A. Die geologische Natur
§ 338

[342] Der erste Organismus, schon insofern er zunächst als unmittelbarer oder an sich seiender bestimmt ist, existiert nicht als Lebendiges, das Leben ist als Subjekt und Prozeß wesentlich sich mit sich vermittelnde Tätigkeit. Vom subjektiven Leben aus betrachtet, ist das erste Moment der Besonderung, sich zu seiner Voraussetzung zu machen, sich so die Weise der Unmittelbarkeit zu geben und in ihr seine Bedingung und sein äußeres Bestehen gegenüberzustellen. Die Erinnerung der Naturidee in sich zur subjektiven und noch mehr zur geistigen Lebendigkeit ist das Urteil in sich und in jene prozeßlose Unmittelbarkeit. Diese von der subjektiven Totalität sich vorausgesetzte, unmittelbare Totalität ist nur die Gestalt des Organismus, – der Erdkörper als das allgemeine System der individuellen Körper.
[342]


§ 339

Die Glieder dieses nur an sich seienden Organismus enthalten daher nicht den Lebensprozeß in sich selbst und machen ein äußerliches System aus, dessen Gebilde die Entfaltung einer zum Grunde liegenden Idee darstellen, dessen Bildungsprozeß aber ein vergangener ist. – Die Mächte dieses Prozesses, welche die Natur jenseits der Erde als Selbständigkeiten zurückläßt, sind der Zusammenhang und die Stellung der Erde im Sonnensystem, ihr solarisches, lunarisches und kometarisches Leben, die Neigung ihrer Achse auf die Bahn und die magnetische Achse. Zu diesen Achsen und deren Polarisation steht in näherer Beziehung die Verteilung des Meers und des Landes, dessen zusammenhängende Ausbreitung im Norden, die Teilung und zugespitzte Verengerung der Teile gegen Süden, die weitere Absonderung in eine alte und in eine neue Welt und die fernere Verteilung von jener in die durch ihren physikalischen, organischen und anthropologischen Charakter untereinander und gegen die neue Welt verschiedenen Weltteile, an welche sich ein noch jüngerer und unreifer anschließt; – die Gebirgszüge usf.
[343]

§ 340

Die physikalische Organisierung beginnt als unmittelbar nicht mit der einfachen, eingehüllten Form des Keimes, sondern mit einem Ausgang, der in einen gedoppelten zerfallen ist, in das konkrete granitische Prinzip, den die Dreiheit der Momente in sich schon entwickelt darstellenden Gebirgskern, und in das Kalkige, den zur Neutralität reduzierten Unterschied. Die Herausbildung der Momente des ersteren Prinzips zu Gestaltungen hat einen Stufengang, in welchem die weiteren Gebilde teils Übergänge sind, in denen das granitische Prinzip die Grundlage, nur als in sich ungleiche und unförmliche, bleibt; teils ein Auseinandertreten seiner Momente in bestimmtere Differenz und in abstraktere mineralische Momente, die Metalle und die oryktognostischen Gegenstände überhaupt, bis die Entwicklung sich in mechanischen Lagerungen und immanenter Gestaltung entbehrenden Aufschwemmungen verliert. Hiermit geht die Fortbildung des anderen, des neutralen Prinzips teils als schwächere Umbildung zur Seite, teils greifen dann beide Prinzipien in konkreszierenden Bildungen bis zur äußeren Vermischung ineinander ein.
[351]

§ 341

Dieser Kristall des Lebens, der totliegende Organismus der Erde, der seinen Begriff im siderischen Zusammenhang außer sich, seinen eigentümlichen Prozeß aber als eine vorausgesetzte Vergangenheit hat, ist das unmittelbare Subjekt des meteorologischen Prozesses, durch welchen es, als die an sich seiende Totalität des Lebens, nicht mehr nur zur individuellen Gestaltung (s. § 287), sondern zur Lebendigkeit befruchtet wird. – Land und insbesondere das Meer, so als reale Möglichkeit des Lebens, schlägt unendlich auf jedem Punkte in punktuelle und vorübergehende Lebendigkeit aus; – Flechten, Infusorien, unermeßliche Mengen phosphoreszierender Lebenspunkte im Meere. Die generatio[360] aequivoca ist aber, als jenen objektiven Organismus außer ihr habend, eben dies, auf solches punktuelle, nicht sich in sich zur bestimmten Gliederung entwickelnde, noch sich selbst reproduzierende (ex ovo) Organisieren beschränkt zu sein.
[361]


§ 342

Diese Trennung des allgemeinen, sich äußerlichen Organismus und dieser nur punktuellen, vorübergehenden Subjektivität hebt sich vermöge der an sich seienden Identität ihres Begriffs zur Existenz dieser Identität, zum belebten Organismus, der an ihr selbst sich gliedernden Subjektivität auf, welche den nur an sich seienden Organismus, die physische allgemeine und individuelle Natur von sich ausschließt und ihr gegenübertritt, aber zugleich an diesen Mächten die Bedingung ihrer Existenz, die Erregung wie das Material ihres Prozesses, hat.[367]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 342-344,351-352,360-362,367-368,371.
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