17. Kapitel
Von dem Reich Gottes nach dem Neuen Testament

[281] 1. In dem Alten Testamente finden sich viele deutliche Prophezeiungen über unsern Erlöser Jesus Christus, der das Reich Gottes durch einen neuen Vertrag wiederherstellen sollte; teils verkünden sie seine königliche Würde, teils seine Niedrigkeit und sein Leiden. Über seine Würde finden sich unter andern die folgenden Stellen: Im 1. Buch Mosis 17, 16 segnet Gott Abraham und verspricht ihm den Sohn Isaak mit dem Hinzufügen, »daß Könige der Völker aus ihm hervorgehen werden«. Im 1. Buch Mosis 49, 10 segnet Jakob seinen Sohn Judas und sagt: »Von Juda soll das Zepter nicht weggenommen werden.« Im 5. Buch Mosis 18, 18 sagt Gott zu Moses: »Ich werde ihnen einen Propheten erwecken aus der Mitte seiner Brüder, der dir ähnlich ist, und ich will ihm meine Worte in den Mund legen, und er wird zu ihnen alles sagen, was ich ihn heißen werde; und wenn einer die Worte, welche er in meinem Namen sagen wird, nicht anhören will, so werde ich als Rächer mich erheben.« Jesaias sagt Jes. 7, 14: »Gott selbst wird euch ein Zeichen geben. Eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und er wird mit Namen Emanuel genannt werden.« Ferner sagt er Jes. 9, 6: »Ein Kind ist uns geboren und ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seine Schultern gelegt worden, und er wird den Namen des Wunderbaren, des Ratgebers, des starken Gottes, des Vaters der kommenden Jahrhunderte, des Friedensfürsten führen.« Ferner Jes. 11, 1-5: »Es wird ein Reis aus der Wurzel Jesse hervorgehen, und es wird ein[281] Zweig aus ihrer Wurzel emporsteigen, über welchem der Geist der Weisheit ruhen wird usw. Er wird nicht urteilen nach dem, was die Augen sehen, noch beweisen nach dem, was die Ohren hören, sondern er wird die Armen nach der Gerechtigkeit richten usw., und er wird die Erde treffen mit der Rute seines Mundes und den Gottlosen töten mit dem Hauch seiner Lippen.« Auch die Kapitel 51-62 im Jesaias enthalten beinahe nur Beschreibungen der Ankunft und der Taten des zukünftigen Christus. Jeremias sagt Jer. 31, 31: »Siehe, ein Tag wird kommen, sagt der Herr, und ich werde an dem Hause Israels und an dem Hause Judas das neue Bündnis bestätigen.« Baruch sagt 3, 35-37: »Dieser ist unser Gott usw. Später wird er auf Erden gesehen werden und mit den Menschen verkehren.« Ezechiel sagt Ezech. 34, 23, 25: »Ich werde über sie einen Hirten erwecken, der sie weiden soll, meinen Knecht David, und ich werde mit ihnen einen Friedensvertrag schließen.« Daniel sagt Dan. 7, 13-14: »Ich sah das Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam mit den Wolken des Himmels gleichsam ein Menschensohn, und er gelangte bis zu den Alten, und er gab ihm die Macht und die Ehre und die Herrschaft; und alle Völker und alle Stämme und alle Zungen werden ihm dienen, und seine Macht wird ewig währen.« Haggai sagt Haggai 2, 7-8: »Es ist noch ein Kleines, und ich werde Himmel und Erde bewegen und das Meer und die Wüste und alle Völker, und es wird der von allen Völkern Ersehnte kommen.« Zacharias sagt 3, 8, indem er Jesum als den Hohenpriester erblickt: »Ich werde meinen Knecht, den Erretter, kommen lassen«, und weiter 6, 12: »Seht den Mann, dessen Name der Brauch ist«, und weiter 9, 9: »Freue dich, Tochter Zion; juble, Tochter Jerusalem, siehe deinen König und Erretter.« Ergriffen von diesen und anderen Weissagungen, erwarteten die Juden Christus als ihren von Gott gesandten König, der sie befreien und über alle Völker herrschen würde. Ja die Weissagung, daß aus Judäa einer kommen werde, der sich der Welt bemächtigen werde, hatte sich über das ganze römische Reich verbreitet. Der Kaiser Vespasian benutzte dies, wenn auch fälschlich, zugunsten seines Unternehmens.

2. An Weissagungen über die Niedrigkeit und das[282] Leiden Christi finden sich unter andern folgende: Jesaias 53, 4: »Er hat selbst unsre Schmerzen getragen und unser Leiden selbst erlitten, und wir hielten ihn gleichsam für aussätzig und von Gott geschlagen und gebeugt.« Und weiter V. 7: »Er hat sich dargebracht, weil er es selbst gewollt und er den Mund nicht geöffnet hat; er wird wie ein Lamm zum Tode geführt werden und wie ein Schaf vor dem schweigen, der es schert.« Und weiter V.8: »Er ist abgeschnitten von der Erde der Lebendigen, wegen des Verbrechens des Volkes, das ihn getötet hat«; und V. 12: »Und ich werde ihm viele zuteilen, und er soll die Beute mit den Tapfern teilen, weil er seine Seele in den Tod gegeben hat und er mit den Verbrechern zusammengestellt worden und er selbst die Sünden vieler getragen hat und für die Übertreter gebeten hat.« Und Zacharias sagt Zach. 9, 9: »Er selbst wird dann einen Esel besteigen und das Füllen einer Eselin.«

3. Während der Regierung des Kaisers Tiberius begann unser Erlöser, Jesus aus Galiläa, der Sohn Josephs (wie man meinte), zu predigen. Er verkündete dem jüdischen Volke, daß das Reich Gottes, das sie erhofften, nun gekommen sei, und daß er der König sei, d.h. der Christus. Er legte das Gesetz aus und nahm 12 Apostel und 70 Jünger nach der Zahl der Stammesfürsten und der 70 Ältesten (ähnlich wie Moses) in seinen Dienst und lehrte den Weg des Heils teils selbst, teils durch sie. Er reinigte den Tempel, verrichtete große Zeichen und erfüllte alles, was die Propheten über den künftigen Christus geweissagt hatten. Er wurde von den Pharisäern, deren falsche Lehre und heuchlerische Heiligkeit er bloßgestellt hatte, gehaßt und auf ihre Veranlassung vom Volke beschuldigt, daß er unrechtmäßig nach der Herrschaft strebe, und gekreuzigt. Und daß dieser Mann der wahre Christus und der von Gott verheißene König war, der vom Vater gesandt war, um den neuen Vertrag zwischen den Juden und Gott zu erneuern, das zeigen die Evangelisten, die seine Abstammung, Geburt, Leben, Lehre, Tod und Auferstehung beschreiben und alle Christen, die das, was er getan, mit jenen Weissagungen vergleichen, stimmen mit den Evangelisten überein.[283]

4. Daraus, daß Christus von Gott dem Vater gesandt war, um ein Bündnis zwischen ihm und dem Volke abzuschließen, erhellt, daß Christus, wenn er auch seinem Vater der Natur nach gleich war, doch geringer gewesen ist in bezug auf das Recht der Herrschaft. Denn sein Amt war im eigentlichen Sinne nicht das eines Königs, sondern das eines Stellvertreters, so wie es auch die Herrschaft Mosis war; denn das Reich war nicht das seine, sondern das seines Vaters. Christus selbst deutete dies an, da er sich wie ein Untertan taufen ließ, und er sprach es offen in dem von ihm gelehrten Gebete aus: »Unser Vater usw.; dein Reich komme.« Auch da, als er sagte (Matth. 26, 29): »Ich werde nicht trinken usw. bis zu jenem Tage, wo ich den neuen Trank mit euch trinken werde in dem Reiche meines Vaters.« Auch der heilige Paulus sagt 1. Kor. 15, 22-24: »Wie alle in Adam sterben, so werden alle in Christo wieder lebendig werden, und jeder in seiner Reihe: zuerst Christus, dann die, welche Christen sind und ihm, als er kam, geglaubt haben, dann das Ende, wenn er das Reich an Gott den Vater übergeben wird.« Trotzdem wird dieses Reich auch das Reich Christi genannt. Denn die Mutter der Söhne Zebedäi bat Christus mit den Worten (Matth. 20, 21): »Sage, daß diese meine beiden Söhne einer zur Rechten und einer zur Linken in deinem Reiche sitzen sollen«; und der Übeltäter rief am Kreuze (Luk. 23, 42) aus: »Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich gekommen sein wirst.« Der heilige Paulus sagt Ephes. 5, 5: »Dies sollt ihr wissen, daß alle Hurer usw. nicht die Erbschaft im Reiche Christi und Gottes erhalten werden«, und 2. Tim. 4, 1: »Ich bezeuge es vor Gott und Jesum Christum, der bei Ankunft seiner und seines Reiches richten wird die Lebendigen und die Toten«, und in V. 18: »Der Herr hat mich von allem schlechten Werke befreit und wird mir Heil in seinem himmlischen Reiche gewähren.« Auch braucht man sich nicht zu wundern, daß beiden das Reich zugeschrieben wird, da beide, Vater und Sohn, der selbe Gott sind; und der neue Vertrag über das Reich Gottes ist nicht im Namen des Vaters, sondern im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, als des einigen Gottes, geschlossen worden.[284]

5. Das Reich Gottes, zu dessen Wiederherstellung Christus von Gott dem Vater gesandt worden, beginnt indes erst mit seiner zweiten Ankunft, nämlich mit dem Tage des Gerichts, wenn er in voller Majestät in Begleitung seiner Engel kommen wird. Denn den Aposteln ist versprochen worden, daß sie die 12 Stämme Israels im Reiche Gottes richten werden. Es heißt Matth. 19, 28: »Ihr, die ihr mir gefolgt seid in der Wiederherstellung, ihr werdet, wenn des Menschen Sohn auf dem Stuhle seiner Majestät sitzen wird, auch auf 12 Stühlen sitzen und die 12 Stämme Israels richten.« Dies kann aber erst am Tage des Gerichts geschehen. Deshalb ist Christus noch nicht auf dem Throne seiner Majestät; und die Zeit, wo Christus auf der Erde geweilt hat, wird nicht ein Königreich, sondern eine Wiedergeburt genannt, d.h. eine Erneuerung oder Wiederherstellung des Reiches Gottes und ein Zusammenrufen derer, die in dieses künftige Reich aufgenommen werden sollen. Wenn es Matth. 25, 31-32 heißt: »Wenn des Menschen Sohn in seiner Herrschaft kommen wird, und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er auf dem Stuhle seiner Majestät sitzen, und alle Völker werden sich um ihn versammeln, und er wird sie voneinander sondern, wie der Schäfer die Schafe von den Böcken sondert«, so können wir offenbar schließen, daß keine örtliche Trennung der Untertanen Gottes von seinen Feinden stattfinden wird, sondern daß sie durcheinander gemischt leben werden bis zur zweiten Ankunft Christi. Dies bestätigt sich auch durch den Vergleich des himmlischen Reiches mit dem Weizen, der mit Spreu gemischt ist, und mit einem Netze, das alle Arten Fische enthält. Eine solche Menge von Untertanen und Feinden, die gemischt miteinander leben, kann aber nicht wohl ein Königreich genannt werden. Ferner, als die Apostel unsern Erlöser fragten, ob er zu der Zeit, wo er gen Himmel fahren werde, das Reich Israel wiederherstellen werde, erkannten sie damit an, daß nach ihrer Ansicht bei der Himmelfahrt Christi das Reich Gottes noch nicht gekommen sei. Dasselbe ergibt sich auch aus den Worten Christi, Job. 18, 36: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«, und Luk. 22, 18: »Ich werde nicht trinken usw.«, und Joh. 3, 17: »Gott hat seinen Sohn nicht in diese Welt gesandt,[285] daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde.« Und Joh. 12, 47: »Wenn einer mein Wort hört und nicht bewahrt, so richte ich ihn deshalb nicht; denn ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern zu erlösen.« Und Luk. 12, 14: »Mensch, wer hat mich zu dem Richter oder Schiedsmann zwischen euch bestellt?« auch der Name: »Reich Gottes« bestätigt dies. Dasselbe ergibt sich aus den Worten des Propheten Jeremias, der über das Reich Gottes durch den neuen Vertrag, Jer. 31, 34, sagt: »Es wird kein Mann seinen Nächsten und kein Mann seinen Bruder belehren und sagen: Erkenne den Herrn; denn der Herr sagt: Alle werden mich erkennen, von den Niedrigsten bis zu den Höchsten«; womit ein Reich dieser Welt nicht gemeint sein kann. Deshalb wird das Reich Gottes, zu dessen Erneuerung Christus in die Welt gekommen ist, das die Propheten verkündet haben und von dem alle beten: »Dein Reich komme« (wenn es seine Untertanen örtlich von den Feinden getrennt, seine Rechtsprechung, seine Majestät so haben soll, wie prophezeit worden ist), erst dann beginnen, wenn Gott die Schafe von den Böcken scheiden wird, wenn die Apostel die 12 Stämme Israels richten werden, wenn Christus in seiner Majestät und in seinem Ruhme erscheinen wird, wenn endlich alle Menschen Gott so erkennen werden, daß eine Belehrung nicht mehr nötig ist, d.h. bei der zweiten Ankunft Christi oder am Tage des Jüngsten Gerichts. Wäre das Reich Gottes schon jetzt wiedererrichtet, so wäre kein Grund vorhanden, weshalb Christus, nachdem er das Werk vollbracht, zu dem er gesandt worden, noch einmal kommen sollte, oder weshalb wir beten sollten: »Dein Reich komme.«

