III. Die Produktenrente

[802] Die Verwandlung der Arbeitsrente in Produktenrente ändert, ökonomisch gesprochen, nichts am Wesen der Grundrente. Dies besteht in den Formen, die wir hier betrachten, darin, daß sie die einzige herrschende und normale Form des Mehrwerts oder der Mehrarbeit ist; was sich wieder so ausdrückt, daß sie die einzige Mehrarbeit oder das einzige Mehrprodukt ist, welches der unmittelbare Produzent, der sich im Besitz der zu seiner eignen Reproduktion nötigen Arbeitsbedingungen befindet, dem Eigentümer der in diesem Zustand alles einbegreifenden Arbeitsbedingung, des Bodens, zu leisten hat; und daß es andrerseits nur der Boden ist, der ihm als in fremdem Eigentum befindliche, ihm gegenüber verselbständigte und im Grundeigentümer personifizierte Arbeitsbedingung gegenübertritt. Soweit die Produktenrente herrschende und weitest entwickelte Form der Grundrente ist, wird sie übrigens stets noch mehr oder minder begleitet von Überbleibseln[802] der frühern Form, d.h. von Rente, die direkt in Arbeit abzutragen ist, also mit Fronarbeit, und dies gleichmäßig, ob der Grundherr eine Privatperson oder der Staat sei. Die Produktenrente unterstellt einen höhern Kulturzustand des unmittelbaren Produzenten, also eine höhere Entwicklungsstufe seiner Arbeit und der Gesellschaft überhaupt; und sie unterscheidet sich dadurch von der vorhergehenden Form, daß die Mehrarbeit nicht mehr in ihrer Naturalgestalt, also auch nicht mehr unter direkter Aufsicht und Zwang des Grundherrn oder seiner Vertreter zu verrichten ist; vielmehr der unmittelbare Produzent, durch die Macht der Verhältnisse statt durch direkten Zwang und durch die gesetzliche Bestimmung statt durch die Peitsche angetrieben, unter seiner eignen Verantwortlichkeit sie zu leisten hat. Die Mehrproduktion, in dem Sinn der Produktion über die unentbehrlichen Bedürfnisse des unmittelbaren Produzenten hinaus und innerhalb des ihm selbst faktisch zugehörigen Produktionsfeldes, des von ihm selbst exploitierten Bodens, statt wie früher auf dem herrschaftlichen Gut neben und außer dem seinigen, ist hier schon sich von selbst verstehende Regel geworden. In diesem Verhältnis verfügt der unmittelbare Produzent mehr oder minder über die Verwendung seiner ganzen Arbeitszeit, obgleich nach wie vor ein Teil dieser Arbeitszeit, ursprünglich so ziemlich der ganze überschüssige Teil derselben, dem Grundeigentümer unentgeltlich gehört; nur daß dieser sie nicht mehr unmittelbar in ihrer eignen Naturalform empfängt, sondern in der Naturalform des Produkts, worin sie sich realisiert. Die lästige und je nach der Regelung der Fronarbeit mehr oder minder störend eingreifende Unterbrechung durch die Arbeit für den Grundeigentümer (vergleiche Buch I, Kap. VIII, 2: Fabrikant und Bojar) fällt weg, wo die Produktenrente rein ist, oder ist wenigstens auf wenige kurze Intervalle im Jahr reduziert, wo gewisse Fronden neben der Produktenrente fortdauern. Die Arbeit des Produzenten für sich selbst und seine Arbeit für den Grundeigentümer sind nicht mehr handgreiflich der Zeit und dem Raum nach geschieden. Diese Produktenrente in ihrer Reinheit, obgleich sie trümmerweise sich in weiter entwickelte Produktionsweisen und Produktionsverhältnisse fortschleppen kann, setzt nach wie vor Naturalwirtschaft voraus, d.h. daß die Wirtschaftsbedingungen ganz oder doch zum allergrößten Teil auf der Wirtschaft selbst erzeugt, aus dem Bruttoprodukt derselben unmittelbar ersetzt und reproduziert werden. Sie setzt ferner voraus die Vereinigung ländlicher Hausindustrie mit dem Ackerbau; das Mehrprodukt, welches die Rente bildet, ist das Produkt dieser vereinigten agrikolindustriellen Familienarbeit, ob nun, wie dies häufig im Mittelalter der Fall, die Produktenrente mehr oder minder industrielle Produkte einschließt oder[803] nur in der Form von eigentlichem Bodenprodukt geleistet wird. Bei dieser Form der Rente braucht die Produktenrente, worin sich die Mehrarbeit darstellt, keineswegs die ganze überschüssige Arbeit der ländlichen Familie zu erschöpfen. Dem Produzenten ist vielmehr, verglichen mit der Arbeitsrente, ein größrer Spielraum gegeben, um Zeit für überschüssige Arbeit zu gewinnen, deren Produkt ihm selbst gehört, so gut wie das Produkt seiner Arbeit, das seine unentbehrlichsten Bedürfnisse befriedigt. Ebenso werden mit dieser Form größere Unterschiede in der ökonomischen Lage der einzelnen unmittelbaren Produzenten eintreten. Wenigstens ist die Möglichkeit dazu da, und die Möglichkeit, daß dieser unmittelbare Produzent die Mittel erworben hat, selbst wieder fremde Arbeit unmittelbar auszubeuten. Doch geht uns dies hier nichts an, wo wir es mit der reinen Form der Produktenrente zu tun haben; wie wir überhaupt nicht eingehn können auf die endlos verschiednen Kombinationen, worin sich die verschiednen Formen der Rente verbinden, verfälschen und verquicken können. Durch die an bestimmte Art des Produkts und der Produktion selbst gebundne Form der Produktenrente, durch die ihr unentbehrliche Verbindung von Landwirtschaft und Hausindustrie, durch die fast völlige Selbstgenügsamkeit, die die Bauernfamilie hierdurch erhält, durch ihre Unabhängigkeit vom Markt und von der Produktions- und Geschichtsbewegung des außerhalb ihrer stehenden Teils der Gesellschaft, kurz, durch den Charakter der Naturalwirtschaft überhaupt ist diese Form ganz geeignet, die Basis stationärer Gesellschaftszustände abzugeben, wie wir dies z.B. in Asien sehn. Hier, wie in der frühern Form der Arbeitsrente, ist die Grundrente die normale Form des Mehrwerts und daher der Mehrarbeit, d.h. der ganzen überschüssigen Arbeit, die der unmittelbare Produzent umsonst, in der Tat also zwangsweise – obgleich dieser Zwang ihm nicht mehr in der alten brutalen Form gegenübertritt – dem Eigentümer seiner wesentlichsten Arbeitsbedingung, des Bodens, leisten muß. Der Profit, wenn wir so, falsch antizipierend, den Bruchteil des Überschusses seiner Arbeit über die notwendige Arbeit hinaus nennen, den er sich selbst aneignet, bestimmt so wenig die Produktenrente, daß er vielmehr hinter ihrem Rücken aufwächst und seine natürliche Grenze an dem Umfang der Produktenrente hat. Diese letztere kann einen Umfang besitzen, der die Reproduktion der Arbeitsbedingungen, der Produktionsmittel selbst, ernsthaft gefährdet, Erweiterung der Produktion mehr oder minder unmöglich macht und die unmittelbaren Produzenten auf das physische Minimum von Lebensmitteln herabsetzt. Es ist dies namentlich der Fall, wo diese Form von einer erobernden Handelsnation, wie z.B. von den Engländern in Indien, vorgefunden und exploitiert wird.[804]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1964, Band 25, S. 802-805.
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