Echo

[146] Faßt du nun dies recht auf, so kannst du dir selber und andern

Rechenschaft geben, warum die Felsen an einsamen Orten

Gleiche Formen der Wörter der Reihe nach richtig erwidern,

Wenn die Gefährten wir suchen, die irrend im schattigen Bergwald

Sich verliefen und die wir mit lautem Gerufe herbeiziehn.[146]

Sechs-, ja siebenfach hab' ich das Echo des Wortes vernommen,

Das man nur einmal rief: so warf ein Hügel dem ändern

Stets es von neuem zurück; so fanden die Wörter die Rückkehr.

Dieses Gelände bevölkert die Schar bocksfüßiger Satyrn

Samt den Nymphen, so raunt der benachbarte Bauer; und Faune,

Heißt es im Munde des Volks, verführen dort nächtliches Lärmen;

Durch ihr Geschäker und Scherz wird die schweigende Stille gestöret:

Saitengeklimper erklingt, süßklagende Weisen ertönen,

Welche der Flöte entströmen, die spielende Finger bemeistern.

Weithin lausche dem Pan das Landvolk, wenn er zu Zeiten

Sein halbtierisches Haupt, das die Fichte bekränzt, hin und her wiegt

Und mit gebogener Lippe die Pfeifenmündungen anbläst.

Pans Rohr sorge, daß nie die Musik in dem Walde verstumme.

Auch noch andere Märchen und Wunder, wie diese, erzählt man,

Um nicht den Glauben zu wecken, die einsame Gegend der Heimat

Sei auch von Göttern verlassen; drum fabeln sie Wundergeschichten.

Oder man hat noch anderen Grund zu solcher Erfindung;

Denn nur allzu geneigt ist die Menschheit solches zu hören.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 146-147.
Lizenz:
Kategorien: