Steine

[177] Endlich bemerkst du nicht auch, daß die Zeit selbst Steine besieget?

Daß hochragende Türme zerfallen und Felsen verwittern,

Daß die Tempel und Bilder der Götter zermürben und bersten,

Daß nie göttlicher Spruch des Schicksals Grenzen erweitern,

Nie das verbriefte Gesetz der Natur vergewaltigen könne?

Sehen wir endlich nicht auch, wie Heroengräber zerfallen

Und uns fragen, ob einmal nicht doch ihr Altern gewiß sei?

Stürzen nicht Blöcke Granits von Bergesgipfeln herunter,

Statt dem allmächtigen Zahne der Zeit auf ewig zu trotten?

Denn sie rissen nicht plötzlich sich los von dem Gipfel und stürzten,

Wenn sie die Foltern des Alters seit unausmeßbaren Zeiten

Alle schon hätten ertragen und niemals Schaden genommen.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 177.
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