Vorrede

[467] ||XXXIX| Ich habe in den »Deutsch-Französischen Jahrbüchern« die Kritik der Rechts- und Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständnis erschwerend. Überdem hätte der Reichtum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in eine Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines willkürlichen Systematisierens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen selbständigen Broschüren die Kritik des Rechts, der Moral, Politik etc. aufeinanderfolgen lassen und schließlich in einer besondren Arbeit wieder den Zusammenhang des Ganzen, das Verhältnis der einzelnen Teile, wie endlich die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammenhang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerlichem Leben etc. grade nur soweit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese Gegenstände berührt.

Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu versichern, daß meine Resultate durch eine ganz empirische, auf ein gewissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse gewonnen worden sind.

‹Der unwissende Rezensent dagegen, der seine völlige Ignoranz und Gedankenarmut dadurch zu verbergen sucht, daß er die Phrase »utopische Phrase« oder auch Phrasen, wie »die ganz reine, ganz entschiedne, ganz kritische Kritik«, die »nicht bloß rechtliche, sondern gesellschaftliche,[467] ganz gesellschaftliche Gesellschaft«, die »kompakte massenhafte Masse«, die »wortführenden Wortführer der massenhaften Masse« – dem positiven Kritiker an den Kopf wirft, dieser Rezensent hat noch den ersten Beweis zu liefern, daß er außer seinen theologischen Familienangelegenheiten auch in weltlichen Angelegenheiten ein Wort mitzusprechen hat.›

Es versteht sich von selbst, daß ich außer den französischen und englischen Sozialisten auch deutsche sozialistische Arbeiten benutzt habe. Die inhaltsvollen und originalen deutschen Arbeiten für diese Wissenschaft reduzieren sich indes – außer Weitlings Schriften – auf die in den »21 Bogen« gelieferten Aufsätze von Heß und auf Engels' »Umrisse zur Kritik, der Nationalökonomie« in den »Deutsch-Französischen Jahrbüchern«, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorliegenden Arbeit in ganz allgemeiner Weise angedeutet habe.

‹Außer diesen Schriftstellern, die sich mit der Nationalökonomie kritisch beschäftigt haben, verdankt die positive Kritik überhaupt, also auch die deutsche positive Kritik der Nationalökonomie, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs, gegen dessen »Philosophie der Zukunft« und »Thesen zur Reform der Philosophie« in den »Anecdotis« – sosehr sie stillschweigend benutzt werden – der kleinliche Neid der einen, der wirkliche Zorn der andern ein förmliches Komplott zur Verheimlichung angestiftet zu haben scheint.›

Von Feuerbach datiert erst die positive humanistische und naturalistische Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangsreicher und nachhaltiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften seit Hegels »Phänomenologie« und »Logik«, worin eine wirkliche theoretische Revolution enthalten ist.

Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus notwendig im Gegensatz zu den kritischen Theologen unsrer Zeit, [da] ||XL| eine solche Arbeit nicht vollbracht worden ist – eine notwendige Ungründlichkeit, da selbst der kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Voraussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß oder, wenn ihm im Prozeß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger- und ungerechtfertigterweise verläßt, von ihnen abstrahiert, seine Knechtschaft unter dieselben und den Ärger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, bewußtloser und sophistischer Weise kundtut.

‹nur negativ und bewußtlos dadurch äußert, teils daß er beständig die Versichrung von der Reinheit seiner eignen Kritik wiederholt, teils daß er,[468] um das Auge des Beobachters wie sein eignes Auge von der notwendigen Auseinandersetzung der Kritik mit ihrer Geburtsstätte – der Hegelschen Dialektik, und deutschen Philosophie überhaupt – von dieser notwendigen Erhebung der modernen Kritik über ihre eigne Beschränktheit und Naturwüchsigkeit zu entfernen, vielmehr den Schein hervorzubringen sucht, als habe es die Kritik nur noch mit einer beschränkten Gestalt der Kritik außer ihr – etwa der des 18ten Jahrhunderts – und mit der Beschränktheit der Masse zu tun. Endlich, indem der kritische Theologe teils, wenn Entdeckungen über das Wesen seiner eignen philosophischen Voraussetzungen – wie die Feuerbachischen – gemacht werden, sich den Schein gibt, als habe er das zustande gebracht, und zwar sich diesen Schein gibt, indem er die Resultate jener Entdeckungen, ohne sie ausbilden zu können, in der Form von Stichworten gegen noch in der Philosophie befangne Schriftsteller schleudert, teils sich das Bewußtsein sogar seiner Erhabenheit über jene Entdeckungen zu verschaffen weiß, indem er Elemente der Hegelschen Dialektik, die er an jener Kritik derselben noch vermißt, die ihm noch nicht kritisch zum Genuß dargeboten werden, nicht etwa nun selbst in das richtige Verhältnis zu bringen suchte oder zu bringen vermöchte, sondern sie in versteckter, hämischer und skeptischer Weise gegen jene Kritik der Hegelschen Dialektik, also etwa die Kategorie des vermittelnden Beweises gegen die Kategorie der positiven von sich selbst beginnenden Wahrheit, d. [...]A1 in der ihr eigentümlichen Gestalt auf eine geheimnistuerische Weise geltend macht. Der theologische Kritiker findet es nämlich ganz natürlich, daß von philosophischer Seite her alles zu tun ist, damit er von der Reinheit, Entschiedenheit, von der ganz kritischen Kritik schwatzen könne, und er dünkt sich der wahre Überwinder der Philosophie, wenn er etwa ein Moment Hegels als an Feuerbach mangelnd empfindet, denn über die Empfindung zum Bewußtsein kömmt der theologische Kritiker, sosehr er auch den spiritualistischen Götzendienst des »Selbstbewußtseins« und des »Geistes« treibt, nicht hinaus.›

Genau angesehn ist die theologische Kritik – so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches Moment des Fortschritts war – in letzter Instanz nichts anders als die zur theologischen Karikatur verzerrte Spitze und Konsequenz der alten philosophischen und namentlich Hegelschen Transzendenz. Diese interessante Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule Fleck der Phil[osophie], nun auch dazu bestimmt, die negative Auflösung der Philosophie – d.h. ihren Verfaulungsprozeß – an sich[469] darzustellen – diese historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nachweisen.

‹Inwiefern dagegen Feuerbachs Entdeckungen über das Wesen der Philosophie noch immer – wenigstens zu ihrem Beweise – eine kritische Auseinandersetzung mit der philosophischen Dialektik nötig machten, wird man aus meiner Entwicklung selbst ersehn. -› ||XL|[470]

A1

In der Handschrift drei Wörter nicht zu entziffern

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1968, Band 40, S. 467-471.
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