[Kommentare] [2]

[361] 1. Um die charakteristischen Merkmale, Geruch u.s.w. der Elemente zu untersuchen, werden nun die Begriffe des Ursprünglichen und des Bedingten festgestellt. Wo Farbe, Geschmack, Geruch und Tastbarkeit in der Ordnung der Eigenschaft der Ursache entstehen, da sind sie ursprünglich und bezeichnen ein charakteristisches Merkmal; jedoch in keinem anderen Falle; denn weder der Wohlgeruch, welcher in der Luft, noch die Kälte, welche auf der Oberfläche eines Steins, noch die Wärme, welche im Wasser wahrgenommen wird, ist ein charakteristisches Merkmal (bestimmend, dass jene Eigenschaften den genannten Substanzen zukommen). Deshalb wird gesagt: »Wenn eine Blume und ein Kleid«; denn bei [350] der Berührung eines Kleides mit einer Blume ist der wahrgenommene Wohlgeruch der Blume nicht ein Wohlgeruch des Kleides; denn er ist nicht entstanden in der Ordnung der Grundeigenschaften des Kleides, sondern bedingt durch die Berührung mit der wohlriechenden Blume. Denn nicht ist das Nicht-Vorhandensein des Blumengeruchs ein Beweis für das Nicht-Vorhandensein des Geruches im Kleide. Was ist denn der Beweis dafür? Die Antwort lautet, »das Nicht-Offenbarwerden aus einer anderen Eigenschaft,« d.h. das Nicht-Entstehen aus einer Grundeigenschaft; denn wäre der im Kleide wahrgenommene Geruch ursprünglich, so würde er auch vor der Berührung mit der Blume in den Theilen desselben, d.h. den Fäden, wahrgenommen; dies ist aber nicht der Fall; deshalb ist der in Frage gestellte Geruch nicht in dem Kleide inhärent, weil die besondere Eigenschaft nicht durch dessen Theile hervorgebracht wird, gleich der kalten oder warmen Tastbarkeit. U.

2. Der Geruch, gesondert durch die Nicht-Verbindung und durch die Verbindung mit Anderem, ist vermittelst der Ausschliessung der gleichen und ungleichen Gattungen als charakteristisches Merkmal mit Rücksicht auf die Erde festgestellt. Die Erde nämlich hat Geruch; deshalb ist der Geruch, welcher (die Erde) von den gleichen Gattungen, dem Wasser und den übrigen acht Substanzen, und den ungleichen Gattungen, der Eigenschaft und den übrigen fünf Kategorien, absondert, als ursprünglich mit Rücksicht auf die Erde festgestellt. U.

Der Beweis dieses Satzes, welcher in dem vorangehenden liegt, ist hier nicht weiter ausgeführt. Ohne Zweifel ist er aber derselbe, wie er (II. 1, 1) von dem Upaskâra dargestellt ist, nämlich, dem Wasser u.s.w. kommt Geruch ursprünglich nicht zu; in der Erde aber wird er ursprünglich, d.h. in den Theilen derselben gefunden.

3. Damit, nämlich mit dem Gesagten über den Ort des Geruchs. Die Wärme schliesst auch die Kälte u.s.w. ein. V.

4. Nämlich die ursprüngliche Wärme ist das charakteristische Merkmal des Lichts; auch die weisse und sichtbarmachende Farbe ist darin eingeschlossen. U.

5. Nämlich die ursprüngliche Kälte, so dass die Kälte an der Oberfläche eines Steins, am Sandelholz u.s.w. nicht ursprünglich ist. Unter Kälte sind auch Zähigkeit und ursprüngliche Flüssigkeit mitbegriffen.

6. Nach »solche« muss »Erkenntnisse« ergänzt werden. Demnach, »der Jüngling ist näher (jünger) als der Greis«, »sie werden [351] auf einmal hervorgebracht«, »Vyâsa lebt lange«, »der Wind bewegt sich schnell«, solche Erkenntnisse beweisen die Zeit. Der Begriff des (Zeit-) Nahen wird mit Rücksicht auf einen Jüngling hervorgebracht durch das Wissen, dass er geboren ist nach den Sonnenumläufen, welche das Substrat sind (welche sich beziehen auf) der Geburt des Greises. Daraus (aus dem Begriffe des Zeit-Nahen) entspringt das Wissen desselben (des Zeit-Nahen). Was ist nun die nicht-inhärente Ursache mit Rücksicht auf diese Wirkung, nämlich dieses (Zeit-) Nahe? Weder die Farbe, noch der Geschmack und Geruch, weil keines derselben dies (Zeit-Nahe) mit Rücksicht auf die Luft hervorgebracht haben; auch nicht die Tastbarkeit, weil während des Zustandes des Ursprungs der abgeleiteten Tastbarkeit nicht der Begriff des (Zeit-) Nahen entstanden, und weil mit der Eigenthümlichkeit der Tastbarkeit die Eigenthümlichkeit des (Zeit-) Nahen gegeben ist (?). Auch ist nicht bestimmte Grösse (die nicht-inhärente Ursache der Zeit), weil die Grösse nicht eine entgegengesetzte Eigenschaft hervorbringt; auch nicht der Umlauf der Sonne, weil dieser nicht das Substrat ist (?), sondern es ist die Verbindung einer unendlichen Substanz, welche mit beidem, mit irgend einem Gegenstande und der Sonne zugleich verbunden ist. Ein solcher Charakter aber kommt nicht dem Aether und den übrigen (unendlichen Substanzen) zu, weil (in diesem Falle), wenn irgend eine Trommel geschlagen, in allen Trommeln ein Ton entstehen würde; vielmehr ist durch einen solchen Charakter die unendliche, Zeit genannte, Substanz bewiesen, und das Wissen des Begriffs des Nahen ist demnach ein Beweisgrund für die Zeit. Das »Nahe« dient nur zur Andeutung; man muss auch das Ferne darunter verstehen; eben so »auf einmal«, indem während einer Bewegung der Sonne die Begriffe der Einheit und der individuellen (?) Gesondertheit hervorgebracht werden, und so wird hier die Bewegung der Sonne (?) als das Substrat der Einheit u.s.w. des Topfes vorausgesetzt, und zwar nicht durch eine augenscheinliche Verbindung – denn eine solche ist verboten – sondern durch eine Verbindung (sambandha) des der Sonne Inhärirenden, welche verbunden ist mit dem ihr als Substrate Verbundenen (?). Dasselbe gilt von den Vorstellungen des Langen, Schnellen u.s.w.

7. Wie das Luftatom durch sein Haben von Eigenschaften den Begriff der Substanz (II. 1, 12), und durch sein Nicht-Inhäriren in einer Substanz den Begriff der dauernden Existenz (II. 1, 11) hat, so auch die Zeit. U.

Die Vivriti leitet die dauernde Existenz der Zeit daraus her, dass sie unter den Begriff einer Substanz fällt, welche keine Theile hat.

[352] 8. Der Sinn ist: Weil Vorstellungen wie »lang« u.s.w., welche Beweisgründe der Zeit sind, überall ohne Unterschied sind, – obwohl eine Mehrheit der Seelen besteht, – und weil es einen besonderen Beweisgrund (für die Vielheit der Zeit) nicht giebt, so ist die Zeit, gleich dem Sein, eins. Wie kann aber die Zeit eins sein, da es doch wegen ihrer Eintheilung in Augenblicke u.s.w. viele Zeiten giebt? Darauf antworten wir, die Zeit ist nicht Vieles; denn der Schein der Theilung entspringt aus der näheren Bestimmung (upadhi). Und die Sache ist so zu verstehen, dass, wie ein und derselbe Krystall durch die röthliche Farbe der China-Rose als mehrfach erscheint, so auch die eine Zeit durch die Verschiedenheit der Bestimmung der Bewegung der Sonne u.s.w. und durch die Theilung der Bestimmung der verschiedenen Wirkungen als verschieden erscheint. Demnach, die Bedingung und Zeit schliesst nicht die Bedingung der Zeit ein; oder auch, die Zeit, als das Substrat des Gegentheils des augenblicklichen Nicht-Seins dessen, was in sie selbst hineingelegt werden soll, ist der Augenblick, indem in jedem Augenblicke etwas entsteht oder vergeht. Der Einwand nun, – dass es dennoch nach der Eintheilung in vergangene, zukünftige und gegenwärtige Zeit drei Zeiten geben möchte; denn im Veda hiesse es: »Die drei Zeiten kehren wieder«, und »die drei Zeiten sind erwiesen«, – ist nicht zulässig, weil durch die Bestimmung der früheren Nicht-Existenz (das zukünftige Dasein) einer Substanz und durch die Bestimmung ihrer Vernichtung der Gebrauch der drei Zeiten Statt findet; denn die Zeit, welche durch irgend eine Substanz bestimmt wird, ist deren gegenwärtige Zeit; die Zeit, welche durch ihre frühere Nicht-Existenz bestimmt wird, ihre zukünftige Zeit, und die Zeit, welche durch ihre Vernichtung bestimmt wird, ihre vergangene Zeit. Demnach ist der Gebrauch der drei Zeiten abhängig von der dreifachen Bestimmung. U.

Dagegen die Vivriti. Der vollständige Sinn ist, dass wie dem Sein, vermöge des zusammenfassenden Wissens u.s.w. und vermöge der Einfachheit (der Annahme) Einheit zukommt, so auch der Zeit, und es giebt keine Vielheit derselben, weil der Gehrauch von Augenblicken u.s.w. durch die eine Zeit, welche eine Eintheilung dieser und dieser Bedingung hat, Statt findet.

9. »Auf die Ursache«, d.h. auf die Ursache von allem Entstandenen; nämlich, weil sie in den dauernden (Substanzen) vorhanden, und in den nicht-dauernden nicht vorhanden ist, d.h. weil in den dauernden, in dem Aether u.s.w. solche Vorstellungen wie, auf einmal, lange, jetzt, am Tage, in der Nacht u.s.w. entstanden, nicht vorhanden, dieselben in einem Topfe, Gewebe u.s.w. [353] dagegen vorhanden sind, so ist die Zeit durch das einschliessende und ausschliessende Argument Ursache (von allem Entstandenen).

10. Bei »dies von diesem« muss fern und nahe ergänzt werden. Demnach das Wissen von der räumlichen Ferne und Nähe, wie »dies ist fern von diesem«, und »dies ist diesem nahe«, ist der Beweisgrund für den Raum, und der Raum, gleich der Zeit, wird dadurch bewiesen, dass er das Substrat der Verbindung, als der nicht-inhärenten Ursache der räumlichen Ferne und Nähe, ist. Der Raum nun, obwohl eins, macht durch die Eintheilung und Bedingung den Gebrauch des Ostens u.s.w. möglich. Die Bedingung aber ist die Weltgegend, welche dem Berge des Aufgangs (der Gestirne) am nächsten ist, und Osten heisst. Westen ist die Weltgegend, welche dem Berge des Aufgangs entgegengesetzt, Norden die, welche dem Berge Sumeru am nächsten, und Süden, welche diesem entgegengesetzt ist ...... Oben ist das Substrat der Verbindung, hervorgebracht durch die Feueropfer, welches entsteht durch die Verbindung der das Schicksal in sich tragenden Seele, unten das Substrat der Verbindung, welche durchs Fallen hervorgebracht wird. V.

13. »Durch die besondere Wirkung«, durch die Bedingung in der Form des entstandenen Körpers, (entsteht) die Vielheit, der Gebrauch des Ostens und vieles Anderen.

14. Die besondere Wirkung wird nachgewiesen: »Wegen der Verbindung der Sonne«, nämlich der ersten Verbindung. Demnach, die erste Verbindung der Sonne ist die Bedingung, welche den Gebrauch des Ostens regelt, und das Wissen von einer solchen Verbindung, nämlich »gestern fand hier die erste Verbindung der Sonne Statt«, ist für irgend jemand der Gegenstand des Gebrauchs der vergangenen Verbindung, für einen Andern, »jetzt findet zuerst die Verbindung der Sonne Statt«, der Gegenstand des gegenwärtigen Gebrauchs, und für einen Dritten »Morgen wird hier zuerst die Verbindung der Sonne Statt finden,« der Gegenstand des künftigen Gebrauchs. Der Sinn ist, von dem Wissen um die Nähe des Berges des Aufgangs, welcher als das Substrat einer solchen Verbindung aufgefasst werden muss, entsteht der Gebrauch des Ostens. V.

[354] 16. Die Unterabtheilungen Südosten, Südwesten u.s.w. Auch Oben und Unten, bemerkt die Vivriti.

17. Ueber den Zusammenhang dieses Sûtra bemerkt der Upaskâra: Es ist zuvor festgestellt, dass die Farbe und die übrigen charakteristischen Merkmale der vier Elemente durch ihr früheres Sein als Eigenschaften der Ursache, ursprünglich (tattwika) sind; sonst sind sie von einer Bedingung abhängig; ferner sind die Beweisgründe der unendlichen Substanzen, welche keine besondere Eigenschaften haben, angegeben; jetzt soll nun der Ton, als Beweisgrund für den Aether, untersucht werden. Mit Bezug auf den Ton giebt es nämlich widerstreitende Aussagen der Systematiker, indem Einige denselben als eine Substanz, Andere als eine Eigenschaft, und die Annahme der Eigenschaft zugegeben, Einige ihn als dauernd, Andere ihn als nicht dauernd, und noch Andere in dem Tone noch einen anderen Ton, Sphotu genannt, anerkennen. Deshalb stellt Kaṇâda als den ersten Theil der Untersuchung über den Ton den Zweifel auf, welchen er sowohl nach seinem charakteristischen Merkmale als nach seiner Ursache erklärt.

Zur Erklärung sagt die Vivriti: Der Zweifel entsteht durch die Wahrnehmung, d.h. das Wissen, eines Allgemeinen, eines umfassenden Merkmals, ferner durch die Nicht-Wahrnehmung eines Besonderen, d.h. eines solchen, welches nur eine Alternative in sich schliesst, und durch die Erinnerung an ein Besonderes, eine doppelte Alternative. Deshalb ist die Ursache des Zweifels das Wissen eines umfassenden Merkmals, die Abwesenheit der Kenntniss, welche nur eine Alternative in sich schliesst und das Wissen von zwei Alternativen. Das »So wie« fasst die in den Nyâya-Sûtra erwähnten beiden Arten des Zweifels, (nämlich) das Wissen eines nicht-allgemeinen Merkmals, und das Wissen um zwei widerstreitende Aussagen, zusammen ... Der Sinn ist, dass wegen seiner dreifachen Ursache der Zweifel dreifach ist. Gautama's Erklärung des Zweifels lautet (I. 4, 23): Zweifel ist widerstreitendes Wissen (in Bezug auf einen und denselben Gegenstand) hinsichtlich eines Unterschieds, welches entsteht aus der Unsicherheit der Wahrnehmung oder der Unsicherheit der Nicht-Wahrnehmung eines Merkmals (irgend eines Merkmals), hervorgebracht (der ganze Zustand) durch die Auffassung von allgemeinen Merkmalen (im Gegenstande), oder von mehreren Merkmalen (welche nicht Einem Gegenstande angehören können), oder von widerstreitenden Aussagen.

[355] Nach der Meinung einiger Erklärer giebt es nach der Verschiedenheit der Ursachen fünf Arten des Zweifels, während andere nur die drei letzten als Eintheilungsglieder anerkennen.

18. Zur Einleitung bemerkt der Upaskâra: Der Zweifel ist zwiefach, nämlich der Gegenstand desselben ist entweder ein äusserer, oder ein innerer; wenn ein äusserer, so hat er entweder ein sichtbares Merkmal, oder er hat es nicht. Das erstere, wie beim Sehen eines Etwas, welches eine Höhe hat, und dann die Frage entsteht, ob es eine Säule oder ein Mensch sei, – das letztere, wie, wenn in einem Walde von einer Menge von Kühen oder Gavaya, welche durch Dickicht u.s.w. verdeckt sind, nur die Hörner sichtbar sind, und nun die Frage entsteht, ob dies (Gesehene) ein Rind oder ein Gavaja ist. In der That aber findet auch hier nur ein Zweifel mit Rücksicht auf das Merkmal der Hörner Statt, indem die Frage entsteht, ob dieses Horn einem Rinde oder einem Gavaya zukomme, und deshalb werden zwei Arten nur einer Redeform wegen angegeben (d.h. die gemachte Unterscheidung ist eben keine wahre Unterscheidung). Das Allgemeine nun, welches die Ursache des Zweifels ist, ist entweder als in mehreren, oder als in Einem wahrgenommen, Ursache des Zweifels. Die erste Annahme wird im vorliegenden Sûtra erörtert. Und zur Erklärung. Das Gesehene, die Höhe (einer Säule, eines Menschen) ist, gleich dem (zuvor) Gesehenen, die Ursache des Zweifels. Deshalb ist die Höhe, welche (vorher) gesehenen Dingen, einer Säule und einem Menschen, gleicht, die Ursache des Zweifels, wenn sie an einem vorliegenden Gegenstande gesehen wird.

19. Auseinandersetzung des zweiten Falls, nämlich dass das Allgemeine (zwei Alternativen) in einem Subjekte wahrgenommen werden. Wegen seines Nicht-So-Gesehenseins ist das So-Gesehene ebenfalls eine Ursache des Zweifels, wie z.B. Chaitra, der so gesehen wurde, nämlich mit Haaren, wird zu einer andern Zeit nicht so gesehen, nämlich ohne Haare. Sobald nun wiederum Chaitra, den Kopf in ein Gewand gehüllt, gesehen wird, so entsteht der Zweifel, ob Chaitra dieser mit Haaren bedeckte oder nicht bedeckte sei. Hier ist nun der Begriff des Chaitra, das gemeinsame Merkmal, die Ursache des Zweifels; dies ist nämlich als in Einem, d.h. in einem unzertrennlichen Subjekte gesehen, die Ursache des Zweifels. U.

20. Der innere Zweifel entsteht nämlich durch Wissen und Nicht-Wissen. Wie ein Astronom Mondfinsternisse u.s.w. richtig bestimmt, und auch unrichtig, so dass ihm mit Rücksicht auf eigenes [356] Wissen der Zweifel entsteht, ob es richtig oder unrichtig bestimmt sei. Oder auch, das Wissen ist zuweilen Nicht-Erkenntniss, Nicht-Erwiesenes; demnach entsteht der Zweifel, ob dieses ist oder nicht ist, deshalb, weil es gewusst wird. Wiederum geschieht auch hier das Auffassen des Zweifels in Folge der Wahrnehmung eines Allgemeinen, und nicht in Folge einer anderen Ursache. Demnach ist die Behauptung Einiger, dass in Gautama's Sûtra (siehe 2. 2, 17) die Unsicherheit der Wahrnehmung und Nicht-Wahrnehmung besondere Ursachen des Zweifels seien, hiermit abgewiesen.

21. Der Sinn ist: der Ton ist ein Gegenstand der bekannten sinnlichen Wahrnehmung, welche durch den Sinn des Hörens entsteht. Auch der Begriff des Tons, weil von derselben Art, ist ein Gegenstand, und deshalb eine Klasse. Die vollständige Erklärung des Tons ist deshalb, dass er ein im Begriffe der Eigenschaft ein geschlossene Klasse Habendes ist, welches dem bekannten, durch das Gehör hervorgebrachten, Gegenstande der Wahrnehmung einwohnt. V.

22. Upaskâra und Vivriti folgen einer verschiedenen Lesart, indem jene drishtatwât (weil er wahrgenommen wird), diese adrishtatwât (weil er nicht wahrgenommen wird) liest.

Die Erklärung des Upaskâra ist: Hier muss »entsteht ein Zweifel, mit Rücksicht auf den Ton«, ergänzt werden. Im Tone werken auch die Begriffe des Tons und des durch das Gehör Wahrnehmbaren aufgefasst. Dieses nun, weil es in beiden, in den Gegenständen der gleichartigen Klassen, d.h. den 23 Eigenschaften, wie in den Gegenständen der ungleichartigen Klassen, den Substanzen und Bewegungen, als ein Besonderes, d.h. als ein Verschiedenes wahrgenommen wird, bringt den Zweifel hervor, ob der Ton eine Eigenschaft, eine Substanz, oder eine Bewegung sei.

Dagegen die Vivriti: Weil das Besondere, nämlich der Begriff des Tons u.s.w., welches im Ton aufgefasst wird, in den gleichartigen Klassen, nämlich der Farbe und den übrigen 22 Eigenschaften, so wie in den ungleichartigen, den Substanzen und Bewegungen, welche zwiefach durch das Haben des Begriffs der Substanz u.s.w. und durch das Nicht-Haben derselben bestimmt sind, nicht wahrgenommen wird, so, muss man hier ergänzen, entsteht der Zweifel, ob der Ton eine Substanz sei oder nicht. Demnach ist der Sinn: das Wissen, dass das Nicht-Allgemeine, als ausgeschlossen von dem, welches durch beide Alternativen bestimmt ist, in dem [357] Begriffe des Tons u.s.w. vorhanden ist, bringt einen solchen Zweifel hervor.

Durch die verschiedene Erklärung des Besonderen (viçesha), welches der Upaskâra als Verschiedenes, die Vivriti dagegen als die besondere Klasse der Eigenschaft fasst, bleibt der Sinn bei beiden Lesearten derselbe.

23. Einer Substanz einwohnend ist das, wovon eine Substanz die inhärente Ursache ist. Eine Substanz ist aber niemals die inhärente Ursache Einer Substanz; deshalb ist der Ton nicht eine Substanz, weil dies der Substanz widerstreitet. U.

24. Weil die Vorstellung, deren Gegenstand der Ton ist, nicht sichtbar ist, d.h. weil sie vermittelst eines vom Auge verschiedenen äussern Sinnes entsteht. Demnach wohnt der Begriff des Tons, gleich dem des Geschmacks u.s.w., nicht der Bewegung ein, weil er eine Klasse ist, welche nicht in dem durch das Auge Wahrnehmbaren einwohnt. U.

25. Ist der Ton nun nicht doch eine Bewegung, weil er, wie das Aufwerfen u.s.w. schnell zerstörbar ist?

Aufhören meint schnelle Zerstörung; dies ist nun auch, wie die Zweiheit u.s.w. in dem Begriffe der Eigenschaft abhängig von dem Zusammentreffen (?) mit einem Zerstören dessen, was kurze Existenz hat; deshalb ist dies nur etwas mit den Bewegungen Gemeinsames, nicht aber kommt ihm der Begriff der Bewegung zu. Und der Sinn ist, dass der von dem Gegner aufgestellte Grund, nämlich der Begriff der schnellen Zerstörbarkeit wegen des Wissens der Zweiheit,1 Lust und Unlust u.s.w. unter den Fehlschluss fällt. U.

Die Vivriti nimmt eine Eigenschaft, welche existirt, für eine Eigenschaft, welche von beiden Parteien als solche zugestanden wird.

26. Die Einrede nun: Zugegeben, der Ton sei eine Eigenschaft; dennoch ist er kein Beweis für den Aether; denn man könnte nur dann von ihm auf den Aether folgern, wenn er dessen Wirkung wäre; aber er ist ewig, und dass er zuweilen nicht wahrgenommen wird, kommt daher, dass es ihm an einem Offenbar-Machenden fehlt, trifft nicht zu; denn wäre der Ton vor seiner Aussprache existirend, so müsste es einen andern Beweis für seine [358] Existenz geben; doch giebt es keinen Beweis, dass der Ton existirt, ehe er gehört wird; deshalb ist er eine Wirkung, und nicht etwas zu Offenbarendes.

Das Argument, welches der Upaskâra von der Unmöglichkeit einer Offenbarung gegen die Ewigkeit des Tons hier und in den nächsten Sûtra hernimmt, scheint mir nicht mit dem Gedankengange der Sûtra übereinzustimmen, indem die Offenbarung des Tons, erst im 30sten Sûtra zur Sprache kommt. Auch die Vivriti ist nicht mit jener Auslegung einverstanden; denn sie erklärt einfach: dass der Ton existirt, d.h. dass er ewig ist, dafür giebt es keinen Beweis.

27. Der Widerstreit des Tons mit dem Ewigen wird wahrgenommen; denn auf Chaitra, wenn gleich verborgen, wird, weil er spricht, durch die Rede Chaitra's, Maitra's u.s.w. geschlossen, niemals aber wird auf das Offenbarmachende, eine Leuchte u.s.w. durch das zu Offenbarende, einen Topf u.s.w. geschlossen; des halb ist der Ton eine Wirkung, und nicht ein zu Offenbarendes. U. Dagegen die Vivriti: Weil er widerstreitet, weil er zerstörbar ist, ist der Ton nicht ewig. Seine Zerstörung aber ist durch Wahrnehmung festgestellt.

28. »Weil er von einer Ursache«, hier muss ergänzt werden, seine Entstehung gesehen wird; denn der Ton wird als von einer Verbindung u.s.w. eines Stockes mit einer Trommel sich offenbarend wahrgenommen; demnach, weil er eine Entstehung hat, ist der Ton nicht ewig. U. »Weil er von einer Ursache«, d.h. weil er eine Ursache hat, ist der Ton nicht ewig; denn Alles, was eine Ursache hat, ist nicht ewig. U.

29. Dass der Ton eine Ursache hat, ist auch nicht durch eine Swarûpâsiddhi (einen Fehlschluss, wo das Argument im Widerstreite mit dem Subjekte des Schlusssatzes steht) gefolgert, weil der Ton sich verändert; denn wenn eine Trommel durch einen Stock u.s.w. geschlagen wird, so vernimmt Niemand einen starken oder schwachen Ton, wenn nicht ein starkes oder schwaches Anschlagen Statt findet; auch ist durch die Stärke und Schwäche u.s.w. des Offenbarmachens eine Stärke oder Schwäche u.s.w. des Tones unmöglich. Deshalb muss auch der Gegner zugestehen, dass der Ton hervorgebracht werde durch eine Ursache, wie das Schlagen einer Trommel durch einen Stock u.s.w.; und der genannte Fehlschluss findet nicht Statt. V.

[359] 30. Fände eine Offenbarung des Tones Statt, so wäre das unabänderliche Verhältniss des Offenbarmachenden und des zu Offenbarenden, mit Rücksicht von Gegenständen, welche denselben Umfang haben und von demselben Sinne wahrgenommen werden, ein Fehler, und ein solches unabänderliches Verhältniss in Bezug auf solche Gegenstände wird nirgends wahrgenommen. Wird dies nicht zugegeben, so müssten bei dem Offenbaren des Ka alle Buchstaben offenbart werden. Der Einwand nun, dass von solchen Begriffen, wie Wesen, Mensch, Brahmâne, welche ebenfalls denselben Umfang haben und zu offenbaren sind in ihrem Ursprunge, dem Orte der Theilung ihrer Natur, das unabänderliche Verhältniss zwischen dem Offenbarmachenden und dem zu Offenbarenden wahrgenommen werde, trifft nicht zu. Jene Begriffe haben nämlich nicht denselben Umfang; denn der Begriff des Menschen oder Brahmânen ist nicht so weit wie der Begriff des Wesens. U.

31. »Durch Verbindung«, durch die Verbindung des Stockes mit der Trommel u.s.w., »durch Trennung« in dem zersplitternden Bambu. Hier ist nun die Verbindung nicht die Ursache des ersten Tons, weil sie nicht vorhanden ist. Deshalb ist die Trennung von beiden, dem Bambu und dem Zweige, die Mittel-Ursache, und die Trennung des Zweiges und des Aethers die nicht-inhärente Ursache. Zuletzt, wo in der Ferne der Ton einer Laute u.s.w. hervorgebracht ist, da wird er, durch allmälige Fortpflanzung hervorgebracht, sobald er den Ort des Aethers, welcher im äussern Ohr begränzt ist, berührt, aufgefasst, und so entsteht auch ein Ton aus einem Tone. U.

32. Der Ton ist hier der artikulirte; demnach: der artikulirte Ton ist nicht ewig, weil er, wenn er Statt findet, durch den Sinn des Gehörs wahrgenommen wird, wie das Geräusch einer Trommel u.s.w. V.

So auch erklärt dies Sûtra der Upaskâra; doch scheint kein Grund zu sein, das Argument auf den artikulirten Ton zu beschränken, indem es die gleiche Beweiskraft für jeden andern Ton hat.

33. Gegen die obigen Beweise protestirt ein Anhänger der Mîmânsâ: »Von beiden Seiten«, von Seiten des Lehrers und des Schülers, würde keine Thätigkeit Statt finden, des Lehrers zu lehren, und der Schülers zu lernen. Weil solche Reden wie, der Lehrer[360] lehrt die Schüler den Veda, und, er giebt denselben den Veda, einen und denselben Sinn haben, so ist das Lehren ein Geben. Demnach, weil unter der Voraussetzung der schnellen Zerstörbarkeit des Tones das Geben und Empfangen desselben nicht wahrscheinlich wären, so würde mit Bezug auf Lehren und Lernen keine Thätigkeit Statt finden. Deshalb muss man dem Tone nothwendig Beständigkeit zuerkennen. Auch weil ein Zerstörer nicht wahrgenommen wird, indem kein Beweis seiner Zerstörung vorhanden ist, folgt nach der Regel »Wer wird ihn, der so lange besteht, nachher zerstören,« die Ewigkeit des Tons. V.

34. Nach dem Texte: Drei Mal sprach er das erste, drei Mal das letzte Mantra nach, würde das dreimalige Aussprechen des ersten und des letzten Mantra unmöglich sein ohne eine Beständigkeit des Tons. U

35. Dass der Ton beständig sei, folgt auch aus dem Vorhandensein der Wiedererkennung. Solche Wiedererkennungen wie.. Maitra liest denselben Sloka, den Chaitra gelesen, und dies ist dasselbe Ga, wären ohne eine Beständigkeit des Tons unmöglich.

36. Weil auch wenn eine Mehrheit, Vielheit, Unbeständigkeit von körperlichen Bewegungen, wie Tanzen und dergleichen, vorhanden ist, Lehren, Lernen und Wiedererkennen wahrgenommen werden, so sind Lehren, Lernen u.s.w., was den Schluss, die Beständigkeit betrifft, zweifelhaft, d.h. zu weit, indem solche Vorstellungen wie, »er lernt Tanzen«, »er tanzt dreimal«, »Maitra tanzt denselben Tanz, den Chaitra getanzt hat,« allen geläufig sind. V.

37. Wie denn sind (bei der Annahme der Unbeständigkeit des Tons) solche Zahlen wie die 50 Buchstaben des Alphabets, der acht- oder dreisylbige Mantra, oder der achtsylbige Anushtup u.s.w. möglich? Sind nämlich die Buchstaben nicht beständig, so entstehen durch die Verschiedenheit der Aussprache unzählige Buchstaben. Die Antwort darauf ist: Das wirkliche Vorhandensein der Zahl, nämlich der Zahl 50 u.s.w., entsteht aus der Allgemeinheit, nämlich aus den Klassen des Ka, Ga u.s.w. Obwohl Ka, Ga u.s.w. unendlich viele sind, so haben doch die, welche durch die Begriffe des Ka u.s.w. bestimmt sind, den Begriff von 50, von drei, oder von acht, gleich wie die Substanzen, Eigenschaften u.s.w., obwohl sie durch Zahlentheilung (?) unendlich viele sind, unter den Begriff von neun, vierundzwanzig u.s.w. fallen.

[361] Folgendes sind die hauptsächlichsten Sûtra Gautama's in Bezug auf den Ton.

N.S. II. 11, 81. Weil er einen Ursprung (eine Ursache), weil er durch einen Sinn aufgefasst wird, und weil er als künstlich hervorgebracht gilt, (ist der Ton nicht ewig). (V.S. II. 2, 27. 28. 32).

N.S. II, 11, 86. (Der Ton ist nicht ewig), weil er vor seiner Aussprache nicht wahrgenommen, und weil kein Verhüllendes u.s.w. wahrgenommen wird. (V.S. 26.)

N.S. II. 11, 89. (Der Ton ist ewig), weil er untastbar ist.

N.S. II. 11, 90. Kein, weil Bewegung, (obwohl untastbar), nicht ewig ist.

N.S. II. 11, 92. (Der Ton ist ewig), weil er gelehrt wird. (V.S. II. 2, 33.)

Ib. II. 11, 93. Dies ist kein Grund, weil er in der Zwischenzeit nicht wahrgenommen wird.

Ib. 96. (Er ist ewig), weil er wiederholt wird (ib. 34).

Ib. 97. Nein, weil, selbst wenn sie (die Töne) verschieden wären, eine Wiederholung möglich sein würde.

Ib. 100. (Der Ton ist ewig), weil wir keine Ursache seiner Zerstörung wahrnehmen.

Ib. 101. (Könnte durch Nicht-Wahrnehmung Nicht-Existenz be wiesen werden), so würde immerwährendes Hören Statt finden, weil keine Ursache des Nicht-Hörens wahrgenommen wird.

Man sieht, Gautama führt keine Beweise an, welche die Ansicht, dass der Ton eine Substanz oder eine Bewegung sei, widerlegen sollen, entweder weil dies schon von Kaṇâda bewiesen, oder weil es sich bei ihm von selbst versteht, dass der Ton, als Gegenstand einer sinnlichen Wahrnehmung, eine Eigenschaft sein müsse. Dagegen bestreitet er die Ewigkeit des Tons, und obwohl seine Beweise im Wesentlichen dieselben wie Kaṇâda's sind (der einzig neue Beweis ist im 101sten Sûtra enthalten), so treten sie doch schärfer und in einer besseren Ordnung auf. Er fasst die drei Beweise für die Vergänglichkeit des Tons in Einem Sûtra (II. 11, 81) zusammen, und argumentirt sodann gegen die Beweise, welche von den Gegnern, hauptsächlich den Mîmânsaka, für die Ewigkeit des Tons vorgebracht werden, wählend Kaṇâda die Beweise gegen die Ewigkeit des Tones und die Widerlegung der Beweise der Gegner für die Ewigkeit desselben unter einander mischt.

Fußnoten

1 Dies kann auch übersetzt werden: wegen der Zweiheit, des Wissens.

Quelle:
Die Lehrsprüche der Vaiçeshika-Philosophie von Kaṇâda. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 21, Leipzig 1867, S. 309–420, S. 350-362.
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