4. Von Ewigkeit her[5] 1

Der SINN faßt alles Bestehende in sich.

Aber durch sein Wirken geht er nicht etwa im Bestehenden auf.

Abgründig ist er, als wie aller Geschöpfe Ahn.

Er mildert ihre Schärfe.

Er löst ihre Wirrsale.

Er mäßigt ihren Glanz.

Er vereinigt sich mit ihrem Staub.

Unsichtbar ist er und doch als wie wirklich.

Ich weiß nicht, wessen Sohn er ist.

Er scheint früher zu sein als der HERR.


Erklärung

1 Der Abschnitt bereitet sehr große Schwierigkeiten. Es ist sicher anzunehmen, daß der Text verdorben ist.

Die drei ersten Zeilen lassen sich entweder auf den SINN beziehen. Der SINN ist transzendent, und durch seine Immanenz wird er nicht restlos zur Darstellung gebracht. Dieser transzendent bleibende Rest gibt ihm allen Einzeldingen gegenüber die unendliche Überlegenheit.

Oder aber beziehen sich Zeile 2 und 3 auf den Menschen, der in voller Bedeutung den SINN verkörpert: das Ideal des Menschen überhaupt, das als solches wohl in der Idee vorhanden ist (vgl. Zeile 8), aber nicht mit irgendeiner Einzelerscheinung, selbst der allerhöchsten Art, zusammenfällt. Das Wort »Di«, von Strauß mit der HERR wiedergegeben, bedeutet einerseits die göttlichen Herrscher des höchsten Altertums, andrerseits den als Herrn des Himmels hypostasierten Herrscher, den »Ahn« der jeweiligen Dynastie und höchsten Gott.

Zeile 4-7 finden sich ebenfalls in No. 56.

Zu der überaus schweren Stelle: »Und doch weiß ich nicht, wes Sohn er ist«, nach anderer Lesart gar »wes Menschen Sohn er ist«, vgl. No. 25, wo es heißt: »Ich weiß seinen Namen nicht«.

Quelle:
Laotse: Tao Te King – Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Düsseldorf/Köln 1952, S. 5-6.