Besondere magnetische Phänomene

[242] Auch kommt's vor, daß das Eisenmetall zuweilen zurückweicht

Vor dem Magnet und im Wechselspiel ihn meidet und aufsucht.

Hüpfen sah ich sogar samothrakische eiserne Ringe,

Sah auch Eisenfeilicht in ehernem Becken wie rasend

Tanzen, sobald der magnetische Stein darunter gebracht ward;

So sehr hat es den Trieb vor dem Steine zurück sich zu ziehen.

Daß nun ein solches Getümmel entsteht, wenn das Erz sich dazwischen

Schiebt, kommt einfach daher, daß der Strom der Atome vom Erze

Vorher die offenen Poren des Eisens alle besetzt hat,

Während der Strom vom Magneten, der später ist, alles im Eisen

Längst schon besetzt und verrammelt erblickt den bisherigen Durchlaß.

So muß jetzt der Magnet das Eisengefüge bekämpfen

Und mit dem eigenen Strom es verscheuchen; so stößt er es von sich,

Peitscht durchs Erz es nur auf, was er ohne das Erz wohl verschluckte.

Hierbei darf dich nicht sehr in Verwunderung setzen der Umstand,

Daß der magnetische Strom nicht auf andere Stoffe kann wirken.

Ein Teil trotzt wie das Gold auf die eigene Schwere vertrauend,

Andere lassen den Strom, weil ihr Körper so locker gebaut ist,

Unberührt durchfliegen und kommen so nie in Erregung;

So liegt also des Eisens Natur in der Mitte von beiden.

Nimmt es gewisse Atome von Erz in sich auf, so geschieht es,

Daß hierdurch der magnetische Strom zeitweilig gehemmt wird.

Doch steht diese Erscheinung nicht also ferne von ändern,

Daß es an reichlichem Stoff mir fehlte, die Dinge zu nennen,

Die durch der Seltenheit Band miteinander innig verknüpft sind.

Erstens siehst du, wie Steine durch Kalk nur wachsen zusammen,

Hölzer verbindet allein so fest miteinander der Stierleim,

Daß weit eher die Fasern bei Bruch des Getäfels zerspringen,

Als auseinander klaffte das Fach, das zusammengeleimt ist.

Rebengeborenes Naß kannst dreist du mit Wasser der Quelle[242]

Mischen, was schweres Pech und leichteres Öl nicht gestattet.

Farbe der Purpurschnecke vereinigt sich so mit der Wolle,

Daß sie als Einheit erscheinen und nie voneinander sich scheiden,

Nie, selbst wenn du dich mühtest mit Wasser des Meers sie zu bleichen

Oder des Ozeans sämtliche Flut sie zu spülen versuchte.

Bindet man Gold nicht mit Gold allein durch ein einziges Schlaglot?

Wird nicht das Erz mit dem Erze vermählt durch weißliches Weichlot?

Wieviel Ähnliches ließe sich sonst noch finden! Wozu doch?

Weder bedarf es bei dir so weitumschweifender Rede

Noch ist mir es geziemend viel Mühe hierauf zu verschwenden.

Nein, es ist besser in Kürze mit wenigem viel zu umspannen.

Wenn das Gefüge von Dingen sich so ineinander gepaßt hat,

Daß sich einander das Hohle bei diesem, das Volle bei jenem

Wechselseitig entspricht, dann gibt es die beste Verbindung.

Ebenso ist es auch möglich, daß manche wie Ringe und Haken

Fest ineinander greifen und so sich verkettet erhalten.

Dies muß mehr, wie es scheint, beim Magnet und dem Eisen der Fall sein.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 242-243.
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