α). Die Gattung und die Arten
§ 368

[500] In ihrer ansichseienden Allgemeinheit besondert sich die Gattung zunächst in Arten überhaupt. Die unterschiedenen Gebilde und Ordnungen der Tiere haben den allgemeinen, durch den Begriff bestimmten Typus des Tiers zum Grunde liegen, welchen die Natur teils in den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung von der einfachsten Organisation an bis zu der vollendetsten, in welcher sie Werkzeug des Geistes ist, teils unter den verschiedenen Umständen und Bedingungen der elementarischen Natur darstellt. Zur Einzelheit fortgebildet ist die Art des Tieres sich an und durch sich selbst von den anderen unterscheidend und durch die Negation derselben für sich. So in feindlichem Verhalten andere zur unorganischen Natur herabsetzend, ist der gewaltsame Tod das natürliche Schicksal der Individuen.

Es ist in der Zoologie, wie in den Naturwissenschaften überhaupt, mehr darum zu tun gewesen, für das subjektive Erkennen sichere und einfache Merkmale der Klassen, Ordnungen usf. aufzufinden. Erst seitdem man diesen Zweck sogenannter künstlicher Systeme bei der Erkenntnis der Tiere mehr aus den Augen gesetzt hat, hat sich eine größere Ansicht eröffnet, welche auf die objektive Natur der Gebilde selbst geht; unter den empirischen Wissenschaften ist schwerlich eine, welche in neueren Zeiten so große Erweiterungen, nicht vorzugsweise in der Masse von Beobachtungen, denn daran hat es in keiner Wissenschaft gefehlt, sondern nach der Seite erlangt hat, daß ihr Material sich gegen den Begriff hingearbeitet hat, als die Zoologie durch ihre Hilfswissenschaft, die vergleichende Anatomie. Wie die sinnige Naturbetrachtung (der französischen Naturforscher vornehmlich) die Einteilung der Pflanzen in Monokotyledonen und Dikotyledonen,[500] ebenso hat sie den schlagenden Unterschied aufgenommen, den in der Tierwelt die Abwesenheit oder das Dasein der Rückenwirbel macht; die Grundeinteilung der Tiere ist auf diese Weise zu derjenigen im wesentlichen zurückgeführt worden, welche schon Aristoteles gesehen hat.

Näher ist alsdann teils an den einzelnen Gebilden der Habitus, als ein die Konstruktion aller Teile bestimmender Zusammenhang, zur Hauptsache gemacht worden, so daß der große Stifter der vergleichenden Anatomie, Cuvier, sich rühmen konnte, aus einem einzelnen Knochen die wesentliche Natur des ganzen Tieres erkennen zu können. Teils ist der allgemeine Typus des Tiers durch die verschiedenen, noch so unvollkommen und disparat erscheinenden Gebilde verfolgt und in der kaum beginnenden Andeutung – so wie in der Vermischung der Organe und Funktionen ihre Bedeutung – erkannt und eben dadurch über und aus der Besonderheit in seine Allgemeinheit erhoben worden. – Eine Hauptseite dieser Betrachtung ist die Erkenntnis, wie die Natur diesen Organismus an das besondere Element, in das sie ihn wirft, an Klima, Kreis der Ernährung, überhaupt an die Welt, in der er aufgeht (die auch eine einzelne Pflanzen- oder andere Tiergattung sein kann), anbildet und anschmiegt. Aber für die spezielle Bestimmung ist ein richtiger Instinkt darauf gefallen, die Unterscheidungsbestimmungen auch aus den Zähnen, Klauen und dergleichen, – aus den Waffen zu nehmen, denn sie sind es, wodurch das Tier selbst sich gegen die anderen als ein Fürsichseiendes setzt und erhält, d.i. sich selbst unterscheidet.

Die Unmittelbarkeit der Idee des Lebens ist es, daß der Begriff nicht als solcher im Leben existiert, sein Dasein sich daher den vielfachen Bedingungen und Umständen der äußeren Natur unterwirft und in den ärmlichsten[501] Formen erscheinen kann; die Fruchtbarkeit der Erde läßt Leben allenthalben und auf alle Weisen ausschlagen. Die Tierwelt kann fast noch weniger als die anderen Sphären der Natur ein in sich unabhängiges vernünftiges System von Organisation darstellen, an den Formen, die durch den Begriff bestimmt wären, festhalten und sie gegen die Unvollkommenheit und Vermischung der Bedingungen vor Vermengung, Verkümmerung und Übergängen bewahren. – Diese Schwäche des Begriffs in der Natur überhaupt unterwirft nicht nur die Bildung der Individuen äußerlichen Zufälligkeiten – das entwickelte Tier (und der Mensch am meisten) ist Monstrositäten ausgesetzt –, sondern auch die Gattungen ganz den Veränderungen des äußeren allgemeinen Naturlebens, dessen Wechsel das Tier mit durchlebt (vgl. Anm. § 392) und damit nur ein Wechsel von Gesundheit und Krankheit ist. Die Umgebung der äußerlichen Zufälligkeit enthält fast nur Fremdartiges; sie übt eine fortdauernde Gewaltsamkeit und Drohung von Gefahren auf sein Gefühl aus, das ein unsicheres, angstvolles, unglückliches ist.[502]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 500-503,516.
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