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[151] LVCAN. II, 496.
– – Non si tumido me gurgite Ganges
Summoueat, stabit iam flumine Caesar in vllo
Post Rubiconis aquas – –
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Ich geh schon gegen vierzig, doch nichts verdrießt mich mehr, als daß Frankreich mein Vaterland ist. In unserer Sprache herrscht lauter Zweydeutigkeit, in unserer Kunst zu denken Zerstreuung, in unserer Schreibart Spitzsinn, und in unsern Handlungen Dummdreistigkeit. Ein witziger Einfall bey uns sieht die Vernunft kaum über die Achseln an, und das Genie muß sich vor dem Tande der Mode verkriechen. Weder Blattern noch heimliche Krankheiten haben jemals so viel Unheil angerichtet als unser Geschmack am Läppischen. Er erstreckt sich schon bis auf die Capuciner, die seidene Kleider tragen, und Karmeliter gehen nicht mehr ohne ihren Sonnenschirm in der Hand.
Über unsere Ausschweifungen feufzet die Religion; man beschuldigt sie aber, daß ihr hohes Alter sie kindisch mache. Umsonst bemühen sich gewisse neufränkische Äbte uns zu bekehren; sie reden ach! vom practischen Christenthum, wie eine Buhlschwester von ihren Liebeshändeln in Kabinetsmienen und auf tragischen Stelzen.
Die Facultät weiß nicht mehr, was Orthodoxie oder Schleichwaare ist; desto zuverlässiger spricht das Parlament. Bald hält es die Clerisey mit dem Pabst, bald mit dem Könige. Wenn der Monarch droht; so nimmt man zum System jenseit der Alpen seine Zuflucht. Donnert der Stadthalter; dann leben die Freyheiten der gallikanischen Kirche hoch!
Es fehlet nicht viel, so wird man Sommerquartiere beziehen, um Limonade und Erfrischungen trinken zu können, so wird man den Nachttisch mit in die Laufgräben nehmen, endlich gar mit parfümirtem Pulver und Bley schießen. Wie wenig wissen wir, daß der Schweiß die einzige Schminke der Helden ist. Der Heerführer in Hannover gilt in der ganzen Welt für einen Herzog von Braunschweig; bey uns hingegen (als wenn Paris die Hauptstadt der Schwaben wäre,) heißt er Monsieur Ferdinand.
Das verflossene Jahrhundert war das Reich des Genies; das nächste wird vielleicht unter dem Scepter der gesunden Vernunft blühen. Was für eine traurige Figur machen die Ritter des gegenwärtigen Zeitalters in der Mitte? Ohngefehr wie ein Aff oder Papagey zwischen einem Auerochsen und Löwen absticht.
Ein Jahrhundert, wo man an Worten drechselt, kleine und große Versuche macht, Gedanken zu empfinden und Empfindungen mit Händen zu greifen, wo man Kupferstiche baut, Holzschnitte schreibt, nach Noten ficht, wird das philosophische genannt. Will man unsere Zeit oder die Philosophie am Pranger stellen? sich selbst oder seine Nachbarn zu Narren machen? Wer ist mir im Stande diese Frage aufzulösen?[153]
Wir fürchten uns vor dem Verdacht der Schwärmerey mehr als für ein hitzig Fieber. Giebt es aber wohl in Italien, Teutschland, Rußland so viel Schwärmer, die sich auf die Sylbe (ist) endigen, als bey uns? Jansenisten! Molinisten! Convulsionisten! Secouristen! Pichonisten! Encyclopädisten!
Eine Vernunft, die sich für eine Tochter der Sinne und Materie bekennt, seht! das ist unsere Religion; eine Philosophie, welche den Menschen ihren Beruf auf allen vieren zu gehen, offenbaret, nährt unsre Großmuth; eine Autorsucht, die von der Hand des Scharfrichters den Lorbeerzweig des Ruhms erringt, macht die Salbung unsrer schönen Geister; und ein Triumph heidnischer Gotteslästerungen ist der Gipfel unseres Genies. Die jungen Schriftsteller sollten wenigstens bey der Nachwelt in die Schule gehen; aber zu ihrem Unglück ist sie eine spröde Verläumderin, die nicht anders als hinter den Rücken tadelt. – Auch besucht man den Schauplatz nicht mehr des Schlafs oder der Erbauung wegen, sondern um verhaßte Personalien zu hören und der Schmähsucht zu opfern.
Die Gelehrsamkeit ist ein kümmerlich Handwerk, wo man wie ein Jude trödeln oder die eckele Svade eines Krautweibes haben muß. Das Spiel, welches unserm Geize, unserm Bettelstolze oder unserer langen Weile zum Deckmantel dient, theilt das Herz unsers Frauenzimmers mit ihrer Neigung zu Kennern und zum Putz. Es hat die Quelle des Umganges ausgetrocknet, und eine Menge Ebentheurer hervorgebracht, die wie die Erdschwämme zur Herbstzeit allenthalben hervorsprießen und durch ihren Übermuth und Betrug die ganze Nation in Miskredit setzen, daß wir in einigen Ländern so willkommen sind, wie jüngst die Preußen in Sachsen.
Unsere schönen Geister, welche dem Pabst die Unfehlbarkeit absprechen, versichern uns, daß es mit der Religion nicht richtig sey, um uns desto leichtgläubiger gegen ihre Beweise zu finden, und pflanzen ihre eigene Unfehlbarkeit zum Panier auf; denn was für Recht würden sie sonst haben, unsere Vernunft gefangen zu nehmen?
