Unfruchtbarkeit

[165] Aber durch göttliche Mächte wird niemand am Zeugen gehindert

So, daß ihm nie aus dem Munde von süßen Geschöpfen der Name

»Vater« entgegenscholl und der Erbe ihm dauernd versagt blieb.

Und doch glauben's die meisten und sprengen in ihrer Betrübnis

Auf den Altar viel Blut und bringen ihm rauchende Opfer,

Daß mit reichlichem Samen der Gattinnen Schoß er befruchte.

Doch sie bestürmen umsonst die Macht und Orakel der Götter.

Denn Unfruchtbarkeit gibt's nur dann, wenn der Same zu dick ist

Oder im Gegenteil zu flüssig und dünner als gut ist.

Wenn er zu dünn ist, so kann et im Mutterschoße nicht haften,

Denn er verflüssigt sich rasch und fließt dann ohne Erfolg ab;

Ist er bei ändern zu dick, weil in festerer Form er, als gut ist,

Abgeht, spritzt er entweder mit unzureichender Triebkraft

Oder er kann nicht so recht in das Innere dringen, und wenn es

Wirklich gelingt, so mischt er sich kaum mit dem weiblichen Samen.

Denn auch die Harmonie scheint sehr verschieden im Lieben.

Einer befruchtet wohl die, der andere jene Genossin;

Dies Weib wird auch leichter von diesem als anderen schwanger.

Mancher der Frauen erblühte in mehreren Ehen kein Sprößling,

Aber sie fand doch später den Mann, der Kinder ihr zeugte

Und mit süßen Geschöpfen ihr Dasein konnte bereichern.

Männer, die früher daheim bei den Gattinnen fruchtbaren Nachwuchs

Nicht erzielten, gelang's, nachdem sich ein passendes Wesen

Ihnen gesellt, ihr Alter mit liebenden Kindern zu schützen.

Drum hat's solche Bedeutung, daß Samen mit Samen sich mische,

Der zum Zwecke der Zeugung besonders geeignet erscheine,

Daß sich dem flüssigen dicker und flüssiger paare dem dicken.

Hierbei kommt's auf die Nahrung an, die das Leben ermöglicht;

Denn durch manche verdickt sich der Samen in unserem Innern,

Andre verdünnt ihn im Gegenteil und macht ihn zu flüssig.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 165-166.
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