[Kommentare] [2]

1. Bewegung in der Erde, in einem Bambu u.s.w. entsteht zuweilen durch den Wurf des Feuers u.s.w., und zuweilen durch den Schlag einer Axt u.s.w.; auf dieselbe Weise durch Verbindung mit dem Verbundenen, z.B. durch die Verbindung eines Strickes, verbunden mit einem sich fortbewegenden Pferde. In der ersten Bewegung des Bambu u.s.w. ist der Wurf des Feuers u.s.w. die nicht-inhärirende, der Bambu u.s.w. die inhärirende, und das Geschick u.s.w. die Mittel-Ursache, in der zweiten der Schlag der Axt u.s.w. die nicht-inhärirende Ursache, und in der dritten die Verbindung des mit dem Pferde verbundenen Strickes die nicht-inhärirende Ursache. V.

Wurf ist eine besondere Verbindung, wo die dadurch entstandene Bewegung nicht die Ursache der wechselseitigen Trennung von zwei verbundenen (Dingen) ist, oder sie ist die Verbindung, welche nicht die Mittelursache des Tons ist. Ein Schlag dagegen ist die besondere Verbindung, welche die Mittelursache des Tons ist, und wo die dadurch entstandene Bewegung die Ursache der gegenseitigen Trennung von zwei verbundenen (Dingen) ist. U.

[414] 2. »Die von diesen«, nämlich dem Wurfe, dem Schlage und der Verbindung mit dem Verbundenen, »auf verschiedene Weise«, anders entstandene Bewegung, wie ein Erdbeben u.s.w., »ist vom Geschick verursacht, d.h. die Verbindung mit der Seele, welche das Geschick in sich trägt, ist die nicht-inhärirende Ursache, nämlich das Geschick desjenigen, welchem durch das Erdbeben ein Wohl oder Uebel zu Theil wird. V.

3. Das Fallen des Wassers in der Form des Regens geschieht durch die Schwere, wenn die Verbindung, mit der Wolke nämlich, nicht da ist. Deshalb ist in diesem Falle das Nicht-Dasein der Verbindung die Mittelursache. U.

4. Das Fliessen, d.h. das sich Weiter-Bewegen einer grossen Wassermenge in der Form eines Stromes, welche durch die gegenseitige Verbindung der zur Erde gefallenen Wassertropfen hervorgebracht wird, entsteht durch die Tropfbarkeit als seiner nicht-inhärirenden, und durch die Schwere als seiner Mittel-Ursache. U.

6. Durch das Zusammentreffen, durch die Verbindung mit dem Wurfe, d.h. mit dem Wurfe der Geschwindigkeit habenden Luft. Demnach durch die Verbindung mit der Geschwindigkeit habenden Luft besitzen die Sonnenstrahlen die Fähigkeit, sich in die Höhe zu bewegen. Ist nun nicht etwa die Verbindung der Luft, welche im Sonnenstrahle Statt findet, die nicht-inhärirende Ursache des Aufsteigens des Sonnenstrahles, nicht aber des Wassers, weil das Substrat verschieden ist? Die Antwort auf diese Frage ist »und durch die Verbindung mit dem Verbundenen«, d.h. durch die Verbindung mit den Sonnenstrahlen, welche mit der Luft verbunden sind. Demnach, die nicht-inhärirende Ursache des Aufsteigens des Wassers ist die Verbindung der mit der Luft verbundenen Sonnenstrahlen, die Mittelursache aber die Verbindung der Luft, welche den Sonnenstrahlen u.s.w. einwohnt. V.

7. Wie geschieht denn beim Nicht-Dasein jener Ursache das Aufsteigen des Wassers an der Wurzel des Baumes im Innern des [415] Baumes? Die Antwort ist: Die Verbindung der mit Geschick begabten Seele, welcher durch den Wachsthum des Baumes ein Wohl oder Uebel zu Theil wird, ist die nicht-inhärirende Ursache jenes Aufsteigens, das Geschick die Mittel-Ursache. V.

8. Die Grundatome des Wassers, welche im Begriff stehen, ein zwei-atomiges Ganze zu bilden, bilden keine Tropfbarkeit in einem solchen Ganzen, wenn sie durch das Himmels-Licht daran verhindert werden. Deshalb werden vermittelst der nicht tropfbaren Theile bei der allmäligen Entstehung eines Ganzen von zwei Atomen u.s.w. nicht tropfbare Hagelkörner u.s.w. gebildet, und so wird die Härte derselben wahrgenommen. Was ist nun der Beweis, dass jene Hagelkörner u.s.w. aus Wasser entspringen? Die Antwort ist, »und das Schmelzen geschieht durch Verbindung mit dem Lichte«. Durch eine stärkere Verbindung mit dem Lichte entsteht Bewegung unter den Grundatomen, welche im Begriff stehen, Hagelkörner zu bilden, durch die Bewegung Trennung, daher durch die fortgesetzte Zerstörung der Anfangsverbindungen des grossen Ganzen der Hagelkörner u.s.w. Wegen des Aufhörens der Verbindung des Lichtes, welches die Tropfbarkeit verhindert, bilden nun hier die Grundatome in mehreren Ganzen von zwei Atomen die Flüssigkeit. Daher das Schmelzen der mit Tropfbarkeit begabten Hagelkörner. Die Mittelursache ist hier das Eindringen des stärkern Lichts. U.

9. Was ist nun der Beweis des Eindringens des Himmelslichts in das Himmelswasser? Die Antwort ist: Das Geräusch des Donners ist der Beweis für die Verbindung mit dem Himmelslichte. Im Anfange wird der Blitz offenbar, sodann das Geräusch des Donners; gleichzeitig damit geschieht das Fallen des Hagels. Deshalb, so schliesst man, entstehen die Hagelkörner durch Verbindung mit Himmelslicht. V.'

11. Die Verbindung der Wolke mit dem Wasser und ihre Trennung von demselben als Mittelursachen bringen durch die Verbindung der Wolke mit dem Aether als nicht-inhärirender Ursache, in dem Aether, der inhärirenden Ursache, das Geräusch, den Donner hervor. U.

Durch die Verbindung des Wassers, d.h. durch den Schlag vermittelst der Luft, und durch die Trennung von der Wolke entsteht der Donner. V.

[416] 12. Durch die Aussage, dass das Erdbeben u.s.w. von einem besonderen Geschick abhängt, ist auch erklärt, dass die Bewegung des Lichts, welche einen allgemeinen Brand u.s.w. erzeugt, und die Bewegung der Luft, welche die Bäume schüttelt, vom Geschick abhängen.

13. »Die erste«, nämlich welche in der ersten Zeit der Schöpfung Statt findet. Weil dann Wurf, Schlag u.s.w. nicht da sind, so ist die Verbindung der Seele, welcher ihr Geschick einwohnt, in diesem Falle die nicht-inhärirende Ursache. »Das Erste« gilt auch für das Auflodern und das horizontale Wehen; denn es ist recht, für die übrigen Bewegungen des Loderns und des horizontalen Wehens eine nicht-inhärirende Ursache anzunehmen, weil bei dem Vorhandensein einer wahrnehmbaren Ursache die Hypothese des Geschicks nicht angemessen ist. U.

14. Wie die Bewegung der Hand bei dem Aufwerfen u.s.w. der Mörserkeule die Verbindung mit der wollenden Seele zur nicht-inhärirenden Ursache hat, so hat auch die Bewegung des inneren Sinns, welche die Verbindung mit einem seinen ihm angemessenen Gegenstand ergreifenden Sinn herbeiführen soll, die Verbindung mit der wollenden Seele zur nicht-inhärirenden Ursache. Wenn auch der innere Sinn als Sinnenwerkzeug nicht Gegenstand eines offenbaren Willens ist, so muss man doch die Entstehung der Bewegung im innern Sinne durch den Willen erklären, welcher Gegenstand des den innern Sinn fortleitenden Gefässes (Ader) ist. Man muss aber zugestehen, dass (dies) Gefäss durch den Tastsinn aufgefasst werde. Wäre dies nicht der Fall, so wäre auch die Fortschaffung des Blutes, der Galle u.s.w. durch den Willen, welcher das Leben fortleitende Gefäss zum Gegenstand hat, nicht möglich. U.

15. Wohl und Wehe dienen nur zur Andeutung; Wissen und Wille u.s.w. sind ebenfalls darunter gemeint. Die Allgegenwart des innern Sinns ist zuvor widerlegt; es ist bewiesen, dass er unter den Begriff des Atoms fällt; auch ist ausgesagt, dass das nichtgleichzeitige Entstehen des Wissens der Beweisgrund für das Dasein des innern Sinns ist. Deshalb ohne die Verbindung des innern Sinns mit einer Stelle dieses oder jenes (äussern) Sinnes würden [417] Wohl und Wehe nicht vorhanden sein. Wäre keine Bewegung des innern Sinns da, so gäbe es auch keine Wahrnehmung solcher Art wie: meinem Fuss ist wohl, mein Kopf schmerzt u.s.w. Wenn gleich jede besondere Eigenschaft der Seele von der Verbindung mit dem innern Sinne abhängt, so sind doch (nur) Wohl und Wehe, weil sie wegen ihrer Eindringlichkeit allgemein bekannt sind, hier genannt. U.

Wohl und Wehe entstehen durch die Verbindung der Seele, der Sinne, des innern Sinns und der Gegenstände. Hier ist die Verbindung des innern Sinns mit der Seele, die Verbindung desselben mit den äussern Sinnen, und die Verbindung dieser letzteren mit den Gegenständen gemeint.

Zur Erklärung: Beim Anblicke eines Freundes entsteht Lust, beim Anblick eines Feindes Unlust. Eine solche Wahrnehmung nun findet nicht Statt ohne eine Verbindung des Auges mit dem innern Sinne, und des innern Sinnes mit der Seele, eine solche Verbindung wiederum nicht ohne eine Bewegung des innern Sinns, und so ist diese letztere erwiesen. V.

16. Wenn der innere Sinn seiner Natur nach beweglich ist, so giebt es auch kein Zurückhalten desselben. Demnach, weil es ohne Einigung kein Offenbarwerden der Seele giebt, so würde, wegen der Unmöglichkeit einer absoluten Befreiung das Lehrsystem, welches das Resultat des Denkens ist, ohne Zweck sein. Zur Lösung dieses Zweifels wird gesagt: »Wenn der innere Sinn in der Seele feststeht«, wenn der innere Sinn, die äussern Sinne verlassend, durch die sechsfache Einigung in der Seele feststeht, »so giebt es keinen Anfang«, keine Entstehung, »davon«, nämlich von der Bewegung des innern Sinns; dann wird der innere Sinn unbeweglich. Diese Verbindung des innern Sinns, welcher von dem Aeussern hinweg gewandt ist, heisst Einigung ... Deshalb, wenn nach, diesem durch die Entstehung des Offenbarwerdens der Seele das falsche Wissen u.s.w. verschwunden ist, so giebt es kein Hinderniss der absoluten Befreiung, und das Lehrsystem, welches das Resultat des Denkens ist, ist nicht zwecklos. V.

17. »Das Herausgehn« des innern Sinns beim Tode aus dem Körper, »das Hineingehn« in einen andern Körper während der Entstehung desselben, »die Verbindung der Speise und des Trankes, [418] so wie die Verbindungen von andern Wirkungen«, der Sinne nämlich und der verschiedenen Lebenshauche mit dem Körper, – hier muss man: von welcher Bewegung diese entspringen, ergänzen, – diese Bewegungen werden durch das Geschick verursacht, davon ist die inhärirende Ursache die Verbindung der Seele, welcher Geschick einwohnt. V.

18. »Wenn dies«, das Geschick, »nicht da ist«, wenn die zukünftigen Geschicke durch die Offenbarung der Seele, und die gegenwärtigen durch den Genuss vernichtet sind, »so ist Verbindung nicht da«, so entsteht Trennung von der Verbindung mit dem Strome der Körper, und nach dieser giebt es kein Offenbarwerden, d.h. keinen Ursprung des Uebels, weil die Ursache (desselben) in der Form des Körpers und des Geschicks nicht vorhanden ist. Dann ist absolute Befreiung möglich, d.h. sie ist nicht etwas, was dem Horne des Hasen gleicht. V.

19. »Finsterniss ist Nicht-Existenz«, nicht aber Existenz, »weil sie entgegengesetzt ist dem Ursprunge der Substanzen, Eigenschaften und Bewegungen«, d.h. den entstandenen Substanzen, Eigenschaften und Bewegungen. Eine entstandene Substanz nämlich wird durch Theile angefangen; aber mit der Finsterniss ist dies nicht der Fall, indem sie unmittelbar mit dem Verschwinden des Lichts nicht mehr wahrgenommen wird und keine Tastbarkeit hat. Weil die hervorragende Farbe der Erde die hervorragende Tastbarkeit in sich schliesst, so wäre für die, welche in der Finsterniss eine hervorragende Farbe annehmen, die Annahme einer nicht hervorragenden Tastbarkeit unangemessen. Auch deshalb ist die Finsterniss nicht Erde, weil sie keinen Geruch hat. Noch ist sie im Wasser enthalten, weil eine dunkele Farbe (für die Finsterniss) angenommen wird. Deshalb ist sie auch in einer Eigenschaft oder Bewegung enthalten, weil sie als Gegenstand des Auges unabhängig vom Lichte ist (d.h. weil sie nur wahrgenommen wird, wenn kein Licht da ist). So sei sie denn eine andere Substanz; diese Annahme aber ist unangemessen, weil durch das Nicht-Vorhandensein des nothwendigen Lichts die Vorstellung der Finsterniss entspricht. V.

20. Wenn die Finsterniss nun den Charakter der Nicht-Existenz hat, wie kann denn die Vorstellung entstehen, dass sie sich bewegt? Die Antwort darauf ist: »Weil das Licht durch eine andere Substanz verdeckt wird«. An dem Orte, wo das Licht hinweggeht, entsteht die Vorstellung, und solche Vorstellung ist eine Täuschung durch Uebertragung des Hinweggehns des Lichts. V.

[419] 21. Entgegengesetzt der Bewegung ist das, dessen Ausdehnung unendlich gross ist, dessen Ausdehnung nicht endlich ist. Das »Auch« schliesst die Seele ein. V.

22. »Dadurch«, durch den Gegensatz zu dem, was Bewegung hat, durch das Nicht-Haben einer endlichen Ausdehnung. »Erklärt«, als bewegungslos ausgesprochen. Durch das »Und« wird die Allgemeinheit u.s.w. eingeschlossen. V.

23. »Die Inhärenz des Bewegungslosen«, der Eigenschaften und Bewegungen ist eben (ihre) Verbindung. Diese nun ist von den Bewegungen ausgeschlossen; es giebt keine Entstehung dieser Verbindung, und noch viel weniger eine Abhängigkeit derselben von der Bewegung. U.

25. Aber durch solche Vorstellungen wie »hier entsteht eine Bewegung« – »jetzt entsteht eine Bewegung« sind Raum und Zeit ebenfalls inhärirende Ursachen der Bewegung. Wie könnten sie sonst die Stützen derselben sein? Um dies zu widerlegen wird gesagt: Wie die Schwere und andere Eigenschaften nicht inhärirende Ursachen der Bewegung sind, weil sie keine Form (begränzte Ausdehnung) haben, so ist auch der Raum nicht die inhärirende Ursache der Bewegung, weil er eben keine Form hat. Eine Stütze giebt es aber auch ohne inhärirende Ursache und (die Vorstellung davon) wird hervorgebracht, wie wenn man sagt: »Im Topfe sind Beeren der Baumwolle«, »im Walde ertönt Löwengebrüll« u.s.w. U.

26. Hiermit wird die Zeit als unbeweglich erklärt. »Durch die Ursache« hiermit ist der Hauptcharakter ausgesprochen. Deshalb ist die Zeit die Stütze der Bewegung nur als Mittel-Ursache und nicht als inhärirende. U.[420]

Quelle:
Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 22, Leipzig 1868, S. 383–442.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristoteles

Nikomachische Ethik

Nikomachische Ethik

Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.

228 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon