Feuer

[176] Auch die ätherische Sonne, die unerschöpfliche Quelle

Flüssigen Lichtes, ergießt stets frischen Glanz in den Himmel

Und das verschwindende Licht ersetzt sie sofort durch das neue.

Denn wohin er auch trifft, geht immer die Spitze des Strahles

Ihr verloren; du kannst es aus folgendem Vorgang erkennen:[176]

Kaum, daß Wolken beginnen sich unter die Sonne zu schieben

Und hierdurch die Strahlung des Lichts Unterbrechung erleidet,

Schwindet im Augenblick der untere Teil der Bestrahlung

Ganz und die Erde wird dunkel, wohin sich die Wolken auch wenden.

Hieraus lernst du, man braucht den immer erneuerten Lichtglanz

Und die Spitze des Strahls geht jedesmal wieder verloren.

Nur wenn die Quelle des Lichts fortwährend Ersatz des Verlernen

Liefert, vermag man die Dinge zu sehn in der Sonnenbeleuchtung.

Ja, selbst hier auf der Erde sind unsere nächtlichen Lichter,

Hängende Lampen und reichlich mit Harz versehene Fackeln,

Die mit flackernder Flamme aus Dunst hell leuchtend erstrahlen,

Ähnlicherweise geschäftig mit Hilfe des Brandes uns immer

Neues Licht zu entsenden. Die Flammen erzittern beständig,

Ja sie erzittern beständig und nie unterbricht sich der Lichtstrom:

So sind sämtliche Feuer bestrebt die Vernichtung des Lichtes

Durch die geschwinde Erzeugung von neuer Lohe zu decken.

Ebenso muß man mithin auch bei Sonne und Mond und Gestirnen

Denken, sie finden ihr Licht in immer erneuertem Nachschub,

Da sie die Spitze der Flamme beständig verlieren. Drum glaube

Ja nicht, sie seien vielleicht dem Gesetz der Vernichtung entzogen.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 176-177.
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