Aus Kosalo, von prächt'ger Burg,
Nach Süden kam gezogen her,
Um alles Übel abzutun,
Ein Priester, spruchgewaltig gar.
So kam er ins Assaker-Land:
Bei Maḷakam, da lebt' er dann,
Am Ufer der Godāvarī,
Von Bettelbissen, Baumesfrucht.
Es war im Umkreis, nahe bei,
Gebreitet aus ein stattlich Dorf;
Da mocht' er, mehr und mehr beschenkt,
Ein Großes Opfer einst begehn.
979
Das Große Opfer war vollbracht,
Er war zur Klause heimgekehrt;
Kaum saß er unterm Hüttendach,
Da trat ein andrer Priester ein.
Mit wunden Füßen schlotternd an,
Die Zähne fahl, das Haar verfilzt:
So trat er näher Schritt um Schritt,
Fünfhundert heischt' er als Geschenk.
[227] 981
So blieb er vor Bāvarī stehn:
Der lud ihn ein zu sitzen erst,
Befragt' ihn um sein Wohlergehn,
Er sagt' ihm also dann Bescheid:
Bāvarī
982
»Was mir zu geben war vergönnt,
Das alles hab' ich hingeschenkt:
Erbarm' dich meiner, heil'ger Mann,
Fünfhundert, wo erfänd' ich die?«
Der Andere:
983
»Wenn mir, der Gabe heischen kam,
Der Herr sie darzubringen säumt:
Am siebten Tage soll sodann
Das Haupt dir bersten siebenfach.«
Nach solchem Segen, tückevoll,
In banger Sorge ließ er ihn:
Der hatte wohl den Spruch gemerkt,
Bāvarī, der nun Pein empfand.
985
Er siechte hin, er aß nicht mehr,
Der Stachel brannt' ihm in der Brust:
Im Herzen so von Harm versehrt
Entzückt' ihn keiner Schauung Glück.
In solcher Not, in solcher Pein
Gewahrt' ein Geist ihn, naht' ihm gern,
Bāvarī hold um beizugehn,
Und mochte raunen diesen Rat:
[228] Der Geist:
987
»Nichts weiß vom Haupte jener Mann,
Der tückevoll nach Reichtum giert:
Von Hauptes Höhe, Hauptes Fall
Kein Wissen ward ihm offenbar.«
Bāvarī:
988
»Du Hehrer hier, du weißt es wohl,
O laß' die Frage sein gelöst,
Von Hauptes Höhe, Hauptes Fall,
Und laß' erlauschen mich dein Wort.«
Der Geist:
989
»Ich selber zwar weiß nichts davon,
Kein Wissen ward mir offenbar
Von Hauptes Höhe, Hauptes Fall:
Nur Siegern taugt ein solcher Blick.«
Bāvarī:
990
»Wo ist er also, der da weiß,
Auf diesem Erdenrunde hier,
Von Hauptes Höhe, Hauptes Fall:
Das gib mir ehrlich an, du Geist.«
Der Geist:
»Kapilavatthu heißt die Burg
Woher der Weltgebieter kam,
Der Erbe von Okkākos Thron,
Der Sohn der Sakyer, sonnenklar.
[229] 992
Der ist, o Priester, auferwacht,
Er hat ein jedes Ding erkannt,
Ein jedes Wissen durchgedacht,
Bei jedem Dinge scharf gesehn,
Ein jedes Werk in sich versiegt:
Unhaftbar weilt er abgelöst.
993
So wach geworden, Herr der Welt,
Ein Seher, der die Satzung zeigt:
Um Antwort ist Er anzugehn,
Er wird es offenbaren dir.« –
994
Das Wort »erwacht«, er merkt' es wohl,
Bāvarī, der nun fröhlich ward,
Allmälig Sorge schwinden ließ,
Ja Wonne mehr und mehr gewann.
Da hat Bāvarī freudig aufgeatmet
Und jenen Geist gefragt, der Veden Jünger:
»Bei welchem Dorfe mag er sein, bei welcher Stadt,
In welchem Lande weilen, der die Welt beherrscht,
Wo dann gegrüßt er sei von uns,
Der wache Herr, Zweifüßer Fürst.«
Der Geist:
»Kosaler Zinnen weilt er nah', bei Sāvatthī,
Der Sieger, reich beraten, köstlich witzbegabt:
Der Sohn der Sakyer, Wahnversieger, Wissenswalt,
Er weiß, der Menschen König, wohl von Hauptes Fall.«
[230] 997
Alsbald berief er nun sein Volk,
Die Schar der Priester, spruchgeschult:
»Wohlan, ihr Jünger, lauschet mir,
Vernehmen sollt ihr meinen Rat.
Gar selten was da wird ersehn,
Kein Anblick, den man oft gewahrt,
Ist in der Welt erschienen jetzt,
Ein Auferwachter, wie es heißt:
Nach Sāvatthī sollt hin ihr ziehn,
Zweifüßer Fürsten anzuschaun.«
Die Jungen Priester:
999
»Wie doch nur kann erkannt er sein
Als wach geworden, sag' es uns,
O Meister, die wir nichts verstehn,
Auf daß wir prüfen seine Art.«
Bāvarī:
»Bewahrt in unsern Sprüchen, traun,
Ist großen Mannes Eigenart,
Erfunden zweiunddreißigmal,
Zu merken wohl der Reihe nach.
1001
Bei wem der Leib so dar sich stellt,
In großen Mannes Eigenart:
Nur zwei der Bahnen kann er gehn,
Beschreiten keine dritte Bahn.
Im Hause wenn er bleiben will,
Ein Erdbesieger wird er hier:
Und ohne Stock und ohne Stahl,
Gerechte Herrschaft übt er dann.