6. Wenn auch das Reich Gottes, das Christus durch ein neues Bündnis begründen sollte, ein himmlisches ist, so darf man doch nicht meinen, daß die, welche im Glauben an Christum diesen Vertrag eingegangen sind, nicht auch auf Erden einer Regierung bedürfen und dieser den durch den Vertrag versprochenen Glauben und Gehorsam dauernd schuldeten. Denn das himmlische Reich zu versprechen, wäre nutzlos, wenn wir nicht dahin geleitet werden sollten; dies ist aber nur möglich, wenn wir den rechten[286] Weg geführt werden. Moses hat, nachdem er das priesterliche Regiment eingerichtet hatte, in der ganzen Zeit der Wanderung bis zum Eintritt in das Gelobte Land, das Volk geleitet und geführt, obgleich er kein Priester war. Ebenso liegt es unserm Erlöser ob (der nach Gottes Willen in dieser Sache Moses ähnlich sein soll und hierzu vom Vater gesandt war), die künftigen Bürger des himmlischen Staats schon in diesem Leben so zu leiten, damit sie zu jenem gelangen und darin eintreten können, wenn auch das Reich eigentlich nicht seines, sondern das seines Vaters ist. Indes ist die Art, wie Christus in diesem Leben die Gläubigen leitet, nicht eigentlich ein Reich oder eine Herrschaft, sondern das Amt eines Hirten oder das Recht zur Lehre, d.h. Gott der Vater hat ihm nicht die Gewalt, über Mein und Dein zu richten, wie den Königen dieser Erde, gegeben, auch nicht die Gewalt, Strafen aufzulegen oder Gesetze zu geben; sondern Christus sollte der Welt den Weg zeigen und sie die Wissenschaft des Heilslehren, d.h. er sollte predigen und erklären, was die zu tun haben, die in das Reich Gottes eingehen wollen. Daß Christus von dem Vater nicht die Macht empfangen hatte, in Fragen des Mein und Dein zu entscheiden, d.h. in allen Rechtsfragen zwischen denen, die nicht an ihn glaubten, das zeigen deutlich jene oben angeführten Worte: »Mensch! wer hat mich zu dem Richter oder Schiedsmann zwischen euch bestellt?« Auch Vernunftgrunde bestätigen dies: denn Christus war abgesandt, den Vertrag zwischen Gott und den Menschen abzuschließen, und ehe das nicht geschehen, ist niemand zum Gehorsam verpflichtet; hätte er über Rechtsfragen entschieden, so hätte niemand seiner Entscheidung zu gehorchen brauchen. Daß Christus in dieser Welt weder für die Gläubigen noch für die Ungläubigen das Rechtsprechen übertragen worden ist, erhellt daraus, daß dieses Recht zweifellos den Fürsten zusteht, solange deren Ansehen von Gott nicht gemindert wird. Aber dies geschieht nicht vor dem Tage des Jüngsten Gerichtes, wie aus den Worten des heiligen Paulus erhellt, welcher vom Tage des Jüngsten Gerichts, 1. Kor. 15, 24, sagt: »Er tritt dann das Erbe an, wenn er das Reich dem Vater und Gott übergeben haben und alles Fürstentum und Macht und Tapferkeit aufgehoben haben wird.«[287] Zweitens erhellt dies aus den Worten unsers Erlösers an Jakobus und Johannes, die gesagt haben, Luk. 9, 54: »Willst du nicht, daß das Feuer vom Himmel herabfalle und diese verzehre?« (nämlich die Samariter, die Jesus, als er nach Jerusalem ging, nicht gastlich bei sich aufnehmen wollten); und Jesus schalt sie und sagte, Vers 36: »Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, die Seelen zu verderben, sondern zu erretten.« Ebenso seine Worte Matth. 10, 26: »Siehe, ich sende euch wie die Schafe inmitten der Wölfe.« Ebenso Joh. 3, 17: »Gott hat seinen Sohn nicht in diese Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß sie durch ihn gerettet werde.« Und Joh. 12, 147: »Wenn jemand meine Worte vernimmt und nicht befolgt, so richte ich ihn nicht, denn ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte« usw. Sie alle zeigen, daß Jesus nicht die Gewalt empfangen hatte, jemand zu verurteilen oder zu strafen. Es heißt zwar Joh. 5, 22: »Der Vater urteilt über niemand; er hat alles Gericht dem Sohne übergeben«; allein dies widerspricht den obigen Stellen nicht, wenn man es nur von dem Tage des Jüngsten Gerichts versteht, wie es auch verstanden werden muß. Daß endlich Christus nicht gesandt worden ist, um neue Gesetze zu geben, und deshalb nach seinem Amte und seiner Sendung kein Gesetzgeber im eigentlichen Sinne war, wie auch Moses nicht, sondern daß er ein Bringer und Verbreiter der väterlichen Gesetze war (denn Gott allein, und nicht Moses noch Christus war der vertragsmäßige König), erhellt aus Matth. 5, 17: »Ich bin nicht gekommen zu lösen (nämlich die früher von Gott durch Moses gegebenen Gesetze, die er gleich auslegt), sondern zu erfüllen.« Und, Matth. 5, 19: »Wer eines von jenen kleinsten Gesetzen löst und die Menschen so belehrt, wird keinesfalls in das Himmelreich kommen.« Also hatte Christus von dem Vater nicht die königliche Gewalt und die Herrschaft in dieser Welt übertragen erhalten, sondern er sollte nur raten und lehren. Er selbst deutet dies Matth. 4, 13 an, wenn er die Apostel nicht Jäger, sondern Fischer nennt, und wenn er das Reich Gottes mit dem Senfkorn und mit dem im Mehl verborgenen Sauerteig vergleicht (Matth. 13, 31-33).

7. Gott versprach erstlich dem Abraham eine zahlreiche[288] Nachkommenschaft, den Besitz des Landes Kanaan und die Segnung aller Völker in seiner Nachkommenschaft, unter der Bedingung, daß Abraham und seine Nachkommen Gott dienen würden. Sodann versprach Gott der leiblichen Nachkommenschaft Abrahams die priesterliche Herrschaft über das Fleisch, die freieste Regierung, bei der sie sich keiner menschlichen Herrschaft zu unterwerfen brauchten, unter der Bedingung, daß sie dem Gott Abrahams nach der von Moses gelehrten Weise dienen würden. Endlich verhieß Gott ihnen und allen Völkern ein himmlisches und ewiges Reich unter der Bedingung, daß sie dem Gotte Abrahams nach der von Christus gelehrten Weise dienen würden. Denn durch den Neuen, d.h. Christlichen Bund ist von seiten der Menschen versprochen, daß sie dem Gott Abrahams in der von Jesu gelehrten Weise dienen wollen, und von seiten Gottes, daß er ihnen die Sünden vergeben und sie in das himmlische Reich einführen wolle. Wie das himmlische Reich beschaffen ist, ist bereits oben in Abschnitte gezeigt worden; bald wird es das Reich des Himmels, bald das Reich des Ruhmes, bald das ewige Leben genannt. Das Versprechen der Menschen, Gott zu dienen wie Christus gelehrt habe, enthält zweierlei: Gott Gehorsam zu leisten (denn das heißt Gott dienen), und den Glauben an Jesus, nämlich den Glauben, daß Jesus der von Gott verheißene Christus sei; denn nur deshalb ist seine Lehre mehr als jede andere zu befolgen. Anstatt des Gehorsams wird in der Heiligen Schrift sehr oft »Buße« gesagt, weil Christus überall lehrt, daß bei Gott der Wille für die Tat gelte; die Buße ist aber ein untrügliches Zeichen eines gehorsamen Sinnes. Versteht man dieses recht, so bestätigen viele Stellen der Heiligen Schrift, daß diese Bedingungen, die ich hier genannt, nämlich von seiten Gottes die Vergebung der Sünden und das ewige Leben, von seiten der Menschen die Buße und der Glaube an Jesus Christus, die Bedingungen des christlichen Bundes gewesen sind. So enthalten die Worte Mark. 1, 15: »Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen, laßt uns Buße tun und dem Evangelium glauben«, den ganzen Vertrag. Ebenso die Worte Luk. 24, 46, 47: »Weil geschrieben steht und Christus leiden mußte und am dritten Tage wieder auferstehn von[289] dem Tode und in seinem Namen die Buße und die Vergebung der Sünden bei allen Völkern gepredigt werden mußte, indem mit Jerusalem begonnen wird.« Ebenso die Worte Apostelgesch. 3, 19: »Tut Buße und bekehret euch, damit eure Sünden vergeben werden, wenn die Zeiten der Erquickung kommen werden« usw. Mitunter wird nur die eine Seite ausdrücklich hervorgehoben und die andere vorausgesetzt, so Job. 3, 36, wo es heißt: »Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber an den Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht erblicken, sondern Gottes Zorn wird über ihm bleiben.« Hier wird der Glaube ausgedrückt, die Reue aber nicht erwähnt. In Christi Bergpredigt, Matth. 4, 17 heißt es: »Tut Buße, denn das Reich Gottes ist genaht.« Hier wird die Buße genannt und der Glaube vorausgesetzt. Am deutlichsten und förmlichsten wird der Inhalt des Neuen Bündnisses Luk. 18, 18 angegeben, wo ein Vornehmer, der gleichsam das Reich Gottes erstehen will, unsern Erlöser fragt: »Lieber Meister, was soll ich tun, daß ich das ewige Leben erlange?« Zunächst nennt Christus den einen Teil, die Befolgung der Gebote, d.h. den Gehorsam; und als jener sagt, daß er diesen geleistet habe, fügt er das Zweite in V. 22 hinzu: »Eines fehlt noch; verkaufe alles, was du besitzest, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmelreich haben, und komm und folge mir.« Dies betrifft den Glauben. Da er aber nicht fest an Christus und die himmlischen Schätze glaubte, ging er traurig davon. Derselbe Vertrag ist in den Worten Mark. 16, 16 enthalten: »Wer da glaubt und getauft wird, ist gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.« Hier wird der Glaube genannt und die Reue bei dem Getauften vorausgesetzt. Ebenso heißt es Joh. 3, 5: »Wenn einer nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.« Hier bedeutet das »Aus-dem-Wasser-geboren-werden« dasselbe wie Wiedergeburt, d.h. Bekehrung zu Christus. Wenn in diesen beiden Stellen und in verschiedenen andern die Taufe verlangt wird, so ist das so zu verstehen, daß, was die Beschneidung für den Alten Bund war, das soll die Taufe für den Neuen Bund sein. Jene gehörte nicht zu dem Wesen des Vertrages,[290] sondern sollte nur sein Andenken erhalten, als eine Zeremonie und ein Zeichen (das in der Wüste nicht beobachtet wurde); ebenso gehört auch die Taufe nicht zu dem Wesen des Neuen Bundes, sondern dient zu dessen Erinnerung und Zeichen. Wenn nur der gute Wille da ist, so kann in der Not die Handlung selbst wegbleiben; dagegen sind die Buße und der Glaube, als zum Wesen des Vertrages gehörend, immer notwendig.

8. Im Reiche Gottes nach diesem Leben wird es keine Gesetze geben; denn einmal bedarf es da keiner Gesetze, wo es keine Sünde gibt, und dann hat Gott uns die Gesetze nicht für den Himmel selbst gegeben, sondern damit wir dahin gelangen sollen. Ich werde also nun die Gesetze ermitteln, die Christus nicht selbst gegeben hat (denn er wollte, wie ich in Abschn. 6 gezeigt habe, die gesetzgebende Gewalt sich gar nicht anmaßen), sondern die er als die Gesetze seines Vaters für uns aufgestellt hat. In der Schrift ist eine Stelle, wo die von Gott bis zu dieser Zeit gegebenen Gesetze in die zwei Gebote zusammengezogen sind: »Liebe Gott deinen Herrn von ganzem Herzen und von ganzer Seele und in deinem ganzen Gemüte, das ist das erste und größte Gebot. Das zweite ist diesem ähnlich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. In diesen beiden Geboten sind das ganze Gesetz und die Propheten enthalten.« (Matth. 22, 37-40.) Das erste von diesen Geboten ist schon früher von Moses mit denselben Worten im 3. Buch Mosis 6, 5 erlassen worden. Und das zweite hat sogar schon vor Moses gegolten, da es ein natürliches Gesetz ist, das mit der vernünftigen Natur zugleich beginnt. Beide Gebote zusammen sind die Summe aller Gesetze. Denn alle Gesetze über den natürlichen Gottesdienst sind in den Worten »Du sollst Gott lieben« enthalten, und alle Gesetze der Gottesverehrung, wie sie der Alte Bund bestimmt, sind in den Worten enthalten: »Du sollst deinen Gott lieben«, d.h. Gott als den besondern König Abrahams und seiner Nachkommen, und alle natürlichen und bürgerlichen Gesetze sind in den Worten befaßt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Denn wer Gott und seinen Nächsten liebt, ist bereit, den göttlichen und menschlichen Gesetzen zu gehorchen, und Gott verlangt nichts weiter als[291] einen gehorsamen Sinn. An einer andern Stelle, nämlich in dem 5., 6. und 7.Kapitel des Matthäus, legt Christus die Gesetze aus. Aber alle diese Gesetze sind vollständig enthalten entweder in den zehn Geboten oder dem Moralgesetz, oder in dem Glauben Abrahams. So ist das Gesetz, das gebietet, die Frau nicht zu verstoßen, in dem Glauben Abrahams enthalten; denn das Gebot »Beide sollen nur ein Fleisch sein« ist weder von Christus noch von Moses zuerst erlassen worden, sondern von Abraham, der zuerst die Erschaffung der Welt verkündete. Deshalb sind die Gesetze, welche Christus an der einen Stelle zusammenzieht und in der andern erläutert, dieselben, zu denen alle Menschen verpflichtet sind, die den Gott Abrahams anerkennen. Daneben hat Christus, wie die Schrift ergibt, kein Gesetz gegeben als das über die Einrichtung der Sakramente der Taufe und des Abendmahls.

9. Was soll man nun von jenen Geboten halten, die da lauten: »Bereue«, »laß dich taufen«, »befolge die Gesetze«, »glaube an das Evangelium«, »komm zu mir«, »verkaufe alles, was du hast, gib es den Armen und folge mir«, sowie von ähnlichen Geboten? Die Antwort ist, daß sie keine Gesetze sind, sondern Ermahnungen zum Glauben, wie die Worte des Jesaias 55, 1: »Kommt und kauft ohne Silber und ohne allen Tausch Wein und Milch.« Wenn die so Berufenen nicht kommen, sündigen sie deshalb gegen kein Gesetz, sondern nur gegen die Klugheit; nicht ihr Unglaube, sondern ihre frühern Sünden werden bestraft. Deshalb sagt Johannes von dem Ungläubigen, Joh. 3, 36: »Der Zorn Gottes bleibt auf ihm«; aber nicht: Der Zorn Gottes wird über ihn kommen. Ebenso sagt er Joh. 3, 18: »Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet«; aber er sagt nicht: er wird gerichtet werden, sondern: er ist schon gerichtet. Man kann nicht wohl verstehen, daß die Vergebung der Sünden eine Gnade ist, die von dem Glauben kommt, wenn man nicht auch umgekehrt versteht, daß die Strafe der Sünden ein Nachteil des Unglaubens ist.

10. Unser Erlöser hat also den Untertanen der Könige und den Bürgern der Staaten keine verteilenden Gesetze gegeben, d.h. keine Regeln, aus denen der Bürger entnehmen kann, was ihm gehöre und was fremdes Eigentum[292] sei; auch hat er keine Formeln, Worte oder Umstände bestimmt, nach denen gegeben, überreicht, Besitz ergriffen und fortgesetzt werden soll, damit der Annehmende oder Besitzergreifende oder Besitzer ein Recht erlange. Hieraus erhellt offenbar, daß nicht bloß bei den Ungläubigen, wo Christus selbst erklärt, daß er weder über sie richten noch ihr Recht bestimmen wolle, sondern auch bei den Christen die einzelnen Bürger diese Regeln von dem Staate zu empfangen haben, also von dem Menschen oder der Versammlung, welche die Staatsgewalt innehaben. Also wird mit jenen Gesetzen: »Du sollst nicht töten«, »Du sollst nicht ehebrechen«, »du sollst nicht stehlen«, »du sollst deine Eltern ehren«, den Untertanen und Bürgern nur geboten, ihren Fürsten in allen Fragen über Mein und Dein, über eigenes und fremdes Recht unbedingt zu gehorchen. Denn mit dem Gebot »Du sollst nicht töten« ist nicht jede Tötung verboten; denn der, welcher sagte: »Du sollst nicht töten«, hat auch gesagt: »Wer am Sabbat arbeitet, soll getötet werden.« 2. Buch Mosis 35, 2. Ja, noch nicht einmal jegliche Tötung ist verboten; denn es heißt 2. Buch Mosis 32, 27: »Ein jeder töte seinen Bruder und seinen Freund und seinen Nächsten«, und Vers 28: »Und es wurden ungefähr 3000 Mann getötet.« Dies gilt selbst von der Tötung eines unschuldigen Menschen; denn Jephta gelobt Richter 11, 31: »Jedweder, der heraustritt, den bringe ich dem Herrn zum Brandopfer«, und sein Gelöbnis war Gott angenehm. Was ist also eigentlich verboten? Nur das, daß keiner einen andern töte, der nicht das Recht dazu hat, d.h. daß niemand töte, wenn es nicht seines Amtes ist. Deshalb gebietet das Gesetz Christi in betreff der Tötung und infolgedessen auch in bezug auf jede Verletzung eines Menschen und die zu erkennenden Strafen, daß man nur dem Staate zu gehorchen habe. Ebenso wird mit dem Gebote »Du sollst nicht ehebrechen« nicht jeder Beischlaf verboten, sondern nur der mit einer fremden Frau; wer aber als eine fremde gelten solle, darüber entscheidet der Staat, und diese Frage muß nach den von dem Staat hierüber gegebenen Regeln entschieden werden. Deshalb befiehlt dieses Gebot dem Ehemann und der Ehefrau, einander die Treue zu bewahren, die sie sich nach Vorschrift[293] des Staats gelobt haben. Ebenso wird durch das Gebot »Du sollst nicht stehlen« nicht jede Ergreifung oder heimliche Wegnahme einer Sache, sondern nur die einer fremden verboten; dem Bürger ist damit nur verboten, das zu ergreifen oder wegzunehmen, was zu ergreifen oder wegzunehmen der Staat verbietet. Es kann also, allgemein gesagt, nur das als Mord, Ehebruch oder Diebstahl bezeichnet werden, was die bürgerlichen Gesetze dafür erklären. Endlich hat Christus zwar geboten, die Eltern zu ehren, aber er hat nicht bestimmt, durch welche Gebräuche, mit welchen Benennungen und mit welchem Gehorsam dies geschehen soll. Deshalb ist anzunehmen, daß sie mit ganzem Willen und innerlich wie Könige und Herren von ihren Kindern zu ehren sind, äußerlich aber nur so weit, als es der Staat erlaubt, der jedermann, wie den übrigen Besitz, so auch die ihm gebührende Ehre zuweist. Da nun das Wesen der Gerechtigkeit darin besteht, jedem das Seine zu geben, so erhellt, daß es auch dem christlichen Staate zukommt, zu bestimmen, worin Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit oder ein Vergehen gegen die Gerechtigkeit besteht. Was dem Staat zukommt, das kommt gerechterweise dem oder denen zu, die die höchste Staatsgewalt innehaben.

11. Ferner hat unser Erlöser den Bürgern keine andern Gesetze in betreff der Staatsregierung gegeben, als die natürlichen Gesetze, d.h. den Befehl zum Gehorsam gegen die Obrigkeit. Deshalb darf kein Bürger für sich bestimmen, wer dem Staate als Freund oder Feind gelten solle, wann ein Krieg begonnen, wann Friede oder ein Waffenstillstand geschlossen werden soll; auch hat keiner darüber zu entscheiden, welche Bürger, welche und welcher Menschen Machtbefugnisse zum Wohle des Staats beitragen oder ihn gefährden. Also gebührt die Entscheidung über dies alles und ähnliches, soweit es nötig ist, dem Staate, d.h. dem höchsten Herrscher.

12. Überdies, der Bau von Festungen, Häusern und Tempeln, die Bewegung, Fortschaffung oder Beseitigung schwerer Lasten, die sichere Befahrung der Meere, der Bau von Maschinen für allerhand nützliche Dinge, die Erkenntnis der Gestalt der Erde, des Laufes der Gestirne, der Jahreszeiten, der Zeitrechnung und der Natur aller[294] Dinge, sowie die Kenntnis des natürlichen und bürgerlichen Rechts, sowie aller Wissenschaften, die unter dem Namen Philosophie zusammengefaßt, teils zum bloßen Leben, teils zum angenehmen Leben notwendig sind, die Einsicht in all dies, so behaupte ich, wird (da Christus sie nicht gelehrt hat) nur durch die Vernunft vermittelt, d.h. durch ein Gewebe von Schlüssen, die von der Erfahrung ausgehen. Allein dergleichen Vernunftschlüsse der Menschen sind bald richtig, bald falsch; und deshalb sind die so gewonnenen Sätze, die als eine Wahrheit gelten, mitunter Wahrheit, mitunter aber auch Irrtum. Irrtümer selbst in diesen wissenschaftlichen Gegenständen bringen jedoch denn Staate zuweilen Schaden und veranlassen große Aufstände und Beschädigungen. Deshalb muß für alle Fälle, wo über die Frage Streit entsteht, ob dergleichen nicht dem Staatswohl und dem gemeinen Frieden widerstreite, jemand da sein, der entscheidet, ob dergleichen Ausführungen, d.h. ob die Ergebnisse richtig abgeleitet sind, und der damit den Streit beschließt. Hierüber hat Christus aber keine Vorschriften gegeben; er ist nicht in die Welt gekommen, um Logik zu lehren. Es bleibt deshalb nur übrig, daß diejenigen über solche Streitigkeiten zu entscheiden haben, welche Gott von Natur schon früher bestellt hat, d.h. die, welche in jedem Staate von der höchsten Staatsgewalt dazu bestellt worden sind. Wenn ferner über die genaue und eigentliche Bedeutung, d.h. die Definition der gebräuchlichen Worte und Namen, sich ein Streit erhebt, dessen Entscheidung im Interesse des öffentlichen Friedens oder der Gerechtigkeit nötig ist, so gebührt diese Entscheidung dem Staat. Denn dergleichen Definitionen werden aus der Betrachtung der verschiedenen Begriffe, zu deren Bezeichnung jene Namen zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Ursachen angewandt worden sind, durch Überlegen und Vergleichen herausgezogen; aber die Entscheidung, ob das richtig geschehen sei, gebührt dem Staate. Hat z.B. eine Frau ein Kind von ungewöhnlicher Gestalt geboren, und verbietet das Gesetz die Tötung eines Menschen, so entsteht die Frage, ob dieses Kind ein Mensch sei, und es erhebt sich also die weitere Frage, was ein Mensch sei. Hier wird niemand zweifeln, daß die Entscheidung[295] dem Staate zusteht, ohne daß man auf die Definition des Aristoteles, wonach der Mensch ein vernünftiges Geschöpf ist, Rücksicht nehmen kann. Von all diesen Dingen nämlich, Recht, Politik und Naturwissenschaften, hat Christus erklärt, daß es nicht zu seinem Amt gehöre, darüber Vorschriften und Lehrsätze aufzustellen, bis auf den einen, daß die einzelnen Bürger bei solchen Streitigkeiten den Gesetzen und Urteilssprüchen ihres Staats zu gehorchen haben. Doch muß man sich dabei erinnern, daß derselbe Christus als Gott mit Recht nicht bloß alles, was ihm beliebte, hätte lehren, sondern auch befehlen können.

13. Das Wesentliche in dem Amte unsers Erlösers bestand in der Lehre des Weges und aller Mittel zur Erwerbung des Heils und des ewigen Lebens. Eines der Mittel zum Heil besteht aber in Gerechtigkeit und Gehorsam in bürgerlichen Dingen und in der Beobachtung aller natürlichen Gesetze. Diese können nun in zweifacher Weise gelehrt werden: einmal als Lehrsätze vermittelst der natürlichen Vernunft, indem das Recht und die natürlichen Gesetze von den menschlichen Grundsätzen und Verträgen abgeleitet werden; und eine so abgeleitete Lehre bleibt der Prüfung der Staatsgewalt unterworfen. Sodann in der Form von Gesetzen, gestützt auf die göttliche Machtvollkommenheit, indem gezeigt wird, daß Gottes Wille es so verlangt; diese Lehrart kommt nur dem zu, der den Willen Gottes auf übernatürliche Weise erkannt hat, also nur Christus. Zweitens gehörte zu Christi Amt, den Bußfertigen die Sünden zu vergeben; dies war zu dem Heile der Menschen, die schon gesündigt hatten, notwendig und konnte auch von keinem andern geschehen. Denn auf die Reue folgt die Vergebung der Sünden nicht selbstverständlich, als eine Schuldigkeit, sondern sie hängt, als ein freiwilliges Geschenk, von dem Willen Gottes ab, der in übernatürlicher Weise sich offenbart. Drittens gehört zu Christi Amt die Lehre aller jener Gebote Gottes in betreff des Gottesdienstes oder der Glaubenssätze, welche durch die natürliche Vernunft nicht erkannt werden können, sondern nur durch Offenbarung. Dahin gehören: daß er selbst Christus sei; daß sein Reich kein irdisches, sondern ein himmlisches sei;[296] daß es Lohn und Strafe nach diesem Leben gebe; daß die Seele unsterblich sei; daß soviel Sakramente und von solcher Art gelten sollen, und ähnliches.

14. Nach dem in dem vorgehenden Kapitel Gesagten wird sich leicht der Unterschied zwischen Geistlichem und Weltlichem ziehen lassen. Unter Geistlichem versteht man das, was seine Grundlage in dem Ansehen und dem Amte Christi hat, und was man, wenn Christus es nicht gelehrt hätte, nicht hätte wissen können; alles andere ist weltlich. Mithin gehören zum weltlichen Recht die Definition und gesetzliche Bestimmung über das Gerechte und Ungerechte; die Entscheidung aller Streitfragen über die Mittel zur Erhaltung des öffentlichen Friedens und Schutzes, und die Prüfung aller Lehren und Bücher über reine Wissenschaft aus Vernunft. Alles dagegen, was nur von dem Worte und dem Ansehen Christi abhängt, gehört zu den Geheimnissen des Glaubens, und die Entscheidung hierüber steht denn geistlichen Richter zu. Da indes unser Erlöser die Begriffe des Weltlichen und Geistlichen nicht definiert und ihren Unterschied nicht gelehrt hat, so hat die Vernunft dies zu tun, und es gehört dies vor den weltlichen Richter. Allerdings unterscheidet der heilige Paulus an vielen Stellen das Geistige von dem Fleischlichen und rechnet zu dem Geistigen das von dem Geist Ausgehende, also die Weisheit, den Vertrag der Wissenschaften, den Glauben, die Arzneikunst, die Verrichtung von Wundern, die Weissagung, die Kenntnis der verschiedenen Sprachen und ihre Auslegung; so in Röm. 8, 5; 1. Kor. 12, 8, 9. Ebenso rechnet er dazu in 2. Kor. 2, 14-16 alles, was durch den Heiligen Geist in übernatürlicher Weise eingegeben worden, und was der tierische Mensch nicht verstehen kann, sondern nur der, welcher den Sinn Christi erkannt hat. Und Röm. 15, 27 nennt er die irdischen Glücksgüter fleischliche Dinge und 1. Kor. 3, 1-3 die Menschen fleischliche Menschen: doch hat er nicht bestimmt oder Regeln gegeben, aus denen man entnehmen könnte, was von der natürlichen Vernunft und was von übernatürlicher Eingebung ausgeht.

15. Da sonach feststeht, daß unser Erlöser die Beurteilung und Entscheidung aller Streitigkeiten über Weltliches den Fürsten und Inhabern der höchsten Staatsgewalt[297] übertragen, oder vielmehr sie ihnen nicht genommen hat, so fragt es sich, wem er das gleiche Recht über das Geistliche übertragen hat. Dies kann aber nur aus dem Worte Gottes und der Überlieferung der Kirche entnommen werden, und es ist deshalb zunächst zu ermitteln, was das Wort Gottes, was seine Auslegung, was die Kirche und was der Wille und das Gebot der Kirche ist. Sieht man davon ab, daß in der Heiligen Schrift manchmal das Wort Gottes für die Bezeichnung des Sohnes Gottes gebraucht wird, so bleiben noch drei Bedeutungen dieses Ausdrucks. Erstens bezeichnet es in seinem eigentlichsten Sinne alles, was Gott gesprochen hat. Was Gott zu Abraham und den Erzvätern, zu Moses und den Propheten, oder was unser Erlöser zu seinen Jüngern oder andern gesprochen hat, das ist Gottes Wort. Zweitens das, was von Menschen auf Anregung oder Befehl des Heiligen Geistes ausgesprochen worden ist; in diesem Sinne gilt die Heilige Schrift als Wort Gottes. Drittens bedeutet in dem Neuen Testament sehr oft das Wort Gottes die evangelische Lehre, oder das Wort über Gott, oder das Wort über das Reich Gottes durch Christum. So heißt es Matth. 4, 23, daß Christus das Evangelium des Reichs gepredigt habe; so Apostelgesch. 13, 46, daß die Apostel das Wort Gottes predigen, und Apostelgesch. 5, 20, wo das Wort Gottes das Wort des Lebens genannt wird. Ebend. 15, 7 heißt es das Wort des Evangeliums; Röm. 10, 8 das Wort des Glaubens; Ephes. 1, 13 das Wort der Wahrheit, d.h. (wie man hinzufügend auslegen kann) das Evangelium des Heils. Auch heißt es das Wort der Apostel, denn der heilige Paulus sagt 2. Thess. 3, 14: »Wenn einer unserm Worte nicht gehorcht usw.« Diese Stellen können nur von der Lehre des Evangeliums gemeint sein. Ebenso wenn es Apostelgesch. 12, 24 u. 13, 49 heißt, daß das Wort Gottes gesäet werde, wachse und sich vermehre. Von dem eigentlichen gesprochenen Worte Gottes oder der Apostel kann dies nicht wohl gemeint sein, aber wohl von ihrer Lehre. In diesem dritten Sinne ist das Wort Gottes die ganze Lehre des christlichen Glaubens, welche heutzutage von den Kathedern gelehrt wird und in den theologischen Büchern enthalten ist.

16. Die Heilige Schrift, die bei uns als von Gott eingegeben[298] gilt, ist ganz das Wort Gottes in jenem zweiten Sinne; und unzählige Stellen derselben sind es in jenem ersten Sinne. Da ferner der größte Teil der Heiligen Schrift von der Voraussagung des himmlischen Reichs oder von den Darstellungen vor der Fleischwerdung Christi, oder von der Verkündung des Evangeliums und dessen späterer Deutung handelt, so ist die Heilige Schrift das Wort Gottes und daher auch das Richtmaß und die Regel der ganzen evangelischen Lehre in der dritten Bedeutung, wo das Wort Gottes das Wort über Gott, d.h. das Evangelium bezeichnet. Indes enthält die Heilige Schrift auch vieles Politische, Geschichtliche, Moralische, Physische und anderes, was auf die Mysterien des Glaubens keinen Bezug hat. Solche Stellen enthalten wohl eine wahre Lehre und das Richtmaß für solche Lehren, aber sie können nicht das Richtmaß für die Mysterien der christlichen Religion sein.

17. Aber nicht die toten Worte und der Buchstabe des Wortes Gottes sind das Richtmaß der christlichen Lehre, sondern der wahre und echte Sinn desselben. Denn der Geist wird nur von der Schrift, die er versteht, bestimmt. Deshalb bedürfen die Heiligen Schriften eines Auslegers, um ein Richtmaß zu sein; und hieraus folgt zweierlei, entweder daß auch das Wort des Auslegers das Wort Gottes ist, oder daß das Richtmaß der christlichen Lehre nicht das Wort Gottes ist. Diese letztere Annahme muß aber notwendigerweise falsch sein, denn das Maß für eine Lehre, die nicht durch menschliche Vernunft, sondern nur durch göttliche Offenbarung zu erkennen ist, kann nur ein göttliches sein. Wen wir nicht für fähig halten, zu entscheiden, ob eine Lehre wahr sei oder nicht, dessen Ansicht kann unmöglich als Maß für diese Lehre gelten. Deshalb ist die erstere Annahme die richtige, wonach das Wort des Auslegers der Heiligen Schrift auch das Wort Gottes ist.

18. Als Ausleger, dessen Ansicht solche Bedeutung hat, daß sie als Wort Gottes gilt, kann aber nicht jeder angesehen werden, der die Heilige Schrift seinen lateinischen Zuhörern aus dem Hebräischen und Griechischen in das Lateinische übersetzt und den französischen Zuhörern in das Französische und jedem anderen in seine Muttersprache;[299] denn das ist keine Auslegung. Obgleich die Rede die erste Stelle unter den Mitteln einnimmt, durch die wir andern unsere Gedanken mitteilen, so liegt es doch in der Natur der Rede, daß sie diese Aufgabe nicht allein ohne Hilfe vielfacher Nebenumstände lösen kann. Die mündliche Rede hat unmittelbare Ausleger, nämlich die Zeit, den Ort, die Mienen, die Gesten und die Absicht des Redenden, ja diesen selbst, der seine Meinung, so oft es nötig ist, noch durch andere Worte deutlich machen kann. Diese Hilfsmittel bei Auslegung von Schriften aus alten Zeiten herbeizuschaffen, erfordert nicht nur einen ungewöhnlichen Scharfsinn, sondern auch große Gelehrsamkeit und eine reiche Kenntnis der Vorzeit. Deshalb genügt zur Auslegung der Heiligen Schrift nicht, daß man die Sprache verstehe, in der sie geschrieben ist. Auch ist nicht jeder, der einen Kommentar über die Schrift schreibt, ein authentischer Ausleger derselben. Denn die Menschen können irren; sie können auch die Schrift ihrem Ehrgeiz entsprechend beugen und ihren Vorurteilen gewaltsam anpassen; die Folge würde sein, daß man falsche Meinungen für das Wort Gottes halten müßte. Aber selbst wenn dies nicht eintreten würde, so würden doch gleich mit dem Abgange dieser Erklärer ihre Erklärungen neuer Erläuterungen bedürfen, und im Lauf der Zeit diese Erläuterungen Darstellungen und die Darstellungen neue Kommentare ohne Ende verlangen. Hieraus erhellt, daß das Richtmaß oder die Regel der christlichen Lehre, nach welcher die Religionsstreitigkeiten zu entscheiden sind, in keinem Falle in einer schriftlich niedergelegten Erläuterung bestehen kann. Es bleibt nur übrig, daß als maßgebender Ausleger ein Mensch gelte, dessen gesetzliches Amt es ist, entstandene Streitigkeiten durch Auslegung des Wortes Gottes in seinen Urteilssprüchen zu beseitigen; an dessen Ausspruch hat man deshalb ebenso festzuhalten wie an den Aussprüchen jener, welche die Heilige Schrift selbst uns zuerst als das Richtmaß des Glaubens empfohlen haben. Dieser Mensch muß der Ausleger der Heiligen Schrift und zugleich der höchste Richter über alle Lehren sein.

19. Was das Wort Ekklesia oder Kirche anlangt, so bedeutet es ursprünglich dasselbe, was das Wort Concio[300] oder eine Versammlung im Lateinischen bezeichnet; ebenso wie Ekklesiast oder Geistlicher dasselbe ist wie Concionator oder Redner, d.h. der, der zu der Versammlung spricht. In diesem Sinne wird in der Apostelgesch. 19, 32 u. 39 von der rechtmäßigen und von der verworrenen Kirche gesprochen; jene bezeichnet eine berufene Versammlung, diese eine in Unordnung zusammengelesene Volksmenge. Übrigens versteht die Heilige Schrift unter der Kirche der Christen bald die Versammlung, bald die Christen selbst, auch wenn sie sich nicht wirklich versammelt haben, sofern sie nur in die Versammlung eintreten und mit ihr Gemeinschaft haben dürfen. So bezeichnet der Ausdruck »Sage der Kirche« in Matth. 18, 17 die Versammlung, denn man kann nur so der Kirche etwas sagen. Dagegen bezeichnen die Worte in Apostelgesch. 8, 3: »Er hat die Kirche verwüstet«, die nicht versammelte Kirche. Mitunter bezeichnet der Name Kirche auch die Getauften oder die zu dem christlichen Glauben sich Bekennenden, mögen sie innerlich Christen sein oder nur äußerlich; das ist da der Fall, wo es heißt, es sei der Kirche etwas gesagt oder geschrieben worden, oder es sei von der Kirche etwas gesagt, beschlossen oder getan worden. Mitunter bezeichnet das Wort aber nur die Auserwählten, wie da, wo von der heiligen und unbefleckten Kirche gesprochen wird (Ephes. 5, 27). Indes sind die Erwählten nicht eigentlich die Kirche, soweit sie noch kämpfen, denn sie können nicht zusammenkommen; sie sind vielmehr die zukünftige Kirche, nämlich die Kirche an jenem Tage, wenn sie sich triumphierend von den Verdammten scheiden werden. Mitunter bedeutet auch die Kirche die gesamte Christenheit; so Ephes. 5, 23, wo Christus das Haupt der Kirche, und Kol. 1, 18, wo er das Haupt des Kirchenkörpers genannt wird. Manchmal wird damit nur ein Teil der Christenheit bezeichnet; so heißt es: Die Kirche zu Ephesus; die in seinem Hause befindliche Kirche; die sieben Kirchen, usw. Endlich bezeichnet die Kirche auch eine tatsächlich versammelte Gemeinschaft, mögen die Personen je nach den verschiedenen Zwecken sich nur zur Beratung und zu Rechtsprüchen versammelt haben, wofür auch das Wort Concil oder Synode gebraucht wird, oder mögen sie sich im Hause der Predigt zur Verehrung Gottes[301] versammelt haben. In diesem Sinne steht das Wort 1. Kor. 14, 4, 5, 23, 28 usw.

20. Unter der Kirche, welcher persönliche Rechte und eigentümliche Handlungen beigelegt werden, und von welcher jene erwähnten Ausdrücke »Sage der Kirche« und »Wer der Kirche nicht gehorcht« und ähnliche Wendungen verstanden werden müssen, ist eine Anzahl Menschen zu verstehen, welche den Neuen Bund durch Christum eingegangen sind, d.h. alle, welche das Sakrament der Taufe empfangen haben; diese Anzahl kann rechtlich zu einer Versammlung an einem Orte von jemand berufen werden und die so Berufenen sind entweder persönlich oder durch andere zu erscheinen verpflichtet. Denn eine solche Menge, die sich nicht, wo nötig, zu einer Versammlung vereinigen kann, ist nicht als eine Person anzusehen. Eine Kirche kann nur als eine Versammlung sprechen, beurteilen und hören. Von einer Menge aber gilt, was man von den Aussprüchen einzelner sagt, daß es so viele Meinungen gäbe wie Köpfe; es gibt nur Aussprüche einzelner, aber nicht Aussprüche einer Kirche.

Ebenso ist eine unerlaubte Versammlung ein Nichts. Niemand wird trotz seiner Anwesenheit in solcher Menge durch den Beschluß der übrigen gebunden, namentlich wenn er mit seiner Meinung abweicht. Und daher kann eine solche Kirche gar keinen Beschluß fassen; denn nur dann kann eine Menge etwas beschließen, wenn die einzelnen durch den Beschluß der Mehrheit gebunden sind. Es muß deshalb in die Definition einer Kirche, der man persönliche Rechte zuteilt, aufgenommen werden, daß sie sich nicht nur überhaupt, sondern auch mit Recht versammeln kann. Wenn ferner einer zwar die übrigen mit Recht berufen kann, aber diese auf diese Berufung zu kommen nicht verpflichtet sind (was bei Menschen, wo keine Unterordnung statthat, vorkommen kann), so gilt auch dann die Kirche nicht als eine Person; denn mit demselben Recht, mit dem die, welche auf eine solche Berufung zu einer bestimmten Zeit und Ort sich versammeln, eine Kirche sind, sind auch die, welche an einem andern festgesetzten Ort zusammenkommen, eine andere Kirche. Jede Anzahl Gleichgesinnter ist dann eine Kirche, und es gibt dann so viel Kirchen als verschiedene[302] Glaubensmeinungen; dieselbe Menschenmenge stellt zugleich eine und mehrere Kirchen vor. Deshalb kann keine Kirche als eine gelten, wo die bestimmte und bekannte, d.h. die gesetzliche Macht fehlt, welche die einzelnen verpflichtet, an den Versammlungen persönlich oder durch Vertreter teilzunehmen. Durch diese Einheit der berechtigten Gewalt zur Berufung der Synoden und Versammlungen der Christen und nicht durch die Gleichförmigkeit der Lehre wird die Kirche eine und persönlicher Eigenschaften fähig; sonst ist nur eine Menge und eine Mehrheit von Personen vorhanden, mögen sie in ihren Ansichten auch noch so sehr übereinstimmen.

21. Aus dem Bisherigen ergibt sich auch als notwendige Folge, daß ein Staat christlicher Menschen und eine Kirche durchaus ein und dasselbe ist, das nur aus zweifachen Ursachen zweifach benannt wird. Der Stoff ist für den Staat und die Kirche derselbe, nämlich dieselben christlichen Menschen. Auch ihre Verfassung, die in der rechtmäßigen Berufungsgewalt besteht, ist dieselbe; denn es ist klar, daß die einzelnen sich da versammeln müssen, wohin sie von dem Staate berufen werden. Staat heißt dabei die Verbindung, soweit sie aus Menschen, und Kirche, soweit sie aus Christen besteht.

22. Hiermit hängt auch zusammen, daß, wenn es mehrere christliche Staaten gibt, sie durchaus nicht als Kirche eine Person sind. Durch gemeinsame Übereinkunft können sie zwar zu einer Kirche werden, aber nur dann, wenn sie auch zu einem Staate sich umbilden, da sonst Versammlungen zu bestimmter Zeit und an festgesetzten Orten nicht stattfinden können. Nun fallen aber Personen, Orte und Zeiten unter das bürgerliche Recht, und kein Bürger oder Fremder darf mit Recht irgendeinen Ort betreten, wenn nicht der Staat, welcher die Herrschaft über diesen Ort hat, es gestattet. Wenn daher Handlungen nur mit Erlaubnis des Staats rechtlich getan werden können, so geschehen sie, wenn sie rechtlich geschehen, mit Ermächtigung des Staates. Allerdings ist die allgemeine Kirche ein geheimnisvoller Körper, dessen Haupt Christus ist, aber nur in der Weise, wie alle Menschen, welche Gott[303] als den Leiter der Welt anerkennen, ein Reich und ein Staat sind; aber trotzdem sind sie nicht eine Person und nicht einer gemeinsamen Handlung oder Ansicht fähig. Ferner, wo Christus als das Haupt der christlichen Kirche genannt wird, da bezieht der Apostel dies offenbar nur auf die Auserwählten, die, solange sie sich auf dieser Welt befinden, nur eine Kirche der Möglichkeit nach sind, die erst wirklich eine Kirche sind, wenn sie sich von den Verdammten getrennt und sich am Tage des Gerichts vereint haben werden. Die Römische Kirche hatte ehedem einen großen Umfang, aber die Grenzen des Reichs hat sie nicht überschritten; sie ist deshalb keine allgemeine, wenn man das Wort nicht in dem Sinne wie von dem römischen Staate versteht, von dem es hieß, daß der römische Sieger schon den ganzen Erdkreis besitze, obgleich er doch nicht den zwanzigsten Teil davon innehatte. Nachdem aber dies Reich in Teile zerfiel, bildeten die daraus hervorgehenden einzelnen Staaten auch ebenso viele Kirchen. Und die Gewalt, die die Römische Kirche über sie hatte, mochte doch wohl ganz von der Macht jener Kirchen abhängen, die zwar die römischen Kaiser vertrieben hatten, aber es sich doch gefallen ließen, römische Doktoren zu bekommen.

23. Geistliche kann man die nennen, welche ein öffentliches Amt in der Kirche bekleiden. Dieses Amt ist entweder ein dienendes oder ein herrschendes. Das Amt der Dienenden war, bei Tische aufzuwarten, die zeitlichen Güter der Kirche zu verwalten und auf die einzelnen ihre Anteile zu verteilen, da sie zu jener Zeit, wo alles Eigentum an Vermögen aufgehoben war, von der Gemeinschaft erhalten wurden. Die Herrschenden hießen nach ihrer Stellung Apostel, Bischöfe und Presbyter, d.h. die Ältesten, womit nicht das Lebensalter, sondern nur das Amt bezeichnet wurde. So war Timotheus Presbyter, obgleich er noch ein Jüngling war. In der Regel waren es jedoch ältere Männer, die man mit diesen Ämtern bekleidete, und daher kam es, daß das Lebensalter auch die Bezeichnung des Amtes wurde. Dieselben Beamten hießen nach Verschiedenheit ihrer Beschäftigung Apostel, Propheten, Evangelisten, Pastoren oder Lehrer. Das apostolische Amt war in der Tat das allgemeine; dagegen hatten die Propheten[304] ihre empfangenen Offenbarungen in der Kirche mitzuteilen; die Evangelisten mußten predigen oder das Evangelium unter den Ungläubigen verkünden, während die Pastoren die Belehrung, Befestigung und Leitung derer besorgten, die schon zu den Gläubigen gehörten.

24. Bei der Wahl der Geistlichen ist zweierlei zu beachten: die Wahl der Personen, und ihre Weihe oder Einführung, die auch die Ordinarien genannt wurde. Die ersten zwölf Apostel hat Christus selbst gewählt und geweiht. Nach Christi Himmelfahrt wurde Matthias an Stelle des Verräters Judas erwählt; die Kirche, welche damals aus einer Versammlung von ungefähr 120 Menschen bestand, wählte zwei aus; »und sie bestimmten zweie, den Joseph und Matthias«; aber Gott selbst billigte durch das Los den Matthias. Diese zwölf nennt der heilige Paulus die großen oder ersten Apostel, auch die Apostel der Beschneidung. Später wurden noch zwei Apostel zugefügt, Paulus und Barnabas, die zwar von den Gelehrten und Propheten der Kirche zu Antiochien (die eine besondere Kirche war) durch Handauflegung ordiniert wurden, aber auf Befehl des Heiligen Geistes gewählt worden waren. Apostelgeschichte 13, 2-3 ergibt, daß beide Apostel waren. Daß sie das apostolische Amt dadurch empfingen, d.h. daß sie auf Befehl des Heiligen Geistes zur Ausübung von Gottes Werk von den Propheten und Doktoren der Kirche zu Antiochien getrennt wurden, zeigt der heilige Paulus selbst, Röm. 1, 1, der sich zur Unterscheidung den für das Evangelium Gottes ausgesonderten Apostel nennt. Fragt man aber weiter, auf wessen Ansehen es als ein Befehl des Heiligen Geistes angenommen wurde, was jene Doktoren und Propheten, als von ihm herrührend, sagten, so muß man antworten: Auf das Ansehen der Kirche zu Antiochien. Denn die Propheten und Lehrer wurden vor ihrer Zulassung von der Kirche geprüft. So sagt der heilige Johannes, 1. Epist. 4, 1: »Glaubt nicht jedem Geiste, sondern prüfet den Geist, ob er von Gott sei, weil viele falsche Propheten in die Welt ausgezogen sind.« Von welcher andern Kirche kann es aber geschehen sein als von der, an welche dieser Brief gerichtet ist? Ähnlich tadelt der heilige Paulus, Gal. 2, 14, die Kirche in Galatien, daß sie zu dem Judentum neige;[305] obgleich sie es auf Anlaß von Petrus zu tun scheine. Denn nachdem er gesagt, daß er den Petrus selbst mit den Worten getadelt: »Wenn du als Jude in heidnischer und nicht in jüdischer Weise lebst, wie kannst du da die Heiden zwingen, sich den Juden zuzuwenden?« fragt er jene bald darauf, Gal. 3, 2: »Nur das eine will ich von euch hören, ob ihr durch die Werke des Gesetzes den Geist empfangen habt, oder weil ihr die Glaubenslehre gehört.« Hieraus erhellt, daß er bei den Galatern die Hinneigung zum Judentum getadelt hat, wenn auch der Apostel Petrus sie dazu gezwungen hatte. Da es sonach nur Sache der Kirche und nicht Sache des Petrus und infolgedessen auch keines andern Menschen war, zu bestimmen, welchen Lehrern die Kirche zu folgen habe, so kam es auch der Macht der Kirche von Antiochien zu, ihre Propheten und Lehrer zu wählen. Wenn nun durch die Auflegung der Hände seitens jener so gewählten Lehrer der Heilige Geist sich die Apostel Paulus und Barnabas ausgesondert hat, so erhellt, daß die Handauflegung und die Weihe der höchsten Lehrer bei jeder Kirche den Lehrern dieser Kirche zusteht. Die Bischöfe aber, welche auch die Presbyter hießen, wenn auch nicht alle Presbyter Bischöfe waren, wurden damals durch die Apostel (denn Paulus und Barnabas bestimmten, nachdem sie in Derbe, Lystra und Iconium gelehrt hatten, nach der Apostelgesch. 14, 23 Älteste für jede einzelne Kirche) oder durch andere Bischöfe ordiniert. So ließ Paulus den Titus in Kreta zurück, um in den Städten Älteste einzusetzen, Tit. 1, 5; und dem Timotheus wurde gesagt: »Vernachlässige nicht die Gnade Gottes, die in dir ist und die dir mit der Weissagung und mit dem Recht, durch Händeauflegen die Ältesten einzusetzen, gegeben worden.« 1. Timoth. 4, 14. Dieser empfing auch Anweisungen über die Wahl der Ältesten; und dies kann nur von der Ordination der von der Kirche Gewählten verstanden werden, da niemand ohne Erlaubnis der Kirche einen Lehrer einsetzen konnte. Denn selbst der Apostel Amt war nicht, zu befehlen, sondern zu belehren; und obgleich die von den Aposteln oder den Ältesten empfohlenen Personen aus Achtung vor jenen nicht verworfen wurden, so konnten sie doch ohne Einwilligung der Kirche nicht gewählt[306] werden, und deshalb nahm man an, daß sie auch durch die Macht der Kirche gewählt worden waren. Ähnlich verhielt es sich mit den Geistlichen, welche Diakonen hießen; sie wurden zwar von den Aposteln geweiht, aber von der Kirche gewählt. Als sieben Diakonen gewählt und ordiniert werden sollten, wählten nicht die Apostel dieselben, sondern sagten, Apostelgesch. 6, 3: »Sucht, lieben Brüder, nach sieben Männern guten Rufes unter euch«; und dann, V. 3 wählten diese den Stephanus usw. und stellten die Gewählten den Aposteln vor. Sonach ergibt das Herkommen der Kirche unter den Aposteln, daß die Ordination aller Geistlichen oder ihre Weihe, die durch das Gebet und Auflegung der Hände erfolgte, den Aposteln und Lehrern zukam, daß aber die Wahl der zu Ordinierenden der Kirche gebührt hat.

