1. Kapitel
Der erste Sommermonat / Mong Hia

[41] Im ersten Sommermonat steht die Sonne im Zeichen Bi1. Zur Zeit der Abenddämmerung kulminiert das Sternbild I. Zur Zeit der Morgendämmerung kulminiert das Sternbild Wu Nü. Seine Tage sind Bing und Ding. Sein göttlicher Herrscher ist Yän Di (der Flammenherr)2. Sein Schutzgeist ist Dschu Yung (der Schmelzmagier)3. Seine Tiere sind die gefiederten Tiere4. Seine Note ist Dschï5. Seine Tonart ist Dschung Lü6. Seine Zahl ist sieben7. Seine Wesensart ist die Sitte. Seine Sinnestätigkeit ist das Gesicht8. Sein Geschmack ist bitter. Sein Geruch ist brenzlig. Man opfert dem Herdgeist. Unter den Opfergaben steht die Lunge obenan9.

Die grünen Frösche quaken, der Regenwurm kommt hervor. Die Gurken wachsen, die Gänsedistel blüht.

Der Himmelssohn weilt in der Lichthalle (Ming Tang) im linken Raum10. Er fährt im Scharlachwagen, an dem schwarzmähnige Füchse angespannt sind. Es werden rote Flaggen aufgesteckt. Man kleidet sich in rote Kleider und trägt roten Nephrit. Man ißt Bohnen und Hühner11. Die Gefäße sind hoch und groß.

In diesem Monat findet der Sommereintritt statt12. Drei Tage vor dem Sommereintritt begibt sich der Großastralog zum Himmelssohn und spricht: »An dem und dem Tage ist Sommereintritt. Die wirkende Kraft ruht auf dem Feuer.« Der Himmelssohn fastet dann. Am Tage des Sommereintritts begibt sich der Himmelssohn in eigener Person an der Spitze der drei höchsten Würdenträger, der neun hohen Räte und Räte vor die Stadt zur Einholung des Sommers auf dem südlichen Anger. Nach der Rückkehr verleiht er Belohnungen, setzt Fürsten ein und verteilt Glückwunschgeschenke, so daß allenthalben Freude und Fröhlichkeit herrscht. Darauf erhält der Musikmeister den Auftrag, die religiösen Zeremonien und Musik gemeinsam einzuüben13.[41]

Der Kriegsminister14 erhält den Befehl, Leute von Auszeichnung zu empfehlen, die Würdigen und Guten in ihrer Laufbahn zu fördern und die hervorragenden Männer zu erheben. Rang und Einkommen werden verliehen an die einzelnen entsprechend ihrem Platz.

In diesem Monat soll das Wachstum befördert, das Hohe erhoben werden. Kein Abbrechen und Einreißen soll stattfinden, keine Erdarbeiten sollen unternommen werden, keine Menschenmengen sollen ausgesandt, keine großen Bäume sollen gefällt werden.

In diesem Monat beginnt der Himmelssohn, sich in dünnes Puerariatuch zu kleiden.

Die Förster erhalten den Befehl, die Gefilde und Ebenen zu durchreisen und die Bauern anzufeuern und das Volk zu ermahnen, die Zeit nicht ungenützt vorübergehen zu lassen.

Der Unterrichtsminister erhält den Befehl, in den Städten und Dörfern herumzureisen15, um die Bauern zu fleißiger Arbeit anzuhalten und zu verhindern, daß sie sich in den Städten herumtreiben.

In diesem Monat verjagt man die wilden Tiere, damit sie das Korn nicht schädigen, doch sollen keine großen Jagden stattfinden.

Die Bauern bringen die Erstlinge der Weizenernte dar, der Himmelssohn kostet den Weizen zusammen mit Schweinefleisch und opfert zuerst davon in der inneren Halle des Ahnentempels.

In diesem Monat sammelt man die verschiedenen Arzneikräuter und bewahrt sie auf. Das Hirschgras stirbt ab16.

Die Weizenernte findet statt. Vergehen, auf denen leichtere Strafen stehen, werden verhandelt und Entscheidungen gefällt über kleinere Übertretungen. Die in leichter Haft befindlichen Personen werden entlassen17.

Nachdem die Seidenzucht zu Ende geführt ist, bringen die Frauen des kaiserlichen Hauses ihre Cocons dar. Auch wird die Abgabe von Cocons eingezogen, wobei die Anzahl der Maulbeerbäume zugrunde gelegt wird. Vornehm und Gering, Jung und Alt müssen in der gleichen Weise beisteuern, damit Vorrat vorhanden ist für die Opfergewänder, die beim Angeropfer im Ahnentempel nötig sind.[42]

In diesem Monat hält der Himmelssohn Weingelage ab mit Zeremonien und Musik18.

Führt man diese Befehle aus, so fällt fruchtbarer Regen in allen drei Dekaden19. Wenn im ersten Sommermonat die für den Herbst gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden häufig heftige Regen fallen, das Getreide nicht reifen können und die Leute sich von überallher vom Land in die Stadt flüchten20. Wenn die für den Winter gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden Bäume und Kräuter bald welken und hinterher große Überschwemmungen die Mauern und Befestigungen beschädigen. Wenn die für den Frühling gültigen Ordnungen befolgt würden, so würden Würmer und Heuschrecken zur Plage werden. Heftige Winde würden kommen, und die blühenden Pflanzen würden keinen Samen tragen21.

Quelle:
Chunqiu: Frühling und Herbst des Lü Bu We. Düsseldorf/Köln 1971, S. 41-43.
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