[231] 1003
Doch wenn die Welt er lassen will,
Dahinziehn, aus dem Hause fort:
Als Weltenthüller, auferwacht,
Ein höchster Heil'ger wird er sein.
1004
Geburt und Abkunft, Eigenart,
Um Wissenschaft, um Jüngertum,
Um Hauptes Höhe, Hauptes Fall:
Im Geist nur sollt ihr fragen ihn.
1005
Unhemmbar durch die Hülle durch
Wann auferwacht er blicken kann:
Im Geiste was ihr da gefragt,
Im Worte lösen wird er laut.«
1006
Bāvarīs Wort vernahmen sie,
Die sechzehn Jünger, wohlgeschult:
Ajito, Tissametteyyo,
Puṇṇako und auch Mettagū,
1007
Dhotako, Upasīvo dann,
Nando, und ferner Hemako,
Todeyyo, Kappo, diese zwei,
Jatukaṇṇi, gar hochgelahrt,
1008
Bhadrāyudho und Udayo,
Alsdann der Priester Posālo,
Mogharājā, so tief bedacht,
Und Piṉgiyo, der Sehergreis:
[232] 1009
An Jüngern hier ein jeder reich,
Von aller Welt umher gerühmt,
Erschausam, gern der Schauung treu,
Nach alter Einkehr eingekehrt.
1010
Bāvarī boten sie den Gruß
Und schritten rechts an ihm vorbei,
Mit Büßerschopf und Büßerfell,
Und zogen weg, nach Norden hin:
Von Maḷakam, dem Lager, fort,
Gen Burg Māhissatī, zunächst:
Ujjenī dann und Gonaddhā,
Nach Vedisā, dem Waldbereich;
Nach Kosambī, nach Sāketam,
Nach Sāvatthī, der schönsten Burg,
Nach Weißenbrunn, nach Braunental,
Zur Feste Kusinārā hin;
Nach Pāvā, nach der Bhoger Stadt,
Vorbei Vesālī, Königshof,
Dem Felsengipfel näher dann,
Dem heitern, herrlich anzuschaun.
Wie kühlen Trunk man durstig wünscht,
Um Reichtum wie der Kaufmann wirbt,
Im Sommer wie man Schatten sucht:
Bergan sie gingen eilig so.
Der Meister nun, um diese Zeit,
Er saß zu Häupten seiner Schar:
Die Lehre macht' er Mönchen kund,
Wie Löwenruf im Walde mahnt.
[233] 1016
Ajito sah ihn auferwacht,
Aus Dünsten wie die Sonne bricht,
Am Feiertage wie den Mond,
Vollkommen wann er wiederkehrt.
1017
Und als er dann die Glieder prüft,
Ein jedes Zeichen deutlich merkt,
Entzückt beiseite steht er still,
Und hebt im Geiste Fragen an:
Ajito:
1018
»Erweisbar sag' mir an Geburt,
Sag' an mir Abkunft, Eigenart,
Wer Meister sei der Wissenschaft,
Wieviel der Priester auferzieht.«
Der Herr:
»Sein Alter: hundertzwanzig Jahr,
Sein Stamm: Bāvarīs Ahnenhaus,
Sein Leib: er zeigt der Zeichen drei,
Sein Meistertum: Dreivedenschaft.
1020
Der Zeichen Kunde, Sagen Kunst,
Und wie man deutet, aus da legt,
Fünfhundert Jünger lehrt er das,
In seiner Weise Meister so.«
Ajito:
1021
»Die Zeichen einzeln gib mir an,
Wie sie Bāvarī eignen echt,
O Durstvertilger, höchster Herr:
Kein Zweifel soll versuchen uns.«
[234] Der Herr:
»Die Zunge führt er frei im Mund,
Es glänzt die Flocke vor der Stirn,
Die Scham sieht keiner durch den Rock:
Vernimm es also, Priestersohn.«
1023
Doch wie nun keiner fragen hört,
Und weil man Antwort nur vernimmt,
Erstaunt ein jeder, all die Schar
Der Vedenjünger sinkt ins Knie:
Die Priesterschar:
»O welch ein Gott, welch heil'ger Geist,
Welch Himmelherrscher, Feenfürst
Erfragt im Geiste Fragen sich,
Wer ist es, dem er Antwort gibt?«
Ajito:
1025
»Um Hauptes Höhe, Hauptes Fall
Bāvarī hieß uns fragen hier:
Das deute nun, erhabner Herr,
Den Zweifel, Heil'ger, löse du.«
Der Herr:
1026
»Unwissen hebt das Haupt empor:
Und Wissen bringt das Haupt zu Fall,
Wo Zutraun, Einsicht, Innigkeit
Und Wille sich und Kraft vereint.«
[235] 1027
Ergriffen da bis auf den Grund,
Erschaudern sah man jene Schar;
Die eine Schulter fellentblößt,
In Staub den Scheitel senkten sie:
Ajito:
1028
»Bāvarī bringt, der Priester, dir
Mit seinen Jüngern, o du Herr,
Entzückt im Herzen, hold erquickt,
Zu Füßen, Seher, dar den Gruß.«
Der Herr:
»Bāvarī mög' es wohl ergehn,
Dem Priester, seiner Jüngerschar:
Und wohl ergehn auch soll es dir,
Sollst lange leben, lieber Sohn.
1030
Was da Bāvarī, was auch dir,
Euch allen irgend unklar sei:
Frei sollt ihr fragen was ihr wollt,
Am Herzen was euch immer hängt.«
1031
So gab der Meister gern Gehör:
Und niedersitzend, hingeneigt,
Begann zu bitten um Bescheid
Ajito nun den wachen Herrn.
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro