Buch VI

[211] Das Buch trägt im Anschluß an den ersten Abschnitt die Bezeichnung »Li Ming«. Li ist die Kraft der Freiheit; Ming ist die Bestimmung, Notwendigkeit. Die in diesem Buch hervortretenden pessimistischen Anschauungen weichen von der Art Liä Dsï's sehr wesentlich ab. Es ist anzunehmen, daß dieses Buch ebenso wie das nächste aus der Umgebung Yang Dschus stammt.


1 Die beiden Prinzipien werden disputierend eingeführt, eine Form, die sich bei Dschuang Dsï in weiterer Ausbildung findet.

Der Großvater Peng (Peng Dsu), der chinesische Methusalem, ist eine Lieblingsgestalt der chinesischen Allegorie. Wer es eigentlich war, ist nicht ausgemacht.[211]

Yän Yüan (Yän Hui) ist der bekannte Lieblingsjünger Kungs, der in Lun Yü an vielen Stellen erwähnt ist. Vgl. Liä Dsï II, 8; III, 8; IV, 1, 2, 4.

Kung: Das Ereignis in Tschen und Tsai bezieht sich auf die Wanderung Kungs in seinem 62. Lebensjahr aus dem Staate Tschen in den Staat Tsai. Die Beamten von Tschen, die fürchteten, er werde sich in den großen, südlichen Staat Tschu begeben und dessen König bei seinen Unternehmungen gegen Tschen unterstützen, ließen ihn militärisch gefangensetzen, bei welcher Gelegenheit der Meister und seine Schüler sieben Tage lang von Nahrungszufuhr abgeschnitten waren. Vgl. Lun Yü XI, 2; XV, 1.

Über den Tyrannen Dschou Sin, den letzten König der 2. Dynastie (1154-1122), vgl. II, 18; VII, 3, 12; VIII, 1, 2; ferner Lun Yü XVIII, 1; XIX, 20. »Die drei Vollkommenen« (San Jen) seiner Zeit sind: der Herr von We, ein älterer Halbbruder des Tyrannen Dschou Sin, der sich vom Hof zurückzog, der Herr von Gi, ein Oheim des Tyrannen, der, um dem Tod zu entgehen, Verrücktheit fingierte, und Bi Gan, ebenfalls Oheim des Tyrannen, der, als er ihm Vorwürfe machte, grausam hingerichtet wurde. Vgl. Lun Yü XVIII, 1. Gi Dscha war der vierte und Lieblingssohn des Fürsten Schou Meng von Wu (585-561), dem wegen seiner Heiligkeit von seinen älteren Brüdern der Thron abgetreten wurde. Doch nahm er ihn nicht an. Selbst nach dem Tode seiner drei älteren Brüder verzichtete er auf den Thron zugunsten des Sohns des ältesten und zog sich von der Welt zurück.

Die Dynastie des Staates Wu führt ihren Ursprung auf Tai Be, den Onkel des Königs Wen zurück, der auf die Nachfolge in Dschou verzichtete und sich dorthin zurückzog.

Meng aus dem Geschlecht Tiän: Vgl. VII, 1; VIII, 28, 29. Er ermordete im Jahre 481 den Herzog Giän von Tsi und setzte dessen Sohn Ping auf den Thron, während er die Regierungsgewalt unter dem Titel eines Kanzlers vollständig usurpierte.

Über Be I und Schu Tsi, die beiden berühmten Prinzen von Gu Dschu aus der Zeit der endenden Yin-Dynastie, die freiwillig den Hungertod erlitten, als die Dschou-Dynastie ans Ruder kam, vgl. VII, 1, 4; ferner Lun Yü V, 22 und sonst.

Das böse Haus Gi ist das bekannte Adelsgeschlecht im Staate Lu.

Dschan Kin (oder Dschan Gi) – Liu Hia Hui – war ein Beamter aus Lu, aus der Zeit vor Kung, der wegen seiner Reinheit sprichwörtlich war. Vgl. VII, 4.


2 Allegorische Erzählung zum Beweis, daß das Schicksal nicht von persönlichen Qualitäten abhängt.


[212] 3 Historischer Beleg aus der Geschichte von Tsi für dieselbe Wahrheit. Guan I Wu (Guan Dschung) ist der berühmte Kanzler zur Zeit des Fürsten Huan von Tsi. Vgl. V, 7; VII, 1, 7; ferner Lun Yü III, 22; XIV, 10, 17, 18. Bau Schu Ya ist sein Freund, der ihm zu dieser Stelle verholfen hatte. Vgl. VII, 7.

Die historischen Verhältnisse und die Verdienste des Guan Dschung sind vorzüglich dargelegt in Friedrich Hirth »The Ancient History of China« New-York 1908, pag. 201-218.

Zu der zweiten Hälfte, der Empfehlung seines persönlichen Feindes Si Peng als Nachfolger durch Guan Dschung, vgl. V, 7. In Wirklichkeit hat nach dem Tode Guan Dschungs der Herzog Huan weder Bau Schu Ya, noch Si Peng zur leitenden Stellung berufen, sondern sich dem Einfluß von Kammerdienern und Köchen wie I Ya (VIII, 11) überlassen, was von den nachteiligsten Folgen war. Als er im Jahre 643 starb, stritten seine fünf Söhne um die Herrschaft, während sein Leichnam unbeerdigt blieb. Der Herzog Huan ist erwähnt in V, 7 und VI, 12.

Vgl. zum Ganzen Dschuang Dsï XXIV.


4 Dieser Abschnitt behandelt in ähnlicher Weise wie der vorherige das Verhältnis von Deng Si (IV, 11; VII, 8) und Dsï Tschan (VII, 8). Da die historischen Angaben mit Dso Dschuan nicht übereinstimmen, so wurde der Abschnitt hier weggelassen.


5 Erinnert an V, 5; IV, 9. Der rhythmische Schluß des Abschnittes erinnert in der Form an den Taoteking, obwohl der Sinn, den er durch seine Umgebung bekommt, sehr stark vom Taoteking abweicht.


6 Nachdem schon die bisherigen Abschnitte in ihrem stark pessimistisch gefärbten Determinismus eine deutliche Abweichung von der Stimmung des bisherigen Stoffes zeigen, tritt von diesem Abschnitt an Yang Dschu und sein Skeptizismus in den unmittelbaren Gesichtskreis. Es läßt sich kaum ein beißenderer Sarkasmus denken, als der in dieser Geschichte dargestellte, und gerade die Wiedergenesung des hoffnungslosen Patienten wirkt als besonders grelle Dissonanz und beleuchtet blitzartig die Sinnlosigkeit des Lebens wie Yang Dschu es sieht.

Über den Freund Yang Dschus, Gi Liang, vgl. IV, 9. Die Namen der drei Ärzte Kiau, Yü, Lu sind allegorisch zu nehmen, weshalb sie in der Übersetzung verdeutscht sind. Kiau, der »Doktor Eisenbart« ist der medizinische Fachmann, der unter der wissenschaftlichen Terminologie seiner Zeit seine Unwissenheit gewandt zu[213] verbergen weiß. Yü, der Ja-Sager, Herr »Einverstanden«, sucht sich der Anschauung des Patienten anzupassen, während bei Lu (Schwarz) der Pessimismus rein zutage tritt. Die Nutzanwendung im Sinne Yang Dschus betont die vollkommene Sinnlosigkeit des Lebens, aus der sich nicht einmal allgemeine Regeln abstrahieren lassen.


7 Zwei Zitate, das eine von Yu Hiung, dem sagenhaften Lehrer des Königs Wen (vgl. I, 10; II, 17; VII, 19) aus der Dschou-Dynastie (ca. 1200 v.Chr.), das zweite aus dem Taoteking aus Abschnitt 73, die hier charakteristischer Weise als Gespräch Laotses mit Guan Yin zitiert wird. Die Schlußanwendung weicht ebenfalls sehr stark von Laotse ab.


8 Über den jüngeren Bruder Yang Dschus, Yang Bu, vgl. VIII, 24. Als einziges Mittel, in dem undurchdringlichen Dunkel des Lebens möglichst wenig anzustoßen, wird absolute Passivität den inneren und äußeren Antrieben gegenüber empfohlen.


9 Ein Zitat aus dem »Buch des Herrn der gelben Erde«. Da dieses Zitat sich im Taoteking nicht findet, muß noch eine andere Quelle vorliegen.


10 Die psychologischen Verschiedenheiten, ebenfalls unter den Gesichtspunkt des striktesten Determinismus gerückt.


11 Auflösung des Scheins der inneren Freiheit durch Hinweis auf die Unfähigkeit des Menschen, die allmählichen Übergänge der an sich festbestimmten Differenzen der psychischen Komplexe zu durchschauen, wodurch der Schein eines So- und Anders-könnens entsteht. Die gänzliche Erfolglosigkeit aller Berechnungen läßt nur den absoluten Skeptizismus übrig.


12 Eine Geschichte voll grimmigen Humors.

Der Herzog Ging von Tsi regierte 547-489. Vgl. über ihn Lun Yü XII, 11; XVI, 12; XVIII, 3.

Über den Geschichtsschreiber Kung und Liang Kiu Gü ist nichts zu sagen.

Meister Yän (Yän Ping Dschung) ist ein bekannter Minister des Staates Tsi. Er ist gebürtig aus Kaumi bei Tsingtau, wo sein Grab noch erhalten ist. Seinem Einfluß ist es zu verdanken, daß der alte Herzog Ging, der einen Augenblick daran gedacht hatte, Konfuzius anzustellen, diese Absicht wieder aufgab. Es existiert ein Buch unter seinem Namen unter dem Titel »Tschun Tsiu«[214] (Frühling und Herbst), nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Werk Kungs und dem hier mehrfach zitierten Lü Schï Tschun Tsiu. Eine Stelle aus diesem Werk findet sich in I, 8. Vgl. über ihn Lun Yü V, 16. »Der große Herzog« (Tai Gung) ist der Lehrer der Könige Wen und Wu aus dem Hause Dschou, der mit dem Staate Tsi belehnt und der Stammvater der Herzöge von Tsi wurde. Vgl. VIII, 7.

Herzog Huan ist der bekannte in V, 7 und VI, 3 genannte Herzog.

Herzog Dschuang ist der Vater des Herzogs Siang; er regierte 794-731.

Herzog Ling ist der Sohn des Herzogs King 581-554.


13 Der Mann Wu von We ist Dung Men Wu, der Minister des Staates war.


14 Eine Ergänzung zu Abschnitt 1.

Quelle:
Liä Dsi: Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Stuttgart 1980, S. 211-215.
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