast ins Bewußtsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewußtsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. – Es gibt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewußtsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. Es gibt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewußtsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewußtsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewußtsein tretende Säfte, durch das Getast ins Bewußtsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewußtsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. – So hab' ich nun, Puṇṇo, dir in der Kürze eine Anleitung gegeben. In was für einem Lande wirst du weilen?«

»Da ich, o Herr, vom Erhabenen in der Kürze eine solche Anleitung erhalten, werde ich mich nach dem Lande der westlichen Suner, wie man sie nennt, begeben und dort weilen.«

»Ein wildes Volk, Puṇṇo, sind die westlichen Suner, ein rohes Volk, Puṇṇo, [1052] sind die westlichen Suner. Wenn dich, Puṇṇo, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, wie wird dir dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, dann wird mir also zumute sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, daß sie mich nicht mit Fäusten schlagen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, dann wird mir also zumute sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, daß sie mich nicht mit Steinen werfen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Steinen werfen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Steinen werfen werden, dann wird mir also zumute sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, daß sie mich nicht mit Stöcken prügeln.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, dann wird mir also zumute sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, daß sie mich nicht mit Säbeln treffen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, dann wird mir also zumute sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, daß sie mich nicht mit Säbelhieben umbringen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumute sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, dann wird mir also zumute sein: ›Es gibt Jünger des Erhabenen, die Leib und Leben verabscheuen und verachten, tödliche Waffe zu finden suchen: [1053] die hab' ich nun, diese tödliche Waffe, und ohne sie zu suchen, gefunden.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumute sein, also wird mir da, Willkommener, zumute sein.«

»Recht so, recht so, Puṇṇo. Imstande sein wirst du, Puṇṇo, mit so milder Geduld begabt, im Lande der westlichen Suner zu weilen. Wie es dir nun, Puṇṇo, belieben mag.«

Und der ehrwürdige Puṇṇo, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum, räumte sein Lager zusammen, nahm Mantel und Almosenschale und zog hinweg, dem Lande der westlichen Suner entgegen. Von Ort zu Ort weiter wandernd kam er allmählich hin.

Da war denn nun der ehrwürdige Puṇṇo im Lande der westlichen Suner gesiedelt. Und der ehrwürdige Puṇṇo hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhänger zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhängerinnen zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit das dreifache Wissen sich offenbar gemacht524. Und der ehrwürdige Puṇṇo war nach einiger Zeit vom Wahne erloschen.

Aber gar manche Mönche begaben sich nun zum Erhabenen hin, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen sie zum Erhabenen also:

»Der da, o Herr, Puṇṇo genannt war, der edle Sohn, dem der Erhabene in der Kürze eine Anleitung gegeben hatte, der ist gestorben. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Weise, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn gewesen, nachgefolgt ist er der Lehre gelehrig, und nicht hat er an meiner Belehrung Anstoß genommen. Vom Wahne erloschen, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn.«


Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen525.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 1051-1054.
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