73. Nachgiebigkeit im Wirken[77] 1

Wer seinen Mut zeigt in Waghalsigkeiten, der kommt um.

Wer Mut zeigt, ohne waghalsig zu sein, der bleibt am Leben.

Von diesen beiden hat die eine Art Gewinn, die andre Schaden.

Wer aber weiß den Grund davon,

daß der Himmel einen haßt?

Also auch der Berufene:

Er sieht die Schwierigkeiten.

Des Himmels SINN streitet nicht und versteht doch zu siegen.

Er redet nicht und versteht doch die rechte Antwort zu bekommen.

Er winkt nicht, und es kommt ihm alles von selbst entgegen.

Ruhig sitzt er da und versteht doch die rechten Entschlüsse zu fassen.

Des Himmels Netz ist groß und weitmaschig,

aber es entgeht ihm nichts.


Erklärung

1 Zur der Schlußzeile zitiert Carus das Logausche Sinngedicht:


Gottes Mühlen mahlen langsam,

mahlen aber trefflich klein,

ob aus Langmut er sich säumet,

bringt mit Schärf' er alles ein.


Es ist aber fraglich, ob der Sinn hier nicht eher der von Matth. 10, 29 f. ist: Kauft man nicht zween Sperlinge ... In die Gedankenzusammenhänge von Laotse paßt dieser Sinn besser. Vgl. übrigens den nächsten Abschnitt.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 77-78.