Handelsbilanz von England

[604] Indien allein hat an 5 Mill. Tribut zu zahlen, für »gute Regierung«, Zinsen und Dividenden von britischem Kapital etc., wobei gar nicht berechnet sind die Summen, die jährlich heimgesandt werden, teils von Beamten als Ersparnisse aus ihrem Gehalt, teils durch englische Kaufleute als Teil ihrer Profite, um in England angelegt zu werden. Von jeder britischen Kolonie sind aus denselben Gründen fortwährend große Rimessen zu machen. Die meisten Banken in Australien, Westindien, Kanada sind mit britischem Kapital gegründet, die Dividenden sind in England zu zahlen. Ebenso besitzt England viel auswärtige Staatspapiere, europäische, nord- und südamerikanische, wovon es die Zinsen zu empfangen hat. Dazu kommt dann noch seine Beteiligung bei ausländischen Eisenbahnen, Kanälen,[604] Bergwerken etc., mit den entsprechenden Dividenden. Die Rimessen gegen alle diese Posten werden fast ausschließlich in Produkten gemacht, über den Betrag der englischen Ausfuhr hinaus. Was andrerseits von England ins Ausland geht an Besitzer englischer Wertpapiere und an Verzehr für Engländer im Ausland, ist dagegen verschwindend.

Die Frage, soweit sie die Handelsbilanz und die Wechselkurse betrifft, ist

»in jedem gegebnen Moment eine Frage der Zeit. In der Regel... gibt England lange Kredite auf seine Ausfuhr, während die Einfuhren bar bezahlt werden. In gewissen Momenten hat dieser Unterschied der Usance eine bedeutende Wirkung auf die Kurse. Zu einer Zeit, wo unsre Ausfuhren sehr beträchtlich zunehmen, wie 1850, muß eine fortwährende Ausdehnung der Anlage von britischem Kapital im Gang sein... so können die Rimessen von 1850 gegen Waren gemacht werden, die 1849 exportiert wurden. Aber wenn 1850 die Ausfuhren die von 1849 um 6 Mill. übersteigen, so muß die praktische Wirkung sein, daß mehr Geld außer Landes gesandt ist, zu diesem Betrag, als im selben Jahr zurückgeflossen; und in dieser Weise wird eine Wirkung hervorgebracht auf die Kurse und den Zinsfuß. Sobald dagegen unser Geschäft in einer Krise deprimiert und unsre Ausfuhr sehr eingeschränkt ist, so übersteigen die für die größren Exporte früherer Jahre verfallenden Rimessen sehr bedeutend den Wert unsrer Einfuhr; die Kurse drehn sich dementsprechend zu unsern Gunsten, das Kapital akkumuliert rasch im Inland, und der Zinsfuß fällt.« (»Economist«, 11. Januar 1851.)

Der auswärtige Wechselkurs kann sich ändern

1. infolge der augenblicklichen Zahlungsbilanz, durch welche Ursachen immer diese bestimmt sei: durch rein merkantilische, durch Kapitalanlage im Ausland oder aber durch Staatsausgaben, bei Kriegen usw., soweit Barzahlungen im Ausland dabei gemacht werden.

2. Infolge von Entwertung des Geldes in einem Land, sei dies nun Metall- oder Papiergeld. Dies ist rein nominell. Wenn 1 Pfd. St. nur noch halb soviel Geld repräsentierte wie früher, würde es selbstredend zu 12 1/2 Fr. statt zu 25 Fr. berechnet.

3. Wo es sich um den Kurs zwischen Ländern handelt, von denen das eine Silber, das andre Gold als »Geld« verwendet, ist der Wechselkurs abhängig von den relativen Wertschwankungen dieser beiden Metalle, da diese Schwankungen offenbar das Pari zwischen beiden alterieren. Ein Beispiel vom letztren waren die Kurse 1850; sie waren gegen England, obgleich sein Export enorm stieg; aber dennoch fand kein Goldabfluß statt. Es war Wirkung des momentanen Steigens des Silberwerts gegen den Goldwert. (Siehe »Economist«, 30. November 1850.)

Das Parides Wechselkurses ist für 1 Pfund Sterling: auf Paris 25 Fr. 20 cent.; Hamburg 13 Mark Banko 10 1/2 Sch.; Amsterdam 11 fl. 97 cents.[605] Im Verhältnis wie der Wechselkurs auf Paris über 25.20 steigt, wird er günstiger für den englischen Schuldner an Frankreich oder den Käufer französischer Waren. In beiden Fällen braucht er weniger Pfund Sterling, um seinen Zweck zu erreichen. – In entlegneren Ländern, wo Edelmetall nicht leicht zu erlangen, wenn Wechsel selten und ungenügend sind für die nach England zu machenden Rimessen, ist die natürliche Wirkung Herauftreibung der Preise derjenigen Produkte, die gewöhnlich nach England verschifft werden, indem für diese nun größre Nachfrage entsteht, um sie anstatt Wechsel nach England zu senden; dies ist oft der Fall in Indien.

Ein ungünstiger Wechselkurs und selbst ein Goldabfluß kann stattfinden, wenn in England sehr großer Überfluß an Geld, niedriger Zinsfuß und hoher Preis der Wertpapiere herrscht.

Im Laufe von 1848 erhielt England große Quantitäten Silber von Indien, da gute Wechsel selten waren und mittelmäßige ungern genommen wurden, infolge der Krisis von 1847 und der großen Kreditlosigkeit im indischen Geschäft. Dies ganze Silber, kaum angekommen, fand bald den Weg nach dem Kontinent, wo die Revolution Schatzbildung an allen Ecken herbeiführte. Dasselbe Silber machte 1850 großenteils die Reise nach Indien zurück, da der Stand des Wechselkurses dies nun profitlich machte.


Das Monetarsystem ist wesentlich katholisch, das Kreditsystem wesentlich protestantisch. »The Scotch hate gold.« Als Papier hat das Gelddasein der Waren ein nur gesellschaftliches Dasein. Es ist der Glaube, der selig macht. Der Glaube in den Geldwert als immanenten Geist der Waren, der Glaube in die Produktionsweise und ihre prädestinierte Ordnung, der Glaube in die einzelnen Agenten der Produktion als bloße Personifikationen des sich selbst verwertenden Kapitals. So wenig aber der Protestantismus von den Grundlagen des Katholizismus sich emanzipiert, so wenig das Kreditsystem von der Basis des Monetarsystems.[606]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 604-607.
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