25. Die Macht zu binden und zu lösen, d.h. die Sünden zu vergeben oder nicht, ist unzweifelhaft von Christus den damals noch zukünftigen Pastoren ebenso übertragen worden wie den damaligen Aposteln, und diesen ist die ganze Gewalt der Sündenvergebung, welche Christus hatte, übertragen worden; Johannes 20, 21 sagt Christus: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich auch euch«, und fügt V. 23 hinzu: »Wem ihr die Sünden vergebt, dem sollen sie vergeben sein, und wem ihr sie nicht erlaßt, der soll sie behalten.« Zweifelhaft ist es dagegen, was das Lösen und Binden, die Vergebung und die Belassung der Sünden ist. Denn demjenigen die Sünden zu belassen, der auf die Vergebung der Sünden getauft worden ist und wirklich bereut, scheint gegen den Vertrag des Neuen Testaments zu verstoßen und konnte deshalb weder von Christus und noch weniger von den Pastoren geschehen. Ebenso ist der Erlaß der Sünden an einem, der nicht bereut, gegen den Willen Gottes des Vaters, der Christus gesandt hat, um die Welt zu bekehren und die Menschen zu dem Gehorsam zurückzuführen. Auch würde, wenn jedem Pastor die Macht der Sündenvergebung in dieser Ausdehnung übertragen worden wäre, alle Furcht vor den Fürsten und bürgerlichen Obrigkeiten, ja das gesamte bürgerliche Regiment völlig zerstört werden. Denn Christus hat gesagt, ja die Natur selbst befiehlt es: »Fürchtet nicht die, welche[307] den Leib töten, aber den Geist nicht töten können; fürchtet vielmehr den, welcher den Geist und den Leib verderben kann in der Hölle.« (Matth. 10, 28.) Denn niemand ist so schwachsinnig, daß er nicht lieber denen gehorchen wird, welche die Sünden vergeben und belassen können, als selbst dem mächtigsten Könige. Andrerseits darf man die Vergebung der Sünden nicht bloß als eine Befreiung von den Kirchenstrafen ansehen. Denn was für andere Übel hat sie, die Exkommunikation, noch an sich, als die daraus folgende ewige Strafe? Oder welche Vorteile hätte man von der Aufnahme in die Kirche, wenn das Heil auch außer ihr gewonnen werden könnte? Man muß deshalb daran festhalten, daß die Pastoren die Gewalt haben, wahrhaft und unbeschränkt Sünden zu vergeben, aber nur den Bußfertigen; und daß sie die Sünden den Widerspenstigen belassen können, aber nur den verstockten Sündern. Indes besteht die Meinung, daß die Reue nur darin bestehe, daß man seine Handlungen verdamme und alle Absichten aufgebe, welche sündlich und strafbar erscheinen; und daraus hat sich die Meinung gebildet, daß die Reue schon vor dem Bekenntnis der Sünden vor Menschen erfolgen könne, und daß die Reue nicht die Wirkung, sondern die Ursache des Sündenbekenntnisses sei. Daher ist die Schwierigkeit gekommen, daß man sagen kann, die Sünden der Reuigen seien schon bei der Taufe vergeben, und die Sünden der Nichtreuigen könnten überhaupt nicht vergeben werden. Allein dies ist gegen die Heilige Schrift und gegen die Worte Christi, der da sagt: »Wem ihr die Sünden vergebt« usw. Um diese Schwierigkeit zu heben, halte man erstens fest, daß eine wahre Anerkennung der Sünde schon Reue ist; denn wer da weiß, daß er gesündigt hat, weiß auch, daß er geirrt hat; irren wollen ist aber unmöglich. Wer also weiß, daß er gesündigt hat, wünscht, daß er nicht so gehandelt hätte, und dies ist die Reue. Wo es ferner zweifelhaft ist, ob die Handlung eine Sünde gewesen sei oder nicht, da ist zu bedenken, daß die Reue dem Bekenntnis der Sünde nicht vorausgeht, sondern nachfolgt; denn es gibt keine Reue, ehe nicht die Sünde anerkannt ist. Deshalb muß der Reuige sowohl die Tat anerkennen, als auch, daß sie eine Sünde sei, d.h. gegen das[308] Gesetz verstoße. Solange also jemand seine Tat für keine Gesetzesverletzung hält, kann er sie auch nicht bereuen. Deshalb muß jeder Reue eine Anwendung der Tatsachen auf das Gesetz vorausgehen; aber ohne Ausleger kann man die Tatsachen nicht auf das Gesetz anwenden, da nicht die Worte des Gesetzes, sondern die Absicht des Gesetzgebers die Regel für die Handlungen der Menschen ist. Als Ausleger des Gesetzes muß aber ein Mensch oder mehrere Menschen angesehen werden, da der einzelne nicht darüber entscheiden kann, ob seine Handlung sündhaft sei oder nicht. Deshalb muß die Tat, über deren Sündhaftigkeit ein Zweifel besteht, vor einem oder mehreren Menschen dargelegt werden; und diese Darlegung ist das Bekenntnis. Entscheidet nun der Ausleger des Gesetzes, daß die Tat sündhaft sei, so ist es Reue, wenn der Sünder sich bei diesem Urteil beruhigt und sich entschließt, nicht mehr so zu handeln. Auf diese Weise ist die Reue entweder keine wahre, oder sie muß dem Bekenntnis nachfolgen, aber kann ihm nicht vorausgehen. Nach dieser Auseinandersetzung ergibt sich leicht die Natur der Macht zu lösen und zu binden; denn bei der Vergebung der Sünden ist zweierlei zu beachten: einmal das Urteil oder die Verurteilung, wodurch die Tat für eine Sünde erklärt wird, und zweitens, wenn der Verurteilte sich bei der Entscheidung beruhigt und sich dem Urteilsspruche unterwirft, d.h. bereut, die Vergebung der Sünden, oder, wenn keine Reue eintritt, die Belassung derselben. Das erste, d.h. die Entscheidung, ob eine Sünde vorliegt oder nicht, gebührt dem Ausleger des Gesetzes, d.h. dem höchsten Richter; das zweite, die Vergebung oder Belassung der Sünde, gebührt dem Pastor, und darin besteht die Macht zu lösen und zu binden. Aus Matth. 18, 15-18 erhellt, daß dies die wahre Meinung unsers Erlösers bei Einsetzung dieser Macht gewesen ist; denn er sagt seinen Jüngern: »Wenn dein Bruder gegen dich gesündigt hat, so geh und sprich mit ihm allein.« (Die Worte: wenn er gegen dich gesündigt hat, wollen so viel sagen wie: wenn er dir Unrecht getan hat; Christus spricht also hier von dem Unrecht, das vor die bürgerlichen Gerichte gehört.) Dann fügt er hinzu: »Will er auf dich nicht hören (d.h. wenn er die Tat[309] leugnet, oder sie zwar einräumt, aber nicht als Unrecht anerkennen will), so nimm noch einen oder zwei hinzu; will er auch auf diese nicht hören, so melde es der Kirche.« Das letztere offenbar deshalb, damit diese entscheide, ob eine Sünde vorliege oder nicht. Dann heißt es weiter: »Wenn er auf die Kirche nicht hört«, d.h. wenn er sich bei deren Ausspruch nicht beruhigt, sondern dabei bleibt, daß die Tat, die die Kirche als Sünde ansieht, nicht eine Sünde sei, d.h. wenn er nicht bereut (da niemand etwas bereuen kann, wenn er es für keine Sünde hält), so fährt Christus nicht fort: so sage es den Aposteln; und hieraus sieht man, daß die letzte Entscheidung, ob etwas Sünde sei oder nicht, nicht diesen, sondern der Kirche zukommen solle. Christus fährt fort: »so gelte er dir wie ein Heide oder Zöllner«, d.h. wie einer außerhalb der Kirche, der nicht getauft ist, also wie einer, dem die Sünden nicht erlassen werden. Denn alle Christen wurden auf die Vergebung der Sünden getauft. Da man indes fragen kann, wem solche Macht, die Wohltat der Taufe den Verstockten zu entziehen, zukommen sollte, so zeigt Christus, daß dieselben Personen, denen er die Macht gegeben hatte, die Reuigen auf die Vergebung der Sünden zu taufen und damit aus Heiden zu Christen zu machen, auch die Macht hatten, die Sünden denen, die von der Kirche für verstockt erklärt werden, zu belassen und so aus Christen wieder zu Heiden zu machen; und er fügt sofort hinzu: »Aber ich sage euch, was ihr auf Erden gebunden haben werdet, das ist auch im Himmel gebunden, und was ihr auf Erden gelöst haben werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.« Hieraus ergibt sich, daß die Macht zu lösen und zu binden, oder die Sünden zu vergeben oder zu belassen, die an anderer Stelle auch die Macht der Schlüssel heißt, ebenso ist wie die, welche an anderer Stelle, Matth. 28, 19, mit den Worten gegeben wird: »Geht und lehret alle Völker, und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Der Pastor darf dem, den die Kirche für würdig achtet, die Taufe nicht versagen; aber ebensowenig dem die Sünden belassen, den die Kirche der Sündenlossprechung für geeignet erachtet; oder dem die Sünden vergeben, den die Kirche für verstockt erklärt. Es ist also[310] Sache der Kirche, über die Sündhaftigkeit zu entscheiden, und Sache der Pastoren, dementsprechend die Betreffenden aus der Kirche auszuschließen oder aufzunehmen. So sagt der heilige Paulus zur Kirche in Korinth, 1. Kor. 3, 12: »Solltet ihr nicht über die, welche zu euch gehören, richten können?« Indes erklärte er selbst, daß ein Blutschänder von der Kirche auszuschließen sei. »Ich«, sagt er, Vers 3, »bin körperlich abwesend, aber im Geiste gegenwärtig usw.«

26. Die Belassung der Sünden wird von der Kirche Exkommunikation genannt; der heilige Paulus nennt es: dem Satan überliefern. Der Name Exkommunikation, der dasselbe sagt wie aus der Synagoge ausschließen, scheint dem Mosaischen Gesetz entlehnt zu sein. Dieses befahl 3. Buch Mosis 13, 46, daß die von dem Priester für aussätzig Erklärten außerhalb des Lagers sich aufhalten sollten, bis sie durch den Spruch des Priesters wieder für rein erklärt und durch gewisse Handlungen, wozu die Waschung des Körpers gehörte, wieder gereinigt worden wären. Später wurde es dann bei den Juden Sitte, die zu dem Judentum übertretenden Heiden, die als unrein angesehen wurden, erst nach der Waschung aufzunehmen, und die von der Lehre der Synagoge Abtrünnigen aus der Synagoge auszuschließen. In Nachahmung dieser Gebräuche wurden die, die zu dem Christentum übertraten, mochten es Juden oder Heiden sein, nur durch die Taufe in die Kirche aufgenommen; und ebenso wurde denen, die von der Kirche abwichen, die Kirchengemeinschaft entzogen. Man nannte dies eine Überlieferung an den Satan, weil alles außerhalb der Kirche zu dem Reiche Satans gerechnet wurde. Der Zweck dieses Verfahrens war, daß der, welcher so zeitweise von der Gnade und den geistigen Vorrechten der Kirche ausgeschlossen worden, zu seinem Heile gedemütigt werden sollte. In bezug auf die weltlichen Rechte aber wirkte die Exkommunikation dahin, daß der Betroffene nicht bloß von allen Versammlungen oder Gemeinden und der Teilnahme an den Gnadenmitteln ausgeschlossen war, sondern daß er, gleich einem Aussätzigen, von den übrigen Christen geflohen wurde, mehr sogar, als ein Heide gemieden wurde. Denn der Apostel hat 1. Kor. 5, 10 u. 11 erlaubt, daß man mit den Heiden verkehren könne, aber mit jenen dürfte[311] man nicht einmal die Speiseteilen. Bei solchen Wirkungen der Exkommunikation erhellt zunächst, daß der christliche Staat nicht exkommuniziert werden kann. Denn ein christlicher Staat ist eine christliche Kirche, beide von gleichem Umfange, wie oben. Abschn. 21 gezeigt worden ist; eine Kirche aber kann nicht exkommuniziert werden. Sie müßte sich entweder selbst exkommunizieren, was unmöglich ist, oder sie müßte von einer andern Kirche exkommuniziert werden, und dies wäre entweder die allgemeine oder eine besondere. Die allgemeine Kirche ist aber keine Person (wie in Abschn. 22 gezeigt worden), sie kann daher nicht handeln und nichts tun, also auch niemand exkommunizieren. Wenn aber eine besondere Kirche eine andere exkommuniziert, so erreicht sie nichts und ändert nichts. Denn wo keine gemeinsamen Versammlungen sind, kann auch keine Ausschließung von solchen stattfinden. Wenn eine Kirche, z.B. die zu Jerusalem, eine andere, etwa die zu Rom, exkommuniziert haben würde, so hätte sie ebenso sich selbst wie diese exkommuniziert, da der, welcher einen andern von seinem Verkehr ausschließt, sich auch des Verkehrs mit ihm beraubt. Zweitens kann niemand alle Bürger eines unabhängigen Staats auf einmal exkommunizieren oder ihnen den Gebrauch der Kirchen oder ihren öffentlichen Gottesdienst untersagen. Denn sie können nicht durch eine Kirche, die sie selbst bilden, exkommuniziert werden; könnten sie es, so würden sie nicht nur keine Kirche, sondern auch kein Staat mehr bleiben, sie würden sich selbst aufgelöst haben; und dies wäre weder eine Exkommunikation noch ein Interdikt. Wollte eine andere Kirche sie exkommunizieren, so müßte diese Kirche sie als Heiden ansehen. Keine christliche Kirche darf aber nach Christi Lehre den Heiden verbieten, sich zu versammeln und miteinander zu verkehren, wie es ihren Staaten beliebt; namentlich wenn sie sich zur Verehrung Christi vereinigen wollten, sollte es auch in eigentümlicher Art und Weise geschehen; sie kann es daher auch Exkommunizierten nicht verbieten, die wie Heiden anzusehen sind. Drittens kann der Fürst, als Inhaber der höchsten Staatsgewalt, nicht exkommuniziert werden; denn nach Christi Lehre kann kein Untertan und auch keine Anzahl von Untertanen[312] ihren Fürsten, selbst wenn er heidnischen Glaubens ist, von öffentlichen Orten oder von Orten, die den einzelnen gehören, ausschließen, noch ihm den Eintritt in irgendwelche Versammlung verweigern, noch ihn hindern, innerhalb seines Gebiets alles zu tun, was ihm beliebt. Denn in allen Staaten gilt es als Hochverrat, wenn ein oder mehrere Bürger gemeinschaftlich sich eine Gewalt über den ganzen Staat anmaßen. Wer sich aber eine solche Gewalt über den Inhaber der Staatsgewalt anmaßt, tut es auch über den Staat selbst. Auch tritt bei dem Fürsten der besondere Umstand hinzu, daß, wenn er ein Christ ist, der Staat, dessen Wille in seinem Willen enthalten ist, dasselbe ist wie die Kirche. Deshalb geschieht jede Exkommunikation, welche die Kirche vornimmt, nur unter der Autorität des Fürsten. Der Fürst exkommuniziert sich aber nicht selbst und kann daher auch von seinen Untertanen nicht exkommuniziert werden. Es kann wohl kommen, daß eine Versammlung aufrührerischer oder verräterischer Bürger den Fürsten für exkommuniziert erklärt; allein dies geschieht ohne Recht. Noch weniger kann ein Fürst von einem andern Fürsten exkommuniziert werden; es würde dies keine Exkommunikation, sondern eine höhnische Kriegsankündigung sein. Denn da eine Kirche nie aus Bürgern zweier unabhängiger Staaten bestehen kann, da (wie in Abschn. 22 gezeigt worden) die Macht fehlen würde, daß die Mitglieder gesetzmäßig zu Versammlungen berufen werden, so sind die Mitglieder einer Kirche nicht verpflichtet, einer andern zu gehorchen, und können deshalb ihres Ungehorsams wegen nicht exkommuniziert werden. Meint man aber, daß Fürsten, als Glieder der allgemeinen Kirche, infolge der Machtvollkommenheit dieser Kirche exkommuniziert werden könnten, so kann dies nicht eintreten, weil die allgemeine Kirche (wie in Abschn. 22 dargelegt worden) keine Person darstellt, von der man sagen könnte, sie handelt, beschließt, setzt fest, exkommuniziert, spricht frei oder tut sonst etwas, was eine Person tun kann. Auch fehlt ihr auf Erden ein Leiter, auf dessen Befehl sie sich versammeln und beraten könnte; denn ein solcher Leiter der allgemeinen Kirche, der sie berufen könnte, wäre auch der Leiter und Herr aller[313] Christen auf der ganzen Erde, und das kann nur Gott allein sein.

27. In Abschn. 18 ist gezeigt worden, daß das Recht der Schriftauslegung nicht darin bestehe, daß der Ausleger den von ihm gefundenen Sinn und seine Ansicht ungestraft andern schriftlich oder mündlich auslegen und erklären darf, sondern darin, daß die andern nicht seiner Auslegung zuwider tun oder lehren dürfen. Die Auslegung, von der ich hier handle, ist also zugleich die Macht, in allen, durch die Heilige Schrift zu entscheidenden Streitigkeiten die Entscheidung zu geben. Ich habe nun zu zeigen, daß dieses Recht den einzelnen Kirchen zusteht und von der Machtvollkommenheit der Inhaber der Staatsgewalt, sofern sie Christen sind, abhängt. Würde dies nämlich nicht der Fall sein, so müßte dieses Recht entweder den einzelnen Bürgern oder einer fremden Macht zustehen. Ersteres kann, neben vielen andern Gründen, schon wegen der Nachteile, die daraus hervorgehen würden, nicht stattfinden. Vor allem würde damit nicht nur aller bürgerliche Gehorsam (gegen Christi Gebot) aufgehoben sein, sondern auch die Gesellschaft und der Friede unter den Menschen würde (gegen die natürlichen Gesetze) aufgelöst werden. Kann der einzelne sich die Schrift selbst auslegen, d.h. kann jeder entscheiden, was Gott gefällt und was ihm mißfällt, so braucht er nicht eher dem Fürsten zu gehorchen, als bis er selbst entschieden hat, ob dessen Befehle mit Gottes Wort übereinstimmen oder nicht. Und so gehorcht er dann entweder gar nicht oder auf Grund seines Ermessens, d.h. er gehorcht dann immer nur sich selbst und nicht dem Staate; es ist also der bürgerliche Gehorsam aufgehoben. Ebenso müßten, wenn jeder seiner eigenen Ansicht folgen könnte, die entstehenden Streitigkeiten zahllos und unbestimmbar werden, und die Folge wäre zuerst Haß und dann Zank und Krieg unter den Menschen, da diese ihrer Natur nach jede Streitigkeit für eine Beleidigung nehmen; damit würde alle Gesellschaft und der Friede aufgehoben sein. Überdies haben wir als Beispiel das, was Gott unter dem Alten Gesetz in betreff des Gesetzbuchs vorgeschrieben hat: es sollte zwar niedergeschrieben und öffentlich für das Richtmaß der göttlichen Lehre gelten; aber die Streitigkeiten[314] darüber sollten nicht von den einzelnen, sondern nur von den Priestern entschieden werden. Endlich gebietet unser Erlöser, daß, wenn unter einzelnen ein Anstoß sich erhebt, sie die Kirche hören sollen; deshalb hat diese das Amt, die Streitigkeiten zu entscheiden; und nicht der einzelne, sondern die Kirche hat die Heilige Schrift auszulegen. Um ferner einzusehen, daß keine auswärtige Person das Recht hat, das Wort Gottes auszulegen, d.h. alle Fragen über Gott und die Religion zu entscheiden, braucht man nur zu erwägen, welche Bedeutung diese Gewalt in den Gemütern und Handlungen der Bürger besitzt. Denn bekanntlich richten sich alle freiwilligen Handlungen der Menschen, durch natürliche Notwendigkeit, nach ihren Ansichten über das Gute und Böse, über den Lohn und die Strafe. Die Menschen werden also denen gehorchen, nach deren Ermessen sie die Seligkeit oder die ewige Verdammnis in jener Welt zu erwarten haben. Wenn nun jemand über die Handlungen und Lehren entscheiden kann, die zu dem Heile nötig sind, so erwarten die Menschen von seiner Entscheidung auch ihre ewige Seligkeit oder ihr ewiges Verderben, und sie werden ihm deshalb in allen Dingen Folge leisten. Ist dem so, so ist ganz klar, daß die Bürger, die in bezug auf die zur Seligkeit notwendigen Lehren sich an den Ausspruch einer fremden Macht gebunden erachten, keinen Staat für sich bilden, sondern sie sind die Untertanen dieser auswärtigen Macht. Wenn daher auch ein Fürst irgend jemand schriftlich solche Gewalt einräumen würde, aber dabei doch die bürgerliche Herrschaft für sich behalten wollte, so würde eine solche Schrift keine Gültigkeit haben und keins jener Rechte übertragen, die zur Aufrechterhaltung oder zur guten Ausübung seiner Gewalt nötig sind. Denn nach Kap. 2, Abschn. 4 gilt keine Übertragung eines Rechts, wo das entsprechende Zeichen der Absicht zu übertragen fehlt. Hat nun jemand deutlich erklärt, daß er die Staatsgewalt behalten wolle, so fehlen die nötigen Zeichen, daß er die zur Herrschaft nötigen Befugnisse habe übertragen wollen. Eine solche Schrift würde kein Zeichen einer Willenserklärung, sondern nur der Unwissenheit der Vertragschließenden sein. Zweitens muß man erwägen, wie absurd es für den Staat oder den[315] Inhaber der höchsten Gewalt sein würde, einem Feinde die Macht über die Gewissen seiner Bürger zu überliefern; denn alle, die sich nicht zu der Rechtseinheit einer Person verbunden haben, befinden sich nach Kap. 5, Abschn. 6 im Kriegszustande, wenn sie auch nicht immer wirklich Krieg führen: denn auch unter Feinden gibt es Waffenstillstände. Es genügt für die feindliche Haltung, wenn ein Mißtrauen besteht, wenn die Grenzen der Städte, der Reiche und der Herrschaft durch Festungen geschützt werden und man sich beiderseits in kriegerischer Stellung und mit Mienen wie Feinde betrachtet, auch wenn man den Kampf selbst noch nicht führt. Wie unbillig ist es endlich, das zu verlangen, was man schon vermittelst des Grundes, aus dem man es verlangt, als das Recht eines andern anerkennt! Ich wäre der Ausleger der Heiligen Schrift für dich, der du Bürger eines andern Staates bist. Weshalb? Welcher Vertrag zwischen mir und dir gäbe mir dies Recht? Antwort: Die göttliche Machtvollkommenheit. Aber woher weißt du dies? Aus der Heiligen Schrift: nimm das Buch und lies es vor. Allein dies hilft nichts, wenn ich sie mir nicht selbst auslege. Also gebührt mir und jedem andern Bürger diese Auslegung, und doch haben wir beide dies für unstatthaft anerkannt. So bleibt nur übrig, daß in jeder christlichen Kirche, d.h. in jedem christlichen Staate, die Auslegung der Heiligen Schrift, d.h. die Macht alle Streitfragen zu entscheiden, von der Gewalt des Menschen oder der Versammlung ausgeht und abhängt, welche die höchste Staatsgewalt innehat.

28. Es gibt nun zwei Arten von Streitfragen. Die eine betrifft das Geistliche, d.h. die Fragen des Glaubens, deren Wahrheit durch die natürliche Vernunft nicht festgestellt werden kann; dahin gehören die Fragen über die Natur und das Amt Christi, über die Strafen und den Lohn in jener Welt, über die Auferstehung des Leibes, über die Natur und das Amt der Engel, über die Sakramente, über den äußern Gottesdienst und ähnliches. Die andere Art betrifft die Fragen der menschlichen Wissenschaft, deren Wahrheit durch die natürliche Vernunft und Schlußfolgerungen aus den Verträgen und Definitionen der Menschen, d.h. nach dem durch Gebrauch und gemeinsame[316] Übereinstimmung feststehenden Sinn der Worte gewonnen werden kann; dahin gehören alle Fragen des Rechts und der Philosophie. Wenn es sich z.B. um die Rechtsfrage handelt, ob etwas versprochen und vereinbart worden sei oder nicht, so handelt es sich nur darum, ob die so geäußerten Worte nach dem gemeinen Gebrauch und der Meinung der Bürger ein Versprechen oder Vertrag genannt werden können; ist dies der Fall, so ist es richtig, daß ein Vertrag geschlossen worden ist; wenn nicht, so ist es falsch. Diese Wahrheit ist also von den Verträgen und der Übereinstimmung der Menschen abhängig. Wenn es sich in der Philosophie z.B. darum handelt, ob derselbe Gegenstand ganz und zugleich an mehreren Orten sein kann, so hängt die Entscheidung der Frage davon ab, was gemeinsam unter dem Wort »ganz« von den Menschen verstanden wird. Versteht man nach dem Sprachgebrauch, wenn man sagt, daß etwas ganz an einem Orte sei, daß nichts davon woanders sei, so ist es falsch, daß derselbe Gegenstand zugleich an vielen Orten sein könne. Die Wahrheit ist also auch hier vom Sprachgebrauche abhängig, und ebenso verhält es sich bei allen andern Rechts- oder philosophischen Fragen. Wenn man meint, gegen diesen allgemeinen Sprachgebrauch in Benennung der Dinge aus dunkeln Stellen der Schrift etwas beweisen zu können, so zerstört man damit zugleich allen Verkehr durch Rede und auch die menschliche Gesellschaft selbst. Denn der, der seinen ganzen Acker verkauft hat, kann dann sagen, das Ganze sei in einem Erdklumpen enthalten, und den übrigen Acker als nicht verkauft behalten. Ja die Vernunft selbst wird damit zerstört, da sie nur in der Ermittelung der auf solcher Übereinstimmung beruhenden Wahrheit besteht. Es ist deshalb nicht nötig, daß dergleichen Fragen von dem Staate mittels Auslegung der Heiligen Schrift entschieden werden; sie gehören nicht zu dem Worte Gottes in dem Sinne, wonach das Wort Gottes das Wort über Gott, d.h. die evangelische Lehre bedeutet. Und der, welcher die höchste Gewalt in der Kirche hat, braucht zu dergleichen Entscheidungen keine geistlichen Doktoren zuzuziehen. Für die Entscheidung der Glaubensfragen, d.h. der Fragen über Gott, welche die menschliche Fassungskraft übersteigen, bedarf[317] es der göttlichen Weihe (damit man wenigstens in dem Notwendigen nicht getäuscht werden kann), welche sich durch Auflegung der Hände von Christus aus fortgepflanzt hat. Denn da wir zu unserer ewigen Seligkeit eine übernatürliche Lehre annehmen müssen, die man deshalb nicht verstehen kann, so widerspräche es der Billigkeit, wenn wir in einem trostlosen Zustande gelassen würden, daß man uns über das zur Seligkeit Notwendige täuschen könnte. Diese Unfehlbarkeit hat unser Erlöser (in den zu unserer Seligkeit nötigen Dingen) den Aposteln bis zu dem Tage des Gerichts verheißen, d.h. den Aposteln und den ihnen folgenden, durch Handauflegung zu weihenden Pastoren. Deshalb ist der Inhaber der Staatsgewalt als ein Christ verpflichtet, die Heilige Schrift in Fragen der Geheimnisse des Glaubens durch rechtmäßig ordinierte Geistliche auslegen zu lassen. In dieser Weise gebührt in den christlichen Staaten das Rechtsprechen in weltlichen und geistlichen Dingen der bürgerlichen Gewalt. Der Mensch oder die Versammlung, welche die Staatsgewalt innehat, ist das Haupt des Staats und der Kirche; denn die Kirche und der christliche Staat sind ein und dasselbe.[318]

Quelle:
Thomas Hobbes: Grundzüge der Philosophie. Zweiter und dritter Teil: Lehre vom Menschen und Bürger. Leipzig 1918, S. 281-319.
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