Weil unsere Gurgel zu tausend Liederchen gestimmt ist, so wollen wir immer den Ton angeben: es sind aber Zeiten, da die Leute entweder keine Ohren haben, oder nicht hören wollen. Dann würde es die Klugheit fordern stille zu schweigen; aber, was das Ärgste ist, stillschweigen können wir nicht – – –
Ich habe die Krankheiten meiner Nation bloß darum so weitläuftig zergliedert; weil ich mir Glück wünschen muß, das kräftige Gegengift entdeckt zu haben. Unsere hochtrabende Zwerge mögen diese Schrift[154] für ein Pasquill oder Galimafree schelten. Ich kann jeden Punct mit unzählichen gedruckten Zeugnissen belegen, und habe die Stimmen unserer Kanzel- und Schrankenredner auf meiner Seite, die einhellig uns für ein läppisch, leichtsinnig, lächerlich und weichlich Volk ausschreyen. Ich mag mich so ungestalt ausdrücken als ich will; so ist alles zur Lehre und Besserung geschrieben. Eine Schutzrede wird Thoren nicht überzeugen und ist für wahre Philosophen überflüssig. Es ist aber Zeit auf unsere Universalmedicin zu kommen.
Der Sitz unsers Übels liegt nicht im Geblüt unserer Ahnen, sondern allein im Gehirne, dem es an derjenigen Qualität fehlt, die man gesunde Vernunft nennt. Ich habe das ganze Geheimniß entdecket, diesen Stoff nachzuahmen und alsdenn einzupfropfen1.
Mein Alkahest du bon sens ist die künstlichste Zusammensetzung, zu der eine tiefe Kenntniß der Scheidekunst gehöret. Von der Kostbarkeit desselben kann man urtheilen, da ich die Materialien dazu aus den vornehmsten Nationen sammlen müssen. Einen Theil davon haben mir meine weitläuftige Reisen eingebracht, das übrige kann ich als meine Eroberung im gegenwärtigen Kriege betrachten, in welchem ich bey allen streitenden Mächten eine Zeitlang als Unterfeldscherer gedienet.
Die Wahlstatt so vieler großen Schlachten, denen ich beygewohnt, war der einzige Marktplatz für die Ingredienzien meines Alkahests. Der Soldat begnügt sich gewöhnlich mit dem, was die Haut bedeckt, wie der Landmann mit den Producten, die auf der Oberfläche der Erde wachsen: ich hingegen ahmte einem Bergwerker nach, der nach Schätzen in den Eingeweiden gräbt.
Mein Alkahest du bon sens bestehet folglich in einem wunderthätigen Zirbeldrüsentheriack, der das französische Quecksilber in den feinsten Zellen des Gehirns fest macht, nichts als einige Scrupel unsers Fladdergeistes übrig läßt und dafür einpflanzt ein gut Theil vom brittischen Phlegma, versetzt mit welscher List, spanischer Schwerfälligkeit, deutscher Schnellkraft u.s.w.
Weil unsere Nasen voll wohlriechender Sachen, unsere Ohren voll Vaudevillen, unser Mund durch gebrannte Wasser und Ragouts fühlloß geworden; so ist es unumgänglich, vermittelst eines chirurgischen[155] Bohrers eine kleine Öfnung an demjenigen Ort der Stirn zu machen, wo man gewissen Hausthieren den Wurm schneidt. In selbige sucht man durch einen güldenen Catheter oder Röhre ein Linsenkorn von unsern Alkahest einzublasen.
Wenn ein witziger Kopf von seiner Genesung urtheilen will, so darf er nur nach Gebrauch meines Alkahestes du bon sens diejenigen Bücher ansehen, die er vormals am meisten bewundert hat, weil er nichts als elende Sophistereyen zu seiner großen Befremdung darin finden wird. Man hat gegenwärtige Einpfropfung der gesunden Vernunft schon an einem Kleinmeister versucht, der den Discours des Helvetius über den Geist des Menschen für ein Meisterstück ausgab, und an einem Schulfuchs, der das System seines Lehnpatrons dem kanonischen Rechte vorzog; jetzt sehen ihre aufgeklärte Augen nichts als Lügen und Thorheiten in ihren Hausgötzen.
Man schmeichelt sich, daß allen Landjunkern in polnisch Preußen, Natangen und Samland, Semgallien und Curland, Liefland und Östland, die im Stande sind einen französischen Kammerdiener oder Koch zu halten und zugleich Genüge finden, Experimente anzustellen, mit Bekanntmachung dieser höchstnützlichen, bewährten und ganz neuen Einpfropfung gedienet seyn möchte.
Wem daran gelegen ist, kann so viel Nachrichten als er will einziehen bey dem zu erfragenden Einfällisten, der einige in Leisten eingefaßte Blätter in die weite Welt geschickt, die bey allen großen Buchführern in Europa (unsre di costi ausgenommen)
zu haben sind unter der Rubrick:
Inoculation du bon sens.
à Londres, MDCCLXI.
Fünf Bogen in klein Octav.
1 | Man hat mit gutem Erfolg nicht nur die Inoculation der Masern, sondern auch der Hornviehseuche versucht. Einige ehrwürdige Väter von der Gesellschaft J ..., die für ihre löbliche Schulanstalten in Deutschland groß Ansehen und viel Genieß zu ihrem Lohn dahin haben, stehen bey unsern Nachbarn in Verdacht, daß sie das Geheimniß trieben, die englische Krankheit ihren Zuhörern einzublattern. |
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